Kategorie:
SPD

„vorwärts“ lehnt Anzeige für das NachDenkSeiten-Jahrbuch ab.

Wir wollten die Mitglieder der SPD über die Mitgliederzeitung „vorwärts“ auf „Das kritische Jahrbuch“ mit einer Anzeige aufmerksam machen. Der „vorwärts“, dessen regelmäßiger Kolumnist ich immerhin länger als sechs Jahre lang war, hat die Anzeige abgelehnt. Wenn man bedenkt, für was sonst alles im vorwärts geworben wird, ist die Ablehnung einer Buchanzeige von zwei altgedienten Sozialdemokraten schon eine beachtliche Leistung. Lapidar hieß es von der vorwärts-Anzeigenverwaltung, man habe keine Freigabe erhalten. Nicht die in der Redaktion arbeitenden Journalisten-Kolleginnen und -Kollegen haben die Ablehnung zu verantworten, das kam offensichtlich von „Oben“. Schon die Entscheidung, meine Kolumne “Gegen den Strich”, die eines der beliebtesten Stücke des „vorwärts“ war, zu streichen, ging nicht auf die Redaktion, sondern auf die Parteiführung zurück.
Wenn Sie Mitglieder der SPD oder Sympathisanten in Ihrer Nähe haben, geben Sie bitte die Anzeige weiter. Albrecht Müller.

Jetzt erst merken die Vertreter des Volksaktienmodell zur Bahnprivatisierung, dass dies ein Papiertiger ist. Erstaunlich.

Jene SPD-Gruppe, die das Volksaktienmodell auf dem SPD Parteitag im November 2007 vorgeschlagen und durchgesetzt hatte, meinte, damit etwas erreicht zu haben. Es war damals jedoch schon erkennbar, dass die Regierungsvertreter, namentlich Steinbrück und Tiefensee, ein falsches Spiel spielen. Sie wollen die Privatisierung. Nicht aus sachlichen Gründen – die gibt es nicht. Ihre Interessen sind vermutlich mit denen der Finanzindustrie verbandelt, oder sie träumen von frischem Spielgeld fürs Casino. Sie waren froh, dass es mit dem Joker Volksaktienmodell gelungen war, auf dem SPD-Parteitag die Frage des „Ob“ nicht zur Abstimmung stellen zu müssen. Dabei hätten sie verloren. Das konnten sie vermeiden und haben sofort auf ein anderes Modell der Privatisierung gesetzt, auf das so genannte Holding-Modell. Am 16. November 2007 konnten Sie bei uns eine ausführliche „Würdigung“ der Lage lesen: Albrecht Müller.

Strategische Überlegungen zum Umgang mit der herrschenden Lehre. Sie ist nicht nur ungerecht, sie versagt, sie verschleudert Ressourcen, sie ist zerstörerisch und öffnet der Korruption das Scheunentor.

In der wegen des angeblichen Linksrucks besonders aufgeregten Diskussion unter den neoliberal eingefärbten Reformern und Konservativen taucht immer wieder das Gespenst auf, jetzt bestehe die Gefahr des Rückfalls in den Verteilungsstaat. Zwei Musterbeispiele dafür aus SpiegelOnline sind im Anhang 1 und 2 dokumentiert. Diese Warnung vor den Verteilungsstaat hat für die herrschenden Ideologen den Vorteile, dass sie sozusagen spiegelbildlich ihre eigene Ideologie als produktiv und effizient erscheinen lassen können. Dieser Trick wird ihnen dadurch erleichtert, dass auf der andern Seite meist auch so getan wird, als unterscheide man sich vor allem beim Thema soziale Gerechtigkeit. So tönt es bei der SPD, so bei dem Rest an sozial Orientierten in der Union, bei den Grünen und auch bei der Linken.
Nach meiner Einschätzung verspielen die Gegner der Neoliberalen damit eine große Chance zum Aufrollen der herrschenden Lehre. Die Beschränkung auf das Thema soziale Gerechtigkeit macht unnötig defensiv. Vor allem erreicht man damit nicht die Mittelschichten. Der Angriff muss doppelt geführt werden – mit dem Argument einer maßlos ungerechten Verteilung der Reichtümer und mit dem Argument des Scheiterns, des Zerstörens und des der neoliberalen Ideologie immanenten Hangs ist zur Korruption. Albrecht Müller.

Die Parteien in Hessen im Wortbruch-Dilemma

„Was wir vor der Wahl gesagt haben, gilt auch noch der Wahl“, sagt die FDP von Parteichef Guido Westerwelle bis zu Jörg-Uwe Hahn, dem Vorsitzenden der Hessen-FDP: also dürfte es keine Ampel in Hessen geben. Der Spitzenkandidat der Grünen, Tarek Al-Wazir, hatte nur ein Ziel, nämlich seinen Intimfeind Roland Koch aus der Regierung zu kegeln: also dürfte es in Hessen keine Jamaika-Koalition geben. Andrea Ypsilanti hat noch am Wahlabend jede „wie auch immer geartete Zusammenarbeit“ mit der Linken abgelehnt: also dürfte es in Hessen keine SPD-Ministerpräsidentin und eben auch keine wie auch immer geartete Zusammenarbeit zwischen Rot-Rot-Grün geben. Der hessische SPD-Generalsekretär sieht „keine Möglichkeit für eine große Koalition“. Ypsilanti unter Koch, „das geht nicht gut“ sagte die SPD-Spitzenkandidatin: also wird es keine Große Koalition geben. Es wird keine also keine Regierungsmehrheit in Hessen geben, ohne „Wortbruch“. Wolfgang Lieb

Die „vernünftige Mehrheit“ für Hessen. Mit einer Freiheit-oder-Sozialismus-FDP!

Der SPD-Vorsitzende Beck hat gestern im heute-journal-Interview (vermutlich auch auf anderen Kanälen) die Linke eine unzuverlässige Protestpartei genannt, die nicht einmal ein gemeinsames Programm habe. So könne man nicht regieren. Er forderte hingegen eine „vernünftige“ Mehrheit. Offensichtlich soll aus seiner Sicht die hessische FDP ein Element der Vernunft in diese Mehrheit einbringen. Ich habe mir daraufhin das zweifelhafte Vergnügen bereitet, das (Kurz-)Wahlprogramm der Hessen-FDP 2008 [PDF – 36 KB] zu lesen und kann jedem Befürworter einer „vernünftigen“ Mehrheit mit der Hessen-FDP nur empfehlen, dieses Papier zu lesen. Es ist über weite Strecken hohle neoliberale Ideologie und gipfelt in der Wiederbelebung der Parole „Freiheit oder Sozialismus“. In den 70ern operierte die CDU/CSU mit diesem Gespenst. Was die SPD damals – zumindest 1972 – zurückgeschlagen hat, soll aus Sicht der SPD-Führung die hessische Wahlsiegerin Ypsilanti heute als Einladung zum Koalitionsschmaus verstehen. Guten Appetit. Albrecht Müller.

Eine erste Einschätzung der Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen

Das Wahlergebnis in Niedersachsen lässt sich in nackten Zahlen so zusammenfassen:
CDU mit 42,5 % (-5,8 %) und SPD mit 30,3 % (-3,1 %) haben Stimmenanteile verloren. FDP und Grünen bleiben bei rund 8 % stabil, die Linke mit 7,1 % gewinnt 6,4 % dazu.
In Hessen erreichte die CDU mit Roland Koch 36,8 %, ist also mit minus 12,2 % auf ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 42 Jahren eingebrochen, blieb aber um Haaresbreite stärkste Partei. Die als glaubwürdiger und sympathischer eingeschätzte Andrea Ypsilanti hat die SPD mit 36,7 % im „sozialdemokratischen Kernland“ (Koch) um 7,8 % von ihrem schlechtesten auf ihr zweitschlechtestes Ergebnis wieder etwas hochgezogen. Die Grünen verlieren 2,6 % und die FDP gewinnt 1,4% dazu. Die Linke gewinnt aus dem Stand 5,1 %.
Fazit:

  • In ganz Deutschland etabliert sich ein Fünf-Parteien-System, die Linke ist im Westen angekommen.
  • In Hessen gäbe es eine linke Mehrheit. Ohne die Linke im Landtag hätte Koch mit der FDP die Regierungsmehrheit.
  • Das Kalkül von Koch ist nicht aufgegangen: die schweigende Mehrheit steht nicht hinter seinem ausländerfeindlichen Populismus.
  • In Niedersachsen ging der Niedergang der SPD weiter, deren Kandidat Jüttner konnte offenbar das Wahlkampfmotto „Gerechtigkeit kommt wieder“ nicht glaubwürdig vertreten. Die SPD kommt auf ihr schlechtestes Wahlergebnis überhaupt.
  • Schwarz-gelbe Mehrheiten sind also möglich, wenn die SPD keine glaubwürdige, soziale Alternative bietet.

Wolfgang Lieb

Was Clement mit Ypsilanti macht, haben die Rechten in der SPD schon immer mit Kandidaten gemacht, deren Richtung ihnen nicht passte

Als ich jetzt las, Wolfgang Clement (SPD) warne vor der Wahl von Andrea Ypsilanti und der SPD in Hessen, da erinnerte ich mich gleich mehrerer ähnlicher Vorgänge in der Vergangenheit. Immer war deutlich zu spüren: Die Rechten in der SPD (früher die Kanalarbeiter, dann die Seeheimer und heute bis hin zu den Netzwerkern) haben nur dann ein wirkliches Interesse an der Macht im Staat, wenn sie auch die Politik ihrer Partei bestimmen. An einem Wahlsieg von Andrea Ypsilanti haben sie vermutlich weit über Wolfgang Clement hinaus kein Interesse. Wahrscheinlich gilt das auch zum Beispiel für den Bundesfinanzminister Steinbrück, dessen enge Kooperation mit Koch bekannt ist. Über zwei déjà-vus aus der jüngeren Geschichte gleich. Albrecht Müller.

Clement hat schon immer gegen die SPD gearbeitet, es hat nur keiner wahrhaben wollen

Wolfgang Clement hat die Wählerinnen und Wähler in Hessen mehr oder weniger deutlich aufgefordert, gegen die SPD und ihre Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zu stimmen. Die Empörung in der SPD ist groß. Dabei beruhte Clements politische Karriere doch weitgehend darauf, gegen die Ziele der SPD anzukämpfen. Er wurde von den bürgerlichen Medien gehätschelt und gerade deshalb zum „Star“, weil er ständig seiner eigenen Partei vors Schienbein trat. Schröder holte ihn, damit er mit ihm gemeinsam die SPD auf einen Kurs zwingen konnte, der mit der Sozialdemokratie nur noch wenig zu tun hatte. Lange Zeit sind die Genossen ihm – sicher oft mit geballter Faust in der Tasche – gefolgt. Jetzt, wo ihn die Partei abserviert hat, zeigt er nur sein wahres Gesicht. Aber das hätte man schon lange erkennen können. Wolfgang Lieb

Gezielte Manipulation mit Umfragen

Das Medienmagazin des NDR Zapp berichtete am 5.12. davon, dass das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit seinen Umfragen für die SPD im Schnitt um 4% schlechter liege als die anderen Umfrageninstitute. Die SPD fühlt sich von Forsa schlecht behandelt (Einführungstext zur Sendung und Link siehe Anhang) – Wir haben am 19. Oktober 2007 schon einmal über zwei Fälle des Missbrauchs von Umfragen zur gezielten Manipulation berichtet. (Siehe den Tagebucheintrag) An den dort geschilderten Fall einer bewussten Manipulation schon im Jahre 1965 wurde ich jetzt beim Blättern in einer Biografie über Otto Brenner erinnert. Albrecht Müller.

Zum Verhältnis SPD und Gewerkschaften

„Die SPD muss – unter Druck, wie sie derzeit ist – ihre bisherige Politik überdenken“, sagte DGB-Vorstandsmitglied C. Matecki der „Osnabrücker Zeitung“ (23.10.) und begrüßte deren „Kurswechsel“ im Umgang mit der Agenda 2010, wie er sich mit dem Hamburger Parteitag angebahnt habe. Dieser werde von den Gewerkschaften unterstützt.
Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sagte der „Berliner Zeitung“ (29.10.): „Ich sehe eine strategische Hinwendung zu den sozialdemokratischen Grundwerten und damit zu den klassischen SPD-Wählern.“ Im ARD-Presseclub vom 28. Oktober war man zurückhaltender als es in diesen Äußerungen klingt: „Die gewerkschaftsnahe SPD wird sich zumindest berücksichtigt sehen.“ Immerhin war auch da euphemistisch von einem „erfolgreichen Ausbruch aus dem Gefängnis 2010“ die Rede. Von Kurt Pittelkau

Die Entwicklung beim Thema Privatisierung der Deutschen Bahn ist Besorgnis erregend.

Sachliche Gründe für eine Privatisierung gibt es nach wie vor nicht. Aber der Beschluss des SPD-Parteitages erweist sich keinesfalls als Hinderungsgrund. Im Gegenteil. In dem sich die SPD damit darauf eingelassen hat, das „Ob“ der Privatisierung nicht mehr auf die Tagesordnung setzen, rollt der Zug weiter, sogar in Richtung Aufspaltung des Unternehmens. Die Regierungsriege spielt m.E. sowieso falsch. – In der Behandlung des Streiks der Lokführer durch den Aufsichtsrat wird sichtbar, dass das Unternehmen schon lange nicht mehr zum Volksvermögen gehört, offensichtlich nicht einmal zum Bundesvermögen.
Zu Ihrer Information dokumentieren wir einige interessante Unterlagen:

  1. Die Pressemitteilung über die Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn AG vom 15. 11. 2007
  2. Die Liste der Aufsichtsratsmitglieder.
  3. Eine sehr aufschlussreiche Mail des Referenten für Verkehrspolitik im Arbeitskreis V (Infrastruktur und Umwelt) der FDP-Bundestagsfraktion Volker Neuhoff vom 12.11.2007
  4. Einen Bericht über die Bahn in der Schweiz: Privatisierung nicht geplant
  5. Einen Bericht des Handelsblatts über die Rücknahme des Betriebs eines teilprivatisierten Teils der Londoner Metro: Volle Fahrt rückwärts.

Diese Unterlagen finden Sie im folgenden. Zuvor einige Anmerkungen. Albrecht Müller.

Rückblick – nur noch Meinungsmache entscheidet. Die Sache – nahezu irrelevant.

Erstens über den Ausgang der Tarifauseinandersetzung der Lokführer mit der Bahn. Zweitens über das Urteil über den SPD Parteitag. Drittens darüber, wem der kleine Aufschwung zu verdanken ist. Viertens Börsengang der Bahn. Fünftens Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 km/h. Ich skizziere in Stichworten, was mir aufgefallen ist. Der durchgehende Grundzug – was sachlich richtig ist, ist vergleichsweise zweitrangig, entscheidend ist die Potenz der öffentlichen Meinungsführung. Albrecht Müller.

Kurswechsel der SPD? Linksruck?

Der Innenpolitikchef der Süddeutschen Zeitung attestiert der SPD in einem Kommentar über den SPD-Parteitag einen Kurswechsel. „Die Beck-SPD des neuen Programms ist eine andere SPD als die Agenda-SPD, …“. Ich gebe zu, dass ich das gerne glauben würde, aber ich kann es leider nicht nachvollziehen. Nicht nur, weil Beck selbst das für „hanebüchen“ hält. Albrecht Müller.

Zur Parteitagsrede Kurt Becks: Allen wohl und Keinem Weh

Kurt Beck ist keine großer Redner, die Kunst der Zuspitzung ist nicht seine Sache und es dauert lange (manchmal ewig lange) bis er seine Sätze zu Ende bringt. Mit unendlich vielen Rücksichtnahmen und Einschränkungen landen seine Gedanken häufig im Nirgendwo. Es ist oft kaum noch zu erkennen, was Sache ist – so verschwurbelt war seine fast zweistündig Rede vor allem bei den streitigen Themen. So konnten aus seiner Eröffnungsrede wieder einmal Viele Vieles heraushören. Kurt Beck hat artig alle und alles gelobt, was Sozialdemokraten machen und gemacht haben, von Gerhard Schröder über die Regierungsmitglieder bis hin zu den Wahlkämpfern in den Ländern. Der Parteivorsitzende hat alles unterlassen, womit er mit Schröder oder Müntefering anecken hätte können und er hat alle, die auf einen klareren Kurs hofften, mit einem Wortschwall überschwemmt, bei dem sich jeder seine ihm passenden Versatzstücke auswählen kann. Allen Wohl und keinem Weh und möglichst wortreich um Streitpunkte herumreden, das zeichnet Kurt Beck aus. Viel Statur als Parteivorsitzender und viel Profil für die SPD hat er durch diese Parteitagsrede nicht gewonnen. Wolfgang Lieb.