Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Welches Tempo für Haushaltssanierungen? – Ein internationaler Überblick
  2. Frankreich schlittert in die Sparfalle
  3. Hoffnungsträger Hollande
  4. Die deutsche Agenda 2010 als Vorbild für Europa?
  5. Euro-Rettung: Brüssel will deutsche Einlagensicherung plündern
  6. Desaster Derivatehandel
  7. Kranke Häuser!
  8. Rentenanpassung – ein Tun „als ob”
  9. Ich gehe: Mein Rücktritt vom Amt
  10. EU-Parlament kippt Acta – Geht schon wieder ein Gespenst um in Europa?
  11. Finanzinvestor prüft Extra-Dividende: Eiszeit bei Iglo
  12. Oberbürgermeister in Duisburg – SPD-Mann mit „neuem Stil“
  13. Folgen der verkürzten Schulzeit: Setzen, Sechs!
  14. Bildungsausgaben
  15. Studienmonitor: Jugendliche ohne Leidenschaft?
  16. Paul Krugmans Gastbeitrag zu Obama: Ein Akt menschlichen Anstands
  17. Das Letzte: Kündigung wegen Posting: Nicht bei Facebook über die Firma lästern

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Welches Tempo für Haushaltssanierungen? – Ein internationaler Überblick
    Das Hauptergebnis der Analyse aus 173 Jahren mit Haushaltssanierungen in 15 Industrieländern ist, dass die wirtschaftshemmende Wirkung insgesamt überwiegt. So
    bewirkt eine Reduktion des Staatsdefizits um 1% des BIP typischerweise eine BIP-Verringerung um 0,5% des BIP während 2 Jahren und eine Erhöhung der Arbeitslosenquote
    um 0,3%. Demgegenüber fallen die Zinssätze nach 2 Jahren wie erwartet um 20 Basispunkte, was jedoch anscheinend nicht ausreicht, um die negativen Effekte wettzumachen.
    Interessanterweise war die hemmende Wirkung sogar in Episoden sichtbar, in denen das Ausfallrisiko erhöht ist. Eigentlich würde man unter diesen Umständen erwarten, dass
    positive Vertrauenseffekte eine wichtigere Rolle spielen als in anderen Episoden. Dennoch waren die negativen Effekte schwächer als sonst.
    Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass das richtige Tempo der Haushaltskonsolidierungen von vielen Faktoren abhängig ist. Angesichts der düsteren Wachstumsaussichten in den Industrieländern und der bestehenden Risiken sollten die Gefahren von exzessiven Haushaltssanierungen unbedingt beachtet werden. Deren Bedarf und Dringlichkeit ist von Land zu Land unterschiedlich; so sind etwa nur wenige Ländern von einem raschen Renditeanstieg ihrer Staatsanleihen betroffen.
    Die Sanierungen sollten demnach den jeweiligen Umständen der Länder angepasst werden. Das würde beispielsweise heißen, dass Länder, deren Staatsanleihen nur wenig Druck der Märkte ausgesetzt sind, ihre Staatshaushalte zeitlich gestaffelter und weniger dramatisch sanieren müssten. Ähnliches gilt für Länder, deren Ausgangsbedingungen vor der Krise vorteilhafter gewesen sind.
    Quelle: Die Volkswirtschaft, Das Magazin für Wirtschaftspolitik 3-20112 [PDF – 187 KB]
  2. Frankreich schlittert in die Sparfalle
    Die französische Regierung korrigiert ihre Wachstumsprognose deutlich nach unten. Laut Ökonomen droht dem Land ein ähnliches Schicksal wie Italien und Spanien. Auch Deutschland könnte abstürzen.
    Frankreich läuft Gefahr, in die gleiche Abwärtsspirale wie Spanien oder Italien zu geraten, sollte Präsident François Hollande an seinem Defizitziel von drei Prozent für 2013 festhalten. “Letztlich wird Hollande aufgrund der wegbrechenden Konjunktur wohl eher 40 bis 45 Mrd. Euro statt der geplanten 33 Mrd. Euro sparen müssen, um das Defizitziel zu erreichen”, sagte Xavier Timbeau, Konjunkturchef des Pariser Forschungsinstituts OFCE. Dann dürfte die Arbeitslosigkeit bis Ende 2013 auf ein Rekordhoch von mehr als elf Prozent steigen und Frankreich und Deutschland in die Rezession rutschen.
    Frankreichs Rechnungshof hatte am Montag durch einen Kassensturz die Nation aufgeschreckt und eine schärfere Konsolidierung von Hollande gefordert. Die angepeilte Senkung des Staatsdefizits auf 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahr erfordere sofortige Korrekturen – ansonsten drohe ein zusätzliches Haushaltsloch von bis zu 10 Mrd. Euro. 2013 müsse die Sparanstrengung gar 33 Mrd. Euro betragen. Die Hälfte davon solle durch Einschnitte beim Staat erfolgen.
    Quelle: FTD
  3. Hoffnungsträger Hollande
    Hollande hat nun nicht nur eine Quadratur des Kreises zu lösen, sondern gleich mehrere Probleme, deren Lösung je eigene Quadraturen des Kreises beinhalten: Außenhandelsdefizit, Arbeitslosigkeit, EU-Fiskalpakt bzw. Schuldenbremse. Mit antizyklischen und keynesianischen Hausrezepten allein wird Hollande die französische Krise so wenig meistern können wie Obama die amerikanische mit dem Drucken von Dollarnoten.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  4. Die deutsche Agenda 2010 als Vorbild für Europa?
    Strukturreformen werden den europäischen Krisenländern als Weg aus der Krise empfohlen.
    Die deutsche Agenda 2010 gilt als Vorbild, das Deutschland vor Arbeitslosigkeit und Rezession bewahrt habe. Die Defizit- und Schuldnerstaaten sollten ähnlich schmerzhafte Reformen nicht scheuen, um wieder zu Wachstum und Beschäftigung zu kommen. Tatsächlich haben die deutschen Reformen vor allem mehr Ungleichheit und hohe Exportüberschüsse ermöglicht.
    Letztere würden auch den Defizitländern helfen, setzen aber eben andere Länder voraus, die Importüberschüsse akzeptieren und sich dafür verschulden oder entsparen….
    Der Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen in den acht Jahren seit dem Reformjahr 2003 betrug 831.000, in den acht Jahren davor (1995 – 2003) jedoch 1.754.000, also mehr als doppelt so viel…
    Ähnlich fragwürdig stellt sich die Lage bei der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden dar. Sie betrug 1991 über 60 Milliarden Stunden und sank dann bis 2005 auf knapp 56 Milliarden, um danach bis 2011 wieder auf über 58 Milliarden anzusteigen. In der Rezession 2009 sank sie aber kurzfristig wieder auf unter 56 Milliarden…

    … Im Endergebnis war der rasch steigende deutsche Exportüberschuss vielleicht die zentrale Wirkung der Reformen. Der Leistungsbilanzsaldo betrug ab 2005 zwischen vier Prozent und acht Prozent des BIP. Das deutsche Wachstum verdankte sich somit zum großen Teil der Nachfrage des Auslandes.
    Dabei gaben die deutschen Unternehmen die geringen Lohnkosten nur partiell weiter. Vielmehr stiegen die Einkommen der Unternehmen und Kapitaleigner. Die hohen Einkommen sparten besonders viel. Dieser Effekt wurde durch den Versuch auch weniger gut verdienender Haushalte verstärkt, für ihre Altersvorsorge zu sparen, die durch die Rentenreform bedroht wurde. Der Finanzsektor transferierte diese Ersparnis ins Ausland, da sich im Inland trotz Steuererleichterungen nicht ausreichend Investoren fanden. Die ausländischen Schuldner absorbierten somit die deutsche Ersparnis und schafften die Nachfrage, ohne die Deutschlands Wachstum eingebrochen wäre.
    Für Länder im Süden der Eurozone, die hohe Leistungsbilanzdefizite haben und in den vergangenen Jahren im Gegensatz zu Deutschland steigende Löhne und eine entsprechende Binnennachfrage aufwiesen, scheint das deutsche Reformmodell als geeignete Strategie zur Wiederherstellung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Aber bringt sie auch Wachstum und Beschäftigung? Die deutsche Erfahrung lässt Zweifel zu, denn beides kam in Deutschland kaum durch die Reformen, sondern dank der ausländischen Nachfrage zustande. Diese wirkte wie ein mehrjähriges massives Konjunkturprogramm in Höhe von über vier Prozent des BIP.
    Die Strategie hätte also bestenfalls dann Erfolgsaussichten, wenn nun andere Länder diese Nachfragerolle übernähmen, sich verschuldeten (bzw. Ersparnisse auflösten) und Leistungsbilanzdefizite akzeptieren würden. Dazu fehlt es aber an der Bereitschaft bei den Gläubigerländern, insbesondere in Deutschland. Ohne diese Bereitschaft wird ein Austeritäts- und Lohnsenkungskurs aber nur zu einer allgemeinen Rezession führen. Zwar schrumpfen die Defizite der Schuldnerländer, aber um den Preis massiver Wachstumseinbußen. Eine expansive Lohnpolitik in Deutschland wäre ein wichtiger Beitrag zu einer europäischen Wachstumsstrategie.
    Zusätzlich droht eine Ausbreitung der sozialen Schieflage, in die Deutschland durch die Reformen geraten ist, auf ganz Europa. Die Verschlechterung der Einkommensverteilung, die Expansion des Niedriglohnsektors und der Abbau sozialstaatlicher Leistungen lassen sich auf ganz Europa ausdehnen. Ob sie die Vermögensbesitzer zu realwirtschaftlichen Investitionen veranlassen und damit vielleicht neues Wachstum auslösen, muss bezweifelt werden. Denn ohne Aussicht auf kaufkräftige Nachfrage dürften sich die Unternehmen zurückhalten. Wachstum braucht Kaufkraft, die nur aus der gerechten Verteilung einer Wertschöpfung kommen kann, die sich ihrerseits nur unter dem Dach einer expansiven Wirtschaftspolitik entfalten wird.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung WISO direkt [PDF – 217 KB]

  5. Euro-Rettung: Brüssel will deutsche Einlagensicherung plündern
    Brüssel könnte den Schutz deutscher Kontoguthaben für die Euro-Rettung anzapfen. Die Sparkassen wehren sich an der Regulierungsfront weiter gegen die mögliche Plünderung ihrer Sicherungsfonds.
    Quelle: Wirtschaftswoche

    Anmerkung RS: Wieder eine „die wollen nur unser Geld“ Angstmache.

    Eine Richtigstellung von Olaf Storbeck im Handelsblatt (wobei wir Storbecks Denunzierung von Tsipras für unangebracht halten):

    Deutsche Ökonomen sinken auf Tsipras Niveau
    Deutsche Ökonomen versuchen einen Aufruf gegen die Gipfelbeschlüse vom vergangenen Wochenende. Was herauskommt ist beschämend und offenbart den erbärmlichen Zustand weiter Kreise der deutschen Ökonomie.
    Quelle: Handelsblatt

    Kommentar Gustav Horn: Olaf Storbeck analysiert messerscharf den Aufruf des Dortmunder Professors Walter Krämer und stellt Erschreckendes fest.

    Ergänzende Anmerkung JB: Alte Bekannte der NachDenkSeiten wie Hans-Werner Sinn, Bernd Raffelhüschen und Klaus Zimmermann sind auch mit von der Partie. Das Niveau dieser „Ökonomen“ ist in der Tat unterirdisch und der angeschlagene national-chauvinistische Ton unerträglich.

  6. Desaster Derivatehandel
    Diejenigen, die dieses Drama angezettelt haben, orchestrieren seinen Verlauf. Fein formuliert und durch intensive Lobbyarbeit verstärkt, haben sie die Bankenkrise in Europa erfolgreich in eine Staatsschuldenkrise umgedeutet. Aus gutem Grund. So merkt nämlich keiner, dass sich im Vergleich zu 2008 nichts, rein gar nichts geändert hat, oder, wie es der oberste deutsche Bankenaufseher Jochen Sanio anlässlich seiner Verabschiedung im Dezember auf den Punkt gebracht hat: “Bis heute hat der Rückbau des weltweiten Finanzsystems nicht stattgefunden”.
    Die vollmundigen Absichtserklärungen der Politiker nach der Lehman-Pleite sind schon lange wieder vergessen, in den folgenden Monaten ausgearbeitete Gesetze und Verordnungen gammeln in irgendwelchen Schubladen vor sich hin, eine ernsthafte juristische Aufarbeitung der ermittelten kriminellen Handlungen findet nach wie vor nicht statt…
    Gut versteckt hinter dieser filmreifen Kulisse wächst und gedeiht immer noch der größte Schwarzmarkt der Welt, der Handel mit Finanzderivaten…
    Völlig unreguliert und unbeaufsichtigt verzockt eine Hand voll Banken im wahrsten Sinne des Wortes die reale Welt. Verrichten Banker „Gottes Werk“, wie es einst der Chef von Goldman Sachs, Lloyd Blankfein, formulierte…
    Es sind nur eine Hand voll Banken, die diese tickende Zeitbombe zu verantworten haben. Allen voran die „big 5“ aus den USA, JPMorgan, Bank of America, Citigroup, Wells Fargo und Goldman Sachs. Dazu gesellen sich die europäischen Größen Deutsche Bank, UBS, Crédit Suisse (CS), HSBC. Ein nennenswertes Volumen vom großen Derivate-Kuchen, 11,6 Billionen, gehört der mit Milliarden Steuergeldern geretteten teilstaatlichen Commerzbank.
    Die genannten US-Banken halten aktuell zusammen für 226,5 Billionen USD Finanzderivate (hier), die Deutsche Bank, UBS, CS und Commerzbank kommen zusammen auf 188,6 Billionen USD (Quelle: Geschäftsberichte 2011). Das Eigenkapital der vier europäischen Banken beträgt gerade einmal 197 Milliarden USD, auf das der US-Banken können wir verzichten, steht in einem ähnlich desolaten Verhältnis zum Volumen im Derivatehandel.
    Quelle: Der andere Ökonomie Blog
  7. Kranke Häuser!
    Wenn Ärzte und Kliniken wirtschaftlich erfolgreich arbeiten, ist das gut für uns alle. Es sei denn, ein Patient braucht Hilfe…
    Nachhaltig wirtschaften mussten Krankenhäuser schon immer. Doch inzwischen haben Stellenkürzungen und Arbeitsverdichtungen ein Ausmaß erreicht, das die gesamte medizinische Versorgung in Deutschland zu ruinieren droht. Es ist nicht allein die Privatisierung der Medizin, die Patienten gefährdet. Auch in kommunal oder konfessionell geführten Krankenhäusern und in den Praxen macht es die Industrialisierung der Medizin Ärzten wie Pflegekräften schwer, das Wohl der Patienten noch im Auge zu behalten. Vor allem geht in dem ständig steigenden Arbeitsdruck etwas verloren, was wesentlich wäre für eine gute Medizin: Zeit für Zuwendung, Zuhören, Trost. Der Patient steht nicht mehr im Mittelpunkt, sondern wird zum Störfaktor…
    Quelle: SZ

    Passend dazu unser Hinweis Nr. 15 von gestern.

  8. Rentenanpassung – ein Tun „als ob”
    Schaut man auf die Nachrichten, darauf, was aktuell zu Renten berichtet wird – da hält sich weiter hartnäckig die Auffassung, unsere Altersrenten wären wie alljährlich zum 1. Juli an gestiegene Löhne angepasst worden.
    Sogar Gewerkschafter bedienen sich zum Teil dieser irreführenden Sprachregelung – obwohl regelrechte Anpassung seit SPD-Kanzler Schröder Vergangenheit ist…
    Seither haben wir es noch und noch in West und auch in Ost immer wieder sogar mit Nullrunden und insgesamt mit einem sinkenden Realwert der Renten zu tun – im Endeffekt also mit Minusrunden. Nur kurzzeitig (1998/99, 2003, 2009) erscheint die Anpassung überhaupt mal gegenüber der Preisentwicklung akzeptabel.
    Ganz anders, als es die amtliche Berichterstattung der Öffentlichkeit vermittelt.
    Um 9 % ist die Kaufkraft der Renten in den letzten acht Jahren gefallen, registrieren die Sozialverbände.
    Quelle: Alteninformant

    Anmerkung WL: Interessant die dort aufgeführte Tabelle der Renten“anpassungen“ im Vergleich zu den Inflationsraten.

  9. Ich gehe: Mein Rücktritt vom Amt
    Der Bundesgeschäftsführer der Piraten hat genug, die Bundesagentur für Arbeit hat ihn gelehrt: Sein politisches Amt ist mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe nicht vereinbar.
    So wie es aussieht, werde ich in Kürze genug Einkommen haben, um vom Jobcenter unabhängig zu sein. Bis dahin wollen mich Freunde unterstützen. Nun ist ein Sprung ins Ungewisse angesagt, wie ihn viele gehen, die die Gängelung durch die Jobcenter nicht mehr ertragen und freiwillig auf Sozialleistungen verzichten. Ich verlasse das Amt, um frei zu sein. Das Arbeitsamt. Nicht mein Amt als politischer Geschäftsführer.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung WL: Erfreulich, dass die FAZ Herrn Ponader die Möglichkeit einräumt, über das Schicksal eines – prominenten – Alg II-Empfängers zu schreiben. Aber hat sich diese Zeitung jemals zuvor um die alltägliche Willkür der Arbeitsagenturen und die Demütigung von (nicht prominenten) Hartz IV-Empfängern gekümmert.

    Ergänzende Anmerkung Jürgen Karl: Der geschilderte Vorgang enthält allerdings einige Merkwürdigkeiten (soweit die Darstellung von Ponader korrekt ist). Ein Schelm wer an politische Repression denkt. Ponader ist sicher das, was man einen Nonkonformisten nennt, der gegen alle bürgerliche Ideologie steht. Eine funktionierende Demokratie muss Ponader aber den gleichen politischen Freiraum gewähren wie jeden anderen Bürger auch. Ob er nun Arbeitslosengeld II bezieht oder nicht.
    Ponader verweist hier auch auf einen Spiegel-Artikel über ihn, der bisher nur in der Print-Ausgabe erhältlich ist. Ich habe diesen Artikel gelesen und er ist von übelster Machart, vollständig mit einem denunziatorischen und hämischen Tenor geschrieben. Dies untermalt auf das beste Albrecht Müllers gestrige Ausführungen und legt die zunehmende Brutalisierung und Menschenverachtung der Mainstreampresse dar.

    Die Schilderung der Repressivität, die mit dem Bezug von ALG II verbunden ist, ist ebenfalls sehr interessant. ALG II ist eindeutig auch Instrument der innenpolitischen Befriedung und Unterdrückung. Soetwas wird in der öffentlichen Diskussion überhaupt nicht reflektiert. Erstaunlich, das die FAZ Ponaders Darstellung publiziert während die Kollegen des Spiegels offenbar nur noch Hetzartikel produzieren können.

  10. EU-Parlament kippt Acta – Geht schon wieder ein Gespenst um in Europa?
    Mit einem großen Knall hat das EU-Parlament Acta versenkt. War die Anti-Acta-Party offizielle Geburtsstunde einer politischen Bewegung? Oder ist der Vertrag einer Sponti-Aktion zum Opfer gefallen?…
    Der Protest hat gezeigt, dass sich für netzpolitische Themen mittlerweile breite und zuvor unpolitische Bevölkerungsschichten mobilisieren lassen, zumindest kurzzeitig. Das gilt zunächst einmal für die Jungen, die Kids, die mit und im Netz aufwachsen…
    Jeder Politiker sollte deshalb aus der Acta-Pleite mindestens zwei Lehren ziehen: Erstens, Netzthemen gehen längst alle an, weil das Internet für viele Deutsche – und nicht mehr nur für picklige Nerds – zu einer Dimension ihres Lebensraums geworden ist. Eigentlich müsste auch der Begriff “Netzpolitik” längst passé sein. Das Netz ist de facto Querschnittsthema der Politik. Die zweite Lektion besagt, dass eine ignorante Politik locker das Zeug dazu hat, binnen kürzester Zeit mächtige Koalitionen zu schmieden, die das Zeug haben, auch Regierungen erzittern zu lassen…
    Geht jetzt also ein mächtiges Gespenst um in Europa? Wird die Netzbewegung jetzt, da sie den Riesen Acta offiziell erlegt hat, so mächtig wie dereinst die Anti-Atomkraft- oder die Friedensbewegung? Noch ist das nicht ausgemacht, selbst wenn heute bei allen großen und kleinen Netzaktivisten beschwingt mit Club-Mate-Flaschen angestoßen werden dürfte.
    Quelle: stern.de
  11. Finanzinvestor prüft Extra-Dividende: Eiszeit bei Iglo
    Es ist bereits einige Jahre her, da sorgte das Vorgehen von Finanzinvestoren für viel Kritik. Von Heuschrecken ist deshalb bis heute die Rede, die über die Unternehmen herfielen und alles leerfraßen, also Kapital heraussaugten. Beim Fernsehkonzern Pro Sieben Sat 1 zum Beispiel, beim Modeunternehmen Hugo Boss und bei einigen anderen wurden damals hohe Dividenden an die Eigentümer, darunter immer wieder Finanzinvestoren wie Permira, ausgeschüttet, obwohl die Ertragslage so gar nicht danach war. Diese Zeiten sind eigentlich vorbei. Doch jetzt könnte es erneut ein Unternehmen in Besitz von Finanzinvestoren treffen. Iglo mit Sitz in Hamburg ist bekannt vor allem für tiefgekühlte Fischstäbchen (Werbefigur: Käpt’n Iglo) und Spinat und gehörte ursprünglich lange zum international tätigen Unilever-Konzern. Doch die Briten entschlossen sich 2006 zum Verkauf. Iglo und die Schwestermarke Birds Eye gingen an Permira. Es wurde investiert, und es wurden Zukäufe getätigt. Zum Beispiel kam auch die frühere italienische Schwestermarke Findus dazu.
    Iglo gilt heute als europäischer Marktführer, das Unternehmen wächst. In der vergangenen Woche war ein Weiterverkauf der Firma vorerst geplatzt. Nach Brancheninformationen hatten sich die beiden letzten Interessenten Blackstone und BC Partners – beide ebenfalls Finanzinvestoren – gegen eine Erhöhung des gemeinsamen Angebots von 2,5 Milliarden Euro entschieden. Zuvor waren schon andere Bieter ausgestiegen. Permira könnte nun bei Iglo trotzdem Kasse machen und sich eine kreditfinanzierte Sonderdividende auszahlen lassen. Es ist von einem Betrag von etwa 500 Millionen Euro die Rede. Der Hamburger Fischstäbchen-Konzern hat ohnehin mit einer Schuldenlast von 1,4 Milliarden Euro zu kämpfen. Nun arbeitet Permira zusammen mit Credit Suisse und der Deutschen Bank offenbar an einer Refinanzierung von 1,9 Milliarden Euro über vorrangige Kredite und nachrangige Anleihen, wie aus Bankenkreisen verlautet. Die Differenz von 500 Millionen Euro könnte dann an Permira fließen. Kreditfinanzierte Ausschüttungen waren bei Private-Equity-Firmen vor der Finanzkrise beliebt, weil sie damit von niedrigen Zinsen profitierten und schnell bei Investments Kasse machen konnten.
    Quelle: SZ
  12. Oberbürgermeister in Duisburg – SPD-Mann mit „neuem Stil“
    Der frühere SPD-Landtagsabgeordnete Sören Link wird am Mittwoch als Duisburger Oberbürgermeister vereidigt, in der Nachfolge des CDUlers Adolf Sauerland. Sein Wahlergebnis erinnert an jene Zeiten, als im Ruhrpott noch die Hochöfen qualmten und alle Malocher SPD wählten: Mit stolzen 71,96 Prozent wurde Link am Sonntag gewählt.
    Doch der vermeintlich strahlende Sieg erinnert nur auf den ersten Blick an die alte Genossenherrlichkeit. Denn noch nie war die Wahlbeteiligung in der Ruhrgebietsstadt so gering. Gerade mal 93.962 Duisburgerinnen und Duisburger machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch: 25,75 Prozent. Für Sauerlands Abwahl hatten im Februar noch knapp 130.000 Menschen gestimmt.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Ist es Resignation oder Fatalismus, dass sich gerade noch ein Viertel der Wahlberechtigten an einer Oberbürgermeisterwahl beteiligen. Fatalismus vielleicht deswegen, weil eine Stadt die unter einem Haushaltssicherungskonzept steht und über fast 10 Jahre Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe vorzunehmen hat, ohnehin kaum noch politischen Entscheidungsspielraum hat.

  13. Folgen der verkürzten Schulzeit: Setzen, Sechs!
    Die Verkürzung der Schulzeit zum G 8 ist missraten. Jetzt ist es höchste Zeit, durch eine Wahlmöglichkeit der Schulen selbst die lähmende Debatte um die Dauer der Gymnasialzeit zu beenden. Eine Erkenntnis aber bleibt: Die Politik sollte sich aus solchen Projekten heraushalten…
    Es lohnt sich heute, noch einmal zu schauen, welche Gründe seinerzeit für die Notwendigkeit der gymnasialen Schulzeitverkürzung angeführt wurden: Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, Haushaltseinsparungen durch weniger Lehrer und Schüler, Sicherung der Renten durch längere Berufsverweildauer, bessere Arbeitsmarktchancen jüngerer Schulabsolventen. Inzwischen klingen diese rein ökonomischen Argumente seltsam hohl und veraltet…
    Pädagogische Argumente für das G 8 fehlten seinerzeit gänzlich. Forsch formulierte die damalige Kultusministerin von Baden-Württemberg, Annette Schavan, man werde im achtjährigen Gymnasium mehr Abiturienten in kürzerer Zeit zu besseren Ergebnissen führen. Gleichzeitig wurde die Öffentlichkeit getäuscht: Am Unterrichtsvolumen werde nicht gerüttelt, behauptete etwa der damalige saarländische Ministerpräsident Peter Müller, der Stoff werde nur auf acht statt auf neun Jahre verteilt. In Wirklichkeit war die Einführung des achtjährigen Gymnasiums in allen Bundesländern mit massiven Stundenkürzungen verbunden. Allein in Bayern fielen bis zu 20 Jahreswochenstunden einfach weg, der Beginn einer unseligen Stoffverdichtung…
    Deutschland gehört heute zu den Ländern, die ihren Jugendlichen bis zum Abitur mit am wenigsten Unterricht bieten, nämlich rund 9500 Vollzeitstunden. Der internationale Durchschnitt liegt bei 11.000.
    Quelle: SZ
  14. Bildungsausgaben

    Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

  15. Studienmonitor: Jugendliche ohne Leidenschaft?
    Wie schauen Jugendliche auf ihre Zukunft und welche Faktoren sind hierfür ausschlaggebend? Wie stehen Jugendliche allgemein zu Politik? Der aktuelle Studienmonitor beschäftigt sich mit einigen Studien, die sich genau mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben. Sowohl der Schulerfolg als auch der Blick auf die eigene Zukunft und das Engagement für politische Belange sind unter anderem abhängig von der sozialen Herkunft der Jugendlichen.
    Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
  16. Paul Krugmans Gastbeitrag zu Obama: Ein Akt menschlichen Anstands
    Es ist schon erstaunlich, wie grausam die Gegner von Obamas Gesundheitsreform sind. Statt Menschen zu helfen, wollen sie nur eines: Das Projekt verhindern.
    Quelle: FR
  17. Das Letzte: Kündigung wegen Posting: Nicht bei Facebook über die Firma lästern
    Nachdem ein Arbeitnehmer auf Facebook das Lied “Bück dich hoch” von Deichkind gepostet hatte, wurde ihm gekündigt. Sein Arbeitgeber fühlte sich beleidigt. Vor dem Arbeitsgericht Herford wurde am Dienstag (19.06.2012) ein Vergleich geschlossen. Kein Einzelfall – laut Medienrechtsanwalt Christian Solmecke steigt die Zahl solcher Fälle zurzeit sprunghaft an. Solmecke zu WDR.de: “Pro Woche landen zwei bis drei Fälle zu Beleidigungen oder Mobbing in sozialen Netzwerken in unserer Kanzlei. Die Leute vergessen, dass soziale Netzwerke überhaupt nicht privat sind und deshalb alles, was man dort tut, unter Beobachtung stehen kann.” Als Anwalt rate er allen Facebook-Anwendern deutlich dazu, Postings zum eigenen Arbeitsplatz komplett zu unterlassen. Grundsätzlich gilt in Deutschland zwar Meinungsfreiheit. Beleidigungen und Schmähkritik fallen aber nicht darunter. Ist das Lied von Deichkind nun eine erlaubte Form der Kritik oder schon eine Beleidigung? Und ist es auch für Dritte tatsächlich als Kritik an der konkreten Firma erkennbar? Diese Punkte hätte das Arbeitsgericht Herford klären müssen, wenn sich die Parteien nicht auf den Vergleich geeinigt hätten. Das Arbeitsgericht Herford durfte nicht mitteilen, welchen Inhalt der Vergleich hat.
    Quelle 1: WDR
    Quelle 2: Tape.tv

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