Schlagwort:
Konjunkturprogramme

Schlagwort:
Konjunkturprogramme

Makroökonomie kommt bei der SPD nicht vor

Die klammheimliche Hoffnung hatte ich noch, die SPD könnte sich ihrer guten Tage umfassender wirtschaftspolitischer Kompetenz entsinnen und damit auch zum politischen Anker von Arbeitnehmern und jenen Unternehmen werden, die auf eine gute Konjunktur und Beschäftigungspolitik angewiesen sind. Ich habe den Deutschlandplan „Die Arbeit von morgen“ – Politik für das nächste Jahrzehnt [PDF – 231 KB] durchsucht. Weder da noch in den Kernbotschaften [PDF – 64 KB] noch in der Rede Steinmeiers fand ich einen ausreichenden Hinweis auf dieses wichtige Thema. Deshalb ergänze ich die Analyse von Wolfgang Lieb um einige Anmerkungen. Albrecht Müller

Ein Bündel von Manipulationen zur Umdeutung der um 316 Milliarden sinkenden Steuereinnahmen

Bei den herrschenden Kreisen gilt als eiserner Glaubenssatz, dass die Schulden des Staates so enorm steigen, weil der Staat zu viel Geld ausgibt – allgemein und insbesondere für Konjunkturprogramme. Diese abenteuerliche Religion wurde schon bei früheren Konjunktureinbrüchen (etwa im Jahre 2001-2003) Lügen gestraft. Mit den durch die Steuerschätzer in Aussicht gestellten Einbrüchen bei den Steuereinnahmen wird erneut klar, dass wachsende Schulden von dem Einbruch der Konjunktur bedingt sein können. Und zwar in massiven Größenordnungen. Das passt den Meinungsführern nicht ins Konzept. Deshalb versuchen sie auch die jetzt vorher gesagten Steuermindereinnahmen der öffentlichen Hand zuzuschieben. Die begleitenden Journalisten sind zum größeren Teil absolut unfähig, diese Versuche kritisch zu begleiten, im Gegenteil: Sie decken sie. Sie sind so schlimm eingenordet, dass sie nicht einmal merken, dass ihr geliebter Professor Sinn – wenigstens teilweise – den Unsinn nicht mehr mitmacht. Albrecht Müller.

Frühjahrsprognose: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2009 in der tiefsten Rezession seit der Gründung der Bundesrepublik.“

„Alles in allem wird sich das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2009 voraussichtlich um 6%verringern. Dies dürfte zu einem sich beschleunigenden Abbau der Beschäftigung führen. Zwar wird der Einsatz von Kurzarbeit den Beschäftigungsabbau zunächst abfedern, doch werden sich Unternehmen zunehmend gezwungen sehen, den Personalbestand zu reduzieren, je länger die Kapazitäten unterausgelastet sind. Im Jahresverlauf 2009 ist mit einem Verlust von mehr als 1 Mill. Arbeitsplätzen zu rechnen. Spiegelbildlich wird die Arbeitslosigkeit hochschnellen und im Herbst die Marke von 4 Mill. überschreiten.
Für 2010 erwarten die Institute keine durchgreifende Erholung. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte um 0,5% sinken. Zum Jahresende ist mit knapp unter 5 Mill. Arbeitslosen zu rechnen.“ So fassen das Ifo-Institut, das Institut für Weltwirtschaft Kiel, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle, das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in ihrem Gemeinschaftsgutachten [PDF – 86,1 KB] die Aussichten der Wirtschaft für die Jahre 2009 und 2010 zusammen. Wolfgang Lieb

Ist Hopfen und Malz schon verloren? Die Abwesenheit von kritischem Verstand und das Versagen der Medien ist zum Verzweifeln (Teil X Finanzkrise)

Manchmal beschleicht mich das Gefühl, unsere NachDenkSeiten-Arbeit sei vergebens. Mehdorn hat die Bahn saniert; die HRE ist eine systemrelevante Bank; 480 Milliarden für die Banken stehen bereit, aber 14 Milliarden des Bundes für ein Investitionsprogramm verteilt über zwei Jahre führen zu Schulden; abwarten, bis die bisherigen Konjunkturprogramme wirken und so weiter, und so fort. Ein dumpfes, schräges Vorurteil nach dem andern. Orwell hätte 60 Jahre nach Erscheinen von „1984“ furchtbar viel Stoff. Unser Land versinkt in einer Orgie der Lügen und der Vernebelung, dem Gegenteil von Aufklärung. Das ist nicht gerade ermutigend. Wenn es nicht unsere Leser gäbe, müssten wir sagen, es lohnt sich nicht. Albrecht Müller.

Selbst Wendehälse kommen mit guten Vorschlägen: die OECD plädiert u.a. für eine wirksame Ausdehnung der Arbeitslosenversicherung.

Seit Jahren werbe ich dafür, die soziale Sicherung gegen Arbeitslosigkeit, also langes Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe wieder herzustellen und damit Hartz IV loszuwerden. Begründung: die Wiederherstellung einer einigermaßen befriedigenden sozialen Sicherheit. Jetzt kommt ein wichtiges konjunkturpolitisches Argument hinzu. Die Einkommen der von der Krise gefährdeten Arbeitnehmer und der Arbeitslosen müssen stabilisiert und verbessert werden. Andernfalls geraten wir in eine Spirale von weiter sinkenden Masseneinkommen, sinkender Nachfrage, sinkender Beschäftigung und wieder sinkenden Einkommen usw. – Selbst die OECD, die seit 1975 mit neoliberalen Sprüchen über die Bedeutung der Flexibilität der Löhne nervt, ist zur Einsicht gekommen. Der Generalsekretär der OECD Gurria warnte gestern in einer Rede vor den G8-Arbeits- und Sozialminister vor dem gefährlichen Absturz und schlägt eine Reihe von sinnvollen Maßnahmen vor. Siehe dazu die Pressemitteilung in Anlage 1 und den Text der Rede selbst in Anlage 2. Albrecht Müller.

Nachtrag zum dramatischen Rückgang der Auftragseingänge und den vermuteten Fehleinschätzungen

Im Beitrag von gestern hatte ich auf den gravierenden Einbruch bei den Auftragseingängen im allgemeinen und den Investitionsgütern im besonderen hingewiesen. Ein NachDenkSeiten-Leser macht darauf aufmerksam, dass in der Tabelle der Bundesbank (wörtlich) „nicht die preis- und saisonbereinigten Daten (also nicht das Volumen der Auftragseingänge), sondern die (weniger aussagekräftigen) nominalen Ursprungswerte angegeben waren.“ Das ist richtig. „In realer Rechnung fällt der Rückgang der Auftragseingänge noch dramatischer aus [PDF – 20 KB]. Sie sind mittlerweile auf den Stand von 2000 zurückgefallen. Albrecht Müller

Die Verantwortlichen in Berlin und ihre Entourage haben die Schwere der Konjunkturkrise nicht begriffen. Beleg: Auftragseingänge.

Mit Heiner Flassbeck beriet ich gerade über die Dramatik der Einbrüche bei den Auftragseingängen. Siehe Tabelle der Bundesbank, Zeile 7. Die Auftragseingänge der Industrie liegen im Januar 2009 bei 81,7 (2005 = 100) Das ist ein dramatischer Einbruch in einer kurzen Frist, von 123,3 im 2. Quartal 2008 über 96,2 im 4. Quartal bis heute. Der Einbruch ist bei den Investitionsgütern noch dramatischer. Sie rutschten mit einem minus von 38,6 % auf das Niveau von 75,7 verglichen mit 2005. Siehe diese Tabelle [PDF – 20 KB]. Albrecht Müller

Über die Nachhaltigkeit der Meinungsmache und die Borniertheit der Macher

Eine kleine Nachlese zum Karneval: Gestern hatte ich das Vergnügen, beim Warten auf die Tagesthemen in den Kölner Karneval und dann in den Tagesthemen selbst in den Mainzer Karneval reinzuschmecken. Und dann noch den Börsenbericht von Anja Kohl mitzubekommen. In beiden Prunksitzungen spielte Andrea Ypsilanti immer noch eine herausragende Rolle. Obwohl sie kein Amt mehr hat, obwohl sie sich zurückgezogen hat, muss sie als Fußabstreifer für diese Sorte von Büttenrednern und Umzugsgestaltern herhalten. Die manipulierte Botschaft, dass es sich hier um eine Versagerin und Unperson handelt, sitzt offenbar ganz tief. Albrecht Müller

Bürger wollen sozialeres Konjunkturprogramm – Große Koalition nicht mehrheitsfähig

Repräsentative Umfrage durch Infratest-dimap ergibt: 48 Prozent für ein soziales Konjunkturprogramm und nur 36 Prozent für das Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Sozialeres Konjunkturprogramm bei allen Parteianhängern (außer CDU/CSU) klar mehrheitsfähig. Presseerklärung zur Repräsentativumfrage zum Konjunkturprogramm durch Infratest-dimap im Auftrag der Frankfurter Rundschau und einer Professorengruppe von Sozialwissenschaftlern.

Ohne eine Art Kulturrevolution werden wir die Plage der herrschenden Ökonomen nicht los

Thomas Fricke hat verdienstvoller Weise in der Financial Times Deutschland die Diskussion über die herrschende Wirtschaftswissenschaft fortgeführt. Mit Hinweis Nr. 7 haben wir darauf aufmerksam gemacht, Orlando Pascheit hat leicht kritisch kommentiert. Ich finde, dass Thomas Fricke das anstehende Problem auf die leichte Schulter nimmt, wenn er zum Beispiel von der „gerade abtretenden Altökonomie“ schreibt. – Diese Damen und Herren treten nicht einfach ab. Sie werden die eingenommenen Machtpositionen, ihre Pfründen und ihre Meinungsführerschaft mit Zähnen und Klauen verteidigen. Albrecht Müller

Steingart/Spiegel-Polemik gegen Obamas Konjunkturprogramm im besonderen und gegen Konjunkturprogramme im allgemeinen

Das Bemerkenswerteste an dem am 5.2. erschienenen SpiegelOnline-Artikel „Was Obama von Deutschland lernen kann“ des Washingtoner Korrespondenten Gabor Steingart ist die Tatsache, dass der Spiegel überhaupt noch Artikel dieses Autors bringt. Denn diese frühere Nachwuchshoffnung des Spiegel hat sich in mehreren Beiträgen so fundamental vertan, dass man schon aus Zeitgründen auf die Lektüre seiner Artikel verzichten könnte. Im konkreten Fall polemisiert Steingart gegen den New Deal und die Staatsschulden des früheren US-Präsidenten Roosevelt und empfiehlt Ludwig Erhard. Albrecht Müller

Der Wachstums- und Stabilitätspakt der SPD

Mit dem Vorschlag, einen „Deutschlandfonds“ [PDF – 115 KB] im Umfang von 10 Milliarden Euro zu schaffen, ging die SPD in die Koalitionsgespräche mit CDU/CSU. Aus dem Fonds sollen kommunale Infrastrukturprojekte finanziert werden. Dafür soll das Vergaberecht befristet vereinfacht werden. Alle Investitionsvorhaben des Bundes sollen so weit möglich vorgezogen werden. Was der „Pakt“ sonst noch beinhaltet und warum er unzulänglich ist. Wolfgang Lieb

Buchrezension: Neue Wirtschaftspolitik – von Richard Werner

Nicht Deregulierung und Liberalisierung sind Richard Werner zufolge die Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand, sondern eine ausreichende und zielgerichtete Bankkreditversorgung. Die Hauptverantwortung für Spekulationskrisen und Rezessionen weist er den Zentralbanken zu. Seine Thesen scheinen außergewöhnlich solide empirisch fundiert zu sein. Eine Rezension von Kai Ruhsert.

Ein Rettungsplan existiert nicht – Krugman hält Steinbrück für dumm

Germany’s outspoken finance minister on the hopeless search for ‘the Great Rescue Plan.’
Steinbrück: “It’s the yearning for the Great Rescue Plan. It doesn’t exist. It doesn’t exist! Dealing with an unprecedented crisis is a puzzle, a trial-and-error. Honestly, I don’t know… Our British friends are now cutting their value-added tax. We have no idea how much of that stores will pass on to customers. Are you really going to buy a DVD player because it now costs £39.10 instead of £39.90? All this will do is raise Britain’s debt to a level that will take a whole generation to work off. The same people who would never touch deficit spending are now tossing around billions. The switch from decades of supply-side politics all the way to a crass Keynesianism is breathtaking.”
Quelle: Newsweek

Clement bei Beckmann

Wer sich Sendung Beckmann mit Wolfgang Clement angetan hat, wird erneut erkannt haben, was schlechter (uninformierter) Journalismus ist. Beckmann war in keiner Hinsicht in der Lage, Clements energiepolitischer Position auch nur ein einziges sachliches Argument entgegen zu setzen. Es wurde so z.B. im Raum stehen gelassen, dass das Wahlprogramm der hessischen SPD ausschließlich auf erneuerbare Energien setzte. Kein Einwand etwa, dass Blockheizkraftwerke (mit Kraftwärmekoppelung) einen nahezu doppelt so hohen Wirkungsgrad wie die (von den Energiekonzernen favorisierten) Großkraftwerke haben. Clement durfte zwar behaupten, dass alternative Energieerzeugung „nie“ wirtschaftlich würde, aber kein Wort zu den immensen (staatlichen) Kosten für die Kernenergie. Wolfgang Lieb