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Parteien und Verbände

Tarifrunde 2012 – Medizin für eine kränkelnde Volkswirtschaft

Die Zeichen stehen auf Sturm. Nachdem die Arbeitgeberseite trotz Warnstreiks bis dato noch nicht ernsthaft auf die Forderungen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di eingegangen ist, droht dem Land nun ein zäher Arbeitskampf mit massiven Streiks im öffentlichen Dienst. Dabei sind die Forderungen der Arbeitnehmer nicht nur im Sinne der Frage eines gerechten Lohns gerechtfertigt, sondern stellen ein zwingend notwendiges Korrektiv für die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone dar. Da bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Staat auf Seiten der Arbeitgeber verhandelt, könnte hier die Politik endlich ein Zeichen setzen, gelten die Verhandlungen doch auch als Vorlage für etliche Tarifverhandlungen, die in den nächsten Monaten anstehen. Von Jens Berger.

Gabriel und Hollande – getrennt statt Seit´ an Seit´

Am Wochenende demonstrierten die Führer der sozialdemokratischen Parteien Deutschlands, Frankreichs und Italiens Einigkeit in den wichtigsten Fragen der Zukunft Europas. Die zur Schau gestellte Einigkeit ist jedoch bei näherer Betrachtung ein hohler Popanz. Die ideologischen Brücken zwischen der deutschen und der französischen Sozialdemokratie sind gewaltig und Sigmar Gabriels Positionen unterscheiden sich teilweise diametral von denen seines französischen Genossen François Hollande. Es wäre wohl ehrlicher gewesen, wenn der SPD-Vorsitzende nicht Hollande, sondern dessen Konkurrenten Sarkozy unterstützt hätte. Die von den Medien diskutierte Wachablösung des Merkozy-Tandems durch „Gabrollande“ ist nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich fragwürdig. Von Jens Berger.

„Die Mission am Hindukusch ist gescheitert.“ Wer hätte das gedacht!

Ein kleiner Wochenrückblick: In dieser Woche habe ich neben der Medienarbeit für „Der falschen Präsident“ Gedanken für meinen Diskussionsbeitrag beim NDS-Strategie-Gespräch in Bonn am 22. März gesammelt. Da geht es um eine „Politische Strategie für eine Mehrheit links von der Mitte“. Das Scheitern der Koalition in NRW (siehe „Verzockt“) haben die Möglichkeit des Nachdenkens über eine solche Alternative weiter beschädigt. Was hat das mit Afghanistan zu tun? Die Differenzen in der Frage von Militäreinsätzen zwischen SPD und Grünen auf der einen Seite und der Linkspartei auf der anderen Seite sind nach Meinung von Roten und Grünen ein zentraler trennender Auffassungsunterschied. Die Tatsache, dass die Linkspartei den Einsatz in Afghanistan wie auch frühere militärische Einsätze nicht gutheißt, stört Rot und Grün fundamental. – Wenn jetzt aber sogar SpiegelOnline feststellt, die Mission am Hindukusch sei gescheitert, dann müsste eigentlich Bewegung in die festgefahrenen Differenzen kommen. „Müsste“ – mit dem Votum für Pfarrer Gauck haben sich Rot und Grün auf einen vergleichsweise interventionsfreudigen Bundespräsidenten festgelegt. Albrecht Müller.

Verzockt

Anfang Mai wird es in Nordrhein-Westfalen Neuwahlen geben. Ein durchaus bezweifelbares Gutachten von der CDU-geführten Landtagsverwaltung, wonach mit der Ablehnung des Haushaltsplanes auch nur eines einzigen Ministeriums im Parlament der Gesamthaushalt für NRW schon in der zweiten Lesung als abgelehnt zu gelten hat, hat das Pokerspiel der Landtagsparteien um den Haushalt 2012 für alle überraschend beendet. Dabei waren gerade alle Fraktionen dabei sich gegenseitig zu bluffen. Jetzt haben sich alle verzockt und die Karten werden neu gemischt. Es wird einen Wahlkampf geben, der insofern von nationaler Bedeutung ist, als von CDU und FDP im bevölkerungsreichsten Bundesland eine Abstimmung über die „Schuldenbremse“ zum Thema gemacht wird, also über die Frage, ob der Staat finanz-, wirtschafts-, bildungs- und sozialpolitisch noch handlungsfähig bleiben kann. Von Wolfgang Lieb

Die „Ermächtigung“ des Herrn Gauck oder die späte Rache der ehemaligen DDR an der alten Bundesrepublik

Am 18. März wird der elfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Anders als vor knapp zwei Jahren als Christian Wulff sich gegen Joachim Gauck erst im dritten Wahlgang durchsetzen konnte, dürfte der neue Bundespräsident schon bei der ersten Abstimmung eine überwältigende Mehrheit der Stimmen aus der Bundesversammlung bekommen. Joachim Gauck hat die Unterstützung der Führungsgremien von CDU, CSU, FDP, SPD und der Grünen. Die von diesen Parteien entsandten Wahlleute stellen 1.100 der 1.240 Mitglieder der Bundesversammlung. Selbst wenn einige Wahlmänner oder Wahlfrauen Joachim Gauck nicht wählen wollen oder können, wird die von der Partei die LINKE benannte Gegenkandidatin Beate Klarsfeld keinerlei Chance haben, denn nach aller Erfahrung folgen die Wahlleute bei der Stimmabgabe den Empfehlungen ihrer Parteiführungen. Wenn sie allerdings Gaucks Texte und Reden lesen würden, dann müssten zumindest die Sozialdemokraten, die Grünen und jene vom Arbeitnehmerflügel der Union gegen ihn stimmen, wenigstens im ersten Wahlgang. Von Wolfgang Lieb.

Griechenlands Zukunft (II)

Zwei aufmerksame Leser haben mich auf ein Versäumnis aufmerksam gemacht, das ich hiermit korrigieren will. Bei meinem Ausblick auf die griechischen Wahlen (NachDenkSeiten vom 27. Februar) vergaß ich die rechtsradikale Partei Laos (die Buchstaben stehen für: Laikos Orthodoxos Synagermos oder „Orthodoxer Volksalarm“). Das ist bedauerlich, aber auch nicht ganz unverständlich. Die Laos unter ihrem charismatischen Vorsitzenden Giorgos Karatzaferis, die in den letzten Jahren als größte Bedrohung für das etablierte Parteiensystem gesehen wurden, haben stark an Attraktion verloren und werden im kommenden Parlament aus derzeitiger Sicht keine bedeutende Rolle spielen. Jedenfalls eine weit weniger bedeutende, als sich Karatzaferis das vorgestellt hat. Von Niels Kadritzke

Bundesregierung beugt sich den Forderungen der Verlegerlobby

Die schwarz-gelbe Koalition hat sich am Sonntag auf die Einführung einer gesetzlichen Zwangsabgabe für die Verbreitung von Presseerzeugnissen im Internet geeinigt. So sollen gewerbliche Anbieter wie Suchmaschinenbetreiber und freie Nachrichtenportale künftig für die Verlinkung von Zeitungsartikeln zahlen. Die Piratenpartei spricht sich mit Nachdruck gegen diese von den Regierungsparteien garantierten Einkommen für große Verlage aus. Der freie Zugang zu Informationen im Internet wird mit dem Leistungsschutzrecht unverhältnismäßig eingeschränkt.

Griechenlands Zukunft

Im dritten Teil seiner ausführlichen Serie über die Lage in Griechenland wirft NachDenkSeiten-Autor Niels Kadritzke einen Blick auf das griechische Parteiensystem im Vorfeld der Wahlen. Einen besonderen Fokus legt der dabei auf die politische Linke des Landes, deren Zustimmungswerte in Folge der Krise stark ansteigen konnten.

Die PIRATEN: Richtige Fragen, unausgegorene Antworten

Was will die Piratenpartei? Die Bewegung ist in Deutschland quasi aus dem Stand zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft geworden. Rund neun Prozent, so eine Emnid-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag, sagen, sie würden, wenn heute Bundestagswahl wäre, die PIRATEN wählen. Doch wofür steht diese Partei jenseits ihrer Forderungen nach einem möglichst freien Internet und einem bedingungslosen Grundeinkommen? Einblick in die Gedankenwelt der Piraten gibt das Buch von Wätzold Plaum, „Die Wiki-Revolution. Absturz und Neustart der westlichen Demokratie“, das in diesen Tagen im Rotbuch-Verlag erschienen ist. Doch auch wenn man jedem Beitrag zur Debatte über unser politisches System mit Sympathie begegnen sollte, so erstaunt doch die Naivität, mit der versucht wird, Teilaspekte des Internet auf die gesamte Gesellschaft zu übertragen. Von Erika Fuchs.

Nachtrag zur Rolle und zum Versagen der Gewerkschaften bei Einführung der Riester-Rente und anderem

In den NachDenkSeiten konnten Sie in den letzten Tagen Texte zu einer Kontroverse über die Rolle der Gewerkschaften bei der Einführung der Riester-Rente finden. Der Verdi Vorsitzende Bsirske hatte sich kritisch geäußert. Ursula Engelen-Kefer hat darauf geantwortet und ihren Widerstand gegen die Befürworter im DGB und bei einzelnen Gewerkschaften beschrieben. Volker Bahl sieht ein schwerwiegendes Demokratie-Defizit bei der Austragung von politischen Kontroversen über ein so grundlegendes Thema wie die Rentenreform. – Bei der Lektüre dieser Kontroverse fällt mir auf, dass nahe liegende Defizite nicht beschrieben werden: Die Gewerkschaften haben die Bedeutung der Meinungsmache und die Dominanz ihrer Gegenseite nicht gesehen und haben es versäumt, den Aufbau von Gegenöffentlichkeit zu organisieren oder wenigstens dabei mitzuwirken. Nicht nur bei der Riester-Rente, auch beim Thema Agenda 2010, bei der Konjunkturpolitik, bei der Kampagne zu den Lohnnebenkosten, zu den Steuer-Abzügen und damit gegen öffentliche Leistungen. Nicht einmal bei der Kampagne gegen den angeblichen Gewerkschaftsstaat sind sie aufgewacht. Albrecht Müller.

Zur Rolle der Gewerkschaften bei der Einführung der Riester-Rente

In einem Interview mit dem politischen Blog Wirtschaft und Gesellschaft ist der ver.di-Chef Frank Bsirske auf die Rolle des DGB und der Einzelgewerkschaften bei der Einführung der Riester-Rente eingegangen. Für die NachDenkSeiten war höchst bemerkenswert, aus gewerkschaftlichem Munde zu erfahren, dass sich die Spitze des DGB gegen den Widerstand der damaligen ÖTV und der IG Metall mit dem damaligen Sozialminister Walter Riester verständigt habe, dass die Stabilisierung der Beitragssätze für die gesetzliche Rente Priorität haben solle und dass die damalige Vize-Chefin des DGB Ursula Engelen-Kefer mit Walter Riester damals ein dementsprechendes Papier paraphiert hätte. Es habe darüber hinaus eine Verständigung gegeben, dass Ausfälle auf der Leistungsseite der gesetzlichen Rente durch eine steuerbezuschusste Teilprivatisierung (eben die Riester-Rente) kompensiert werden sollten.
Ursula-Engelen Kefer hat ihre damalige Rolle und Haltung in einem Brief an Frank Bsirske richtig gestellt. Wir dokumentieren ihren Brief und fügen noch einige Zeitungsberichte über die damalige Kontroverse an.
Unter anderem wegen ihres Widerstandes gegen die Rentenreformen wurde Engelen-Kefer damals von Kanzler Schröder mit dem Schimpfwort „Engelen-Keifer“ gemobbt.

Wer betreibt eigentlich einen Systemwechsel?

Zwei Nachrichten beschäftigten in der zurückliegenden Woche die Politik und die Schlagzeilen der Medien: Erstens das Weltwirtschaftsforum in Davos und dabei vor allem die Eröffnungsrede der Kanzlerin und zweitens die Beobachtung und Überwachung von Parlamentariern der Partei DIE LINKE durch den Verfassungsschutz.
Oberflächlich betrachtet haben beide Themen nichts miteinander zu tun, schaut man aber genauer hin, so geht es in beiden Fällen im Kern um die Frage einer Systemveränderung bzw. eines Systemwechsels. Von Wolfgang Lieb

Die „Staatsparteien“ können sich alles leisten. Von Demokratie weit und breit nichts zu sehen. (AMs Wochenrückblick)

Die Bundeskanzlerin beherrscht mit ihrem Zögern die Rettungspläne in der Finanzkrise. Und doch wird das fortwährende Scheitern ihr kaum angelastet. Entwicklungsminister Niebel macht im BMZ massive parteipolitische Personalpolitik. Und nichts geschieht. Die Regierung lässt den Verfassungsschutz die politische Konkurrenz überwachen, klar erkennbar mit dem Ziel der Diskreditierung und Schwächung der Konkurrenz – ohne einen Sturm der Entrüstung und ohne Sanktion gegen dieses Staatsparteigehabe. Der Bundespräsident hat sich mit seiner Nähe zum großen Geld und seine Vertuschungsversuche um seine Glaubwürdigkeit als Präsident aller Deutschen gebracht. Er kann auch dies aussitzen. Albrecht Müller.

Die SPD will nicht den Kanzler stellen. Anders kann man Gabriel nicht verstehen.

Wir werden oft gefragt, warum wir so kritisch mit der SPD umgehen. Anhand des neuen Interviews des SPD-Vorsitzenden Gabriel mit der Süddeutschen Zeitung lässt sich das leider leicht erklären: Wir halten es für dringend notwendig, dass unser Volk eine politische Alternative hat, und dass es auch eine Kanzleralternative zu Frau Merkel verdient. Um das für notwendig zu halten, braucht man kein bisschen parteiisch zu sein. Man muss nur begreifen, dass zur Demokratie die Chance und die Drohung der Ablösung der Regierenden gehören. Der SPD-Vorsitzende verweigert uns diese Chance. Und er hält uns obendrein für ausgesprochen blöd. Albrecht Müller.