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Wichtige Debatten

An die Wand gefahren – Warum wir eine konstruktive Euro-Exit-Debatte brauchen

Der Euro war eine große Chance für Europa. Deutschland hat diese Chance jedoch nie begriffen. Ideologische Scheuklappen haben die Gemeinschaftswährung in eine tiefe Krise manövriert. Ohne eine 180°-Wende wird das Unternehmen „Eurorettung“ scheitern. Leider muss man sich jedoch auch eingestehen, dass es momentan keine Anzeichen für eine solche Wende gibt. Nun könnte nur noch eine europäische Palastrevolution den Euro retten. Vielleicht ist es jedoch dafür jedoch zu spät. Realistisch betrachtet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro die nächsten Jahre überlebt, nicht sonderlich groß. Da der politische und volkswirtschaftliche Schaden eines Euro-Zusammenbruchs epochal sein wird, brauchen wir nun eine konstruktive Debatte, wie ein Exit-Szenario aussehen könnte. Wer sich dieser Debatte verweigert, treibt die Menschen – gewollt oder ungewollt – in die Arme von neoliberalen Populisten, wie der Alternative für Deutschland. Von Jens Berger

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Jetzt jammern sie über die Folgen der von ihresgleichen systematisch betriebenen Verarmung des Staates

In Springers „Welt“ erschien heute ein Artikel, in dem beklagt wird, die marode Infrastruktur schwäche den „Standort Deutschland“. Die Infrastruktur sei eine Stärke Deutschlands gewesen und jetzt werde sie verspielt. – Das ist wieder einmal eine jener zu späten Erkenntnisse aus den Medien-Häusern jener Ideologen, die uns seit Jahren predigen, der Staat solle sich zurückziehen, der schlanke Staat sei angesagt. Das war zwar immer Blödsinn, aber es diente dazu, den ideologisch gleich gefärbten und zugleich auf finanziellen Vorteil bedachten Spezies neue Geschäftsfelder zu eröffnen. Je ärmer der Staat, desto leichter lassen sich Privatisierungen oder Teilprivatisierungen über ÖPP-Modelle durchsetzen. Oder auch die Privatfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Seit langem weisen wir auf diese Fehlentwicklung hin: Hier zum Beispiel finden Sie als Ziffer 8 die Wiedergabe des Kapitels 13 aus „Meinungsmache“ („Die Verarmung des Staates als strategischer Hebel“). Albrecht Müller.

Der Soziologe Wolfgang Streeck war ein durchsetzungsfähiger Wissenschaftler. Aber die ihn heute lobend zitieren, wissen offensichtlich nicht, für was er Pate gestanden hat: für die Agenda 2010.

In den letzten Wochen erreichten die NDS einige Mails mit der Aufforderung, das Buch von Streeck, „Gekaufte Zeit …“ zu besprechen und zu würdigen. Die letzte Mail dazu lautet: „Während Wolfgang Streeck bei den Machern der NDS verpönt ist, schreibt Jürgen Habermas eine Rezension: Blätter, pp. 59-70.“ „Verpönt“ ist das falsche Wort. Ich halte nichts von Wissenschaftlern, die auf der Basis von falschen Analysen und einer strammen ideologischen Ausrichtung bestellte Ratschläge erteilt haben, deren Umsetzung Hunderttausende von Menschen ins Niedriglohn-Unglück getrieben haben. Professor Streeck hat Ende der Neunzigerjahre zusammen mit seinem Kollegen Heinze für Hombach und Schröder über das Bündnis für Arbeit die Agenda 2010 mit vorbereitet. Seitdem war kein „tut mir leid“ zu hören. Eines der wichtigen Dokumente, ein Spiegel-Titel von 1999, wird Ihnen im Folgenden präsentiert – zusammen mit einigen analytischen Hinweisen auf spannende Passagen des Textes. Von Albrecht Müller

Paul Krugman: The Chutzpah Caucus – Der Chutzpe-Klub

Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Argumente für die Austeritätspolitik – scharfe Einschnitte bei den Staatsausgaben selbst angesichts einer schwachen Wirtschaftslage – in sich zusammen gefallen. Behauptungen, Ausgabensenkungen wirkten vertrauensbildend und führten deshalb zu einem Aufschwung am Arbeitsmarkt, haben sich als falsch erwiesen. Es hat sich auch gezeigt, dass die Behauptung, es gäbe da so eine Art roter Linie bei der Verschuldung, die Staaten nicht überschreiten sollten, auf schwammigen und zum Teil schlicht falschen Berechnungen basierte. Voraussagen von Haushaltskrisen bewahrheiten sich nicht; Voraussagen von Desaster infolge der strengen Austeritätspolitik aber haben sich als nur allzu zutreffend erwiesen. New York Times Opinion Pages, 5.Mai 2013
(Aus dem Englischen übersetzt von ToberÜbersetzungenBerlin)

Über Pawlow’sche Hunde im deutschen Medien- und Politikzirkus und die dringende Aufforderung an Frankreich etc., eine publizistische Gegenmacht aufzubauen

Unter den nicht zum neoliberal verseuchten Club gehörenden Ökonomen herrscht weit gehender Konsens darüber, dass ohne die Angleichung der Wettbewerbsfähigkeiten im Euroraum die Karre der von uns allen gewünschten gemeinsamen Währung an die Wand fährt. Diese Tatsache beeindruckt bisher die handelnden Personen in Berlin und die sie unterstützenden Medien nicht. Dort herrscht eine unverantwortliche Nach-uns-die-Sintflutmentalität. Diese gefährliche Position ist publizistisch und semantisch kräftig unterfüttert – siehe hier. Bisher setzen viele von uns darauf, dass sich Berlin doch noch bewegt und eine innere Aufwertung auf deutscher Seite möglich macht; andere haben die Hoffnung aufgegeben. Zu Letzteren zählt Oskar Lafontaine. Von ihm erschien am 30. April ein Diskussionsbeitrag unter dem Titel „Wir brauchen wieder ein europäisches Währungssystem“. Von Albrecht Müller

Eine Logik des Niedergangs – Auswüchse formaler Denkkultur

Die deutsche Öffentlichkeit wird durch manche ihrer eifrigsten Politiker fehlgeleitet, und zwar in der Verschuldungsfrage des Staates. Vor allem durch die alltäglichen Anstrengungen von Exponenten der derzeitigen Regierungskoalition. Die fortgesetzte Propagierung eines formal-eindimensionalen Denkens, wie sie sich rund um die “Sparpolitik” manifestiert, manipuliert oder irritiert die Menschen: Hierbei werden elementare volkswirtschaftlich negative Rückwirkungen der “Sparpolitik” ignoriert oder geleugnet, wie sie makroökonomisch zur normalen Einsicht in die Grundzusammenhänge gehören. Es erscheint öffentlich fast als Tabu-Bruch, die gekürzten bzw. geminderten fiskalischen Ausgaben als relevant für die Reduzierung der Wachstumsraten zu interpretieren. Ein Gastartikel von Karl Mai [*]

Fortsetzung des Blicks auf die uns umstellenden Manipulationen durch Falschinformation, PR, Weglassen, Nachlässigkeit, usw.

Am 15. April hatten wir Sie wieder einmal auf eine Reihe der üblichen Irreführungen hingewiesen und die Fortsetzung insbesondere zum Thema „Wir sind die Guten, die Russen sind die Bösen“ angekündigt. Auch beim Gebrauch des Wortes Sparen und der so genannten Staatsschuldenkrise und im Fall Hoeneß wird über weite Strecken manipuliert, gezielt desinformiert, verschwiegen. Manchmal ist die Manipulation nicht nur die Folge gezielter PR Strategien sondern der Nachlässigkeit von eigentlich zur Aufklärung geneigten Zeitgenossen. Von Albrecht Müller

Uli Hoeneß – der tiefe Fall des „Vater Teresa vom Tegernsee“

Uli Hoeneß gab sich stets redlich Mühe, sich selbst als moralisches Vorbild zu stilisieren. Durch tatkräftige Mithilfe der Medien avancierte er in den letzten Jahren zum integren Sprachrohr konservativer Politik. Spätestens seit den Steuerhinterziehungsvorwürfen von diesem Wochenende ist jedoch klar, dass der FC-Bayern-Boss und Wurstoligarch Hoeneß höchstens als Vorbild für konservative Doppelmoral taugt. Ob Hoeneß die Spiele des FC Bayern künftig hinter schwedischen Gardinen verfolgen muss, ist derzeit noch offen. Eine – vielleicht entscheidende – Frage wird von den Medien bislang noch nicht gestellt: Warum erhielt Hoeneß „um das Jahr 2000 herum“ ein Darlehen des damaligen Adidas-Chefs? 2002 beteiligte sich Adidas mit 10% am FC Bayern München. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Hoeneß durch Annahme des Darlehens auch der Untreue schuldig gemacht hat. Von Jens Berger

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Olli Rehn in Unterhosen – eine treffende und zum Lachen animierende Ergänzung zu den “Klapperstörchen”.

Natürlich hat Albrecht Müller Recht, wenn er sagt, eine ernsthafte Debatte über Reinhart/Rogoff (RR, „Dieses Mal ist alles anders“) erübrige sich, da sowohl der Gedanke einer Kausalität zwischen Höhe der Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum (jedenfalls in dieser Reihenfolge) als auch der Versuch, einen (allgemeingültigen) Schwellenwert der Staatsverschuldung festzulegen, ab dem die Wirtschaftsentwicklung umkippe, absurd sei.
Das Witzige ist nur, dass RR derartiges in Ihrem Buch nie behauptet haben. Von Erik Jochem

Konjunkturprognose: Die Welt wird von den Füßen auf den Kopf gestellt

Trotz des äußerst schwachen Wachstums von erwarteten 0,8 % in diesem Jahr scheint für die acht Wirtschaftsinstitute alles zum Besten zu stehen. Eigentlich brauchte man deren „Gemeinschaftsdiagnosen“ keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken. Sie liegen meist daneben und loben vor allem ihren Auftraggeber. Im Wahljahr geben die „Wissenschaftler“ sogar eine eindeutige Wahlempfehlung für die auftraggebende Regierung ab.
Das Frühjahrsgutachten ist wieder einmal ein Beispiel, wie dogmatisch bornierte Ökonomen, die Welt von den Füßen auf den Kopf stellen. Der Zusammenhang zwischen der rigiden „Sparpolitik“ und rezessiver Wirtschaftsentwicklung wird stur geleugnet. Ein Nachlassen bei den offensichtlich katastrophalen Problemlösungskonzepten zur Ursache der Probleme erklärt. In ihrer Fixierung auf staatliche Ausgabenkürzungen und den Abbau von Sozialleistungen bemerken die ideologisch bornierten Think-Tanks nicht einmal die Widersprüche, in die sie sich selbst verwickeln. Von Wolfgang Lieb

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Der Nordkorea-Konflikt aus Sicht der Welthungerhilfe: Es geht um die Menschen

Kein Tag vergeht an dem nicht eine Meldung über den aktuellen Nordkorea-Konflikt veröffentlicht wird. Die Bandbreite reicht von Meldungen über die martialische Kriegsrhetorik, Spekulationen hinsichtlich innenpolitischer Machtkonstellationen bis hin zu Berichten einer angeblichen Hungersnot. Zu wenig wissen die Menschen hier in Europa über dieses Land, in das es kaum Einblicke gibt und das sich selbst seit Jahrzehnten abschirmt. Von Dirk Reber [*]

Wenn die Klapperstörche vor dem 1. April die Grenze zwischen Elsass und Südpfalz überfliegen, dann steigt die Geburtenrate in der Südpfalz im Januar des folgenden Jahres um 10 %.

Jetzt ist diese für die Gestaltung des demographischen Wandels wichtige Erkenntnis der neoliberalen Theoretiker von Wissenschaftlern widerlegt worden. Sie haben nachgewiesen, dass die Theorie auf einem peinlichen Excel-Fehler aufbaute. Der erkennbare Unsinn der These wie auch der erkennbare Unsinn der Korrektur ist direkt auf eine gestern ausgebrochene Debatte anzuwenden. Ich zitiere SpiegelOnline: „Schulden-Theorie: Excel-Panne stellt Europas Sparpolitik in Frage. – Die US-Forscher Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart lieferten den wissenschaftlichen Überbau für die weltweite Sparpolitik: Bei Staatschuldenquoten von mehr als 90 Prozent leide das Wachstum.“ Jetzt hätten drei Forscher von der Universität Massachusetts die wissenschaftliche Grundlage des politischen Spardogmas ins Wanken gebracht. Sie seien zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Darüber wird nun in den Medien und zwischen den Wissenschaftlern feurig diskutiert. Eine absolute Unsinnsdebatte. Die Theorie war grotesk. Deshalb ist auch ihre Widerlegung grotesk. Zeitverschwendung. Albrecht Müller.

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Die Deutschen zwischen Verfolgungs- und Größenwahn

Wenn man dieser Tage die Verlautbarungen der Politiker und die Kommentare in den Medien verfolgt, dann kann einem nur noch Angst und Bange werden. Es herrscht eine Stimmung, wie man sie in der Literatur oder in der kritischen Geschichtsschreibung vor exakt einhundert Jahren, nämlich vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges beschrieben findet.
Wir Deutschen sind die Erfolgreichsten, wir sind diejenigen die wirtschaftlich am besten dastehen, wir haben die die richtigen wirtschaftspolitischen Konzepte, wir bürgen und zahlen für die anderen, wir sind die Retter Europas, am deutschen Modell soll Europa genesen. So hört und liest man allenthalben. Dieses Selbstlob, ja diese Selbstüberschätzung trägt Züge von Größenwahn.
Auf der anderen Seite beklagt man die Kritik unserer Nachbarn an der maßgeblich von der deutschen Regierung geprägten Austeritätspolitik mit einer Weinerlichkeit, die man nur noch als Verfolgungswahn bezeichnen kann. Von Wolfgang Lieb.

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Na, Ihr Pseudochristen in der CDU/CSU – vergesst ja nicht, an Ostern Buße zu tun für die Menschenleben, die Ihr Eurer Austeritätsideologie opfert

Was jetzt in einer Studie der Fachzeitschrift „Lancet“ berichtet wird, konnte man alles wissen: in Folge der sinnlosen weil erfolglosen Sparversuche mit der Krise wird bei der Gesundheitsversorgung gespart, Menschen verzweifeln wegen Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit, die Selbstmordrate unter Rückgriff auf Drogen steigt. SpiegelOnline berichtet unter der Überschrift „Euro-Krise kostet Menschenleben“ über die Ergebnisse der Studie. Albrecht Müller.

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Lackierte Kampfhunde – Der Straßenverkehr als Ventilsitte

„Wer bremst, verliert!“, lautet das Motto des Lebens unter den Bedingungen entfesselter Konkurrenz. Der andere ist der Feind – Glück ist, wenn der Pfeil den Nebenmann trifft. Nirgends zeigen sich die Folgen einer systematisch betriebenen Entgesellschaftung und Entsolidarisierung so deutlich wie im Straßenverkehr. Von Götz Eisenberg.