Kategorie:
einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte

Spielmaterial längeres Arbeitslosengeld I und Investivlohn

Zur Zeit erleben wir Musterbeispiele dafür, wie in der politischen Debatte Aussagen und Vorschläge nahezu ausschließlich der Imagebildung und nicht der Vorbereitung politischer Taten dienen. Mein Rat, solchen Spielen nicht auf den Leim zu gehen. Albrecht Müller.

Schröders eigene Versionen. Neue Zumutungen.

„Für mich gibt es keine Rückkehr“ – so lautet die Überschrift über einem Interview Gerhard Schröders mit dem Spiegel. Keine Rückkehr – Gott sei Dank! Und weiter:
“Gerhard Schröder zieht im SPIEGEL-Gespräch Bilanz: Die Schuld an der Wahlniederlage der SPD trügen die Gewerkschaften. Auch mit der Großen Koalition geht der Altkanzler hart ins Gericht. Die Gesundheitsreform sei ein “bürokratisches Monstrum”, der Union fehle Führung.“
Quelle: SPIEGEL ONLINE

Ex-Arbeitsminister Clement hat einen weiteren Arbeitsplatz gefunden: Er wird Vorsitzender des neuen ‚‚Adecco Institute’’ zur Erforschung der Arbeit

Das von Adecco – dem nach eigenen Angaben „Weltmarktführer für Personaldienstleistungen“ – finanzierte Institut mit Sitz in London soll eine führende Forschungseinrichtung zum Thema Arbeit werden, meldet dpa. Den Vorsitz in diesem neuen Institut soll der ehemalige Arbeitsminister Wolfgang Clement übernehmen. Wie sich der Finanzier des Forschungsinstituts dem Thema Arbeit nähert, kann man aus der Unternehmenstätigkeit von Adecco ablesen: Das Unternehmen handelt mit Arbeitnehmern, vor allem mittels Zeitarbeit, Outcourcing und Personalvermittlung.
„Wir vermitteln weltweit täglich mehr als 700.000 Menschen an mehr als 15.000 Kunden“ heißt es stolz auf der firmeneigenen Hompage.
Man kann sich also vorstellen in welche Richtung die „Erforschung neuer Wege für Arbeit und soziales Leben“ gehen wird. Clement sagte laut Presseagentur: Er freue sich, am Aufbau einer Institution mitwirken zu können, die einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung Europas leisten möchte. „Better work, better life“ – so das Adecco-Motto – mit modernem Menschenhandel?

Hugo Chavez Address to the United Nations. Und George Bush ein Tag zuvor.

Der Präsident Venezuelas hielt am September 20, 2006 vor der UN-Vollversammlung eine in der amerikanischen Öffentlichkeit viel diskutierte Rede:

“Representatives of the governments of the world, good morning to all of you. First of all, I would like to invite you, very respectfully, to those who have not read this book, to read it.
Noam Chomsky, one of the most prestigious American and world intellectuals, Noam Chomsky, and this is one of his most recent books, ‘Hegemony or Survival: The Imperialist Strategy of the United States.'” [Holds up book, waves it in front of General Assembly.] “It’s an excellent book to help us understand what has been happening in the world throughout the 20th century, and what’s happening now, and the greatest threat looming over our planet” […]

Hier ist die Rede des venezuelanischen Präsidenten und hier die des US-Präsidenten Bush vom 19.9. vor der UN, auf die sich Chavez des öfteren bezog. Albrecht Müller.

Ergänzung vom 26.09.2006: Die Rede von Chávez (in Auszügen) auf deutsch.

Kurt Becks Programm

Kurt Beck ist schwer zu packen. Wenn er redet oder schreibt, lässt er bei jeder Aussage, die er macht, ein oder manchmal sogar mehrere Hintertürchen offen, um wieder entwischen zu können, sobald man sich darauf einlässt. Das ist vermutlich der Grund, warum sich vom „Seeheimer Kreis“, über die „Netzwerker“ bis hin zu den „Jusos“ alle in seinem als programmatisch erklärten Beitrag (bezeichnenderweise) in der „Welt am Sonntag“ wieder finden können.

Nachtrag zu Kurt Becks Treppenwitz

Die SPD Führung scheint keine Ahnung davon zu haben, was sie mit Hartz IV zusammen mit den Grünen und der Bundesratsmehrheit der Union angerichtet hat. Sie begreift offenbar nicht, dass weite Teile der Arbeitnehmerschaft, auch die so genannten Leistungsträger, mit Hartz IV der Unsicherheit preisgegeben worden sind. Ich komme darauf zurück, weil ich gerade einen Beitrag von Kurt Beck im sozialdemokratischen „Informationsdienst für aktive Mitglieder”, dem so genannten INTERN, gelesen habe.

Ich drücke mich vornehm aus: unsere Regierenden sind nicht mehr ganz bei Trost.

Unter der Überschrift „Bogen des Missvergnügens“ berichtet die Financial Times am 30.8. von einem gemeinsamen Auftritt der Bundeskanzlerin und des Vizekanzlers Müntefering. Selbiger meinte: “Wir werden im Moment gemessen an dem, was im Wahlkampf gesagt wurde. Das ist unfair.” Ich dachte, ich lese falsch. Aber, Sie lesen richtig. Unsere Regierenden werden immer dreister. Sie beklagen sich darüber, dass wir uns der Wahlkampfaussagen erinnern.

Beck macht einen Treppenwitz – und keiner lacht

Der SPD-Vorsitzende hält die Leistungsträger für eine der wichtigen Zielgruppen der SPD. Klingt ja prima und wird entsprechend freundlich kommentiert. Aber eigentlich ist das ein Witz, denn die so genannten Leistungsträger, rund 25 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, sind von Rot-grün mit Zustimmung des jetzigen Koalitionspartners Union vor zwei Jahren kräftig rassiert worden. Mit Hartz IV. Neben den davon betroffenen Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger hat Hartz IV eine „wichtige“ Funktion bei den (noch) Arbeitenden. Ihnen wurde das Vertrauen in das Funktionieren der Arbeitslosenversicherung geraubt. Zerstört. Sie wurden damit von einem Tag auf den andern der vermehrten Angst vor Arbeitslosigkeit aus- und unter Druck ihre Arbeitgeber gesetzt. Diese Folge von Hartz IV wird häufig nicht beachtet.

Ahmadinedschad veröffentlicht seinen Brief an die Kanzlerin. Schweigen war keine kluge Antwort.

In einem Beitrag vom 24.7.06 haben wir auf den NachDenkSeiten Kanzlerin Merkel aufgefordert, ein offizielles Schreiben des iranischen Präsidenten öffentlich bekannt zu geben. Nun ist dieser Brief – und wir unterstellen, dass der Wortlaut identisch ist – auf der Website der „Presidency of the Islamic Republic of Iran“ (P.I.R.I) in einer Übersetzung aus dem Persischen veröffentlicht.
Unsere Leser können sich nunmehr selbst ein Urteil über den Inhalt dieses Briefes bilden.

Mittelmaß regiert uns, eine geistig beschränkte Ideologie beherrscht die öffentliche Debatte.

Wir haben einen Finanzminister, der offenbar keine Ahnung von gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen und obendrein Wahrnehmungsstörungen hat. Er könnte nämlich den Deutschen nicht empfehlen zu sparen, noch dazu beim Urlaub, wenn er begriffen hätte, dass das Hauptproblem unserer Volkswirtschaft die schwache Binnenkonjunktur ist.
Wir haben eine Bundesregierung, die den minimalen Aufschwung dieses Jahres mit einer dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung zu erdrosseln droht.
Wir haben eine Führungselite, die Studien braucht, um zu erkennen, dass Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit seelisch krankmachen. An diesem Beispiel kann man gut erkennen, wie eng der Horizont der herrschenden Ideologie ist.

Frau Merkel machen Sie den Brief des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad öffentlich bekannt!

Die Kanzlerin Angela Merkel will also den Brief des iranischen Präsidenten nicht beantworten. Er beinhalte nur das alte Denken, „was für uns völlig inakzeptabel ist“ und: „Die Existenz Israels gehört für uns zur Staatsraison, und das wird immer wieder in Frage gestellt“ sagte sie im Sommerinterview des ZDF.
Die Behauptung Ahmadinedschad wolle die Existenz Israels in Frage stellen, ja sogar „Israel von der Landkarte löschen“ ging schon einmal rund um die Welt und fand Eingang in nahezu alle deutschen Medien. Die New York Times dokumentierte die Rede und das inkriminierte Zitat stellte sich als nicht korrekt heraus.

Sekundärtugenden Führungsqualität, Bewegung, Ruck, Reformen

Der jetzt entbrannte Streit in der großen Koalition und auch das in den NachDenkSeiten kommentierte Interview von Bundespräsident Köhler in BILD sind symptomatisch für Arbeitsweise und Charakter der uns regierenden Eliten. Es geht in der Debatte nicht hauptsächlich um die wichtige Frage, ob die geplante Gesundheitsreform sinnvoll, richtig und vermutlich erfolgreich ist. Bewertungsmaßstab sind sekundäre Angelegenheiten wie Führungsqualität und die Fähigkeit zur Veränderung, zur Bewegung, zu Reform.

Nachtrag zur Rolle des „linken Vordenkers“ Erhard Eppler

In seiner Rezension von „Machtwahn“ vom 19.6.2006 in der Süddeutschen lobte Eppler (ziemlich unmotiviert) den heutigen Umweltminister „Sigmar Gabriel, als Motor einer modernen Energiepolitik“. Dazu passend drei Tage später bei Kontraste dieser Beitrag:

Trotz Schulden-Kollaps – Regierung macht Energiewirtschaft Milliarden-Geschenke
Die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik ist kaum beschlossen, da darf sich die Energie-Industrie schon wieder über schöne Subventionen freuen. Die Branche, die am meisten verdient, wird vom Umweltminister auch am meisten geschont. Wieso dürfen ausgerechnet die Energieriesen im Geld schwimmen?


Quelle: RBB Online

Warum lobt Eppler gerade diese Art von Energiepolitik? Weil er prinzipiell alles gutheißt, was die moderne SPD tut. Aber warum tut er das?

Armer Erhard Eppler oder wie ein ehemals ehrenwerter Moralist sich zum „nützlichen Instrument“ des neoliberalen Netzwerks machen lässt.

Die herrschenden Meinungsmacher sind gute Strategen. Sie haben erkannt, dass sie Zeugen mit linkem Image brauchen, um ihre Meinung auch ins linke und linksliberale Lager zu tragen: Z.B.: Der sozialdemokratische „Versicherungsvertreter“ Rürup erklärt bei einer Konferenz von Verdi am 25.4.06, warum Privatvorsorge nötig ist; die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bedient sich der Roten und der Grünen, Clement und Mosdorf, Metzger und Scheel als Botschafter ihrer Agitation; der als links geltende Erhard Eppler warb für die Bomben im Kosovo-Krieg wie für die Agenda 2010, für die Hartz-Gesetze und für Gerhard Schröder. Jetzt lässt er sich in der Süddeutschen Zeitung vom 19.6. gegen mein Buch „Machtwahn“ in Stellung bringen. Leider mit vielen Unterstellungen und wenig Belegen, und noch weniger Bezug auf den Inhalt des Buches.