Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Hiroshima, Nagasaki und Fukushima
  2. Realistischer Antikapitalismus statt moralische Umerziehungsversuche
  3. Warum Schuldenabbau kontraproduktiv sein kann
  4. Die Metro-Übernahme wird zum Pokerspiel der Großaktionäre
  5. Jan Brandt gegen den Immobilien-Irrsinn
  6. Überleben auf dem “fünften Arbeitsmarkt”
  7. Die gefährlichen Verteilungswirkungen der Klimapolitik
  8. Streit um Glyphosat-Zulassung – Wie Lobbyisten Ministerien und Kanzleramt bearbeiteten
  9. Ohne Gesichts-Scan kein Essen
  10. Liebe zur Bombe
  11. Befeuern deutsche Waffenlieferungen den Konflikt um Kaschmir?
  12. Libyen im Proxy-War-Milizen-Schlamassel
  13. In der Wanne heimlich weinen
  14. Armut im Fernsehen – Das Klischee bedienen für die Quote
  15. “New York Times” ändert Trump-Überschrift nach massiven Protesten
  16. Pressefreiheit – Analyse eines westlichen Werteverfalls
  17. Russland wirft Deutscher Welle Einmischung vor
  18. Liebe Greta-Hasser, Klimawandelleugner und rechte Trolle – geht einfach!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Hiroshima, Nagasaki und Fukushima
    Der Mahnruf des missachteten Gewissens
    Vor 74 Jahren warfen US-Soldaten erstmals in der Menschheitsgeschichte eine Atombombe auf bewohntes Gebiet ab. Ihr Ziel am 6. August, morgens um 8.15 Uhr, war die südjapanische Stadt Hiroshima. Nur drei Tage später fiel die zweite Atombombe auf Nagasaki. Am 6.August 1945 starben in Hiroshima 140.000 Menschen und kurz danach in Nagasaki 73.000.
    Die US-Regierung rechtfertigt ihren brutalen Einsatz bis heute mit dem Argument, dass nur durch die beiden Atombomben der Zweite Weltkrieg im Fernen Osten rasch beendet werden konnte.
    Bis zum Jahr 2019 sind jedoch noch einmal mehr als doppelt so viele Menschen an den Spätfolgen nuklearer Verstrahlung gestorben – insgesamt über 400.000. Und das Sterben geht bis heute weiter – noch 74 Jahre nach den Atombomben.
    Vor einigen Jahren hatten mich die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki zu Vorträgen eingeladen. Mein Thema hieß “Vom Atomzeitalter ins Solarzeitalter”. Wichtigere Orte zu diesem Thema gibt es wohl nicht.
    Wer in Hiroshima und Nagasaki mit Strahlungsopfern spricht oder die beiden eindrucksvollen Gedenkstätten besucht, dem öffnet sich das Tor zur Hölle auf Erden. Im August 1945 geschah ein Massenmord wie ihn sich die Welt bis dahin nicht vorstellen konnte. Innerhalb von Sekunden haben sich Zehntausende von Menschen in Nichts aufgelöst, waren allenfalls ein Häufchen Asche oder für den Rest ihres Lebens verstrahlt und verkrüppelt.
    Am meisten erschüttert hat mich jedoch eine Zahl, die der Oberbürgermeister von Hiroshima nannte: Jedes Jahr sterben heute noch in Japan über 3000 Menschen an den Folgen atomarer Verstrahlung aus dem Jahr 1945. Kurz vor meinem Vortrag in Nagasaki schob mir der stellvertretende Oberbürgermeister noch einen handgeschriebenem Zettel zu, auf den er die aktuelle Zahl der in seiner Stadt bisher durch atomare Verstrahlung getöteten Menschen geschrieben hatte: 140.144!
    Quelle: Telepolis

    Dazu Sahra Wagenknecht: Heute vor 74 Jahren zerstörte eine Atombombe Hiroshima, drei Tage später eine weitere die Stadt Nagasaki. Über hunderttausend Menschen starben, viele leiden bis heute an den Folgen. Die Opfer mahnen uns: Wir müssen auf eine Welt ohne Atomwaffen hinarbeiten. Ein erster Schritt ist der Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel und das Ende der nuklearen Teilhabe. Die Bundesregierung muss sich für eine Neuauflage des INF-Abrüstungsvertrags einsetzen und dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten!
    Quelle: Sahra Wagenknecht auf Facebook

  2. Realistischer Antikapitalismus statt moralische Umerziehungsversuche
    Wolfgang Streeck über Europa, Migration, Gendersternchen und die Krise der Linken.
    Nicht zuletzt das Thema Migration hat sich für linke Parteien als so schwierig wie schmerzhaft erwiesen. Wie sieht eine überzeugende linke Position für Sie aus?
    Die deutschen Unternehmen sind hungrig nach Arbeitskräften, nach qualifizierten ebenso wie nach solchen, die mit der Hälfte des deutschen Mindestlohns, vom Jobcenter auf Hartz IV aufgestockt, zufrieden wären. Eine florierende regionale Wirtschaft wächst schneller als das regional nachwachsende Arbeitsangebot; dieses braucht fast zwei Jahrzehnte, um für Arbeitgeber und Sozialversicherer Gewinn abzuwerfen. Also Einwanderung. Man denke an den Daimler-Mann Zetsche, der im Merkel-Herbst 2015 den „Beginn eines zweiten Wirtschaftswunders“ herbeifabulierte. Ein Zuwanderungsgesetz hat es aber erst vor ein paar Monaten gegeben, so groß war bis dahin der Widerstand sowohl der alten CDU als auch der Ge-werkschaften, und für die neoliberale Utopie eines offenen Arbeitsmarkts mit unbegrenztem Arbeitsangebot hätte es oh-nehin nicht gereicht.
    Da kamen der Syrienkrieg und die Kriege und Bürgerkriege in Afghanistan und Afrika gerade recht: „Schutzsuchende“ muss man, wenn man die Verfassung und das internationale Recht entsprechend auslegt, ungeprüft und unbegrenzt einlassen, auch die niedrig oder gar nicht qualifizierten. Dagegen konnte selbst die von ihren Wählern bedrängte CDU/CSU-Bundestagsfraktion nichts machen, die nicht nur von der Kanzlerin bedrängt wurde stillzuhalten, sondern auch von den Arbeitgebern im Bündnis mit den Kirchen, der SPD, den Grünen…
    So bekam „die Wirtschaft“ mit humanitärer Begründung, was sie mit wirtschaftlicher Begründung nicht hatte bekommen können: ein zusätzliches Arbeitsangebot sowohl für qualifizierte Tätigkeiten als auch für den Niedriglohnsektor, aus dem man sich jeweils das Beste heraussuchen und den Rest der Sozialhilfe überstellen kann. Dass „wir“ uns anschließend als „weltoffene“ Nation loben lassen konnten — ein „neues Deutschland“, das „aus seiner Geschichte gelernt“ hat — machte die Linke fast zum Merkel-Fanclub, insbesondere als sie dann die unvermeidliche Gegenbewegung als „neofaschis-tisch“ bekämpfen durfte. Dabei entging ihr, dass Merkel spätestens im Frühjahr 2016 erfolgreich daran ging, die Grenzen nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas wieder dicht zu machen, um so ihr politisches Überleben zu sichern. …
    Noch einmal zurück zur Schwäche der Linken: Die Debatte bezieht sich oft auf die Verteilung der politischen Aufmerksam-keit zwischen einer kulturellen und einer ökonomischen Konfliktachse. Welche ist aus ihrer Sicht ausschlaggebend? Auf welcher Ebene ist am dringendsten gegenzusteuern?
    Ich glaube nicht, dass die beiden Achsen starr rechtwinklig zueinander stehen, also nichts miteinander zu tun haben, in welchem Fall sie tatsächlich für die Linke ein Skylla-und-Charybdis-Dilemma aufwerfen würden. Entstanden ist das Prob-lem meiner Erinnerung nach aus der Ratlosigkeit der „Dritte Weg“-Linken in den 1990er Jahren darüber, was sie nach ihrer globalistischen Wende den Wählern noch anbieten könnten – Schutz vor Marktkräften und internationalem Wettbewerb jedenfalls nicht mehr. Die Antwort war die Propagierung liberal-libertärer, sogenannter post-materialistischer Wertorientie-rungen, die als im Trend liegend wahrgenommen wurden.
    Dadurch wurde die linke Basis gespalten: Diejenigen „neuen Libertären“, die man bis dahin noch ökonomisch hatte einbin-den können, sahen nun keinen Grund mehr, nicht gleich zu den aufsteigenden Grünen überzugehen; traditionelle Linkswäh-ler dagegen fanden sich einer Umerziehungsrhetorik ausgesetzt, die ihnen positive Bekenntnisse zu Lebensweisen abver-langte, die ihnen unverständlich, unheimlich oder gar unmoralisch erscheinen. Viele von ihnen wollten deshalb mit Politik nichts mehr zu tun haben. Andere wechselten zu rechtskonservativen oder, in Ermangelung derselben, rechten und rechts-radikalen Parteien.
    Quelle: IPG Journal
  3. Warum Schuldenabbau kontraproduktiv sein kann
    Deutschland kann sich gratulieren: Als erstes Land nach der Finanzkrise hält es die im Maastricht-Vertrag festgelegte Quo-te „Verschuldung zu Bruttosozialprodukt“ von 60 Prozent wieder ein. Aber kann es sein, dass zu wenig Schulden genauso ein Problem sind wie zu viele Schulden? Es soll hier nicht um das Anschieben der Nachfrage durch den Staat gehen, son-dern um die Bedeutung von Staatsanleihen für das Funktionieren unseres Finanzsystems.
    Während früher Banken untereinander Geld gegen „Vertrauen“ liehen, ist aus diesem Geschäft im wahrsten Sinne des Wortes eine Pfandleihe geworden. Man schließt Verträge, die auf Heller und Pfennig festlegen, wie offene Positionen, also Schulden, zu besichern sind. Als Sicherheit dienen in der Regel Anleihen höchster Bonität, da man davon ausgeht, dass diese Kredite nie ausfallen können.
    Nun ist leicht einzusehen, dass dem Rückgang der Staatsverschuldung ein Rückgang des Bestandes an Wertpapieren fol-gen muss. Wenn also erstklassige Staatsanleihen das „Schmiermittel“ sind und wir die Analogie zu einem Motor herstel-len, droht dem Finanzsystem bei zu niedrigem Ölstand der Kolbenfresser.
    Eine englische Versicherung berechnete, dass Mitte der 2030er Jahre keine deutschen Staatsanleihen mehr im Umlauf sein könnten. Schon jetzt haben europaweite Rating-Abstufungen und die allgegenwärtige Sparpolitik dazu geführt, dass das Volumen von Anleihen höchster Bonität in Europa nur noch zehn Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht, während es in den USA 70 Prozent sind. Auch wenn es nur um technische Aspekte geht, müssen die Akteure rechtzeitig darauf reagieren, um Friktionen bei der Zahlungsabwicklung zu vermeiden.
    Quelle: FR
  4. Die Metro-Übernahme wird zum Pokerspiel der Großaktionäre
    Der Aktienkurs der Metro ist zurzeit ein Spiegelbild der verworrenen Nachrichtenlage rund um den Übernahmeversuch des Handelskonzerns. So sprang am vergangenen Freitag kurz vor Börsenschluss der Kurs auf 15,50 Euro, nachdem gemeldet worden war, der tschechische Investor Daniel Kretinsky prüfe eine Erhöhung seines Angebots auf 17 Euro. Doch die Er-nüchterung kam rasch. Kretinsky ließ deutlich dementieren – und der Kurs fiel am Montag nach Börsenöffnung wieder um fast einen Euro.
    Der Versuch, Metro zu übernehmen und von der Börse zu nehmen, wird immer mehr zum Pokerspiel der Großaktionäre. Auf der einen Seite ist der Milliardär Kretinsky, der sich über Anteile und Optionen bereits rund 30 Prozent von Metro gesi-chert hat und für die restlichen Anteile 16 Euro pro Stammaktie und 13,80 Euro je Vorzugsaktie bietet. Auf der anderen Seite stehen die Gründerfamilien Beisheim und Schmidt-Ruthenbeck, die zusammen rund 20 Prozent der Anteile halten und das Angebot als zu niedrig zurückgewiesen haben.
    Die Frage ist nun: Wer bewegt sich zuerst? Und kommen doch noch entscheidende Zugeständnisse, die Bewegung in die Sache bringen könnten? Bisher waren alle Gespräche ohne Ergebnis.
    Die Zeit drängt. Die Frist, die EP Global Commerce für die Annahme des Angebots gesetzt hat, endet am Mittwoch, dem 7. August um Mitternacht. Und klar ist zumindest: Kretinsky ist noch weit davon entfernt, sich den Anteil zu sichern, den er selbst als Schwelle in seinem Angebot definiert hat.
    Als Bedingung hat er angegeben, dass ihm mindestens 67,5 Prozent der Anteile angeboten werden. Denn nur dann sieht er die Chance, in der Hauptversammlung einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag durchzubringen – was für ihn zentral ist. Langfristig will er Metro zusammen mit seinem Investmentpartner Patrik Tkac komplett übernehmen und dann von der Börse nehmen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung JK: Ein Verlierer im Spiel der Finanzinvestoren steht auf jeden Fall schon fest: Es sind die bei Metro arbeitenden Menschen.

  5. Jan Brandt gegen den Immobilien-Irrsinn
    Nach einer Eigenbedarfskündigung erlebt Brandt 2016 eine Odyssee auf dem Berliner Mietmarkt, fast gleichzeitig wird in seinem Heimatdorf in Ostfriesland der alte Hof seines Urgroßvaters von einem Bauunternehmer gekauft und droht abgeris-sen zu werden. Selber von Wohnungslosigkeit bedroht, setzt sich der 1974 in Leer geborene Schriftsteller in den Kopf, das alte Haus zu retten und überlegt, vielleicht in das Dorf zurückzukehren, das er als Jugendlicher “am liebsten abgefackelt hätte”. Denn Berlin, die Stadt, die ihm dank der niedrigen Lebenshaltungskosten überhaupt erst ein Leben als Schriftsteller ermöglicht hat, will ihn offenbar nicht mehr. Doch auf dem Land versteht man seine plötzliche Sehnsucht danach, das Alte zu bewahren, nicht.
    Über diese doppelte Suche nach einer Heimat hat Brandt ein Buch geschrieben, das man wahrhaftig von zwei Seiten lesen kann – “Eine Wohnung in der Stadt” / “Ein Haus auf dem Land” lässt sich wenden, ist Immobilienkrisen-Reportage und Familiengeschichte in einem. Das Buch zur Stunde, lautet die fast einhellige Meinung angesichts der aktuellen Mietdeckel- und Enteignungsdebatten. “Schon wieder?”, möchte man da fragen, denn so wurde sein für den Deutschen Buchpreis nominiertes Buch “Gegen die Welt” auch schon genannt. Das erschien, als Schlecker, die Bösewicht-Kette, die im Roman das Dorfleben durcheinander bringt, tatsächlich pleite ging.
    “Eine Wohnung in der Stadt” fängt mit dem traumhaften Berlin der 1990er an – hättest du jemals gedacht, dass du eines Tages ein solches Buch schreiben würdest?
    Als ich damals nach Berlin kam, konnte ich gar nicht fassen, dass es eine Stadt gibt, in der man mit so wenig Geld, wie ich damals hatte, die Freiheit hat, machen zu können, was man eigentlich will und nicht den ganzen Tag für seine Miete arbei-ten zu müssen. Ich war aber so naiv, dass ich dachte, es geht immer so weiter. Oder die Entwicklung schreitet so langsam voran, dass ich mithalten und irgendwann doch eine eigene Wohnung kaufen kann. Die Preise blieben dann ja auch relativ lange sehr niedrig. Dann kamen aber der Finanzcrash und die Niedrigzinspolitik und hat all diejenigen überrollt, die dachten, dass sie mit ihren Ersparnissen auch irgendwann einmal etwas anfangen können. Die Preise steigen so rasant, dass man sich immer weiter von diesem Traum, sich einmal eine eigene Wohnung oder ein Haus leisten zu können, entfernt.
    Du beschreibst im Buch die damals aktive Künstler- und Studentenszene, die dazu beigetragen hat, dass Berlin so attraktiv für Touristen und Zugezogene wurde. Sind die, die eigentlich schuld waren an der Gentrifizierung, schon alle raus aus der Stadt oder etabliert?
    Es ist ja immer so ein Mythos, dass die Künstler selber diejenigen sind, die die Gentrifizierung vorantreiben. Sicher sind die Künstler diejenigen, die, weil sie eben auch kein oder wenig Geld haben, an Orte ziehen, an die die bürgerliche Mitte erst-mal nicht ziehen würde. Sie werten das dann auf, machen es attraktiv für den Mittelstand. Der zieht dann dahin, und dann wird es interessant für die Investoren. Aber was wir jetzt erleben, ist ja nochmal eine ganz andere Situation, wo nicht mehr einzelne Stadtteile, sondern ganze Städte interessant werden für das globale Kapital. Das kauft einfach Wohnungen, ohne diese gesehen zu haben oder dort wohnen zu wollen. Aus Wohnungen werden so begehbare Anlagedepots.
    Quelle: n-tv
  6. Überleben auf dem “fünften Arbeitsmarkt”
    „Ich glaube, es gibt keinen Ort, keine Straße in Berlin, wo Betteln nicht irgendeine Relevanz hat“, sagt die Sozialarbeiterin Anna-Sofie Gerth, die in Berlin-Wilmersdorf eine Tagesstätte für Wohnungslose leitet. „In jeder S-Bahn, in jeder U-Bahn, an den großen Plätzen in Berlin, ich würde sagen, an jedem zweiten Supermarkt. Auch in Banken, wo Menschen einem die Tür aufmachen, in der Hoffnung, dass man ihnen etwas in ihren Becher wirft.“
    Doch auch wenn man die Bettler in der Hauptstadt an jeder Ecke sieht, bleiben sie für den Rest der Gesellschaft in gewisser Weise unsichtbar. Man steckt ihnen Geld zu oder Essen, man ignoriert sie oder ist genervt, wenn man auf einer S-Bahn-Fahrt zum gefühlt hundertsten Mal mit einer vermutlich ausgedachten Elendsgeschichte konfrontiert wird. Was weiß man schon über ihr Leben, wie sie ihren Alltag organisieren und wie sie es schaffen, in Berlin auf der Straße zu überleben?
    Es sind Menschen wie Ronny, Straßenpunk und 33 Jahre alt. Ein kleiner, kräftiger Mann mit hellen Augen und vielen Zahn-lücken. Ein freundliches, offenes Gesicht, schwer gezeichnet durch Alkohol, Drogen und neun Jahre auf der Straße. Eigent-lich sei er Gärtner, sagt Ronny. „Schule beendet und die Ausbildung beendet. Und dann sollen sie mir mal Obdachlose zei-gen, die Schule und Ausbildung beendet haben. Das sind nicht viele.“
    Ronny lebt in der Nähe des Bahnhofs Zoologischer Garten, seit Jahrzehnten ein Hotspot für Obdachlose, Stricher und Dro-genabhängige. Sein Geld verdient er als Bettler:
    „Ich setze mich irgendwo hin, wo Leute vorbeikommen, stell den Becher hin, die Leute kommen direkt zu mir und schmei-ßen es rein.“ Manche würden sich auch mit ihm unterhalten. Er selbst spreche die Leute allerdings nie an. „Weil ich einen Respekt habe vor die Leute“, so Ronny. „Weil ich obdachlos bin, habe ich Respekt.“
    Über die Jahre hat sich Ronny einen Stammplatz zum Betteln erkämpft, vor einem großen Supermarkt. Ein Premiumplatz, denn das Geschäft ist jeden Tag geöffnet und hat viel Laufkundschaft. Zwischen 10 und 30 Euro bekomme er täglich in seinen Becher, sagt er. Und dann sind da noch die Leute, die ihm kein Geld geben, aber ihm etwas kaufen wollen. …
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  7. Die gefährlichen Verteilungswirkungen der Klimapolitik
    Auch die geplante Rückzahlung von CO²-Steuern durch eine Klimaprämie wird zu sozialen Verwerfungen führen. Deutschland droht damit eine Klimarevolte wie in den Nachbarländern, von der vor allem die AfD profitieren wird.
    Für linke Parteien stellt die soziale und politische Polarisierung durch die geplante Intensivierung des Klimaschutzes mittels CO²-Verteuerung ein großes Problem dar. Während die Grünen sehr gut damit leben können, die sozioökonomisch oder in Bezug auf formale Bildung besser gestellten Bevölkerungsgruppen hinter ihrer Position zu versammeln, werden SPD und Linkspartei belastet durch den Konflikt zwischen ihren akademisch geprägten Funktionärskreisen mit einer starken Präferenz für einen entschiedeneren Kampf gegen den Klimawandel einerseits und ihrem klassischen Wählerpotential von Arbeitern und unterer Mittelschicht andererseits. Letztere stehen einem deutlich intensivierten Kampf gegen den Klimawandel über CO²-Steuern oder Klimazertifikate skeptisch gegenüber und haben sehr gut begriffen, dass mit großer Wahrscheinlichkeit sie diejenigen sein werden, die überproportional durch diese Maßnahmen belastet werden.
    Bereits die bisherigen Maßnahmen zur Energiewende haben die sozial schwächeren Haushalte überproportional belastet, da deren Finanzierung über Verbrauchssteuern sozial regressiv wirkt. Höhere Steuern auf Energie sowie der europäische Emissionshandel in einigen Sektoren – und die mit letzterem einhergehende Kostenerhöhung für den Endverbraucher – belasten ärmere Haushalte in Relation zum verfügbaren Haushaltseinkommen deutlich stärker als reiche Haushalte, selbst wenn letztere mehr Energie verbrauchen. Auf der anderen Seite konnten die meisten Förderprogramme, die im Rahmen der Energiewende aufgelegt wurden, nur von den wohlhabenden Haushalten genutzt werden, denn man benötigt schon ein gutes Einkommen (und oft ein eigenes Haus), um beispielsweise von EEG-gestützte Maßnahmen zur Solarenergienutzung oder durch den Betrieb einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage profitieren zu können.
    Die derzeit prominent diskutierten Maßnahmen zur Intensivierung des Kampfs gegen den Klimawandel über CO²-Steuern oder Klimazertifikate können diese hochgradig problematische Verteilungswirkung noch weiter intensivieren. Zudem können die ärmeren Haushalte im Gegensatz zu den reicheren die Erhöhungen der Energiepreise kaum durch eine Veränderung des Konsumverhaltens kompensieren. Während letztere recht problemlos auf die eine oder andere Fernreise oder auf die neueste Version des SUV verzichten können, ist der Großteil der CO²-Emissionen der ärmeren Haushalte fast unvermeidlich, da dieser vor allem aus Heizung und Strom besteht.
    Quelle: Makroskop
  8. Streit um Glyphosat-Zulassung – Wie Lobbyisten Ministerien und Kanzleramt bearbeiteten
    • Die EU-Kommission ist für eine erneute Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat.
    • Doch im Kreis der Mitgliedstaaten findet sich keine Mehrheit – einige Staaten sind dafür, andere dagegen.
    • Mittendrin steht Deutschland, wo Umwelt- und Landwirtschaftsministerium streiten. Akten der Ministerien geben tiefe Einblicke in das Lobbying im Zentrum der Macht.

    Dem Ansehen von Glyphosat drohte Schlimmes. Als die SPD in ihrer Parteizentrale im Herbst 2017 eine Fotoausstellung ankündigte, schrillten bei Lobbyisten in Berlin die Alarmglocken. Bilder des Fotografen Pablo E. Piovano sollten Folgen des Pestizids in Argentinien dokumentieren. Zu sehen: Missbildungen, kranke Körper von Landarbeitern und Kindern. Ihr Leid wurde auch Glyphosat zugeschrieben.
    Der Deutsche Bauernverband reagierte giftig. Die Umweltministerin sollte auch noch die Eröffnungsrede zur Ausstellung “Landwirtschaft der Gifte. Ihr Preis für den Menschen” halten. Mit Interesse, aber “auch mit etwas Verwunderung” habe man die Ankündigung gelesen, schrieb Vizegeneralsekretär Udo Hemmerling an die Veranstalter. Argentinien sei nicht Europa. Hemmerling verlangte ein klärendes Gespräch – und zwar vor der Eröffnung.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  9. Ohne Gesichts-Scan kein Essen
    Von Jemen bis Nigeria werden Flüchtlinge und Hungernde biometrisch erfasst. Kritiker sagen: Die Reichen der Welt benut-zen die Armen als Versuchskaninchen.
    Der Bürgerrechtsaktivist Mark Latonero von der NGO Data & Society bezeichnete die konditionierten Hilfen in einem Gast-beitrag für die New York Times als “Überwachungs-Humanitarismus”: Die Datensammelsysteme würden die Schwächsten noch verwundbarer machen. Wenn die Daten eines Individuums oder einer Gruppe gehackt würden, könnte dies zu Vergel-tungsmaßnahmen führen. Trotz der hehren Absicht basiere die Entscheidung, biometrische Identifizierungssysteme zu installieren, auf einer Reihe von Fehleinschätzungen, zum Beispiel der, dass Technologie politische Probleme “lösen” könne. Latonero befürchtet, dass eine “digitale Unterklasse” entsteht. Die sei dann gezwungen, ihre persönlichsten Daten im Aus-tausch gegen Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel zu tauschen – ohne Würde, ohne Wahl. Latonero warnt, dass ausge-rechnet Hilfsorganisationen zu “den größten Datenbrokern in Krisenregionen” mutieren könnten – eine Rolle, die sonst vor allem kommerziellen Akteuren zugeschrieben wird.
    Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat 2013 in Malawi ein “biometrisches Identitätsma-nagement-System” (Biometric Identity Management System) gestartet. Mittlerweile ist es auf 43 Länder ausgedehnt, in seiner Datenbank sind Fingerabdrücke, Gesichts- und Irisscans von 4,4 Millionen Erwachsenen und Kindern über fünf Jah-ren gespeichert. Bis 2020 soll das System in 75 Ländern verfügbar sein und eine der größten multinationalen biometrischen Datenbanken sein. Flüchtlinge und Staatenlose werden mit einer Technik registriert, mit der einst Kriminelle und Kranke erfasst werden. Ende des 19. Jahrhunderts ließ der französische Kriminalist Alphonse Bertillon Jochbeinbreite, Armspann-breite und Ohrenlänge von Verdächtigen vermessen. Diese anthropometrischen Methoden kehren nun in neuem Gewand zurück. Was die Frage aufwirft: Zementiert die Technologie den sozialen Ausschluss noch weiter? …
    Die Journalistin und Medientheoretikerin Ariana Dongus argumentiert, die Flüchtlingscamps des UNHCR seien “Versuchsla-bore für biometrische Datenerfassung”: Neue Technologien würden im globalen Süden getestet, bis sie in der westlichen Welt als sicher und damit verkäuflich gelten. Die neomarxistische These: Der Norden liefert die Technik, den Menschen im unterentwickelten Süden bleibt nichts anderes übrig, als diese zu nutzen. Die Abhängigkeit geht weiter.
    Quelle: SZ
  10. Liebe zur Bombe
    Im Interview mit der Welt (Freitagausgabe) meint der deutsche, in Großbritannien lehrende Politikwissenschaftler Maximi-lian Terhalle, Deutschland sehe »nicht einmal die Gefahr« einer atomaren Eskalation, die sich aus dem Ende des INF-Vertrages über das Verbot landgestützter Atomraketen ergeben könnte: »Damit werden nukleare Mittelstreckenraketen wieder gebaut werden.« Seiner Sicht der Dinge entsprach auch die Widerspiegelung dieses vom Westen und speziell von den USA verursachten Desasters in den deutschen überregionalen Zeitungen. Die Devise hieß: Tiefer hängen, Kommenta-re vermeiden, Kleinklein erzählen und immer fragen, ob Moskau oder Washington den Vertrag zuerst verletzt haben. In ARD- und ZDF-Nachrichten: Gefahren gibt es allein im Wald und durch Migranten. Der AfD muss geholfen werden. Jenseits der deutschen Grenzen wird anders geschrieben. Der Wiener Standard zitiert z. B. am Freitag UN-Generalsekretär António Guterres, der im Februar, kurz nach Kündigung des INF-Vertrages durch die USA, in Genf vor der Abrüstungskonferenz er-klärt habe: »Die Nationen müssen abrüsten, oder sie gehen unter.« Es drohe ein Kollaps der Abkommen zur Verhinderung eines Atomkriegs. (…)
    So ist wieder einmal alles klar auf der atomaren Andrea Doria: Die einen zertrümmern einen Abrüstungsvertrag nach dem anderen, rüsten beispiellos auf und zerstören durch »Da und dort«-Kriege ganze Weltregionen wegen »unserer« Rohstoff- und Handelsinteressen, verursachen Elend und millionenfache Flucht. Unverändert bleibt: Der Russe ist schuld.
    Quelle: junge Welt
  11. Befeuern deutsche Waffenlieferungen den Konflikt um Kaschmir?
    Eine Liste der Bundesregierung zeigt: Indien und Pakistan gehören zu den Entwicklungsländern, die am meisten von deut-schen Rüstungsexporten profitieren. Wie wirkt sich das auf den Konflikt der beiden verfeindeten Atomwaffenmächte um Kaschmir aus?
    Mit der Aufhebung der Autonomierechte für die Unruheregion Kaschmir drohen die Spannungen in dem Himalayagebiet wieder zu eskalieren. Eine Liste der Bundesregierung zeigt nun, dass die beiden verfeindeten Atomwaffenmächte Indien und Pakistan zu den fünf Entwicklungsländern gehören, die am meisten von deutschen Rüstungsexporten profitieren. Demnach waren die beiden Länder im Zeitraum Januar 2017 bis Juli 2019 auf Platz zwei und fünf der Entwicklungsländer, für die die meisten Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter erteilt worden waren. Im Falle Indiens summierten sich die Exportgenehmigungen auf eine Höhe von mehr als 278 Millionen Euro und Pakistans auf eine Höhe von 247 Millionen Euro. Auch die anderen Empfängerländer sind nicht ganz unproblematisch, wie etwa Indonesien und Marokko. Die meis-ten Rüstungsexporte aus dieser Kategorie gingen nach Ägypten.
    Die Liste liegt der F.A.Z. vor. Die Bundesregierung hatte sie auf eine Anfrage des Abgeordneten Uwe Kekeritz erstellt. Aus-drücklich nicht aufgeführt sind Exportgenehmigungen von Rüstungsgütern in Industrieländer.
    Im Konflikt zwischen Indien und Pakistan hat sich die Lage allerdings seit Jahresanfang deutlich zugespitzt. Nach der Ent-scheidung der indischen Regierung vom Montag, die Sonderrechte des unter ihrer Verwaltung stehenden Teils von Kasch-mir zu streichen, wird nun mit einer neuen Welle der Unruhen gerechnet. Dadurch wird auch die Gefahr von militärischen Spannungen entlang der „Line of Control“, der faktischen Grenze zwischen Indien und Pakistan, größer. Die Zentralregie-rung hatte vorsorglich zusätzliche Truppen in den Bundestaat Jammu und Kaschmir geschickt. Indien wirft dem Nachbar-land vor, heimlich Separatisten in Kaschmir zu unterstützen.
    Quelle: FAZ
  12. Libyen im Proxy-War-Milizen-Schlamassel
    Inhaftierte Migranten sollen dazu gezwungen worden sein, Waffen für Milizen zu säubern und zu reparieren. Der libysche Innenminister kündigt erneut an, dass drei Migranten-Haftzentren geschlossen werden
    Ruanda will Migranten, die in libyschen Haftanstalten eingesperrt sind, aufnehmen. In Zusammenarbeit mit internationalen Hilfsorganisationen und der EU wird derzeit ein Notfallplan erarbeitet. Er geht zurück auf ein Angebot des ruandischen Präsidenten Paul Kagame, das dieser 2017 gemacht hat, wonach er bis zu 30.000 afrikanische Migranten aus Libyen im Verlauf mehrerer Jahre aufnehmen will.
    Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind es 500 Migranten aus Libyen, die Ruanda aus den Lagern mit den inakzeptablen Bedingungen aufnehmen will, wie die Financial Times aus dem Außenministerium in Ruanda erfahren hat. Den Rahmen dafür bildet der sogenannte Notfall-Transit-Mechanismus (emergency transit mechanism), der von der Eu und der UN finanziert wird. Das wäre ungefähr ein Zehntel der etwa 5.000 Migranten, die nach Schätzungen der UN in den libyschen Lagern zum Teil gewaltsam und unter Todesdrohungen festgehalten werden.
    70 Prozent unter ihnen, so übermittelt es die britische Zeitung, sind Flüchtlinge und Asylsuchende. Ein Teil von ihnen sei für ein Resettlement-Programm vorgesehen.
    Dem Bericht über das Angebot aus Ruanda ist eine für Libyen typische Not bei der Suche nach Problemen aus einer verzweifelten Lage anzumerken. Vincent Cochetel, der Sondergesandte des UNHCR für Libyen, steht unter dem Druck, eine schnelle Lösung dafür zu finden, dass Migrantenlager geschlossen werden. Zumindest hat dies vor ein paar Tagen der Innenminister der international anerkannten libyschen Regierung, Fathi Bashagha erneut, angekündigt, nachdem das UNHCR gefordert hatte, möglichst alle Lager zu schließen und die festgehaltenen Migranten auf freien Fuß zu setzen.
    Quelle: Telepolis
  13. In der Wanne heimlich weinen
    Lush ist einer der Marktführer für teure Kosmetik mit Feelgood-Faktor. Tiere sollen nicht leiden, Bauern nicht ausgebeutet werden. Und das Personal?
    Lush wirbt mit heilem Ökokapitalismus: vegan, frisch, handgemacht, ethisch. Viel Fairtrade, wenig Palmöl. Gute Laune. Da will ich arbeiten.
    Ulrikes Kollegin Susanne reibt mir den Arm mit Peeling ein. „Ist das nicht angenehm?“ Demo heißt das hier, der Erfolgsfak-tor bei Lush.
    „Was ist, wenn die Kunden das nicht wollen?“ „Die allermeisten lassen das gerne mit sich machen.“
    Mindestens fünf Demos soll jeder Kunde sehen und spüren. Fünf Mal den Arm eingerieben bekommen; die Hand mit Loti-on massiert; den Kopf über ein Blubberbecken gehalten. Sonst begreift er womöglich nicht, warum er 20 Euro für eine Fla-sche Duschgel ausgeben soll oder 60 Euro für eine Gesichtscreme. „Wir haben diese englische Herangehensweise“ meint wieder Ulrike: „Wir fragen den Kunden nicht bloß einmal.“ Nur auf der Straße, von WWF- oder Amnesty-Spendensammlern, wird man so offensiv angesprochen wie hier. Sie selbst habe als einfache Verkäuferin angefangen, erzählt Ulrike. Und sich angestrengt.
    Übrigens bekomme ich den Job.
    An meinem ersten Tag verführe ich Kinder, möglichst viele „Badebomben“ in den Korb ihrer Eltern zu legen (immer einen Korb unterjubeln, das bringt 20 Prozent mehr Verkäufe!). „Da ist ein kleiner Dino drin“, sage ich und drücke sie ihnen in die Hand oder lasse sie ins warme Testbecken gleiten. Die Kinder lächeln verschmitzt. 10,95 Euro weg – für einmal buntes Badewasser.
    Ich lerne meine Kolleginnen kennen: Alle sind Frauen, alle sind unter 25, alle sehen deutlich jünger aus. Und: happy. Man-che von ihnen wirken geradezu dankbar, hier arbeiten zu dürfen. Deshalb tanzen sie wohl so oft und energisch zu der Mu-sik, die durch den Laden schallt. Loud and proud heißt das bei Lush. „Supersüß seid ihr“, ruft Susanne. Dann führt sie mich durch den Laden. Ungefähr alles, was sie mir zeigt, ist ihr „absolutes Lieblingsprodukt“ und „Oh mein Gott, ich liebe es!“
    Quelle: taz
  14. Armut im Fernsehen – Das Klischee bedienen für die Quote
    Armut ist ein Stigma, über das viele schweigen. Zahlreiche Fernsehsendungen, wie die Serie „Armes Deutschland“ widmen sich dem Thema, in dem sie zwar Menschen zu Wort kommen lassen, aber dabei in Klischees schwelgen. Das Hauptprob-lem sei, dass die Ursachen von Armut meistens außen vor blieben, sagte die Journalistin Agatha Kremplewski, im Deutsch-landfunk Kultur.
    „Es werden immer stark emotional aufgeladene Einzelschicksale präsentiert, die von dem strukturellen Problem Armut ablenken.“ Dabei gehe es oft um „gute oder böse Arme“. „Die bösen Armen sind dann eben die, die sich weigern, arbeiten zu gehen, die faul sind, die ungebildet dargestellt werden, die teilweise sogar kriminell sind und die natürlich beim Zu-schauer dann sehr viele negative Emotionen erzeugen wie Wut, wie Ärger.“
    Die „guten Armen“ seien dann häufig Menschen, die sich im Niedrigsektor abarbeiteten und Mitleid erzeugen. Es gebe eine große Bandbreite solcher Formate, wie „Hartz und Herzlich„, Sozialexperimente bei „Plötzlich arm, plötzlich reich“ oder „Vera unterwegs“. Die meisten Sendungen funktionierten ähnlich und zeigten angeblich den Alltag von Menschen in prekä-ren Lebenslagen.
    2011 wurde der Harz IV-Empfänger Arno Dübel als angeblich „frechster Arbeitsloser“ durch zahlreiche Talkshows gereicht und sorgte für Empörung. „Natürlich laden diese Figuren extrem viele negative Emotionen auf sich und vereinen sehr, sehr viele Klischees miteinander“, sagte Kremplewski. Dübel habe einen Hund besessen, viel geraucht und den ganzen Tag auf dem Sofa gesessen und Fernsehen geschaut. Solche Personen würden zur Projektionsfläche für den eigenen Frust, ohne jeden Kontext zu sehen.
    Zur Motivation der Darsteller, an solchen Sendungen mitzuwirken, sagte Kremplewski, sie habe mit „Alex“ aus „Armes Deutschland“ darüber gesprochen. Er habe mitgewirkt, weil er darauf gehofft habe, durch die Teilnahme neuen Antrieb zu bekommen. „Natürlich ist der finanzielle Aspekt auch ein Grund“, sagte die Journalistin. Oft erführen die Darsteller nicht, für welche Sendung das gedrehte Material später verwendet werde.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: Die in den Privatsendern produzierten sogenannten Dokumentationen dienen ganz im Sinne der Herr-schaftssicherung, der Abwertung und Stigmatisierung von Menschen, die in prekären Verhältnissen leben müssen. Wie der Beitrag richtig vermerkt geht es nicht einmal im Ansatz darum gesellschaftliche und ökonomische Zusammenhänge von Armut aufzuzeigen.

  15. “New York Times” ändert Trump-Überschrift nach massiven Protesten
    “Unfassbar” – das ist eine prominente Reaktion auf die ursprüngliche Titelzeile der “New York Times” zu Donald Trumps Aussagen über die US-Massaker. Das Medienhaus reagierte prompt.
    Die Reaktion der Redaktion ließ nicht lange auf sich warten: Die “New York Times” hat die Titelzeile ihrer Aufmachergeschichte für den 6. August in einer zweiten Auflage geändert. Im Original las sich die Überschrift zu Donald Trumps Reaktion auf die Massaker in Texas und Ohio so: “Trump mahnt zu Einheit gegen Rassismus” (“Trump urges unity vs. racism”). Diese Zeile hatte für erhebliche Proteste gesorgt.
    Als einer der Ersten veröffentlichte der bekannte Statistik-Journalist Nate Silver einen Preview des Titelblatts bei Twitter mit dem Kommentar “Ich glaube nicht, dass ich das so formulieren würde”. Sein Beitrag wurde massiv weiterverbreitet.
    Die Kritik: Auch wenn die Zeile strenggenommen korrekt sei, verkenne oder verharmlose sie den Kontext der Aussagen des Präsidenten. Schließlich habe dieser sich in der Vergangenheit immer wieder rassistisch geäußert, etwa in seinen Attacken gegen Einwanderer aus Mexiko (“Vergewaltiger”), vier weibliche Kongressabgeordnete (“warum gehen sie nicht zurück”) oder den vornehmlich von Afroamerikanern bewohnten Ort Baltimore (“von Ratten befallenes Drecksloch”).
    In diesem Zusammenhang seien seine Aussagen über die Todesschüsse nicht so einfach für bare Münze zu nehmen, so die Kritik. Zudem habe Trump in seinem Statement ausgiebig auf die mutmaßliche Geisteskrankheit der Mörder hingewiesen und die Tragweite der Ereignisse so weiter relativiert. Bei Twitter kündigten manche Nutzer an, ihr Abo der Zeitung zu kündigen.
    Quelle: SPIEGEL Online
  16. Pressefreiheit – Analyse eines westlichen Werteverfalls
    In den westlichen Staaten verschiebt sich die Bedeutung der Pressefreiheit. Aus der Freiheit über alles zu berichten, worüber andere nicht wollen, dass berichtet wird, wird die erzählerische Freiheit, etablierte Narrative phantasievoll zu füllen. Eine Beweisführung.
    Es ist im Kern ein ungeheuerlicher Vorgang: Die britische Medienaufsicht Ofcom verurteilt RT zu einer Strafe von 200.000 Pfund. Der Vorwurf lautet, RT habe die Position der britischen Regierung bei der Berichterstattung im Fall Skripal und zum Krieg in Syrien nicht angemessen berücksichtigt. Noch einmal langsam zum besseren Verständnis: Es geht nicht darum, dass RT nachweislich falsch berichtet hätte. Die Strafe wird außergerichtlich von der Behörde verhängt, weil RT die Position der britischen Regierung im Falle Skripal und in Bezug auf Syrien nicht angemessen repräsentiert und damit das Gebot der Ausgewogenheit verletzt habe.
    In Russland kommentierte man, die Strafe sei freilich bezahlbar, allerdings sei sie vermutlich nur ein Testballon. In der Tat ist die Entwicklung aus mehreren Gründen bedenklich. Die Kriterien, die hier angelegt werden, sind schwammig und öffnen der Willkür Tür und Tor. Was heißt nicht angemessen? Eine quasi staatliche Behörde beurteilt die Angemessenheit der Berichterstattung über die Regierung? Solche Vorgehensweisen erwartet man von autoritären Regimen, aber nicht von Gesellschaften, die sich der EU-Charta und westlichen Werten verpflichtet fühlen.
    Quelle: Gert Ewen Ungar auf RT Deutsch
  17. Russland wirft Deutscher Welle Einmischung vor
    Die Sendung „Sonntagabend mit Wladimir Solowjow“ gehört zum festen Programm des staatlichen Fernsehkanals Rossija 1. Ein Propagandaformat, das den Staatsapparat und dessen Handeln uneingeschränkt lobt. Wird ein Funktionär eingela-den, muss er keine kritischen Fragen fürchten.
    Am vergangenen Sonntag nun war Marija Sacharowa zugeschaltet, die Sprecherin des russischen Außenministeriums.
    Sie spricht von Einmischung des Westens: „Ich denke, das ist ein phänomenaler Ausrutscher westlicher Medien und Jour-nalisten, als die Deutsche Welle in russischer Sprache den folgenden Aufruf veröffentlichte: Moskauer, geht auf die Straße! Stellen Sie sich vor: Moskau, geh‘ auf die Straße!“
    Auch das Außenministerium selbst erklärt in einem Schreiben an die Deutsche Welle, die habe „eindeutige Aufrufe zur massenhaften Teilnahme an unerlaubten Protesten veröffentlicht“.
    Der Sprecher der Deutschen Welle, Christoph Jumpelt, widerspricht: „Das ist absolut an den Haaren herbeigezogen. Die Berichterstattung über die Proteste, nicht nur an diesem Wochenende, sondern über den gesamten Zeitraum, den die schon laufen, ist selbstverständlich neutral und aus der reinen Perspektive des Berichterstatters.“
    Es bleibt aber unklar, worauf sich das russische Außenministerium genau bezieht, weil es die Vorwürfe nicht untermauert: „Ich gehe davon aus, dass Frau Sacharowa in ihren Äußerungen sich die Freiheit genommen hat, von uns zitierte Äußerun-gen der Demonstrationsorganisatoren unseren Redakteuren in den Mund zu legen, als redaktionellen Inhalt. Was das natürlich so nicht ist.“
    Quelle: Deutschlandfunk

    Dazu: Deutsche Welle wehrt sich gegen Vorwurf der Einmischung
    Wegen der Berichterstattung der Deutschen Welle (DW) über die Demonstrationen gegen die Kandidatenauswahl für die Regionalwahl am 8. September in Moskau gibt es Ärger mit der russischen Führung. Die Sprecherin des Außenministeri-ums, Maria Sacharowa, warf der DW vor, sich in die Proteste einzumischen.
    Sie behauptete, der deutsche Auslandssender habe Ende Juli in russischer Sprache einen Aufruf veröffentlicht mit folgen-dem Text: „Moskauer! Gehen Sie auf die Straße.“ Während seiner Berichterstattung am vorvergangenen Samstag war der DW-Korrespondent Sergej Dik von Spezialeinsatzkräften vorübergehend festgenommen worden.
    „Das ist schon an den Haaren herbeigezogen“, entgegnete DW-Intendant Peter Limbourg im Deutschlandfunk Kultur auf diese Vorwürfe. Der Korrespondent habe eine gültige Akkreditierung besessen und diese vorgezeigt. Die Sicherheitskräfte hätten aber gesagt, das Papier sei nichts wert und ihn mitgenommen. „Das geht natürlich gar nicht“, sagte Limbourg.
    Die Sprecherin des Außenministeriums tue nun so, als ob ein Journalist, der über eine nicht genehme Demonstration berich-tet habe, automatisch Teilnehmer gewesen sei. „So geht Journalismus dann überhaupt nicht mehr, deswegen wehren wir uns dagegen.“ Es handele sich um Methoden eines Polizeistaates, kritisierte Limbourg. Die DW habe auch nicht zur De-monstration aufgerufen, sondern habe Oppositionskräfte zitiert, die einen Aufruf gestartet hätten.
    Die DW habe ihre Nutzerzahlen in den vergangenen Jahren ausgebaut, sagte Limbourg. „Auch gerade in Russland.“ Der deutsche Auslandssender werde im Land als relevantes Medium wahrgenommen und habe den russischen sowie den ukrainischen Dienst deutlich ausgebaut. „Dadurch sind wir vielleicht der russischen Seite öfter mal ein Dorn im Auge.“ An-ders als die russischen Staatsmedien sei die DW nicht vom Außenministerium gelenkt, sondern berichte frei und unabhän-gig.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: „Anders als die russischen Staatsmedien sei die DW nicht vom Außenministerium gelenkt, sondern berichte frei und unabhängig.“ Wie würde Clint Eastwood sagen: You made my day!

    Anmerkung unseres Lesers M.H.: Man beachte den feinen sprachlichen Unterschied in diesem Deutschlandfunk Kultur Artikel: nicht „g e n e h m e“ Demonstration, wo es doch wohl nicht genehmigte Demonstration heißen müsste!

    Im Übrigen: was würde in der BRD polizeilicherseits eigentlich geschehen, gingen Demonstranten zu einer nicht genehmig-ten Demonstration z.B. in Berlin auf die Straße? Nun, die schwarzen Männer in militärischer Kampfausrüstung ziehen be-stimmt nicht ihre Samthandschuhe an, wenn sie zu einem Einsatz befohlen werden.

  18. Liebe Greta-Hasser, Klimawandelleugner und rechte Trolle – geht einfach!
    Die junge Aktivistin Greta Thunberg ist im Internet zum Hassobjekt der Klimawandelleugner und rechten Trolle geworden – leider auch auf JusticeNow!. Das Problem ist: Ihre „Kritiker“ verstehen die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels nicht. Ich bin es leid, mich mit ihnen zum Fußballspielen zu verabreden – und sie kreuzen wieder und wieder mit ihrem Tennisschläger auf.
    „JusticeNow! vertritt explizit links-liberale, anarchistische und pazifistische Ansätze“, so ist es auf der About-Seite auf justicenow.de zu lesen. Dies war der Anspruch, mit dem ich im Februar 2015 diese Seite gründete – was natürlich nicht heißt, dass die Leserinnen und Leser der Seite diese Perspektive teilen sollen, nur dass das eben meine Perspektive ist. Meine eigenen Analysen und Artikel befassen sich aus einer antimilitaristischen Sicht vor allem mit Fragen rund um Krieg und Frieden, das U.S. Empire und den Großraum Middle East. Ich interessiere mich jedoch für eine Vielzahl weiterer Themen. Etwa Fragen sozialer Gerechtigkeit, Rassismus, Tech, Philosophie, Genderfragen, Wissenschaft, LGBTQ, Atheismus und eine Wagenladung weiterer – nur schreibe ich über diese Themen selten bis gar nicht. Auch mein Tag hat nur 24 Stunden. […]
    Am vergangenen Freitag verlinkte ich schließlich einen Artikel von Jens Berger von den NachDenkSeiten (Transparenz: für die ich auch gelegentlich schreibe), in dem es exakt um dieses Internetphänomen des Hasses auf Greta Thunberg ging. Neben positiven Reaktionen formulierte etwa Jakob Frey* einen ausführlichen Post, dessen Inhalt mittelalterlicher Frauenverachtung seinesgleichen sucht. Er könne die wütenden Internet-Männer und ihren Hass auf Greta verstehen, da schließlich „alle Vorzüge unserer Zivilisation … von Männern erfunden, erschaffen … von ihnen unterhalten, gebaut, repariert und transportiert“ wurden und werden. „Was wäre mit diesen Mädchen und Frauen, hätte es keine alten und jungen Männer gegeben? … Sie würden in Holzhütten leben, mit Feuerholz heizen und in ein Plumpsklo kacken.“ Und junge Frauen wie Greta, mit ihren subversiven Ideen, wollten diesen alten Männern nun ihrer wohlverdienten Pfründe berauben. Auf meinen Einwand, er würde „Jahrtausende des Patriarchats, der systematischen Unterdrückung und Exklusion von Frauen“ schlicht ignorieren, kam eine klare Reaktion: „Welches Patriarchat?“ […]
    Es ist das grundlegende Problem der gesamten „Diskussion“: Der Klimawandel ist ein physikalisch-chemisches Phänomen und unterliegt damit der wissenschaftlichen Methodik – und zwar ausschließlich. Die wissenschaftliche Methodik folgt Konzepten wie Hypothese, Beweisführung, Gegenbeweis, Quellenarbeit, Statistik. Abermillionen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten Jahrzehnte daran, sich diese Fertigkeiten anzueignen. Sie investieren den Großteil ihrer Lebenszeit darauf, den Klimawandel aus allen nur erdenklichen Perspektiven zu beleuchten und zu analysieren. Doch Klimawandelleugnern genügt ein 7-minütiges YouTube-Video eines x-beliebigen Scharlatans, um sich darüber hinwegzusetzen. Für sie gilt die wissenschaftliche Methode nicht.
    Quelle: JusticeNow!

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!