Im Gegensatz zu den Schock-Studien von BILD gibt es einen tatsächlichen Rentenschock, ausgelöst durch die derzeitige Rentenpolitik

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Durch die „grundlegenden Entscheidungen der Rentenreform 2001 und dem Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) von 2004 hat der Gesetzgeber (…) die Grundlagen für eine generationengerechte Rente sowie die breite staatliche Förderung
der zusätzlichen Altersvorsorge geschaffen« – so heißt es im Entwurf der Koalitionsfraktionen für die »Rente mit 67«.
Das Nettorentenniveau wird hiernach im Wege der kontinuierlichen Abkoppelung der Renten- von der Lohnentwicklung von ursprünglich rd. 70% auf nur noch rd. 55% im Jahre 2030 sinken. Dies ist keine durch den demografischen Wandel aufgezwungene, also alternativlose Entwicklung, sondern politisch gewollt [PDF – 224 KB]. Wolfgang Lieb.

Als Ersatz für die Leistungskürzungen durch die »Riester-Reform« wurde die staatlich geförderte private Altersvorsorge geschaffen (»Riester-Rente«). Seither ist festgeschrieben, dass der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung bis zum Jahre 2030 die Marke von 22% nicht überschreiten darf. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der damit einhergehenden Verschiebung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Beitragszahlern zu Rentnern dient die Beitragssatzdeckelung vorgeblich der Entlastung der jüngeren Generation; sie dürfe nicht durch ungebremst steigende Beiträge überfordert werden – so die gebetsmühlenartig vorgetragene Begründung.

Wer allerdings den paritätisch finanzierten Beitragssatz deckelt, kommt nicht umhin, auf der Leistungsseite zu kürzen; so geschehen durch »Riester-« und »Schmidt-Reform«. Das Nettorentenniveau wird hiernach im Wege der kontinuierlichen Abkoppelung der Renten- von der Lohnentwicklung von ursprünglich rd. 70% auf nur noch
rd. 55% im Jahre 2030 sinken. Dies ist keine durch den demografischen Wandel aufgezwungene, also alternativlose Entwicklung, sondern politisch gewollt.

Wie könnte eine der Alternativen aussehen?

Mit einem paritätischen Beitragssatz von rd. 28% im Jahre 2030 wäre weiterhin ein Lebensstandard sicherndes Alterseinkommen finanzierbar – und zwar auch ohne die »Rente mit 67«.
Seit der »Riester-Reform« geht es der Rentenpolitik allerdings vorrangig um die Privatisierung sozialer Risiken und ihrer Kosten. Gewinner sind Arbeitgeber und private Finanzdienstleister. Den (jüngeren) ArbeitnehmerInnen – also den künftigen RentnerInnen – wird dies als »generationengerechte Entlastung« verkauft; sie müssten 2030 nur 11% statt 14% Rentenbeitrag zahlen.
Dass sie bereits heute für einen gesicherten Lebensabend insgesamt mehr aufzuwenden haben als die »unzumutbaren« 14%, die im Jahre 2030 für eine sichere Rente fällig wären, wird bei der öffentlichen Verdummungskampagne bislang erfolgreich unterschlagen.

Anmerkung: Was bei den allermeisten Rentenprognosen auch unter Berücksichtigung „der demografischen Entwicklung“ nicht einkalkuliert wird, ist die – selbstverständlich unsichere – Prognose über die tatsächliche Ausschöpfung des Erwerbspersonenpotentials und damit die tatsächliche Entwicklung der Beitragszahler und des Beitragsvolumens. Niemand kann heute seriöserweise vorhersagen, wie viele erwerbsfähige Personen in 10, 15 oder 20 Jahren tatsächlich voll erwerbstätig und damit beitragspflichtig sein wird.
Nur so viel kann man sagen, wenn sich die derzeitige Politik nicht ändert, und weiterhin nur am Symptom Arbeitsmarkt mit Mini-, Teilzeit-, Ein-Euro-Jobs oder einem Niedriglohnsektor (mit negativer Einkommensteuer) herumgedoktert wird, statt auf eine Wachstumspolitik mit möglichst vielen Vollerwerbsarbeitsplätzen zu setzen, werden die beitragsabhängigen sozialen Sicherungssystem weiter geschädigt.
Der Arbeitgeberseite kann dieses Lohndumping nur Recht sein, denn das erlaubt ihr die Arbeitskosten zu senken. Weil sie natürlich auch erkennt, dass mit Niedriglöhnen die gesetzlichen Sicherungssysteme ausgeblutet werden, muss sie die „Eigenvorsorge“, d.h. die private Vorsorge propagieren. Ihre Verbandsvertreter nehmen dabei billigend in Kauf, dass mit Niedriglöhnen der Aufbau einer privaten Vorsorge gar nicht möglich ist. Die sich daraus entwickelnde Altersarmut, genauer die Altersbedürftigkeit, kümmert sie nicht.