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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. G20-Ergebnisse
  2. G20-Krawall
  3. Festival der Grundrechtsverletzungen
  4. Offener Brief eines Polizisten: Gedanken zum G20-Gipfel in Hamburg
  5. Verdreht, geschönt, bearbeitet
  6. Frankreich verkündet massive Steuersenkung
  7. Für Draghi und den Kungelclub G30 wird es enger
  8. Weckruf aus der Finanzbranche
  9. Microsoft Office 365 nimmt Mitarbeiter unter die Lupe
  10. Wohnungsnot
  11. Wer in der Pflege arbeitet ist selbst oft krank
  12. Ackern im Akkord
  13. Renteneintrittsalter in Deutschland weiter erhöhen
  14. Türkei – Opposition zeigt Stärke
  15. US-Justizminister besucht Gefangenenlager
  16. Die Presse ist beim G20-Gipfel in Hamburg nicht mehr sicher
  17. Sixt-Werbung mit Ode an die Freude über die Dividende: Witzig? Peinlich? Dekadent?
  18. zu guter Letzt: Why I’m glad Ivanka Trump is now leader of the free world

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. G20-Ergebnisse
    1. Vieles sehr vage und unkonkret
      Nur wenig Neues und Konkretes ist zu vermelden – aber das gilt in diesen schwierigen Zeiten für viele schon als Erfolg.
      Quelle: taz
    2. Erklärung der L20 zum G20-Gipfel in Hamburg
      Die Gewerkschaften der G20-Länder (L20) fordern in ihrer Erklärung zum G20-Gipfel in Hamburg “Neue Regeln für eine gerechtere Weltwirtschaft”. Die L20 sprechen in der Erklärung von einem “doppeltem Politikversagen: zunächst das Versäumnis, für eine angemessene Erholung von der Finanzkrise zu sorgen und uns stattdessen in eine ‘Niedrigwachstumsfalle’ zu treiben und dann das Versäumnis, für eine gerechtere Verteilung des Nutzens der Globalisierung, der technologischen und der wirtschaftlichen Fortschritte zu sorgen.”
      Quelle: DGB

      Anmerkung Christian Reimann: Die vollständige Erklärung der Gewerkschaften können Sie hier nachlesen.

    3. G20-Gipfel: Zynische Inszenierung von Merkel
      Alexis Passadakis von der bundesweiten Attac-Projektgruppe G20: “Merkels Inszenierung als ‘Anführerin der freien Welt’ und Verteidigerin ist zynisch. Mit einer multilateralen Politik für mehr Freihandel verfolgt die Bundesregierung eine aggressive Exportüberschussstrategie, die zu gravierenden globalen Ungleichgewichten führt, zu ökonomischer Instabilität und politischen Spannungen. Wir setzen uns ein für einen Stopp weiterer Freihandelsverhandlungen und die Abkehr von der Exportüberschussstrategie zugunsten mehr sozialer Sicherheit und sozial-ökologischer öffentlicher Investitionen.”
      Alfred Eibl vom bundesweiten Attac-Koordinierungkreis: “Als informelles Gremium haben die G20 – anders als die Vereinten Nationen – keine legitime völkerrechtliche Grundlage. Anstatt die Finanzmärkte effektiv zu entwaffnen, haben die G20 den neoliberalen Finanzmarktkapitalismus auf Kosten der unteren Bevölkerungsschichten gerettet: Das bedeutet mehr soziale Ungleichheit statt globaler Gerechtigkeit. Heute gehen wir hier in Hamburg auf die Straße, um Sand ins Getriebe des Gipfelablaufs zu streuen und unsere Kritik an der Politik der G20 deutlich zu machen.”
      Roman Denter vom bundesweiten Attac-Koordinierungkreis: “Die G20 sind kein Ort effektiver Klimapolitik. Merkel würde sich beim Gipfel gerne als Bändigerin des US-Präsidenten und Retterin der internationalen Klimapolitik darstellen. Dabei haben die USA bereits das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert, und nach Merkels angeblichem klimapolitischen Erfolg beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm kräht kein Hahn mehr. Statt eines klimapolitischen Roll-backs ist ein sofortiger Kohleausstieg nötig.”
      Quelle: attac

      Anmerkung Christian Reimann: Hinter den Kulissen dürfte wohl vor allem der chinesische Staatspräsident Xi, der sich Anfang diesen Jahres in Davos gegen Protektionismus wandte, wesentlich mehr Einfluss auf die Abschlußerklärung gehabt haben als „Mutti“ Merkel.

  2. G20-Krawall
    1. Der Aufstand
      Man kann die Ausschreitungen von Hamburg verurteilen – natürlich. Man sollte sie aber auch verstehen. Ein Deutungsvorschlag.Viele sagen, es sei nur sinnentleerte Gewalt, gut. Es ist ja niemand gezwungen, die Krawalle von Hamburg politisch zu deuten. Wer will, kann es trotzdem tun. Dies ist ein Deutungsvorschlag. […]
      „Der kommende Aufstand“ ist ein Text, der in Frankreich geschrieben wurde, in Deutschland, 128 Seiten lang, erschien er im Jahr 2010 im Hamburger Nautilus Verlag, der seinen Sitz in der Schützenstraße hat; etwa drei Kilometer entfernt von der Roten Flora, dem autonomen Zentrum Hamburgs. Im Internet ist die Flugschrift jedem frei zugänglich. Im Text heißt es unter anderem:
      Ein Aufstand, wir können uns nicht mal mehr vorstellen, wo er beginnt. Sechzig Jahre der Befriedung, ausgesetzter historischer Umwälzungen, sechzig Jahre demokratischer Anästhesie und Verwaltung der Ereignisse haben in uns eine gewisse abrupte Wahrnehmung des Realen geschwächt, den parteilichen Sinn für den laufenden Krieg. Es ist die Wahrnehmung, die wir wiedererlangen müssen, um zu beginnen. […]
      Es gibt eine Stelle im „Kommenden Aufstand“, die zu Sabotage, Subversion, Gewalt ruft. Da steht:
      Nie war das Gefühl eines unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs so lebhaft.
      In der Elbphilharmonie dirigiert zu dieser Stunde, gleichzeitig also, innerhalb einer Sicherheitszone, die mit Wasserwerfern, Räumfahrzeugen, Hubschraubern, Polizeibooten mit Tauchern und mit Hunderten Beamten gesichert ist – in Bereitschaft schwer bewaffnete Sondereinheiten und die Bundeswehr – der Dirigent Kent Nagano das Hamburger Staatsorchester.
      Der Nachrichtensender N24 sendet einen Livestream von beiden Orten gleichzeitig. Links im Bild: die Randale am Schulterblatt. Rechts auf dem Bildschirm: das Konzert, dem die Staatschefs lauschen. Unter den Bildern blendet der Nachrichtensender eine Banderole ein. Dort steht: „Beethovens 9. Sinfonie: ‚Alle Menschen werden Brüder‘“.
      Quelle: taz
    2. Verwandte Feinde
      Nach jeder eskalierten Demo die gleichen Schuldzuweisungen. Dabei haben die Kontrahenten oft viel mehr gemeinsam, als sie selber glauben.
      Die gute Nachricht: In Deutschland herrscht kein Krieg. Nicht in Hamburg, und auch Berlin steht nicht vor dem militärischen Belagerungszustand, auch wenn es manchmal so klingt: Die „Welt“ zitierte am Freitag einen Polizeiführer mit der Befürchtung, dass „internationale Linksextremisten parallel die Hauptstadt angreifen wollen“.
      Das ist die Sprache der Eskalation, und Vertreter des Staates sollten sie vermeiden, wenn sie denjenigen, die sie bekämpfen, nicht ähnlich werden wollen.
      Genau hier liegt das Problem. Bei der Betrachtung brennender Autos oder prügelnder Polizisten scheinen, je nach Standpunkt, ein paar entscheidende Aspekte in Vergessenheit zu geraten.
      Der erste und wichtigste: Nein, in Deutschland herrscht kein Krieg. In Hamburg demonstrieren in diesen Tagen Zehntausende gegen eine Weltordnung, die zum Protest wahrlich ausreichend Anlass gibt, von der skandalösen Ungleichheit der Lebensverhältnisse über eine fragwürdige Freihandelspolitik, die dem ebenso fragwürdigen Protektionismus eines Donald Trump gegenübersteht, bis zum Versagen der Weltgemeinschaft beim Klimaschutz. Wer gegen all das auf die Straße geht, hat gute Gründe.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
    3. Wut und Frust
      Im Hamburger Schanzenviertel haben bei den schweren Ausschreitungen Autonome Krawall gemacht und geplündert, ebenso wie viele andere junge Menschen. Woher kamen diese Wut, der Hass?
      Einer der interessantesten Momente passierte ein paar Straßenzüge von der Roten Flora im Schanzenviertel entfernt. Randalierer hatten Freitagnacht die Fensterscheibe zu einem O2-Laden aufgebrochen. Junge Männer leuchteten mit ihren Handys ins Ladeninnere, kistenweise trugen sie die Ware davon. Dann schob ein Linksradikaler einen Flachbildschirm mit Ständer über die Straße. Er nahm ihn nicht wie die anderen Plünderer mit nach Hause, sondern warf das Gerät ins Feuer. Sofort schlugen die Flammen hoch.
      Was war passiert? Konsumlust und Konsumkritik trafen in diesem Moment aufeinander. Die einen wollten die teuren Geräte haben. Die anderen wollten sie zerstören. Schon diese Episode macht deutlich, dass man es sich bei der Deutung der Ereignisse vom Freitag nicht so leicht machen sollte wie viele Politiker und Kommentatoren. […]
      Nach allem, was ich vor Ort gesehen habe, waren am Freitag unterschiedliche Gruppen für die Krawalle verantwortlich, die so heftig waren wie in keiner anderen Nacht. Da waren die Autonomen, klar. Randale haben aber auch andere junge Menschen aus dem Kiez gemacht. Sie wollten Spaß haben, Dampf ablassen. Als sich die Gelegenheit bot, wurden einige von ihnen zu Dieben. Wie konnte es zu diesem Ausbruch von Zerstörungswut und Kriminalität kommen? Waren das wirklich nur Straftaten von Linksradikalen? Oder wurden in Hamburg soziale Probleme sichtbar, die wesentlich tiefer liegen?
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Christian Reimann: Gibt es Parallelen zum G8-Gipfel in Heiligendamm 2007? Erinnert sei beispielsweise an diese damalige Berichterstattung durch die Medien – verbunden mit einem Dank an unseren Leser H.B.:

  3. Festival der Grundrechtsverletzungen
    Hamburg im Zustand polizeilicher Belagerung
    Das Gegenteil des Mitte Mai vollmundig von Innensenator Grote angekündigten Festivals der Demokratie haben wir in der letzten Woche erlebt. Niemand sollte daran gehindert werden, seine Grundrechte wahrzunehmen. Nun ist es geschehen. Hamburg befand sich im polizeilichen Belagerungszustand, massenhaft wurde das Recht auf kollektive Meinungsäußerungsfreiheit, auf Versammlungsfreiheit, auf körperliche Unversehrtheit und auf Achtung der Menschenwürde beschränkt.
    Die Allgemeinverfügung über eine 38 Quadratkilometer große Versammlungsverbotszone setzte bereits ein Zeichen gegen jedes wirksame plebiszitäre Mitwirkungsrecht der Bevölkerung, gegen die Versammlungsfreiheit als eines – so das Bundesverfassungsgericht – „grundlegenden und unentbehrlichen Funktionselementes“ einer Demokratie.
    Bis zum Bundesverfassungsgericht musste der Anmelder des Antikapitalistischen Camps gehen um bestätigt zu bekommen, dass ein politisches Camp eine Versammlung sein kann und nach den Regeln des Artikel 8 GG zu behandeln ist. Es folgte die rechtswidrige und polizeilich gewalttätige Verweigerung des Aufbaus der Antikapitalistischen Camps in Entenwerder trotz eines positiven Gerichtsbeschlusses, begleitet von den markigen Worten des Gesamteinsatzleiters Dudde, er werde persönlich dafür Sorge tragen, dass auf der Halbinsel kein Protestcamp stattfinden werde. Zwar bestätigte das Oberverwaltungsgericht, dass Dudde den Versammlungsteilnehmern Unrecht getan hatte, doch die völlig entnervten Organisatoren des Camps gaben die Umsetzung auf.
    Quelle: Anwaltlicher Notdienst

    Dazu: Das sagt der Anwaltliche Notdienst
    Gabriele Heinecke vom Anwaltlichen Notdienst kritisiert die Polizei
    Quelle: abendblatttv via You Tube

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: In Hamburg wird der Polizeistaat erprobt, es wird seitens der Polizei mit Fake News gearbeitet und grundgesetzliche Rechte seitens der Polizei aufgehoben.

  4. Offener Brief eines Polizisten: Gedanken zum G20-Gipfel in Hamburg
    “Liebe Staats- und Regierungschefs, liebe Politiker in Uniform und liebe hochrangig besoldete Mitarbeiter:
    Ich bin Ende 30 und Polizeibeamter. Ich versehe meinen Dienst derzeit auf einem Stadtrevier im Streifendienst, vorher habe ich einige Zeit in der Bereitschaftspolizei meines Bundeslandes den Dienst versehen. Mittlerweile bin ich seit über 15 Jahren bei der Polizei.
    Ich habe durchaus gelernt, auch mal gegen meine Überzeugung zu arbeiten. Wenn ich zum Beispiel die Ablagerung von Atommüll durchsetze oder verfassungsfeindlichen Organisationen zu ihrem Recht auf Versammlung verhelfe. Ich habe Gewalt aus allen (un)politischen Richtungen erlebt, wurde bei Einsätzen verletzt und habe fast das ganze Programm bekommen, was man in diesem Beruf erleben kann. Ich weiß also, dass es nicht immer nur angenehme Aufgaben sind, die meine Kollegen und ich bewältigen.
    Der von Ihnen geplante G20 setzt all diesen Dingen jedoch die Krone auf. Allein die Kosten, die vermutlich erst nach dem Gipfel abzusehen sein werden, sind eine einzige Frechheit. Soll allein die GeSa (Gefangenensammelstelle) tatsächlich über vier Millionen Euro kosten? Ihr Ernst?
    Ich lade Sie gern ein, wenn Sie noch einen Programmpunkt zwischen teurem Essen und Konzertbesuch frei haben, mal eine Schicht im Streifendienst zu begleiten. Schauen sie sich gern Familien am Rande der Gesellschaft an, die wir in polizeilichen Einsätzen oft erleben. […]
    Quelle: Polizist=Mensch

    passend dazu: Thomas Mohr, GdP-Vorsitzender Mannheim, über Behandlung von Polizisten beim G20-Gipfel

    Dieses Foto wurde mir vom G20-Gipfel Einsatz aus Hamburg, von einem Kollegen zugesandt.
    Es zeigt ein Bild von Polizisten, die seit über 48 Stunden eingesetzt sind. Das Foto soll Ihnen, liebe Bürgerinnen und Bürgern, zeigen, wie man bei uns mit der Polizei umgeht. Es ist skandalös, dass man diesen Polizisten, nach einem schweren Einsatz, der für sie lebensbedrohend war, nicht einmal einen vernünftigen Platz zum Regenerieren zur Verfügung stellte. Wie Obdachlose liegen sie in irgendeinem Vorraum herum.
    Solche Bilder zeigt man ihnen nicht, weder die Medien noch die offiziellen Stellen.
    Darum mache ich dies hier und komme dem Wunsch des Kollegen nach, dieses Foto auf meiner FB Seite zu zeigen.
    Meine Kolleginnen und Kollegen in Hamburg leisteten einen lebensgefährlichen Einsatz zum Schutz der Bürger. Sie haben das Maß der persönlichen Belastbarkeit weit überschritten.
    Sie haben es einfach nicht verdient, dass man so mit ihnen umgeht!
    Deshalb teilen Sie diesen Post mit dem Foto mit ihren Freunden und Bekannten. Meinen weit über 200 verletzten Kolleginnen und Kollegen wünsche ich eine baldige Genesung.
    Quelle: Thomas Mohr via Facebook

  5. Verdreht, geschönt, bearbeitet
    Arbeitslose, Flüchtlinge, Reiche: Mit Zahlentricksereien wird Politik gemacht, wie Statistik-Professor Bosbach zeigt.
    Es ist ein Wunder, dass sich seit Jahren vor unseren Augen vollzieht: das deutsche Jobwunder. Die Vollbeschäftigung sei fast erreicht, heißt es. Die Zahl der Erwerbstätigen erklimmt laufend neue Rekorde. Das Problem: Ein großer Teil dieses Wunders ist bloß herbeigerechnet: Trotz Rekordbeschäftigung wird heute weniger gearbeitet als vor 25 Jahren. Und etwa eine Million Arbeitslose tauchen in der Statistik gar nicht erst auf. „Wie man Arbeitslose wegdefiniert, ist eine fast unendliche Geschichte“, sagt der Statistiker Gerd Bosbach.
    Zahlen wirken neutral. Sie sind Fakten pur, eindeutig. Damit sind Statistiken Material, Waffen im Kampf um Geld und Macht. Politiker, Unternehmen, Verbände benutzen sie, um ihre Interessen zu befördern – und zu diesem Zweck werden die Statistiken bearbeitet, verdreht, geschönt.
    Die Öffentlichkeit wird zunehmend misstrauisch: „Postfaktisch“ war das Wort des vergangenen Jahres. „Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ ist ein allseits bekannter Spruch. Das Problem: „Wer keiner Statistik mehr traut, der wird erst recht an der Nase herumgeführt“, sagt Bosbach.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  6. Frankreich verkündet massive Steuersenkung
    Frankreich will ab dem kommenden Jahr die Steuern senken. Insgesamt soll die Abgabenlast damit um rund sieben Milliarden Euro reduziert werden, sagte der französische Premierminister Edouard Philippe.
    Das Euroland hält zudem an seinem Ziel fest, bereits in diesem Jahr das Defizit Frankreichs unter drei Prozent zu drücken. Damit würde Paris seit Jahren erstmals wieder die Maastricht-Kriterien einhalten, zu denen sich die EU-Staaten verpflichtet hatten. Diesen Plan will die Regierung nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch eine Senkung der öffentlichen Ausgaben und weitere Maßnahmen erreichen.
    Philippe hatte in einer Regierungserklärung zudem die Umsetzung umfangreicher Steuerreformen angekündigt. So sollen die Unternehmenssteuern bis 2022 von derzeit 33,33 Prozent auf 25 Prozent sinken. Seine Regierung will zudem die Kapitalertragssteuer von 50 Prozent auf 30 Prozent senken. Davon erhofft sich die Regierung, Frankreich als zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone nach jahrelanger Schwäche wieder auf Kurs zu bringen.
    Präsident Emmanuel Macron hatte mehrfach betont, dass Frankreich wieder das Vertrauen seiner EU-Partner gewinnen müsse, indem es EU-Vorgaben einhalte. Vor kurzem noch hatte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici gewarnt, Frankreich werde keinen Aufschub mehr bekommen, um die Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakets zu erfüllen.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung unseres Lesers S.L.: Wie blöd muss man sein um aus den Fehlern der Vergangenheit nicht zu lernen. Was wird begünstigt? Kapital & Konzerne – die Angebotsseite. Naehme der Minister seinen Job ernst und hätte Ahnung, sollte er wissen, das dieser Weg noch NIE geholfen hat. Gleichzeitig den Gegenpart (öffentliche Ausgaben) senken. Als Betriebswirt kann ich da einfach nur den Kopf schütteln. Man ueberreiche der französischen “Elite” doch bitte Buecher von Chomsky, Stieglitz und Piketty – 6, setzen.

    Anmerkung J.K.: Jawohl, los geht es mit der französischen Agenda 2010. Steuern senken und öffentliche Ausgaben kürzen. Macron fängt an die neoliberale Agenda konsequent umzusetzen. Damit auch schön die öffentliche Infrastruktur verfällt, die man dann privatisieren kann, weil der Staat kein Geld mehr zum Unterhalt hat.

    Ergänzende Anmerkung Christian Reimann: Mal abgesehen davon, dass der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht solche Maßnahmen konkret vorschreibt: Zu befürchten ist, dass durch diese Maßnahmen seintens Frankreichs die neoliberalen Kräfte hierzulande sich quasi in der Pflicht sehen könnten, weitere sogenannte Reformen einzuleiten, um weiterhin mit seinem Nachbarn konkurrenzfähig bleiben zu können – also u.a. noch schlechtere Arbeitsbedingungen mit noch niedrigeren Gehältern/Löhnen und weiterer Sozialabbau.

  7. Für Draghi und den Kungelclub G30 wird es enger
    Die EU Bürgeranwältin (Ombudsman) ist Irin und geht deutlich entschlossener an die Erfüllung ihrer Aufgabe als ihr Vorgänger. Mario Draghi, muss ihr schriftlich erklären, warum er als Präsident der Notenbank und Bankaufsichtsbehörde EZB in geheimen Runden mit Vertretern der großen internationalen Geschäftsbanken zusammenkommt. Die Fragen, die Emily O’Reilly auf ihrer Webstite veröffentlicht hat, lassen deutlich erkennen, dass das nicht leicht wird.
    Von Kommissionsseite hat man sich schon gelegentlich bitter über den hartnäckigen Eifer von Emily O’Reilly beim Kampf um Sauberkeit und Transparenz in der EU-Verwaltung beklagt. Nun spüren ihn die EZB und insbesondere Draghi. Es geht um seine Mitgliedschaft in der Group of 30 (G30), in der etwas über 30 hochkarätige Banker regelmäßig hinter verschlossenen Türen zusammenkommen, sich gegenseitig die Welt erklären, und gemeinsam Strategien entwickeln, mit Herausforderungen des Finanzsystems umzugehen. Das Problematische daran ist, dass dort zum Teil Notenbanker wie Draghi Mitglied sind, die solche Fragen im öffentlichen Interesse bearbeiten sollen, und Vertreter kommerzieller Banken und Kapitalverwalter, die vor allem das eigene Salär und den Gewinn ihres Unternehmens mehren wollen. Sie tun das in Konkurrenz mit anderen Finanzinstituten, die nicht das Privileg haben, regelmäßig aus erster Hand das Denken der wichtigsten Notenbanker und Bankaufseher erläutert zu bekommen.
    Quelle: Norbert Häring
  8. Weckruf aus der Finanzbranche
    52 Finanzmanager raten zur Einführung der “Steuer gegen Armut“
    Vor dem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel drängen mehr als 50 führende Finanzexpert/innen auf die Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTS). In einem offenen Brief argumentieren sie, dass die Steuer die Finanzmärkte stabilisieren und die Einnahmen der Regierungen erhöhen würde.
    Am Montag, 10. Juli treffen sich die Finanzminister der zehn am Verhandlungsprozess beteiligten Länder in Brüssel; es wird erwartet, dass sie dort über die FTS beraten. Aus diesem Anlass wenden sich 52 führende Expertinnen und Experten der globalen Finanzindustrie in einem offenen Brief an die europäischen Staats- und Regierungschefs, und fordern sie auf, sich für die sofortige Einführung der FTS einzusetzen. Der offene Brief ist eine Aktion von Oxfam und der Kampagne „Steuer gegen Armut“. (…)
    Die Steuerabgabe auf den An- und Verkauf von Aktien und Derivaten würde laut den Expert/innen die Finanzmärkte stabilisieren und die schädliche kurzfristige Finanzspekulation eindämmen. In dem Brief wenden sie sich auch gegen das Vorurteil, dass die FTS das wirtschaftliche Wachstum bremsen könnte. Laut Meinung der Finanzprofis gibt es immer mehr Hinweise, dass die Steuer ganz im Gegenteil sogar das Wirtschaftswachstum ankurbeln würde. (…)
    Die Einführung der FTS gehört bereits seit 2010 zu Angela Merkels Versprechen, auch die Finanzwirtschaft an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen. Die Steuer ist Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrags, der nur noch bis zur Bundestagswahl im September umgesetzt werden kann.
    Quelle: Oxfam
  9. Microsoft Office 365 nimmt Mitarbeiter unter die Lupe
    Künftig kann Microsofts Office-Suite den Mitarbeitern in einem Unternehmen auf die Finger schauen: Ein neues Analysewerkzeug ermittelt, wie viel Zeit mit E-Mail-Schreiben oder Besprechungen draufgeht, und weist Vorgesetzte auf Optimierungspotenzial hin.
    Microsoft bietet Unternehmenskunden eine Erweiterung seiner cloud-gebundenen Bürosoftware Office 365 an, mit der sich das Verhalten und die Arbeitsweise der Mitarbeiter analysieren lassen soll. Führungskräften will man damit einen Hebel zur Effizienzsteigerung an die Hand geben. In einem Blogbeitrag stellt das Office-365-Team sein Workplace Analytics genanntes Add-on vor. Es soll Metadaten der E-Mail- und der Kalenderkomponente anonymisiert erfassen und auswerten (darunter den Betreff sowie Empfänger und Absender einer Nachricht).
    Der Hersteller verspricht Kunden mehr Produktivität ihrer Mitarbeiter aufgrund “datengestützter Entscheidungen”, mit denen die Unternehmensstruktur optimiert werden soll. Dazu zählt Microsoft beispielsweise eine Verhaltensanalyse der erfolgreichsten Verkäufer in der Vertriebsabteilung – etwa wie viel Zeit sie mit Kundenkontakt verbringen und über wie viele Kontakte sie verfügen; die Teamkollegen sollen dann dieses Verhalten übernehmen, um ihrerseits erfolgreicher zu werden.
    Quelle: heise online

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Schöne neue Welt und was sagen die Gewerkschaften dazu?
    Anonymisiert erfassen? Wer soll es glauben, wenn alle wesentlichen Daten der e-mails erfasst werden.

    Ergänzende Anmerkung Christian Reimann: Sind diese Überwachungsmethoden nicht in anderen Branchen längst üblich – zum Beispiel in Call-Centern bzw. sogenannten Kommunikationsdienstleistern? Leider ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad oftmals sehr gering.

  10. Wohnungsnot
    1. Intown-Mieter: Politik soll helfen
      Schimmel an den Wänden, wochenlang defekte Heizungen, Ausfall von Warmwasser und Haustechnik – zahlreiche Mieter der Intown Wohnen Schwerin GmbH sind mit ihrer Geduld am Ende (SVZ berichtete). „Wir brauchen die Hilfe der Politik“, sagt Mietersprecher Maik Schoefer. Wie die aussehen könnte, darüber haben bereits Sozial- und Bauausschuss diskutiert, denn die Wohnungen gehörten bis vor Kurzem der Stadt.
      Dabei prallten unterschiedliche Meinungen aufeinander. Während Hagen Bauer von der AfD betonte, dass das ein Streit zwischen Mieter und Vermieter sei, der zivilrechtlich zu klären sei, hielten Peter Brill und Stefan Schmidt von den Linken dagegen: „Hier geht es um Schweriner, die Hilfe brauchen“, so Brill. Karsten Jagau von der ASK, die das Thema auf die politische Bühne gebracht hat, sagt: „Wenn Schwerin eine soziale Stadt sein will, muss die Stadt handeln.“ Doch praktikable Hilfe ist nicht einfach zu finden, zeigte die Debatte. „Wir als Jobcenter sind nicht Vertragspartner des Vermieters. Wir treten nicht in die Rechte und Pflichten der Mieter ein“, erklärte Regine Rothe, Geschäftsführerin des Jobcenters. Aber genau das überweist die Miete für fast alle Mieter – es sind meist Sozialhilfeempfänger – an Intown. Aber warum kürzt das Jobcenter dann nicht die Miete, wollten Eberhard Hoppe (SPD) und weitere Ausschussmitglieder wissen. Gleiche Begründung von Rothe: „Wir sind nicht Vertragspartner.“ Das wollten Brill und Schmidt nicht hinnehmen, hakten nach. Ergebnis: Wenn ein Mieter die Mietmängel gegenüber dem Vermieter schriftlich dokumentiert, könnte das Jobcenter handeln, die Miete kürzen. (…)
      Die Stadt reagiert: Das Jobcenter soll in Härtefällen helfen. „Ein Umzug soll nicht daran scheitern, dass die neue Wohnung etwas teurer ist als die Grenzwerte dies vorsehen“, so OB Rico Badenschier.
      Quelle: SVZ.de

      Anmerkung Christian Reimann: Dieses Einlenken politischer Entscheidungsträger ist wohl eine (positive) Folge medialer Berichterstattung – hier durch frontal21. Warum dauert dieser Prozeß der Erkenntnis so lange?
      Übrigens: Da das Problem bundesweit besteht, dürften andere Kommunen hoffentlich schneller handeln und z.B. Mietkürzungen vornehmen. Oder bedarf es dabei stets der öffentlichen Aufmerksamkeit? Und: Grundsätzlich könnte auch das ein Anlaß sein, um die Hartz-Gesetzgebung ernsthaft infrage zu stellen. Außerhalb der Linkspartei geschieht das – zumindest bisher – viel zu wenig. Dabei behauptet z.B. die SPD um ihren „neuen starken Mann“, Herrn Schulz, mehr soziale Gerechtigkeit herstellen zu wollen. Bitte: Vergessen Sie die sozial Schwächsten nicht!

    2. Wohnungsnot als Wachstumsbremse
      Über eine Million Wohnungen fehlen in Deutschland, schätzt der Deutsche Mieterbund. Selbst für Haushalte mit mittleren Einkommen sei es schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Es werde zu wenig und zu teuer gebaut. Dabei beweist ein Projekt, dass es auch anders gehen kann. (…)
      30 besonders teure Städte werden im aktuellen Mietspiegelindex aufgelistet, davon sind allein 16 Städte in Baden-Württemberg zu finden. Die Universitätsstadt Freiburg belegt bei den Mieten bundesweit Platz 20. (…)
      Baden-Württemberg sei im Ländervergleich Schlusslicht beim Wohnungsbau, sagte Gaßmann und rief die Landesregierung zu mehr entschlossenem Handeln auf. Der Wohnbau entscheide über die Zukunftsfähigkeit der Städte. Die Wohnungsnot werde für viele Unternehmen im Land zur Wachstumsbremse. Krankenhäuser, wie etwa das Uniklinikum Freiburg, können potentielle Mitarbeiter nicht einstellen, da Wohnungen für die Beschäftigten fehlten. Auch im Großraum Stuttgart sei die Situation extrem angespannt, warnte Gaßmann. (…)
      Die Landesregierung müsse im Bundesrat eine Initiative zur Nachbesserung der Mietpreisbremse einbringen, so eine weitere Forderung des Mieterbundes Baden-Württemberg. Was die Länder Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein nach den Landtagswahlen vorhätten sei der absolut falsche Weg.
      “Also wir sind entsetzt, als wir die Koalitionsvereinbarungen in NRW und Schleswig-Holstein gelesen haben. Zunächst einmal soll die Mietpreisbremse abgeschafft werden, die zwar nicht viel Wirkung gezeigt hat, weil sie so viele Ausnahmen hat. Aber sie nicht zu verbessern, sondern abzuschaffen, ist genau der falsche Weg.”
      Auch die Abschaffung des sogenannten Zweckentfremdungsverbots in einzelnen Bundeländern sei das falsche Signal, ist Gaßmann vom Mieterbund Baden-Württemberg überzeugt.
      “Das heißt, dass dann in Städten, wie Düsseldorf und Köln auch wieder Wohnungen leer stehen dürfen, zu Gewerberaum umgenutzt werden dürfen. Oder, was wir zunehmend in den Städten als Problem sehen, als Hotelersatz vermietet werden können und damit dem Wohnungsmarkt verlorengehen.”
      Quelle: Deutschlandfunk
  11. Wer in der Pflege arbeitet ist selbst oft krank
    Alten- und Krankenpfleger sind deutlich öfter krank als der Durchschnitt der Beschäftigten. Das geht aus einer Studie der Betriebskrankenkassen hervor.
    Pfleger in der Alten- und Krankenpflege sind öfter krank als andere Beschäftigte und leiden unter Arbeitsdruck. Mehr als jeder Fünfte in der Altenpflege sieht sich sowohl physisch als auch psychisch durch die eigene Arbeit gefährdet. Das sind im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt von 4,4 Prozent beinahe fünfmal so viele Arbeitnehmer, wie aus einer neuen Studie der Betriebskrankenkassen, dem BKK Gesundheitsreport hervorgeht.
    Zudem fehlen Altenpfleger mit im Schnitt 24 Tagen beinahe eine Woche mehr als der Durchschnitt der Beschäftigten mit 16 Fehltagen. Auch bei Beschäftigten in der Gesundheits- und Krankenpflege sind die Fehltage mit 19,3 überdurchschnittlich hoch. Zumeist sind es dabei Rückenschmerzen, die Beschäftigte in Pflege- oder Altenheimen und in der sozialen Betreuung vom Arbeitsplatz fernhalten. Aber auch psychische Störungen sind bei Altenpflegern besonders oft im Vergleich zum Durchschnitt ein Krankheitsgrund.
    Insgesamt erhalten Beschäftigte in medizinischen Gesundheitsberufen, vor allem Pfleger, weniger Arzneimittelverordnungen als der Bundesdurchschnitt. Allerdings werden bei den Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege überdurchschnittlich viele Arzneimittel mit Wirkung auf das Nervensystem verordnet – am meisten bei Altenpflegerinnen ab 50 Jahren.
    Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung des Gesundheitswesens und insbesondere der Pflegeberufe – zusammen rund 1,5 Millionen Beschäftigte – wird aus Sicht der BKK hier dringender Handlungsbedarf sichtbar. Es brauche mehr Anerkennung für die geleistete Arbeit.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Auch jedes Jahr dasselbe: indiskutabel niedrige Löhne, zu wenige Mitarbeiter, hoher Arbeitsdruck, und keinerlei Bemühungen der Politik, die Arbeitsbedingungen für Pfleger und Patienten zu verbessern. Stattdessen wird im Gegenteil eher mehr Druck ausgeübt, die Kosten niedrig zu halten (“Lohnnebenkosten”, “Wettbewerbsfähigkeit”). Grauenhaft für alle Beteiligten.

  12. Ackern im Akkord
    Kein Vertrag, kaum Geld, Arbeiten auf Abruf – unter dem verharmlosenden Begriff “mobile Beschäftigte” arbeiten tausende Lohnsklaven in Deutschland. Meist sind es Menschen aus Osteuropa, die gnadenlos ausgebeutet werden.
    Im “Garten der Menschenrechte”, im Bremer Rhododendronpark, wird Artikel 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gefeiert. Dieser lautet: “Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.” (…)
    Auch wenn Sklaverei und Menschenhandel inzwischen international verboten sind – nach Schätzungen der internationalen Arbeitsorganisation gibt es zigmillionen Menschen, die in modernen Formen der Sklaverei ihr Leben fristen. Viele davon in Deutschland. Man sieht sie nur nicht. Sie sind im Behördendeutsch “Mobile Beschäftigte”. (…)
    Die Arbeiter landen dann oft auf dem sogenannten “Arbeiterstrich”, so sagen es die Insider. In Kleinbussen werden sie vom Subsubunternehmer zum Treffpunkt beim Subunternehmer gefahren, der sie dann weiterfährt zur Arbeitsstelle. Nach Feierabend leben sie auf engstem Raum, haben kein soziales Leben, ihre Unwissenheit wird ausgenutzt. (…)
    Offiziell arbeiten viele dieser Menschen bei Subunternehmern, deswegen behaupten die Konzerne, nicht zuständig zu sein, die Verhältnisse nicht zu kennen, unter denen gearbeitet und gelebt wird. Aber haben Arbeitgeber nicht auch so etwas wie eine Fürsorgepflicht?
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung Christian Reimann: Betroffen sind also viele Branchen. Aber lediglich für die Fleisch índustrie sind gesetzliche Veränderungen zum Stopp der Ausbeutung vorgesehen.

  13. Renteneintrittsalter in Deutschland weiter erhöhen
    Der Internationale Währungsfonds hebt seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft erneut an.
    Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 1,8 Prozent zulegen, teilte der IWF mit. Erst im April war die Vorhersage nach oben gesetzt worden. Auch für 2018 wird ein stärkeres Wachstum erwartet. Kritisch sieht der Fonds den anhaltend hohen Überschuss in der Leistungsbilanz. Als Gegenmaßnahme wird ein späteres Renteneintrittsalter empfohlen. Zur Begründung heißt es, ein späterer Ruhestand würde die Notwendigkeit senken, für die Rente zu sparen. Dadurch würde der Konsum angeregt und der Überschuss abgebaut. Die Bundesbank hat vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter bis 2060 nach und nach auf 69 Jahre hochzusetzen.
    Quelle: Dlf24

    Anmerkung unseres Lesers S.N.: Die Empfehlung zielt auf die Senkung der Sparquote ab. Sie steht allerdings im krassen Widerspruch zum gerade erst verabschiedeten Gesetzespaket zur “Stärkung der Betriebsrente”, mit der kapitalgedeckte Altersvorsorge nochmals massiv ausgebaut werden soll. Aber damit nicht genug. Auch die weitere Anhebung des Rentenalters ist mitnichten alternativlos oder die beste Lösung, weil ein höheres Rentenalter für Menschen in belastenden Berufen tendenziell längere Arbeitslosigkeit im späten Erwerbsleben bedeutet. Immer mehr Leute werden dann ihre Ersparnisse auflösen müssen, um ALG II zu erhalten und sind im Alter dann garantiert arm. Dass man eine Senkung der Sparquote auch erreichen könnte, indem man auch Riester und Betriebsrente komplett einstampft und die umlagefinanzierte Rente stärkt, verschweigt der IWF. Die Forderungen des IWF nach einem höheren Rentenalter wirken gerade zu zynisch, wenn man sich ansieht, in welchem Alter IWF-Mitarbeiter in den Ruhestand gehen: Die Regelaltersgrenze beim IWF beträgt 62 und mit 50 kann man in Frührente gehen (Quelle: imf.org). Dabei muss man bedenken, dass IWF-Bedienstete wegen ihrer Tätigkeiten und ihres Einkommensniveaus eine weit höhere Lebenserwartung haben dürften, als hiesige Krankenschwestern, Dachdecker und Maurer.

  14. Türkei – Opposition zeigt Stärke
    Hunderttausende Demonstranten nehmen in der Türkei an einer Abschlusskundgebung nach einem Protestmarsch teil. Oppositionsführer Kilicdaroglu fordert ein Ende des Ausnahmezustands.
    Zum Abschluss eines mehr als 400 Kilometer langen Protestmarsches hat der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu vor mehr als hunderttausend Demonstranten eine Aufhebung des Ausnahmezustands in seinem Land gefordert. „Wir wollen, dass alle antidemokratischen Praktiken enden“, sagte Kilicdaroglu, Chef der größten Oppositionspartei CHP, am Sonntag bei der Kundgebung in Istanbul. Dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan warf er vor, die Justiz zu beeinflussen.
    Die Gerichte würden ihre Entscheidungen „auf Anweisung des Palastes treffen“, sagte Kilicdaroglu vor jubelnden Anhängern in Anspielung auf Erdogans Präsidentenpalast. „Wir sind marschiert, für die Gerechtigkeit, die es hier nicht gibt.“ Die Demonstranten skandierten „Recht, Justiz, Gerechtigkeit“ und schwenkten türkische Fahnen.
    Nach Angaben regierungskritischer Medien nahmen an der Kundgebung mehr als hunderttausend Menschen teil. Der CHP-Abgeordnete Özgür Özel bezifferte die Teilnehmerzahl nach Angaben des Senders CNN Türk auf 1,6 Millionen. Die Veranstaltung fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. CNN Türk berichtete unter Berufung auf den Gouverneur von Istanbul, 15 000 Polizisten seien im Einsatz gewesen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  15. US-Justizminister besucht Gefangenenlager
    US-Justizminister Sessions hat das umstrittene Gefangenelager Guantánamo auf Kuba besucht.
    Nach Angaben eines Sprechers wollte er sich vor Ort über den derzeitigen Betrieb informieren. Begleitet worden sei er von seinem Stellvertreter Rosenstein und dem nationalen Geheimdienstdirektor Coats. Nicht mitgeteilt wurde, ob die Trump-Regierung an neuen Plänen für das Lager arbeitet. Es war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 errichtet worden, um Verdächtige ohne Anklage festzuhalten. Derzeit sitzen dort noch 41 Gefangene fest.
    Quelle: Dlf24

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Guantanamo ist eine völkerrechtswidrige Foltereinrichtung, kein “umstrittene(s) Gefangenenlager”.
    Beleg siehe auch hier vom 7.7.17
    Diese Foltereinrichtung wird seit über 15 Jahren von der Mehrheit der westlichen Regierungen geduldet. Mir ist nicht bekannt, dass ein Regierungsvertreter einer westlichen Regierung jemals die Schließung des Lagers angemahnt hätte.

    Anmerkung Christian Reimann: Ob Murat Kurnaz wohl jemals eine ähnliche Entschädigung von Deutschland erwarten darf? Vermutlich eher nicht – dagegen dürfte sich insbesondere der derzeitige Bundespräsident aussprechen, der auch in dieser Angelegenheit keine gute Figur machte. Bitte lesen Sie dazu erneut „Steinmeier wollte Kurnaz nicht aus Guantanamo holen“.

  16. Die Presse ist beim G20-Gipfel in Hamburg nicht mehr sicher
    Ich habe drei Jahre im Irak gearbeitet. Ich war in der Türkei bei den Gezi-Protesten, in Athen, als die Polizei einen Jugendlichen erschoss und die Stadt brannte. Ich war in Hamburg bei der Auflösung der Roten Flora.
    Aber all das war ein Ponyhof im Vergleich zu dem, was gerade in Hamburg los ist: Hier gerät etwas außer Kontrolle. Mein Team und ich wurden gerade erst von Polizisten mit Pfefferspray bedroht und angegriffen.
    Wir berichten für den größten britischen Privatsender ITN News und ich bin Mitglied bei Reporter ohne Grenzen. Ich bin also nicht ganz neu im Geschäft.
    Natürlich haben wir die Beamten nicht provoziert, wir sind klar als Journalisten erkennbar, weil wir mit einer großen Kamera herumlaufen, unsere Presseausweise tragen und somit schwer mit Demonstranten zu verwechseln sind – und trotzdem gerieten wir ins Visier der Polizei. Das zeigt, wie angespannt die Lage in Hamburg ist. […]
    Der Druck seitens der Behörden auf Journalisten nimmt gerade massiv zu – und das bringt die Pressefreiheit in Gefahr.
    Sogar der Deutsche Journalistenverband warnt schon vor solchen Zwischenfällen, erfuhr ich später. Und Journalisten verlieren ohne weiteren Grund ihre Akkreditierung zum G20-Gipfel.
    Natürlich sind die Polizisten unter Druck. Die Lage eskaliert immer wieder an unterschiedlichen Stellen. Die Beamten sind genau so überarbeitet wie die Reporter.
    Quelle: Huffington Post
  17. Sixt-Werbung mit Ode an die Freude über die Dividende: Witzig? Peinlich? Dekadent?
    Gestern war in der Süddeutschen Zeitung eine ganzseitige Anzeige des Unternehmens Sixt mit einer Umdichtung von Friedrich Schillers Ode an die Freude: (…)
    Heute berichtet die Süddeutsche, dass das Lied tatsächlich auf der Hauptversammlung angestimmt wurde. Es gibt natürlich Wichtigeres auf der Welt und man darf sich selbstverständlich auch freuen, wenn das Geschäft gut läuft, aber in dem Fall frage ich mich schon, was das ist. Ist das witzig und mir fehlt nur der Sinn für diese Art Humor? Ist das peinlich, weil die Aktionäre wie grenzdebile Dagobert Ducks angesprochen werden? Oder ist das einfach nur dekadent, wenn man so zu einer Hauptversammlung einlädt und eine Bruderschaft des Geldverdienens feiert?
    Bei Schiller hieß es bekanntlich „Alle Menschen werden Brüder“. Wenn man einmal über die Frage hinwegsieht, was das für die Frauen bedeutet, hat der Satz etwas Revolutionäres, er beschwört die Zusammengehörigkeit der Menschen. Das würde bei Sixt die Beschäftigten einschließen, die Stakeholder des Unternehmens. So viel Brüderlichkeit ginge dem Firmenpatriarchen Erich Sixt dann womöglich doch zu weit, schließlich hat er ein klares unternehmerisches Leitbild: „Das wichtigste Ziel des Unternehmers ist der Profit.“ Dabei würden die Beschäftigen dem Satz, „Freude ist’s mit anzusehen, wenn sich Schein zu Schein gesellt!“ bestimmt zustimmen. Aber die dürfen, wenn man dem Internet trauen kann, nicht einmal einen Betriebsrat gründen. Und Kleingedrucktes, in dem Sixt bedauert, dass es den verhungernden Kindern in Somalia nicht gelungen ist, Shareholder von Sixt zu sein, gab es in der Anzeige natürlich auch nicht. Seid umschlungen Millionen!
    Quelle: ScienceBlogs
  18. zu guter Letzt: Why I’m glad Ivanka Trump is now leader of the free world
    It is a bit like having a Democratic advisor by proxy when Ivanka gets to have a say
    Maybe someone told Donald Trump it was “Bring Your Daughter to Work Day”, but seeing images of Ivanka Trump wedged between the Prime Minister and the President of China at the G20 Summit is certainly arresting. […]
    She is smart where her dad is challenged; charming where he is a boor; humane where he is heartless. It is a bit like having a Democratic advisor by proxy when Ivanka gets to have a say, or at least there’s a White House where someone isn’t another “yes man” massaging the gigantic Trump ego and nursing his insecurities.
    So Ivanka is “a good thing”. Maybe she’ll get him to ease up on the Mexican wall, protectionism and climate change. Maybe.
    Quelle: independent.co.uk

    Anmerkung Jens Berger: Na dann ist die „freie Welt“ ja in guten Händen. Nur was wird nur Angela Merkel zu ihrer neuen Mitbewerberin um diesen Posten sagen?

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