Kategorie:
Ideologiekritik

Angie im Wunderland

Wenn die Sonne der politischen Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten. Der Schatten, den Angela Merkel wirft, wird von Tag zu Tag länger – wobei nicht immer klar ist, ob die Kanzlerin in der Krise wächst, oder ob die Sonne der politischen Kultur immer weiter sinkt. Angela Merkel wirkt in ihrer zweiten Regierungszeit sakrosankt. Die Presse verweigert jegliche kritische Auseinandersetzung mit ihr, die Demoskopen vermelden im Wochentakt neue Rekord-Umfragewerte und noch nicht einmal die größte Oppositionspartei hat die Traute, sich im kommenden Wahlkampf mit der Kanzlerin anzulegen. Inhaltlich lässt sich der grassierende Merkel-Hype nicht nachvollziehen, ist ihre Regierungsbilanz doch mehr als durchwachsen. Dies alles erinnert eher an ein fiktives Wunderland, das vor Paradoxen und Absurditäten nur so strotzt. Von Jens Berger

Erschreckendes und zugleich Ermutigendes über Margret Thatcher

Für mich der interessanteste Beitrag in dieser Woche war ein Artikel im englischen Guardian zum Thema, „wie sich Großbritannien unter Margret Thatcher veränderte“. Die dort dargestellten Grafiken zu einigen wichtigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Indikatoren, waren für mich erschreckend und letztlich ermutigend zugleich.
Erschreckend deshalb, weil nahezu alle Daten zeigen, wie durch die politische Wende zum „Thatcherismus“ ein Land ökonomisch, demografisch und kulturell dramatisch heruntergewirtschaftet werden konnte. Ermutigend deshalb, weil die damalige Wende belegt, dass sich durch eine andere und bessere Politik eine Gesellschaft auch zum Positiven verändern ließe, wenn die Politik das nur wollte und wenn sie das ideologische Brett vor dem Kopf wegnehmen könnte. Von Wolfgang Lieb.

„Neoliberal“ – was ist das?

Eine Leserin der NachDenkSeiten hat nachgedacht und einen Text mit einer geballten Ladung einschlägiger Informationen, Aufklärungsmaterialien und Filmbeiträge zum Thema „Neoliberalismus“ an uns geschickt. In dem Papier [PDF -213,8 KB] stecken eine Fülle von Anregungen und Denkanstößen, die unsere Leser gut nutzen können. Deshalb veröffentlichen wir gerne diesen Beitrag, auch wenn wir nicht jeden Satz oder jede Aussage in den Quellen unterschreiben würden und manches ein bisschen anders sehen.

Gesucht: Insider aus dem Bereich Telekom zur kritischen Analyse des angeblichen Erfolgs der Privatisierung der Deutschen Telekom

Wenn man mit einigermaßen aufgeklärten Zeitgenossen/innen über das langsam sichtbar werdende Scheitern der neoliberalen Konzepte, wie sie auch im sogenannten Washington Consensus weltweit zur Leitlinie gemacht worden waren, und insbesondere über die Flops der Privatisierung spricht, dann kommt immer das Argument: Aber die Privatisierung der Telefonversorgung sei ja wohl nachweisbar ein großer Erfolg. Das zeige doch schon das Sinken der Telefongebühren. – Zusammen mit einigen NachDenkSeiten-Freunden bezweifle ich diese Analyse. Aber wir suchen noch Facts von Experten und Insidern. Albrecht Müller.

INSM ködert „Die Zeit“ und den EZB-Präsidenten

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die mit viel Geld ausgestattete Propagandaorganisation der Metall-Arbeitgeber, hat gestern verkündet, EZB-Präsident Draghi sei auf der IX. Ludwig-Erhard-Lecture der INSM in Berlin aufgetreten. Das ist ein beachtlicher Vorgang, denn auch dem neuen EZB-Präsidenten müsste klar sein, dass er zu Gast bei einer neoliberal eingefärbten Lobby- und Propagandaorganisation ist. In der gleichen Presseerklärung wird davon berichtet, dass die INSM gemeinsam mit dem Zeit-Verlag einen Essay-Wettbewerb ausgeschrieben hat. Wenn Sie Leser der „Zeit“ oder gar Abonnenten kennen, machen Sie diese bitte auf diesen Vorgang aufmerksam. Für ein Medium, das mit der INSM zusammenarbeitet, Geld zu zahlen, ist höchst fragwürdig. Albrecht Müller.

Wie lange machen die Menschen das „Bäumchen, wechsel dich“-Spiel ihrer Regierungen noch mit?

Die Krise in Europa brachte den portugiesischen Sozilisten José Sócrates zu Fall, danach musste der Sozialdemokrat Giorgos Andrea Papandreo gehen und zuletzt wurde die Rechtsregierung Silvio Berlusconis in Italien abgesetzt. Und jetzt erzielte der rechtsbürgerliche Mariano Rajoy, mit seiner bis weit nach rechts und ins reaktionäre, erzkatholische, nationalistische Lager reichenden Partido Popular einen historisch zu nennenden Kantersieg gegen die spanischen Sozialisten des bisherigen Regierungschefs José Luis Rodriguez Zapatero.
Alle neuen Regierungen haben nur die Wahl die von EU-Kommission, der EZB und dem IWF vorgegebene neoliberale Agenda zu exekutieren: Drastisches Sparen, Schuldenbremse, Lohnsenkungen, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Einschnitte ins soziale Netz, Rente mit 67, Privatisierungen – den ganzen Kanon der herrschenden Lehre eben. Auch die neuen Regierungschefs werden geduldig am „Marterpfahl ausharren und erleiden müssen, was ihnen die deutsche Regierungschefin diktiert. Von Wolfgang Lieb

Krasser Zynismus: Bahrs „Pflegereform“

Einen Rekord hat sich Ex-Banker Daniel Bahr verdient: Nie zuvor dürfte ein amtierender Minister ein Jahr für irgendwas, wofür er zuständig ist, ausgerufen haben, um es dann ohne die kleinste, wenigstens symbolische Maßnahme verstreichen zu lassen, nämlich ein „Jahr der Pflege“ . Sicher: die Nöte der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und der Pflege-Beschäftigten schreien seit vielen Jahren immer lauter zum Himmel. Doch Bahrs jetzt angekündigtes Handeln könnte schlimmer sein als Nichtstun. Von Daniel Kreutz.

Albrecht Müllers Wochenrückblick: Wo bleibt das Positive? Wo das Konstruktive?

Regelmäßig erhalten wir Mails von NachDenkSeiten- Freundinnen und –Freunden, die uns diese Fragen stellen. Die Frage nach dem Konstruktiven ist relativ einfach zu beantworten. Trotz aller Kritik machen wir in der Regel konstruktive Vorschläge – zum Beispiel zur direkten Finanzierung der europäischen Länder durch die EZB, zum Beispiel zur Ankurbelung der Binnennachfrage im Vorfeld einer drohenden Rezession, zur Hochschulpolitik, zur Steuerpolitik usw. Die Frage nach dem Positiven ist ein bisschen schwieriger zu beantworten. Es gibt nicht sehr viel Positives. Das liegt aber nun nicht an uns NachDenkSeiten-Machern. Die Politik hat sich zum Spielball übermächtiger Finanzinteressen gemacht, ein Großteil der Wissenschaft klärt nicht auf, die Medien werden ihrer Rolle als kritische Wächter nicht gerecht. Was können wir dafür? Wie sollen wir mit diesem bedrückenden Befund umgehen? Albrecht Müller.

Nach dem Flop der Riester-Rente nun auch noch der „Pflege-Bahr“

Was im allgemeinen Erstaunen darüber, dass sich die schwarz-gelbe Koalition nach monatelangem Gezerre zusammengerauft hat, unterzugehen droht: Neben einer bisher nur versprochenen Leistungsverbesserungen für Demenzkranke und deren Angehörige durch eine Anhebung des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte auf 1,96 % des Bruttolohns (auf 2,3% für Kinderlose) hat die FDP bei der Pflegeversicherung den Einstieg in die kapitalgedeckte Vorsorge durchgesetzt: Den „Pflege-Bahr“, wie der Gesundheitsminister stolz verkündet. Die private Zusatzversicherung soll sich an der Riester-Rente orientieren und analog dazu auch steuerlich gefördert werden.
Die Klientel-Partei FDP hat „geliefert“. Die Versicherungswirtschaft reibt sich die Hände. Von Wolfgang Lieb.

WZB-Studie: Studiengebühren sollen keinen negativen Effekt auf die Studierneigung haben – oder: wie die gewählte Untersuchungsmethodik zum erwünschten Ergebnis führt

Wieder einmal wurde eine Studie angefertigt, die belegen soll, dass Studiengebühren „keinen signifikant negativen Effekt auf die Studierneigung“ weder insgesamt noch bei Studienberechtigten aus „schichtniedrigen“ Familien oder bei Frauen haben. Diesmal ist das an und für sich seriös geltende „Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung“ (WZB) dieser Frage nachgegangen [PDF – 240 KB].
Statt in den sozialwissenschaftlichen Instrumentenkasten zu greifen, hätten die Autoren aber besser ein paar Gespräche mit Studienberechtigten geführt, deren Eltern nicht in der Lage sind, einen monatlichen Wechsel für das Studium ihrer Kinder auszustellen. Diese ganz einfache Methode hätte zu realistischeren Ergebnissen geführt. Von Wolfgang Lieb

Von der deutschen Tea Party zur Henkel-Partei (I) – Rechtspopulist Hans Olaf Henkel spielt mit den Ängsten der Bevölkerung

Hans Olaf Henkels Drohung könnte eindeutiger kaum sein – entweder es gelänge, die FDP für die politischen Ziele der deutschen Tea Party zu vereinnahmen, oder man müsse halt eine neue Partei gründen, für die er höchstpersönlich zur Verfügung stünde. Henkel ist das wohl bekannteste Gesicht der deutschen Tea-Party-Bewegung. Im letzten Jahr war er nach Heiner Geißler der am zweithäufigsten eingeladene Talkshow-Gast, seine Bücher verkaufen sich wie warme Semmeln und er ist gern gesehener Interviewpartner der Printmedien. Henkel haftet immer noch der Ruf eines „Wirtschaftsexperten“ an, der gern klare Kante zeigt und unpopuläre „Wahrheiten“ ausspricht. Was für eine Fehleinschätzung! Von Jens Berger

EZB-Personalwechsel: Zwischen Skylla und Charybdis

Mit Jürgen Stark räumt ein monetaristischer Überzeugungstäter seinen Schreibtisch in der EZB. Das wäre eigentlich ein Grund zur Freude, wenn die europäischen Institutionen auch nur im Ansatz die Demokratie leben würden. Da es bei der Besetzung des EZB-Direktoriums aber ungeschriebene Gesetze gibt, kann die deutsche Regierung de facto Starks Nachfolger bestimmen. Dass sich Angela Merkel und Wolfgang Schäuble jedoch ausgerechnet für Staatssekretär Jörg Asmussen entschieden haben, ist ein schwerer Schlag für die EZB und die Bevölkerung der Eurozone. Von Jens Berger

Bundesverfassungsgericht hilft Bundesregierung bei der Griechenlandhilfe aus der Patsche und erhebt die Maastricht-Regeln auf Verfassungsrang

Durch eine eigenmächtige Umdeutung des Wortlauts des Euro-Stabilitätsgesetzes retten die Karlsruher Richter die Bundesregierung vor dem politischen Desaster, bei der Griechenlandhilfe gegenüber den europäischen Partnern einen Rückzieher machen zu müssen. Andererseits erhebt das höchste Gericht die dem Maastricht-Vertrag zugrundeliegende ökonomische Lehre des Monetarismus geradezu auf Verfassungsrang und verbaut damit einer makroökonomischen Zusammenarbeit auf dem Feld der Finanz- oder Wirtschaftspolitik in einer Währungsunion unter Berufung auf das Grundgesetz den Weg. Von Wolfgang Lieb