Seit dem schrecklichen Mord an dem US-amerikanischen christlich-konservativen Aktivisten Charlie Kirk häufen sich die Theorien und Spekulationen zur Tat im Netz. Nicht nur über die Hintergründe und Motive des möglichen Täters oder der möglichen Täter, sondern über alle Aspekte der Tat wie Tatwaffe, Tatbegehung, Vorgeschichte, Mittäter, Vertuschungen wird ausführlich spekuliert. Sind diese Hobbyermittler schädliche Spinner oder wertvolle Kommentatoren und Kritiker der lügnerischen Staatsmacht? Und was sind die interessantesten Theorien und Kritikpunkte? Ein Artikel von Maike Gosch.
In sehr vielen Menschen hat der öffentliche Mord an dem jungen Familienvater, der in den USA sehr prominent war und im Spannungsfeld starker innenpolitischer Spannungen und eines aktuell tobenden Kulturkampfes stand, starke Gefühle und großes Interesse ausgelöst. Das Engagement, mit dem seit der Tat am 10. September in unzähligen YouTube-Videos, Tweets, Blogposts und anderen Foren vor einem Millionenpublikum Theorien gesponnen, Beweise ausgewertet und Experteninformationen gesammelt werden, ist aber nicht nur mit der Prominenz und Beliebtheit des Opfers und der öffentlichen Live-Übertragung des Mordes zu erklären – eine große Rolle spielen dabei sicher auch die vielen Ungereimtheiten und Lücken in den veröffentlichten Informationen der offiziellen Ermittlungen. Ob dies nur einer katastrophalen und chaotischen Kommunikationsstrategie geschuldet ist (denn natürlich sind auch die Strafverfolgungsbehörden in diesem Fall unter großem Druck) oder ein Hinweis auf massive Manipulationen und eine kriminelle Vertuschung der tatsächlichen Tatumstände und tatsächlichen Täter, wird sich noch herausstellen.
Das angebliche Geständnis
Eines der Elemente, die Fragen aufwerfen, ist die Tatsache, dass der Haupttatverdächtige, Tyler Robinson, ein 22-jähriger Studienabbrecher, sich angeblich gestellt haben soll, später aber bestätigt wurde, dass er bis heute kein Geständnis abgelegt hat. Es gab auch die offizielle Kommunikation, dass sein Vater ihn – auf Anraten eines befreundeten Sheriffs im Ruhestand – dazu überredet hat, sich der Polizei zu stellen, weil er von seiner Schuld überzeugt war. Jetzt soll es anonyme Zeugenaussagen geben, die besagen, dass die Eltern Tyler Robinson nur dazu überredet haben, sich der Polizei zu stellen, da sie befürchteten bzw. der Sheriff sie von der Gefahr überzeugte, ihr Sohn könnte bei einem Zugriff durch das SWAT-Team (Spezialeinheit) erschossen werden. Diese Angst wird auch von dem Sheriff, der inzwischen als Detective Mike Mitchell identifiziert worden sein soll, bestätigt. Obwohl also am Anfang viel von dem „Geständnis“ von Tyler Robinson die Rede war, erklärte Utahs Governor Spencer Cox auf Nachfrage von Journalisten, dass ein solches bis heute nicht vorliegen würde.
Die Eltern sind seit der Festnahme von Robinson komplett von der Bildfläche verschwunden, ebenso wie der Mitbewohner und vermutliche Partner Robinsons, Lance Twiggs. Das legt die Vermutung nahe, dass alle Drei in ein strenges Zeugenschutzprogramm des FBI gesteckt wurden. Was einerseits damit erklärt werden kann, dass sie sich in dem aufgeheizten politischen Klima in Gefahr befinden, andererseits – für die Verschwörungstheoretiker (und ich benutze diesen Begriff wohlwollend-neutral) – den praktischen Nebeneffekt hat, dass sie die offizielle Version des FBI und der Polizei nicht mehr widerlegen oder korrigieren können.
Der Discord-Chat
Zunächst hatte die Washington Post mit Verweis auf vertrauliche Hinweise berichtet, dass Tyler Robinson auf dem Chat-Programm „Discord“ die Tat gestanden und Details der Begehung geteilt habe. In einer Stellungnahme von Discord selbst vom selben Tag erklärte dieser aber: „Die Nachrichten, auf die in Berichten über die Beschaffung von Waffen und Planungsdetails Bezug genommen wurde, waren keine Discord-Nachrichten und wurden wahrscheinlich über eine auf Telefonnummern basierende Messaging-Plattform verschickt.“
Der altmodische Chat
Dann veröffentlichte das FBI einen angeblichen Chatverlauf zwischen dem Haupttatverdächtigen Tyler Robinson und seinem Mitbewohner und vermutlichem Partner Lance Twiggs, der von vielen als Fälschung betrachtet wird, da Tyler in ihm für einen Anfang 20-jährigen Gamer eine extrem ungewöhnlich gestelzte und altmodische Sprache und Begriffe verwendete, was zu einigen sehr lustigen Kommentaren und satirischen Beiträgen auf X führte wie in diesem Video und diesem Text. Viel Skepsis wurde auch durch die Tatsache geweckt, dass in dem Chat fast alle wichtigen Informationen zur Tat, Tatwaffe, Tatbegehung und mehr gegeben wurden und sämtliche zur damaligen Zeit offenen oder umstrittenen Punkte geklärt wurden. Dies schien einigen Kommentatoren dann doch sehr unwahrscheinlich.
Das merkwürdige Video
Weiter macht Teile der Internetgemeinde misstrauisch, dass das FBI nur den Ausschnitt des Videos veröffentlicht hat, der die Sekunden nach der Tat zeigen, obwohl es keinen Grund gibt, warum es nicht von derselben, fest auf dem Gelände der Universität installierten Sicherheitskamera Videomaterial für die Zeit der Tat und davor geben sollte. Auch das veröffentlichte Videomaterial selbst soll nach dem Eindruck der Internet-Detektive Zeichen von Manipulation enthalten, so soll der Schatten der laufenden Figur an einer Stelle nicht mehr zu sehen sein, und Menschen, die im Hintergrund des Bildes vorbeigehen, plötzlich „verschwinden“.
Die Tatwaffe
Es gibt auch viele andere Elemente der Geschichte, die Fragen aufwerfen, so wie die Behauptung in der offiziellen Anklage, Tyler Robinson habe das Gewehr seines Großvaters, eine Mauser M 98 (Bolt-Action-Gewehr im Kaliber 30-06), zur Tat verwendet. Dieses soll er im Verlauf des Tattages mehrfach auseinander- und zusammengebaut haben, unter anderem auch direkt nach der Tat, um dann mit der auseinandergebauten Waffe in seinem Rucksack (oder unter einem Handtuch versteckt) über das Dach zu fliehen. Auf dem Videoausschnitt, der von offiziellen Stellen veröffentlicht wurde, ist aber über den Timecode zu erkennen, dass er Sekunden nach der Tat schon über das Dach rannte und es schwer erklärlich ist, wann er dieses Auseinanderbauen mithilfe eines Schraubenziehers, der später auf dem Dach gefunden wurde, bewältigt haben sollte.
Es gibt unendlich viele Videos von tatsächlichen oder selbsternannten Waffenexperten, von denen viele behaupten, dass das Kaliber nicht zum Mord verwendet worden sein kann, da es dann eine viel größere Austrittswunde gegeben hätte oder sogar die äußere Verletzung sehr viel deutlicher gewesen wäre.
Es gibt auch Hobbyermittler, die glauben, Kirk sei eher von der anderen Seite oder von hinten erschossen worden, da die Eintrittswunde vielen als zu groß erschien und sie sie eher für eine Austrittswunde halten.
Wieder andere vermuten, Kirk sei durch ein explodierendes Mikrofon, das an seinem T-Shirt befestigt war, getötet worden, ähnlich wie bei den israelischen Pager-Anschlägen 2024 gegen Hisbollah-Mitglieder und ihre Familien im Libanon und im Iran im Jahr 2024, bei denen mehr als 3.000 Menschen verletzt wurden und 12 getötet wurden, darunter zwei Kinder.
Einer der glaubwürdigeren Hobbyermittler mit Namen Dr. Chris Martenson ist der Auffassung, dass der Schuss, mit dem Kirk getötet wurde, nicht mit der von der Polizei behaupteten Munition erfolgt sein kann, aber vor allem auch nicht von dem Ort abgeschossen worden sein kann, von dem aus Tyler Robinson geschossen haben soll. Da er ein promovierter Pathologe und tatsächlicher Waffenexperte ist, haben seine Ausführungen ein gewisses Gewicht.
(Screenshot von youtube.com/watch?v=GLiv8MAzw9s)
Der Pathologe Dr. Chris Marteson erläutert den Effekt der temporären Kavitation (vorübergehende Hohlraumbildung) nach einer Schusswunde auf YouTube.
Bis heute wurde kein Autopsiebericht veröffentlicht oder auch nur offiziell bestätigt, dass eine Autopsie überhaupt stattgefunden hat. Auch gibt es bisher kein Bild der verwendeten Kugel, obwohl sie nach Aussagen von Andrew Kolvet, dem Sprecher von Turning Point USA (der Organisation, die Kirk leitete), im Körper von Kirk gefunden worden sein soll.
Pro und Contra Verschwörungstheoretiker
Während die Strafverfolgungsbehörden und ein Großteil der etablierten Medien in den USA die Täterschaft von Tyler Robinson und den Tatverlauf, so wie er (lückenhaft) von Polizei und FBI kommuniziert wurde, nicht mehr infrage gestellt haben möchten, ist der Fall für die unabhängigen Hobbyermittler also noch keineswegs beendet. Viele von ihnen sprechen davon, dass Tatumstände und die Kommunikation der Ermittlungen sie an den Mord an John F. Kennedy in Dallas im Jahr 1963 erinnern und nennen Tyler Robinson den Lee Harvey Oswald unserer Zeit. Andere ziehen Parallelen zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und dem jahrelangen Kampf um die Aufklärung, die bis heute andauert.
Wie immer, wenn das „Internet“ in dieser Weise loslegt, entsteht eine riesige Masse an brauchbaren Theorien, wichtigen Hinweisen, klugen Analysen, wichtigen Fakten, aber natürlich auch viel Unsinn, viel Emotionales, Vorschnelles, Übertriebenes. Sollten die Bürger sich heraushalten und den offiziell Zuständigen diese Arbeit überlassen? Das war schon das Argument in der Corona-Zeit: Lasst die Experten machen. Das Problem dabei: Das Vertrauen ist dahin. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001, den Ereignissen und Umständen der Coronazeit, der Nord-Stream-Sprengung sind viele Menschen – oft fast gegen ihren Willen – zu sogenannten Verschwörungstheoretikern geworden. Dieser Begriff umfasst dabei ein breites Spektrum: Von den Menschen, die skeptisch sind und Fragen stellen, ihre eigene Intelligenz, ihre eigene Fachkenntnis einsetzen, um die von staatlichen oder sonst mächtigen Institutionen behaupteten Informationen zu überprüfen, bis zu Menschen, die sich in wirren Gedanken verfangen, rein emotional reagieren, wiederum den alternativen Theorien blind glauben oder auch teilweise den Bezug zur Realität verlieren. Da die skeptischen Menschen natürlich eine Bedrohung und Stress für die staatlichen Stellen (und auch oft die etablierten Medien) bedeuten, wird gern die erste Gruppe mit der zweiten verwechselt. Fairerweise muss man sagen, dass es auch ein fließender Übergang ist und viele beide Qualitäten miteinander verbinden. Dennoch ist leider inzwischen (oder vielleicht immer schon) Skepsis angebracht, notwendig und gerechtfertigt.
Es gibt zudem viele Vorteile der „Schwarmintelligenz“, denn diese hat kein Zeit- oder Personalproblem und vor allem ist sie nicht zentral gesteuert. Jenseits von den Fehlern, die entstehen können durch die starken Gefühle, den Mangel an korrekten Prozessen und geordneten Abläufen und natürlich auch durch mangelnde Expertise bei vielen, können aber auch die Verschwörungstheorien ein Mittel der Manipulation sein. Die Vielzahl an Theorien und Spekulationen, die seit der Tat die Runde machen, können nämlich auch künstlich verstärkt werden, um Verwirrung in den Köpfen der Bürger zu hinterlassen. Aber das wäre eine Verschwörungstheorie über Verschwörungstheorien…
Wir können jedenfalls gespannt sein, wie es weitergeht. Es ist interessant, selbst mit zu ermitteln, was mit den neuen Medien und technischen Mitteln so leicht möglich ist wie vielleicht nie zuvor. Nicht umsonst ist der Krimi immer noch eines der beliebtesten Genres. Der Mensch ist ein Wesen, das Rätsel lösen will. Der Staat mag das Gewaltmonopol haben, aber ein Monopol auf die Ermittlungsarbeit hat er nicht. Es scheint fast wie ein Rennen, wie auf der einen Seite die staatlichen Stellen die Ermittlungen durchführen und diese – mal mehr und mal weniger schlecht – kommunizieren und parallel dazu die Hobbyermittler ihren Beitrag leisten, die offiziellen Ermittlungen ergänzen, infrage stellen, ihnen davonlaufen, sie kontrollieren und scharf kritisieren.
Und die gesamte Situation ähnelt auch einem basisdemokratischen Juryverfahren: Verschiedene Experten können gehört werden, die Spreu muss vom Weizen getrennt werden und die Öffentlichkeit sitzt wie eine Jury davor und bildet sich eine Meinung. Ob man das eher befürwortet oder ablehnt, hat auch damit zu tun, wie viel Intelligenz und gesunden Menschenverstand man der „breiten Masse“ zutraut.
Die Zeit wird zeigen, wer im Fall Charlie Kirk recht hatte: Die Skeptiker oder diejenigen, die den staatlichen Kräften in diesem Fall vertrauen.
Titelbild: Screenshot von youtube.com/watch?v=pPMWacCjRoM
Der frühere CIA-Agent und Waffentrainer Larry Johnson erläutert Ungereimtheiten der Videoaufzeichnung in der Sendung „Redacted“ auf YouTube.
Über den Schlagetot „Verschwörungstheoretiker“. Dargestellt am Beispiel Souveränität
Der Kampfbegriff einer super großen Koalition: Verschwörungstheoretiker!