Peter Brandt schreibt über den Politiker und Privatmann Willy Brandt

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Dass er den Vater „Mit anderen Augen“ sieht, wie der Titel des Buches lautet, erkennt man schon am verwendeten Foto auf dem Cover. Es zeigt einen wachen, optimistischen Brandt. Das ist ziemlich anders und treffender als die vielen eher einen depressiven, zaudernden Menschen darstellenden Fotos auf einigen der in den letzten Jahren erschienenen Biografien und Schriften über den früheren Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden der SPD. Peter Brandt räumt mit einer Reihe von Vorurteilen und bösartigen Unterstellungen auf, die sich inzwischen in der öffentlichen Debatte eingenistet haben. Er widerspricht damit auch dem, was der Journalist Hans-Joachim Noack über weite Strecken in seinem Buch verbreitet. Mein positives Urteil über Noacks Buch muss ich korrigieren. Davon unten mehr in einem zweiten Teil. Von Albrecht Müller

Teil 1 zu Peter Brandts Buch:

Peter Brandt nimmt einige der gängigen Bosheiten auseinander oder er beleuchtet sie von verschiedenen Seiten. So die Behauptung, sein Vater sei depressiv gewesen. So die so leicht daher gesagte Einschätzung, sein Rücktritt am 6. Mai 1974 sei eigentlich nicht nötig gewesen. So die Behauptung, Willy Brandt sei kein Aktenleser gewesen. So auch die immer wieder gestreute Behauptung, Willy Brandt sei wegen Frauengeschichten erpressbar gewesen. Für einen Sohn behandelt er dieses Thema ausgesprochen feinfühlend und nach meiner Kenntnis den Fakten entsprechend. Es tut gut, dass den von Brandts Gegnern gestreuten ekelhaften Geschichten von einem Mitglied der Familie widersprochen wird.

Im Buch geht Peter Brandt auf die anfänglichen Schwierigkeiten seines Vaters ein, mit der Studentenbewegung und der Vietnam-Krieg-Kritik richtig umzugehen. Dieser Konflikt hat auch eine interessante persönliche Seite zum Verhältnis von Vater und Sohn bei politisch strittigen Fragen.

Peter Brandt äußert sich in nacheinander folgenden Abschnitten zum Verhältnis Willy Brandts zu Egon Bahr, Herbert Wehner und Helmut Schmidt. Manches sehe ich etwas anders als Peter Brandt – so zum Beispiel die Rolle dieser wichtigen Personen im Umfeld des SPD-Vorsitzenden von 1969 bis zum Rücktritt 1974 und darüber hinaus. Aber das mindert nicht den Gewinn der Lektüre.

Peter Brandts Buch ist sehr schön geschrieben. Auch deshalb empfehlenswert.

Hier die bibliografischen Angaben:
Peter Brandt
Mit anderen Augen
Versuch über den Politiker und Privatmann Willy Brandt
280 Seiten
24,90 €

Teil 2 Korrektur: Die positive Wertung von Noack: “Willy Brandt. Ein Leben. Ein Jahrhundert” ist nicht zu halten.

Am 27. August hatte ich mich in einem Kommentar der Hinweise auf der Basis eines Beitrags im Deutschlandradio überwiegend freundlich zum Buch von Hans-Joachim Noack geäußert. „Es könnte sich“ – so mein Kommentar – „trotz Widrigkeiten wohltuend von den vielen Biographien mit hohem Nachplapperanteil unterscheiden.“ Diese positive Bewertung muss ich nach Lektüre der einschlägigen Teile des Buches, die ich aus eigener Erfahrung beurteilen kann, zurücknehmen. Der Nachplapperanteil ist wie bei vielen anderen Büchern zu Willy Brandt sehr hoch. Damit wird ein Bild von Willy Brandt und seinem politischen Niedergang zementiert, das nicht der Wirklichkeit entspricht.

Da Willy Brandts Haltung und Werte auch heute aktuell sind und Biografien wie jene von Noack eher dem Beiseiteschieben der notwendigen Lehren dienen, beschäftige ich mich mit Brandt und der Literatur über ihn und würde dazu auch ermuntern wollen. Für die NachDenkSeiten darüber zu schreiben folgt jedenfalls nicht historischem Interesse oder einem Spieltrieb.

Es ist zu befürchten, dass Biografien wie jene von Noack flächendeckend Meinung bilden und wir deshalb die notwendige Lektion versäumen.

Mich fasziniert die Aktualität der Mission des früheren SPD-Vorsitzenden und Bundeskanzlers und ich bestaune die Treibjagd, die ihn zu Fall gebracht hat, und die in der Geschichtsschreibung häufig fortgeführt wird. Deshalb freue ich mich über den publizistischen Beitrag von Peter Brandt und füge demnächst selbst noch einen hinzu. Arbeitstitel: „Brandt aktuell. Treibjagd auf einen Hoffnungsträger.“ Wenn alles gut geht, Erscheinungstermin im Dezember.

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