Schlagwort:
Austeritätspolitik

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Nach oben buckeln, nach unten treten.

Es folgt ein Kommentar von Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linkspartei. Das ist sozusagen der bittere Abschluss einer bittereren Woche für die Demokratie in Europa. Wenn Sigmar Gabriel oder sogar Angela Merkel ihre Gegenstimme bei uns erheben wollen, wir würden ihren Text auch einstellen. Albrecht Müller

„Eine andere Wirtschaftspolitik!“

Das „Nein“ der Griechen vom 5. Juli steht für die Überwindung eines desaströsen neoliberalen Europas
In einer Fernseh-Talkshow am Sonntag kurz nach dem Abbruch der Verhandlungen zwischen Griechenland und der Eurogruppe in Brüssel sagte ein deutscher Spitzenbeamter des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM): „Denen (also den Griechen) geht es gar nicht um ein paar Prozentpunkte bei der Mehrwertsteuer. Die wollen eine andere Wirtschaftspolitik!“ Der Mann, ein Spitzenfunktionär also in jenem Tross, der seit der Finanz- und Euro-Krise mit desaströsen Sparprogrammen Europa ruiniert, hat also fünf Monate gebraucht, um das zu kapieren. So viel zur intellektuellen Flexibilität und ideologischen Verblendung dieser Herrschaften. Natürlich will die griechische Regierung eine andere Wirtschafts- und damit Finanz- und Sozialpolitik. Von Jochen Kelter.

Die Botschaft der Griechen

Alle diejenigen, die dem europäischen Austeritätskurs kritisch gegenüber stehen und die sich noch ein Stück Empathie gegenüber der griechischen Bevölkerung bewahrt haben, aber auch die, die für ein gemeinsames, wohlgemerkt demokratisches Europa sind, dürften sich über das deutliche Votum von über 61 gegenüber knapp 39 Prozent für ein „Oxi“ bei einer Wahlbeteiligung von über 62 Prozent gefreut haben. Die Botschaft des Referendums lautet doch: Die große Mehrheit der Griechen will eine alternative europäische Politik.
Die Sorge ist allerdings, dass künftig von den europäischen Vertretern der Gläubigerinteressen nicht mehr nur an der linken Regierung in Griechenland, sondern an der gesamten Bevölkerung ein Exempel statuiert werden könnte. Erste Stimmen in Deutschland lassen das Schlimmste befürchten. Von Wolfgang Lieb.

Gegen Legendenbildung: Aufklärung über die Verhandlungspositionen gegen Legendenbildung

Blick in die Dokumente zur Kontroverse zwischen der griechischen Regierung und den drei Geberinstitutionen (EU, IWF. EZB)
Martin Schulz und vor allem Vertreter der deutschen Regierung haben in vielen Interviews behauptet, weder Rentenkürzungen noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer sollten in Griechenland durchgesetzt werden. Diese Behauptungen halten einer Überprüfung der Dokumente (siehe unten) nicht Stand. Allerdings wird, wie oft von Kritikern behauptet,  der ermäßigte Steuersatz  von 6%  auf pharmazeutische Produkte nach dem Vorschlag der Geberländer nicht erhöht. Der Vergleich der drei entscheidenden Positionspapiere (siehe unten) schafft Aufklärung

  • Am Anfang steht ein überarbeiteter, aktuellster Vorschlag der drei Institutionen an die griechische Regierung.
  • Dann haben die drei Geberinstitutionen den darauf vorgelegten Vorschlag der griechischen Regierung massiv verändert (auch durch Streichungen).
  • Zum Vergleich steht am Ende der Vorschlag der griechischen Regierung.

Von Rudolf Hickel

Schulz Märchenstunde – ein neues Angebot an Griechenland, das weder neu noch ein Angebot ist

Martin Schulz und sein Parteichef Sigmar Gabriel haben gestern und heute über die Medien ihr Erstaunen zum Ausdruck gebracht, dass die griechische Delegation am Samstag ein angeblich „neues Angebot“ mit weitreichenden „neuen“ Zugeständnissen überhaupt nicht verhandeln wollte. Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, hat sich dieses „neue Angebot“ einmal anschaut und mit den „alten Angeboten“ verglichen – „neu“ ist an diesem Angebot so gut wie nichts und „weitreichende Zugeständnisse“ sind auch nicht zu entdecken. Schulz und Gabriel erzählen Märchen und stricken an einer Legende, die mittlerweile die Lesart der deutschen Öffentlichkeit bestimmt. Das ist Manipulation hoch zehn. Von Jens Berger.

Operation geglückt, Europa tot

Wenn dieses Wochenende uns eins gelehrt hat, dann ist es folgendes: Wer es wagt, das neoliberale Dogma auch nur zu hinterfragen, wird gnadenlos von seinen europäischen „Partnern“ an die Wand gestellt. Europa spielt bereits den „Grexit“ durch und es besteht kaum ein Zweifel daran, dass die „Institutionen“ ein Exempel statuieren wollen, um die linke griechische Regierung zu entfernen. Schon wird ein „Plan B“ ins Spiel gebracht – der Staatsbankrott und anschließende Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone. Doch um was geht es bei diesem Plan B konkret? Ist er noch abzuwenden oder dient er vor allem als ultimatives Druckmitteln, um das Referendum im Sinne des neoliberalen Europas zu verschieben. Wie dem auch sei, der Schaden, den die Finanzminister der Eurozone angerichtet haben, ist gigantisch. Der europäische Gedanke ist tot, Europa ist tot. Von Jens Berger.

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Das arme Griechenland und die Armseligkeit unserer Medien. Eine Dokumentation und einiges mehr zur totalen Meinungsmache.

„Schon seit ihrer Wahl Ende Januar wurden die Exponenten der griechischen Regierung mit Polemiken und sachfremden Anfeindungen überzogen. Seit Alexis Tsipras in der Nacht zum Samstag nun angekündigt hat, ein Referendum abhalten zu wollen, gibt es kein Halten mehr. Offen feindselige und nicht selten persönlich beleidigende Tiraden scheinen jetzt unabdingbar zum guten Ton zu gehören“, so beschreibt Carsten Weikamp die Reaktion der wichtigsten Medien. Er hat für die NachDenkSeiten diese armselige Reaktion dokumentiert (Teil I). Wir verlinken außerdem in Teil II auf die Rede von Tsipras mit der Ankündigung des Referendums und das Dokument mit den Vorschlägen der „Institutionen“, die die Entscheidung für das Referendum ausgelöst haben. Außerdem haben einige Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten auf den Beitrag zu den Methoden der Meinungsmache vom 26. Juni mit interessanten Analysen reagiert, die auch den Umgang mit Griechenland betreffen (Siehe Teil III). Danke vielmals allen Beteiligten. Albrecht Müller.

Kritik an Habermas‘ SZ-Artikel „Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist“

Die NachDenkSeiten wurden von einer Reihe ihrer Leserinnen und Leser auf den Beitrag von Jürgen Habermas in der Süddeutschen Zeitung vom 22. Juni aufmerksam gemacht. Die Hinweise waren ausnahmslos verbunden mit lobenden Worten, so wie auch in den Hinweisen des Tages von heute vermerkt. In der Tat enthält der Beitrag von Habermas eine Reihe von richtiger Kritik an der Griechenland-Politik Merkels und unserer Regierung. Aber die Freude darüber sollte uns nicht übersehen lassen, dass Habermas bei entscheidenden Fragen und Antworten falsch liegt. So schwierig es ist, eine so angesehene Person zu kritisieren, ich will es um der Sache willen versuchen. Schließlich gehen wir schon mindestens 15 Jahre lang falsche Wege in Europa und sollten das nicht weiter tun. Albrecht Müller.

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Das Buch zur Krise: „Nur Deutschland kann den Euro retten“ von Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas

Nur Deutschland kann den Euro retten

Die Griechenland-Krise spitzt sich zu: „Grexit“ oder gar „Graccident“? „Showdown“ auf dem EU-Finanzministertreffen? Kommt ein Schuldenschnitt? Oder gar das Ende der Sparpolitik? „Griechen-Bashing“ oder doch „Deutschen-Bashing“? Wer bei all dem Wirrwarr dieser Tage noch den Durchblick behalten will, dem sei das Buch der beiden Ökonomen Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas zur Lektüre empfohlen. „Nur Deutschland kann den Euro retten“, heißt es. Das Buch ist wichtig und hochaktuell zugleich. Denn es liefert die theoretischen Grundlagen zur Euro-Krise und bietet überdies linken Regierungen einen Leitfaden für den Euro-Ausstieg. Hauptverursacher der Krise ist nach Ansicht der Autoren aber nicht der vielzitierte „griechische Schlendrian“, sondern – der Titel lässt es bereits erahnen – das auf Export und Austerität basierende deutsche Wirtschaftsmodell. „Wir haben darin noch einmal die Geschichte der Eurokrise aufgerollt und Schritt für Schritt gezeigt, welche fatale Rolle Deutschland von Anfang an spielte“, sagte Flassbeck über das Buch. Von Thomas Trares [*]

Tsipras in der Zwickmühle

Nach dem im Dissens beendeten Treffen der „Brüsseler Gruppe“ und der Rückkehr der griechischen Delegation nach Athen hat Ministerpräsident Alexis Tsipras mit einer Erklärung gegenüber der linken Tageszeitung Efimerida ton Syntaktion reagiert. Er weist darauf hin, dass die griechische Regierung nach wie vor bereit ist, in weiteren Verhandlungen die „nötigen Abstriche“ zu machen, um eine Einigung mit den „Institutionen“ der Gläubiger (EU, EZB und IWF) zu erreichen. Zugleich betont er, dass er zusätzlichen Belastungen gerade der ärmsten Schichten nicht zustimmen kann und zu einer „Unterwerfung“ seines Landes nicht bereit ist. Von Niels Kadritzke.

Die Krise in Griechenland: Kein Mangel an absurden Erklärungsversuchen

Eine Schnellschätzung von Eurostat [PDF – 63,5 KB], dem statistischen Amt der Europäischen Union, ergab in der vorletzten Woche, dass das saisonbereinigte reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Griechenland im ersten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 Prozent gesunken ist. Da die Wirtschaftsleistung des Landes bereits im vierten Quartal 2014 um 0,4 Prozent geschrumpft war, befindet sich Griechenland nach einer gängigen Definition damit wieder in einer Rezession (zwei Minus-Quartale in Folge). Von Günther Grunert[*].

Deutsche Bad Bank

„Es vergeht kein Monat in der die Deutsche Bank AG nicht in den Schlagzeilen auffällt. Und Auffallen bedeutet nicht immer positiver Natur. Erst diese Woche berichteten Medien über Geldwäsche in der Moskauer Geschäftsstelle. Von Entlassungen war die Rede. Der Manipulationsvorwurf gegen die Investment-Abteilung im Bereich Zinsen, befindet sich bis heute noch in der Aufklärung.
Seit dem hat die Führungsriege mit dem Vertrauen der Aktionäre zu kämpfen“, schreibt das Wall Street Journal.
Die beiden Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen erhielten auf der gestrigen Aktionärsversammlung nur eine Zustimmung von rund 61 Prozent. Erwartet wurden 90 Prozent. Die Aktionärsversammlung ist für Jochen Kelter Anlass noch einmal das Sündenregister einer wirklichen Bad Bank aufzustellen.

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Europa braucht ein soziales Fundament.

Das Fehlen sozialer Standards, wie Mindestlöhne, Arbeits- und Mitentscheidungsrechte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der Ebene der EU verleitet viele Medien dazu, etwa in der öffentlichen Debatte über die Finanzkrise in Griechenland die sehr unterschiedlichen Sozialleistungen in den einzelnen Staaten der EU gegeneinander auszuspielen. Ein Beispiel war die ARD-Sendung “Hart aber fair” am 11. Mai. Das gegeneinander Aufhetzen schadet dem Zusammenhalt und der Solidarität innnerhalb der Europäischen Union fördert nationalistische Parteien auf der politischen Rechten. Von Walter Edenhofer[*]

Varoufakis: „Diese Eurozone hat keine Zukunft, wenn sie sich nicht ändert“

„Ich sage das schon immer: Kein Land – und nicht nur Griechenland – hätte sich einer derart schlampig konstruierten Gemeinschaftswährung beitreten dürfen – vor allem nicht ein so defizitäres Land wie das unsere. Aber ich bin zugleich der Meinung dass es zweierlei Dinge sind, zu sagen: man durfte nicht eintreten – und man muss wieder austreten. Anders formuliert: Der Pfad, der uns in die Eurozone geführt hat, den gibt es nicht mehr; und sollten wir versuchen, den Rückweg anzutreten, würden wir sehr unangenehme Überraschungen erleben.“
Interview in Efimerida ton Syntaktion, 2. Mai 2015, geführt von: Tassos Pappas und Marios Christodoulou, übersetzt von Niels Kadritzke.

Griechenland: Die Angst vor der Panik fördert die Panik

Mitte April 2015 erinnert die Diskussion um das „griechische Drama“ an die Atmosphäre in den Wochen vor dem Schuldenschnitt vom März 2012, als der „Grexit“ nach Darstellung der meisten mainstream-Medien unmittelbar bevorstand. Heute hat das ultimative Szenario einen anderen Namen: „Graccident“ bezeichnet die Gefahr, dass ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone aufgrund eines „Unfalls“ eintritt, den keine Seite gewollt oder langfristig geplant hat. Auf dramatische Art wird diese Unfallgefahr durch das Bild vom „chicken game“ beschworen, bei dem zwei Kontrahenten wie halbstarke Jugendliche aufeinander zurasen und beide von dem Kalkül ausgehen, dass der andere im letzten Moment auf die Bremse steigt.
Ein Bericht zur aktuellen Lage Griechenlands und zum Stand der Verhandlungen zwischen der neuen Athener Regierung und den „Institutionen“ EU, EZB und IWF von Niels Kadritzke