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Ideologiekritik

Betrifft den Kampf um Hessen – Zeichen für die Auszehrung demokratischer Verhältnisse

Man muss neidlos anerkennen: Der versammelten konservativen Rechten aus Union, Wirtschaft und Medien ist es im Falle Hessens wieder einmal gelungen, den Durchbruch einer alternativen Machtkonstellation auf der linken Seite des politischen Spektrums zu verhindern. Jetzt wird auch noch daran gestrickt, die Ursachen dieser die Demokratie bedrohenden Alternativlosigkeit und die Ursachen der Beschädigung der SPD zu vernebeln. Albrecht Müller.

Hochschulzugang im Wandel – von der Verteilung von Studienplätzen zur Selektion

Ob Studiengebühren, Verschärfung der Zulassungsverfahren oder „unternehmerische“ Hochschule, die aktuellen “Reformen” im Hochschulbereich weisen in eine Richtung, welche die universitäre Verfasstheit, das Selbstverständnis und die Struktur der Hochschulen nachhaltig verändern werden. Der Rektor einer Hochschule heißt mittlerweile in Baden-Württemberg offiziell laut Landeshochschulgesetz (LHG) ‘Vorstandsvorsitzender”, das Rektorat ‘Vorstand’, der Universitätsrat ist der ‘Aufsichtsrat’. Schon die Wortwahl zeigt die Richtung an, in die es gehen soll. An vielen Einzelmaßnahmen wird inzwischen dieser Strukturwandel immer für die Hochschulangehörigen immer spürbarer. Gerda auch am Beispiel der Regelung des Hochschulzugangs – also am Verfahren der Verteilung der knappen Studienplätze auf Studieninteressierte – lässt sich der beschriebene “Paradigmenwechsel” exemplarisch darstellen. Von unserem studierenden Leser Michael Kolain.

Nachtrag zum Spiegel: Offenbar lernunfähig und zur weiteren Talfahrt entschlossen. Es gibt auf Dauer keinen Bedarf an einem unkritischen Mainstream-Spiegel

Kaum hatte ich heute Nacht den Eintrag zur Entwicklung beim Spiegel geschrieben, da wurde um 5:41 Uhr von Christian Reiermann, Wirtschaftsredakteur im Hauptstadtbüro des Spiegel, auch schon bestätigt, dass nach Meinung dieses Autors der Spiegel das Kampfblatt der herrschenden Le(h)ere bleiben soll. Wenn Sie wissen wollen, wie diese Leute denken, dann lesen Sie den in Anlage 1 verlinkten Beitrag. In Anlage 2 geben wir zwei Leserbriefe zur Kenntnis, die sich mit dem Beitrag von Christian Reiermann auseinander setzen. Albrecht Müller.

Baden-Württemberg setzt auf Studierfähigkeitstest

„Studieren im Land Baden-Württemberg ist gar nicht so einfach: 90 Prozent aller Studiengänge sind zulassungsbeschränkt. Wer zum Beispiel an der Fachhochschule Pforzheim das Fach Wirtschaftswissenschaften belegen möchte, dem reicht eine gute Schulnote nicht aus. Er muss einen Studierfähigkeitstest machen. Er soll die Eignung des Studierenden für das Fach überprüfen.“ So berichtet der DLF Statt Geld in die Hand zu nehmen und die Studienkapazitäten auszudehnen, setzt das Land auf Verknappung und Selektion. Das Abitur verliert seine Bedeutung als „allgemeine Hochschulreife“. Die Zeiten sind gekommen, wo wie in Japan oder in den USA Studierwillige nach der Schule ein oder gar zwei Jahre teure und private Paukkurse besuchen müssen, um an eine Hochschule gelangen zu können.

FAZ-Mitherausgeber Schirrmacher: Jugendkriminalität und muslimischer Fundamentalismus sei potentiell wie Nationalsozialismus

Die feine, großbürgerliche FAZ begibt sich auf BILD-Niveau und schürt Ängste und Agressionen gegen Ausländer. Unter der Überschrift „Junge Männer auf Feindfahrt“ attackiert Frank Schirrmacher die „deutschfeindlichen Äußerungen“ ausländischer Schläger und baut feuilletonistisch ziseliert selbst ein unglaubliches Feindbild auf: Er stellt „Jugendkriminalität mit muslimischem Fundamentalismus vermischt“ auf eine Stufe mit dem staatlich organisierten Massenmord Hitlers. Einen größeren Schwachsinn hat selbst Schirrmacher bis dato kaum von sich gegeben.

„Die Vision des Neoliberalismus widerspricht entscheidenden Anforderungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes“

Das ist einer der Kernsätze eines Essays von Wieland Hempel, den wir Ihnen zur Lektüre und zur Diskussion empfehlen. Unser Autor, Ministerialbeamter und ausgewiesen im Verfassungsrecht, unternimmt es, die herrschende neoliberale Politik am unveränderbaren Kern des Grundgesetzes zu messen. Sein Befund bestätigt die häufig diffuse Vermutung, dass die neoliberalen “Reformen” auf eine andere Republik zielen. Albrecht Müller.

2008 – 40 Jahre 68er

Das Jahr 1968 als das Attentat auf Rudi Dutschke militante Proteste und eine Blockade des Axel-Springer-Verlages und Unruhen in der gesamten Republik auslöste, wird von vielen zu einer Zeitenwende in der Geschichte der alten Bundesrepublik, ja geradezu zu einem Mythos stilisiert. 2008 liegt dieses Datum 40 Jahre zurück und man muss befürchten, dass sich zahllose selbsternannte „Zeithistoriker“ über die 68er auslassen werden. Es dürfte Bücher, Zeitungsartikel und Talk-Shows en masse geben und selbst die Filmbranche wird ihre alten Schinken nochmals ins Kino bringen.
Für mich als Angehörigen dieser sog. 68er reden und schreiben allzu viele, die sich über dieses Thema auslassen, wie Blinde über die Farbe, die meisten projizieren nur ihre eigene Gesinnung oder ihre Vorurteile in die damalige Bewegung hinein. Wolfgang Lieb

Über den antidemokratischen Charakter der herrschenden neoliberalen Lehre und Bewegung

Zum Jahresabschluss notiere ich ein paar Gedanken, die die Lektüre des Chile-Teils von Naomi Kleins „Schock-Strategie“ auslösten, teilweise auch nur zurückholten. Naomi Klein beschreibt dort die enge Kooperation zwischen den Chicago Boys um Milton Friedman und dem chilenischen Diktator Pinochet und seinen Schergen. Die Vertreter der ökonomischen Schule, die heute auch die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik bei uns in beachtlich großem Maße prägt, fieberten dem Sturz des gewählten Präsidenten Allende entgegen. Die einschlägigen Papiere der neuen Herrscher ähnelten Milton Friedmans Vorstellungen: „Privatisierung, Deregulierung und Einschnitte bei den Sozialausgaben – die Dreifaltigkeit des freien Marktes.“ So Naomi Klein.

Nach dem Stocken der Doha-Runde ist der Hydra der neoliberalen Globalisierung ein neuer Kopf gewachsen – die „Global Europe Strategie“ der EU-Kommission steht für den Ausbau der Macht europäischer Konzerne

Die „Global Europe-Strategie“ soll durch Freihandelsabkommen den Außenhandels- und globalen Investitionsinteressen europäischer Unternehmen dienen. Kernpunkt des „Global Europe“ ist eine Handelsstrategie der Europäischen Union, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber anderen konkurrierenden Wirtschaftsräumen zu verbessern. Zur Verringerung und Beseitigung von Handelshemmnissen beim Austausch von Gütern und Dienstleistungen sollen alle verfügbaren, politischen Instrumente eingesetzt werden. Da die so genannten Singapur-Themen (Investitionen, Wettbewerb und öffentliches Beschaffungswesen) in der Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) von den Entwicklungsländern abgelehnt wurden, benötigt die EU diese neue Strategie, um die Ansprüche der europäischen Exportwirtschaft statt über eine internationale Abmachung praktisch durch die Hintertür in Form von bilateralen Verträgen doch noch durchzusetzen. Von Christine Wicht

Blind für die makroökonomische Verantwortung und ihre Möglichkeiten

Auf einer meiner letzten Diskussionsveranstaltungen wurde seltsamerweise gerade von gewerkschaftlich Engagierten die These vertreten, dass die hohe Arbeitslosigkeit und der Niedergang wirtschaftlicher Tätigkeit quasi das Ergebnis eines Trends ist, konkret: die Folge hoher Produktivitätszuwächse und der gleichzeitig stattfindenden Globalisierung. Das Streben nach Vollbeschäftigung sei veraltet, quasi mit den siebziger Jahren beerdigt. Die damit verbundene Missachtung der wirtschaftspolitischen Verantwortung der handelnden Personen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ist ein Gottesgeschenk für diese neoliberalen Führungsschichten. Sie sind verantwortlich für den Absturz der Lohnquote und eine dekadenlange Stagnation der Reallöhne, sie sind verantwortlich für eine miserable Geldpolitik wie auch jetzt wieder ganz aktuell bei der Weigerung der EZB, die Zinsen zu senken. Diese Fehler sind kein unabweisbarer Trend. Albrecht Müller.

Buchbesprechung: Butterwegge/Lösch/Ptak/Engartner: Kritik des Neoliberalismus

Die NachDenkSeiten wollen – so steht es auf der Homepage – „eine gebündelte Informationsquelle für jene Bürgerinnen und Bürger werden, die am Mainstream der öffentlichen Meinungsmacher zweifeln und gegen die gängigen Parolen Einspruch anmelden.“ Dieser Mainstream besteht seit einigen Jahren aus einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik mit einer starken Betonung wettbewerblicher Elemente – zusammengefasst unter dem Begriff des Neoliberalismus. Wie dieser entstanden ist, was das Primat des Marktes bedeutet, wie der Sozialstaat unterminiert wird und wie der Neoliberalismus die Demokratie gefährdet, dass haben Christoph Butterwegge, Bettina Lösch und Ralf Ptak (unter Mitarbeit von Tim Engartner) in einem neuen Buch untersucht.
Eine Rezension von Klemens Himpele.

Thomas Frickes Kolumne „Vom Scheitern der Alt-76er“ ist in vieler Hinsicht lehrreich.

„Nach gut 30 Jahren strammer Angebotslehre hat sich selbst der treue Sachverständigenrat von der alten Bekenntnisökonomie weitgehend verabschiedet. Spät und zögerlich, aber zeitgemäß. Und aus gutem Grund,“ schreibt Fricke.
Er beschreibt und belegt das lange Wirken der Angebotsökonomie seit Mitte der siebziger Jahre und nennt ihr Scheitern beim Namen. Mit Recht. Aber seinen Optimismus, der Sachverständigenrat und die ökonomische Zunft insgesamt verabschiede sich von ihren alten Bekenntnissen, kann ich leider nicht teilen. Auf allen Kanälen und in nahezu allen Blättern wird uns doch täglich eingetrichtert, wir hätten das bisschen Wirtschaftsbelebung den Reformen zu verdanken. Und wir müssten dringlich so weitermachen. Auch Wirtschaftswissenschaftler predigen das Gleiche: Hüther, Zimmermann und selbst ein Rüdiger Pohl, den ich aus den Siebzigern noch mit ganz anderen Tönen kenne, bäumen sich auf gegen das Eingeständnis des Scheiterns. Thomas Fricke möge sich das DeutschlandRadioInterview mit Pohl anhören, das im Anhang verlinkt wird. Albrecht Müller.

Bei Studiengebühren hört das Völkerrecht auf

Artikel 13 des „Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“, in dem sich die Bundesrepublik Deutschland zur „allmählichen Einführung der Unentgeltlichkeit“ des „Hochschulunterrichts“ [PDF – 36 KB] verpflichtet, ist nach Auffassung des OVG Münster „weder darauf angelegt noch geeignet, innerstaatlich als unmittelbar geltendes Recht angewandt zu werden“.
Über diese Begründung der Juristen können sich die Mächtigen dieser Welt, von Präsident Bush bis Präsident Putin und natürlich auch der NRW-Innovationsminister Pinkwart nur freuen. Völkerrecht als unverbindliches Programm, das man je nach politischem Gusto beiseite schieben kann! Wolfgang Lieb

„David gegen Goliath“ – das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten soll den reichen Ländern neue Märkte eröffnen

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit laufen die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP-Staaten) zu den Economic Partnership Agreements (EPAs). Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird mit wohlklingenden Begründungen wie etwa der “Beseitigung der Armut”, der „Förderung nachhaltiger Entwicklung“, der „Förderung der Menschenrechte“ und der „Förderung der Demokratie” propagiert. Ein Beitrag von Christine Wicht.