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Überwachung

Pofalla rettet sich über die Zeit – Die Taktik des nichts dementierenden Dementis

Letzte Woche behauptete der Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla der Ausspähungsskandal sei „vom Tisch“. Er dementierte dabei Vorwürfe, die gar nicht gemacht wurden. Bei seiner neuerlichen Anhörung vor der Parlamentarischen Kontrollkommission greift er Zweifel an seinen früheren Aussagen auf, die gar nicht mehr in Zweifel standen.

Wie undurchdringlich der Dschungel der ausländischen und deutschen Geheimdienstaktivitäten ist, belegen die über einhundert Fragen die der Grünen-Abgeordnete und parlamentarische Geheimdienstkontrolleur Hans-Christian Ströbele an die Bundesregierung gestellt hat.

So wichtig und richtig das Verlangen nach Aufklärung und nach einem besseren Schutz der Grundrechte durch die Bundesregierung ist, so wenig ist zu erwarten, dass die Regierung die Enthüllungen über den Überwachungsskandal vor der bevorstehenden Wahl noch aufklären wird und will. Merkels „Schattenmann“ versucht sich wie ein angeschlagener Boxer über die Zeit retten. Wenn es die politischen Kräfteverhältnisse nach der Wahl nicht erlauben sollten, wenigsten danach einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten, dann dürfte auch dieser Überwachungsskandal politisch wieder „vom Tisch“ sein. Und die Geheimdienste werden unter dem Tisch weitermachen wie bisher. Denn die Regierenden in aller Welt werden angesichts der sich zuspitzenden Krise den Teufel tun, von der Überwachung ihrer Bürgerinnen und Bürger abzulassen. Von Wolfgang Lieb.

BILD geht über Leichen um die NSA-Affäre zu bagatellisieren

Wenn es um die „Totalüberwachung“ der digitalen Kommunikation durch die Geheimdienste geht, ist für die BILD-Zeitung die Welt immer noch in Ordnung. Denn BILD meint zu wissen, dass die Berichte zur NSA-Affäre „wohl Unsinn“ sind, während das Boulevard-Blatt die Darstellung der Bundesregierung als Fakt darstellt. Sich darüber aufzuregen, wäre jedoch verschwendete Energie. Die BILD ist nun einmal kein journalistisches Medium, sondern ein anzeigenfinanziertes Propagandablatt. Geradezu widerlich ist jedoch, wie BILD in seiner gestrigen Ausgaben gegen den SPIEGEL auskeilt und dabei das Leben eines entführten Journalisten vorsätzlich in Gefahr bringt. Und das alles nur, um die NSA-Affäre zu bagatellisieren und die Kritiker der Ausspähprogramme in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken. Von Jens Berger.

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Pofallas Erklärungen: Mehr Fragen als Antworten

Mit vollmundigen Erklärungen trat gestern Ronald Pofalla nach der Sondersitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission vor die Mikrofone. „Er las eine vorbereitete Erklärung[*] von seinem Sprechzettel ab, dass es „in Deutschland keine millionenfache Ausspähung“ gebe und dass der „Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland nach Angaben der NSA, des britischen Dienste und unserer Nachrichtendienste vom Tisch sei“.
Der Abhörskandal also nur heiße Luft?
Wer sich so weit nach vorne wagt, muss sich fragen lassen, ob er den Mund nicht zu voll genommen hat. Und da stellen sich bei genauerer Betrachtung mehr Fragen, als dass Pofalla Antworten gegeben hat. Steht die Kanzlerin hinter den Erklärungen ihres Kanzleramtsministers? Von Wolfgang Lieb.

Geschichte wiederholt sich als Tragödie und als Farce zugleich – Schon seit 1989 hätte die Bundesregierung über die Überwachung durch die NSA Bescheid wissen können

Im Februar 1989 brachte der Spiegel eine Titelgeschichte „Freund hört mit“. Die Überschrift des Artikels lautete damals: „NSA: Amerikas großes Ohr, Die National Security Agency, der aggressivste Nachrichtendienst, hört Freund und Feind ab“. Daraufhin hatte die Fraktion der Grünen im Bundestag eine Aktuelle Stunde zum Thema „Die Haltung der Bundesregierung zu Behauptungen in der Presse über das amerikanische NSA-System (Nationale Sicherheits-Agentur)“ beantragt. (Stenografischen Bericht der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 24. Februar 1989, S. 9517 ff. [PDF – 1.1 MB]).
In dieser Debatte von damals begegnet man den gleichen Abwiegelungsstrategien der Politik gegenüber dem Überwachungswahn der Geheimdienste, wie wir sie jetzt, fast ein Viertel Jahrhundert später als Reaktion auf die Snowden-Enthüllungen wieder erleben müssen.
Geschichte wiederholt sich offenbar als Tragödie und als Farce zugleich.
Es ist eine Tragödie, wie die demokratischen Staaten und ihre Geheimdienste seit Jahrzehnten mit dem Grundrecht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses, mit der informationellen Selbstbestimmung, dem Schutz der Privat- und Intimsphäre umgehen und statt ihren Bürgerinnen und Bürgern Schutz zu gewährleisten, diese unter Generalverdacht stellen.
Es ist zugleich eine Farce, wie die Politik mit den immer gleichen Ausreden die totale Überwachung rechtfertigt, jede Kritik daran an sich abprallen lässt und schon gar nichts gegen die Unterwanderung von Recht und Gesetz durch Geheimabkommen über die Tätigkeit von Geheimdiensten unternimmt.
Von Wolfgang Lieb

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Merkel gerät immer tiefer in den Sumpf des Abhörskandals

Eine massenhafte Ausspähung deutscher Bürger durch die NSA gibt es nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau gar nicht. Der BND liefere vielmehr umgekehrt die „500 Millionen Datensätze“, über die Edward Snowden berichtet hat, auf der Grundlage eines Abkommens vom 28. April 2002 zwischen Deutschland und den USA freiwillig an die NSA.

Sollte diese neue Information, dass der BND der Handlanger für die NSA ist, zutreffen, warum wurde dies dann nicht schon längst zugegeben?

Hat die Kanzlerin mit ihren bisherigen Äußerungen etwa nur die Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt?

Ständig hat sie doch im Zusammenhang mit Vorhalt der massenhaften Ausspähung durch die NSA erklärt, sie wisse nichts Genaues, man dränge bei den Amerikanern auf Aufklärung, man müsse dafür sorgen, dass (die auswärtigen Geheimdienste) deutsches Recht einhalten etc.

Die angebliche „Wende“ im NSA-Datenskandal wäre nicht nur eine „Blamage“ für die Bundesregierung, sondern sie wirft Fragen auf, die die Kanzlerin in Bedrängnis bringen.

Von Wolfgang Lieb.

Schily als Wahlhelfer für Merkel

Der „rote Sheriff“ macht in einem SPIEGEL-Interview über die Geheimdienstüberwachung Thomas Oppermann, den Mann, der im Wahlkampfteam von Peer Steinbrück für das Amt des Innenministers steht, geradezu lächerlich. Und er hilft Merkel aus der Patsche. Dass die sozialdemokratischen Wählerinnen und Wähler gerade auch Schily 2005 abgewählt haben, hat er offenbar bis heute nicht wahrgenommen. Schilys Versuch, die soziale Verunsicherung durch Schröders Agenda-Politik durch umso mehr Aktivitäten der inneren Sicherheit auszugleichen ist grandios gescheitert. Die SPD ist abgesackt, dafür lässt sich Schily von der Überwachungsindustrie fürstlich entlohnen. Von Wolfgang Lieb.

Der Abhörskandal, ein gewohnheitsmäßiger Verfassungsbruch?

Es ist schon jetzt ein Verdienst der Snowden-Enthüllungen, dass sie Fragen nach der Geltungskraft des Grundgesetzes und damit auch der Souveränität Deutschlands aufwerfen.
Konnten frühere Grundrechtsverletzungen und Einschränkungen der Souveränität als Einzelfälle verharmlost und mit unterschiedlichen Begründungen beiseite gewischt werden, so sind wir bei dem konkreten Verdacht massenhafter Überwachung und Ausspähungen als Bürger und Grundrechtsträger alle unmittelbar betroffen. Die neue mögliche Quantität der Überwachung schafft eine neue Qualität gegenüber früheren Rechtsverletzungen in Einzelfällen.
Lässt das Grundgesetz einen gewohnheitsmäßigen Verfassungsbruch zu? Ist der Amtseid auf das Grundgesetz nur Heuchelei?
Was eine dem Grundgesetz verpflichtete Regierung tun müsste. Von Wolfgang Lieb

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NachDenkSeiten-Service: Verschlüsselung von Mails

Würden Sie ihre vertrauliche Korrespondenz mit Ämtern, Geschäftspartnern und Freunden im traditionellen Briefverkehr als Postkarte verschicken? Sicher nicht, schließlich möchten Sie ja nicht, dass der Briefträger und jeder Sortierer bei der Post ihre Korrespondenz mitliest. Wenn Sie jedoch elektronische Post, also E-Mails, verschicken, dann verschicken Sie in der Regel elektronische Postkarten, die nicht nur neugierige Geheimdienste und Internetdienstleister, sondern mit überschaubarem Aufwand auch jeder kleine Hacker mitlesen kann. Als Abhilfe bietet sich hier vor allem der Versand und Empfang von verschlüsselten Mails an. Die Ersteinrichtung der dafür benötigten Software ist zwar für Computerlaien nicht ganz so einfach. Es gibt jedoch zahlreiche Tutorials im Netz, mit denen Sie mühelos den Einstieg in die Welt der Verschlüsselung meistern sollten. Von Jens Berger.

Dass Angela Merkel „rumeiert“ und Innenminister Friedrich sich windet, kann ich verstehen. Sie tun das aus falsch verstandener Staatsräson.

Heute muss ich Merkel und Friedrich verteidigen; das fällt wirklich schwer. Aber manche ihrer Kritiker in Sachen US Spionage und Überwachung regen sich über das Falsche auf. Die US Spionage in Deutschland schneide die Wurzeln der Grundrechte ab, meint Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung und er beklagt die „Unterhöhlung des Bodens des Grundgesetzes“. Ja mei, das ist durch die fortbestehenden Sonderrechte der Alliierten schon lange geschehen. Und der gute Michael Spreng meint im „Sprengsatz“, Merkel ist und bleibe gegenüber den USA eine Kanzlerin der Ohnmacht. Das galt auch für ihre Vorgänger. Vielleicht haben diese den belassenen Spielraum besser genutzt als Merkel. O.k., das kann man kritisieren. Aber jetzt so massiv drauf zu hauen, ohne den Hintergrund nämlich die mangelnde Souveränität Deutschlands zu beschreiben, ist irreführend. Albrecht Müller.

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Innenminister Friedrichs „klare Ansage“

In einem Interview von Ines Arland mit Hans-Peter Friedrich zur NSA-Abhöraffäre auf dem Sender Phoenix am 17.07.2013 schwurbelt der Innenminister wortreich und verweigert jede Aussage. Das Interview erinnert an Stoibers Gestammel über die Transrapid-Anbindung zum Münchner Hauptbahnhof und ist eher eine Lachnummer, als ein Beitrag zur Aufklärung des Datenabschöpfungsskandals. Unser Leser J.Sch. hat dankenswerterweise die entscheidenden Passagen transkribiert.
Wolfgang Lieb

Die FAZ auf Bild-Niveau – vier Artikel vom 5. Juli 2013

Eine auffällige Massierung von plumper Meinungsmache hat sich die Frankfurter Allgemeine am 5. Juli 2013 in mehreren Artikeln zum Thema NSA-Skandal und Edward Snowden geleistet. Es sind eigentlich nur kleine Artikel – ein Nachrichtenartikel und drei Kommentare – aber wenn man sie gründlich liest, merkt man, wie hier durch Formulierung und Wortwahl gerade auch im Kleinen manipuliert wird. Von Dietrich Klose

Merkel versinkt im Geheimdienstsumpf

In einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ über den Abhörskandal um den amerikanischen Geheimdienst NSA hat die Kanzlerin den deutschen Geheimdienst und das Abhören von Telekommunikation verteidigt. Die Bundeskanzlerin erklärte: “Dass Nachrichtendienste unter bestimmten und in unserem Land eng gefassten rechtlichen Voraussetzungen zusammenarbeiten, entspricht ihren Aufgaben seit Jahrzehnten und dient unserer Sicherheit.” Inwieweit Berichte über Programme wie Prism zuträfen, müsse geklärt werden. Sie selbst habe vom US-Spionageprogramm aus den Medien erfahren, sie habe davon “durch die aktuelle Berichterstattung Kenntnis genommen”, sagte sie…
Merkel bemerkt offenbar nicht, wie sie selbst im Geheimdienstsumpf versinkt. Von Wolfgang Lieb

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Google und Facebook – gefährliche Datenkraken oder Blender? Ein Selbstversuch

Mittlerweile dürfte es sich bereits bis zum arglosesten Internetnutzer herumgesprochen haben, dass die Dienste der beiden Internetgiganten Google und Facebook im großen Maßstab Nutzerdaten speichern und zu einem Profil zusammenfügen, das von ihnen vor allem zu Werbezwecken genutzt wird. Welche Daten dieses Profil erhält, lässt sich über die gut versteckte Selbstauskunftsfunktion dieser Dienste in Erfahrung bringen. Das Ergebnis lädt dabei zunächst zum Schmunzeln ein. Erst beim zweiten Blick offenbart sich die Gefahr der gesammelten Daten – vor allem dann, wenn Geheimdienste Zugriff auf die Daten haben. Von Jens Berger.

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Die Demokratie nur noch ein Spielball der Geheimdienste?

Kaum ein Verschwörungstheoretiker hätte sich das nun bekannt gewordene Ausmaß der Überwachung durch die amerikanischen, britischen und französischen sowie – in Kooperation mit ihnen – der deutschen Geheimdienste ausmalen können, doch die Verschwörungstheorie ist zum Normalfall geworden.

Die Bundesregierung verhält sich wie die drei weisen Affen: sie stellt sich blind, taub und stumm.

Angesichts des Ausmaßes der Anhaltspunkte für die Verletzung eines grundlegenden, verfassungsgeschützten Menschenrechts lässt sich die Reaktion der Politik nur damit erklären, dass jedenfalls die Verantwortlichen darüber Bescheid wussten oder sich dem schwerwiegenden Vorwurf aussetzen, nicht gewollt zu haben, darüber Bescheid zu wissen.

Wenn sich Regierung und Parlamentäre herausreden, sie hätten das alles nicht geahnt, dann wäre es umso schlimmer um die Demokratie bestellt. Das hieße nämlich, dass die demokratischen Institutionen zum Spielball der Geheimdienste geworden sind. Von Wolfgang Lieb.

Edward Snowden – ein Freund, ein guter Freund …

Nun haben sich auch Daniel Ortega und Nicolás Maduro im Fall Snowden zu Wort gemeldet. Der Präsident Venezuelas bot dem NSA-Whistleblower Asyl im „Vaterland von Bolívar und Chávez“ an, um ihn „von der imperialistischen Verfolgung Nordamerikas“ zu bewahren. Wunderbar, aber warum ist Maduro diese Idee nicht drei Tage früher gekommen, als er mit seinem Regierungsflugzeug in Moskau war? Die Südamerikaner entdecken ihre Freundschaft für Snowden immer dann, wenn sie sich sicher sein können, dass er weit weg ist und dies auch bleibt. Auch die EU-Staaten sind gewiss kein sicherer Hafen für Snowden, da seine Dokumente nicht nur die Machenschaften der NSA, sondern auch die Machenschaften der europäischen Geheimdienste bloßlegen. Daran haben auch einige mächtige Personen in Berlin und Pullach nicht das geringste Interesse. Edward Snowden hat viele mächtige Feinde, während seine vermeintlichen Freunde sich bislang größtenteils als Maulhelden erwiesen haben. Von Jens Berger