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Strategien der Meinungsmache

Wer über viel Geld oder/und publizistische Macht verfügt, versucht die politischen Entscheidungen in seinem Sinne zu beeinflussen. Durch Lobbyarbeit und durch Meinungsmache. Meinungsmache wird strategisch und professionell geplant. Die NachDenkSeiten beschreiben und analysieren solche Strategien.

„Der Griff nach dem Geld“

„Interessant ist, dass die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher laut Finanzministerium bereits über 50 Prozent der gesamten Steuerlast tragen“, mit dieser gängigen Behauptung polemisiert Jochen Loreck in der Mitteldeutschen Zeitung gegen Steinbrücks Andeutung, eine Steuererhöhung für Besserverdienende in Erwägung zu ziehen, um Einnahmeverluste durch die ab 2010 vorgesehene steuerliche Absetzbarkeit der Krankenkassenbeiträge auszugleichen.
Karl Mai setzt sich einmal mehr mit dieser statistischen Desinformation auseinander.

Obamania oder das Spiel mit der Hoffnung

Bis zu 200.000 Menschen sollen auf der Berliner Fan-Meile dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten der USA auf seiner Wahlkampftournee rund um die Welt zugejubelt haben. Barack Obama spricht Träume und Sehnsüchte der Menschen an, und man kann gerade nach der achtjährigen Präsidentschaft von George W. Bush verstehen, dass sie Hoffnungen auf Obama setzen. An den wenigen Stellen seiner Bekehrungsrede, an denen er konkret wurde, hat Obama jedoch von Deutschland und Europa nichts anderes gefordert, als der derzeitige Präsident auch, nämlich mehr Truppen in Afghanistan und militärische Gemeinsamkeit im Kampf gegen den Terror.

Über die Dreistigkeit von FINANZtest und die Kritiklosigkeit wohlbestallter deutscher Medien

Finanztest, der Ableger der Stiftung Warentest, hat in den vergangenen Jahren unentwegt für die Riester-Rente und die Rürup-Rente geworben. Wir haben mehrmals darauf hingewiesen, wie verwegen und zweifelhaft diese Werbung ist. Sie ist es u. a. deshalb, weil die potentiellen Riester-Rentner und Rürup-Rentner zum Beispiel schlecht über die anfallenden Kosten informiert werden. Jetzt, nachdem Finanztest mit dem Vertrauensvorschuss der Stiftung Warentest im Hintergrund Millionen von treuherzigen Kunden in die Verträge gejagt hat, macht Finanztest eine Untersuchung der jährlichen Riester-Information und stellt fest, dass diese Informationen nur befriedigend bis mangelhaft sind: test.de Kein Anbieter von Riester-Verträgen schaffe es, den Sparern eine wirklich gute Jahresmitteilung einschließlich aller Kosten vorzulegen.
Will uns Finanztest weismachen, dass man das nicht vor der Finanztest-Werbung für die Riester- und Rürup-Renten wissen konnte? Albrecht Müller.

Was Steinbrück jetzt als Wunsch zur Fortsetzung der Großen Koalition verkündet, gilt für die gesamte SPD-Führung

Am 11.3.2008 konnten sie in den NachDenkSeiten Folgendes lesen: „Ein beachtlicher und mächtiger Teil der SPD-Führung hat den Willen zur Macht aufgegeben. Die wollen gar nicht federführend regieren. Ihnen kommt es vor allem auf die Durchsetzung neoliberaler Ziele an. Und vermutlich aufs Mitregieren.“ Diese Beobachtung haben wir damals mit Indizien belegt. Jetzt bestätigte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Steinbrück unsere Strategie-Analyse:

Dass jetzt andere Mitglieder des SPD-Präsidiums gegen Steinbrück protestieren (Siehe Spiegelmeldungen im Anhang), ist nur zu verstehen, wenn man unterstellt, sie wollen die Wählerinnen und Wähler hinters Licht führen. Denn was er sagt, ergibt sich logisch aus der Koalitionsstrategie der SPD. Solange sie sich weigert, mit der Linken zusammen zu arbeiten, wird sie keine Kanzlermehrheit zusammenbekommen, genauso wenig wie eine Mehrheit zur Wahl der Bundespräsidentin.

Angela Merkel: “Mit mir werden keine Reformen zurückgedreht”

„Während meiner Kanzlerschaft werden sinnvolle Reformen an keiner Stelle zurückgedreht. Das sage ich ausdrücklich beispielsweise mit Blick auf Bestrebungen, die Rente mit 67 auszuhöhlen, einen einheitlichen, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, die Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit wieder auszubauen oder das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium auszuweiten…
Wir werden weiter auf unserem Kurs notwendiger Veränderungen gehen. Die von meinem Vorgänger Bundeskanzler Schröder begonnenen und von der Union – das wollen wir nicht vergessen – damals mitgetragenen Reformen haben wesentlich zum jetzigen Aufschwung beigetragen“, so die Kanzlerin in der Wirtschaftswoche. Beschönigung, Unwissen oder gezielte Gehirnwäsche durch permanente Wiederholung derselben unbelegten und von der Wirklichkeit längst widerlegte Behauptungen?

„Heuschrecken im öffentlichen Raum: Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments“

Unter diesem Titel hat Werner Rügemer wieder ein überaus lesenswertes Buch geschrieben. Es ist ein gut recherchierter und spannend aufbereiteter Sachtext mit vielen weithin unbekannten Fakten über das in England entwickelte Modell der Public Private Partnership (PPP), über Gewinner und Verlierer und über die Verstrickungen der Politik mit privaten Interessen. Obwohl die Folgen der Privatisierungen immer mehr zu Tage treten und in der Bevölkerung weitgehend negativ besetzt sind, hat sich PPP als vermeintliches Heilmittel gegen die Staatsverschuldung etablieren können. Inzwischen werden PPP-Modelle mit der Begründung vorangetrieben, dass der Staat ja Eigentümer bleibe, die beteiligten Parteien gleichberechtigt seien und die Investoren “nur” Bau, Betrieb, Planung und Finanzierung übernähmen. Damit soll den Bürgern eingeredet werden, dass der Staat, der für die nächsten 20-30 Jahre zwar die Miete zahlt, aber Eigentümer bleibt und damit Mitsprache habe und obendrein noch die verschuldeten öffentlichen Haushalte geschont werden könnten. Eine echte Zauberformel? Doch oft steckt dahinter nur fauler Zauber. Von Christine Wicht

Yes, We Can!

Über angebliche Politikverdrossenheit wird in Deutschland nun schon seit gefühlten zwanzig Jahren geredet, geändert hat sich zumindest nichts Auffälliges. Immer mehr Menschen äußern gar Zweifel an der Demokratie. Da erregt es eine nicht unbeträchtliche Aufmerksamkeit, wenn in den USA ein geradezu jungendlicher Barack Obama, voller Ideale, als Hoffnungsfigur der Demokraten bei seinen Auftritten bis zu 75 000 Zuhörer anzieht. Eine halbe Nation und weite Teile der restlichen Welt haben seit Obama wieder Hoffnung auf einen Wandel zum Guten. Was läge da näher, als sich auch in Deutschland ein bisschen etwas vom so erfolgreichen Obama abzuschauen, um auch hier Menschen für einen Wandel zum Guten zu begeistern? Doch selbst für unsere angeblichen politischen Streiter für die gute Sache, die Grünen, sieht das alles (zu) amerikanisch-pathetisch aus. Unter die Oberfläche reicht der Blick kaum — jenseits politischer Kurzsichtigkeit liegt aber womöglich der Schlüssel zu mehr Beteiligung am demokratischen Leben:

Politiker, die sich trauen voranzugehen, mündige Bürger und ernsthafte Diskussionen. Von Peter Monnerjahn

Persönlicher Misserfolg als Grund für die Distanz zur Demokratie?

Unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie sind nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vor allem diejenigen, die sich als Verlierer der Reformen sehen. Statt aus diesem Befund eine Kritik an den Reformen abzuleiten, wird den „aus der Bahn Geworfenen“ „persönlicher Misserfolg“ und Distanz zur Demokratie vorgehalten. Nicht diejenigen, die gegen die Mehrheit Reformen durchgesetzt haben, sind also für die Kritik an der demokratischen Praxis verantwortlich, sondern „alarmierend“ für die Demokratie, seien diejenigen, die zu 57 % reformskeptisch sind und die zu 37% deshalb auf Distanz zum System gehen. Bewertungen der Studie legen nahe, dass die Reformopfer zum Sündenbock für die zunehmende Wahlabstinenz, für politische Resignation und für den Vertrauensverlust in die Volksparteien gemacht werden sollen. Wolfgang Lieb

Erhard Eppler Interview in der FAS: „Die Willy Brandts wachsen nicht auf jeder Wiese“

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 29.6. erschien ein Interview mit E. Eppler An manchen Stellen merkt man, dass er sich etwas zu bewegen versucht. Aber das fällt ihm sichtbar schwer, weil er über seine früheren Äußerungen zum Beispiel zur Agenda 2010 und zu den Militäreinsätzen schwer hinwegkommt. Das ist wieder einmal ein typisches Beispiel für die Theorie von der Überwindung der kognitiven Dissonanz. Mein Kommentar zu den daraus folgenden Verrenkungen folgt.

Betrifft Kreditverkauf – neues Gesetz brächte mehr Nachteile als Vorteile für die Kreditnehmer

Am 25.6. soll ein neues „Gesetz zur Begrenzung der Risiken des Kreditverkaufs (Kreditnehmerschutzgesetz)“ verabschiedet werden. Professor Schmelz, von dem wir schon am 25.9.2007 eine Stellungnahme zu einem Fachgespräch des Finanzausschusses über Kreditverkauf veröffentlicht hatten, hat zum vorliegenden Entwurf eine Stellungnahme formuliert, die wir Ihnen hiermit zur Kenntnis geben [PDF – 304 KB]. Darin wird sichtbar, dass schon der Titel des Gesetzes eine handfeste Manipulation enthält. Schmelz zeigt, dass mit diesem Gesetzentwurf falsche Behauptungen und von Lobbyisten erfundene Legenden zur Grundlage der Gesetzgebung gemacht würden. Der Kreditverkauf soll letztlich erleichtert werden.

Die strategische Bedeutung des Bedauerns von Anne Will für den Einfluss der Rechtskonservativen auf die Medien

Dass Anne Will am Sonntag Abend bedauerte, die Verschuldung Berlins in der Sendung vom 1. Juni fehlerhaft dargestellt zu haben, wäre nicht der Erwähnung wert, wenn hierin nicht die nahezu totale Herrschaft der Union und der Oberschicht über die Medien sichtbar geworden wäre. Der Schachzug des CDU-Manns Friedbert Pflüger, diese Korrektur zu fordern und durchzusetzen, hat auch strategische Bedeutung. Die Union hat den Medienschaffenden klargemacht, dass sie auch bei kleinsten Verstößen sofort mit dem großen Schlag rechnen müssen. Übrigens auch dann, wenn die Aussage der Redaktion tendenziell sogar stimmt: Rot-rot hat über die Schulden bei Regierungsübernahme hinaus noch Lasten aus der von der Union verursachten Berliner Bankenkrise geerbt. Albrecht Müller.

Die Parole vom Linksruck – primitiv und falsch, aber seit Jahrzehnten hochwirksam

In der vorletzten Sendung von Plasberg wurde Andrea Nahles als eigentliche Machthaberin der SPD hochstilisiert. Das geschah dort wie in vielen anderen Medien auch mit dem Ziel, die Botschaft zu verbreiten, die SPD insgesamt sei nach links gerückt. Mit der Realität hat dies nichts zu tun. Die Politik der SPD ist von der Agenda 2010 über die Auslandseinsätze bis zur Teilprivatisierung der Bahn de facto eine Politik nach dem Gusto der Union. Aber die Parole vom Linksruck wird geglaubt. Und sie zeigt Wirkung: Die faktische Politik und die Programmatik werden von der SPD-Führung weiter nach rechts verschoben, wie man an dem SPD-Treffen in Nürnberg im Vergleich zum Hamburger Parteitag vom vergangenen Oktober sehen kann. Die Nutzung der falschen Parole vom Linksruck wiederholt sich nun zum x-ten Mal. Schon Anfang der siebziger Jahre war das so, siehe dazu den Vergleich der beiden Abbildungen im Anhang. Albrecht Müller.

Wie kann man nur so dreist die Wahrheit verdrehen – Beispiel Walter Riester

Am 20.5. 2008 hatten wir eine Antwort von Norbert Blüm auf ein Positionspapier von Walter Riester ins Netz gestellt. Darauf wiederum hat Riester in einem 7-seitigen Schreiben an Blüm geantwortet. Die vorletzte Seite betrifft auch die NachDenkSeiten und mich. Dort heißt es bei Riester an Blüm: „Als Plattform hast Du die so genannte Internetplattform ‚Nachdenkseiten’ des Herrn Müller genutzt. Hoffentlich ist Dir wenigstens aufgefallen, dass Albrecht Müller seinen Lesern mein Positionspapier zuvor nicht zur Information gab, sondern offensichtlich in der Hoffnung, Du könntest es zerlegen, lediglich Deine Argumentation dagegen veröffentlichte. Dies ist schon eine besondere Art von Transparenz, die dieser Herr seinen Leserinnen und Lesern bietet.“

Wenn Sie bei uns den oben verlinkten Beitrag vom 20.5. aufrufen, dann finden Sie folgenden Text und selbstverständlich einen Link zum Positionspapier von Riester: ‚Walter Riester selbst schlägt um sich und redet sich raus. Unter anderem mit einem Positionspapier, das er am 22.04.2008 auf seiner Webseite veröffentlicht hat: “Die Wirkungen der Rentenreform 2001 im Vergleich zum Rentenrecht vor der Reform.“’ Albrecht Müller.

Revolutionäre Situation? Oder die beruhigende Macht der Propaganda-Maschine!

Vier Ereignisse in drei Tagen. Am vergangenen Dienstag „Neues aus der Anstalt“. Wieder eine vorzügliche Sendung. Eine Szene: Schramm schildert, was die Herrschenden unserem Volk so alles zumuten. Anlässe für eine Revolution. Priol kontert mit Umfrageergebnissen. Zeichen eines still gestellten Publikums. – Am frühen Abend des Sonntags zuvor saß ich mit dem Wirt meiner Eckkneipe zusammen. Jules, ein liebenswerter Elsässer, leider von der französischen konservativen Rechten geprägt, sprach über die unsicheren Jobs und Einkommensverluste in seiner südpfälzischen und elsässischen Umgebung und meinte, dies mache auch ihn noch zum Revolutionär. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass die heutige Führungsschicht anders als der französische Adel des Jahres 1789 über Fernsehen und andere Massenmedien verfügt. Drei Stunden später lief die nächste Illustration: Anne Will mit „Hungern muss hier keiner – Ein Land redet sich arm“. Ohne jegliches Fragezeichen. Drei Tage später die nächste Demonstration von Kampagnenjournalismus zu Gunsten der herrschenden Rechten in Deutschland: Plasberg mit einer massiven Agitation gegen alles Linke, in der SPD, soweit überhaupt noch vorhanden, und gegen Die Linke. Albrecht Müller.

Die Debatte um Studiengebühren: Die systematische Rekonstruktion eines rapiden Meinungswandels

Wie kam es eigentlich zur Einführung von Studiengebühren? Wie änderte sich die öffentliche Einstellung dazu in den letzten 15 Jahren? In dem Buch „Die Debatte um Studiengebühren“ wird versucht, Antworten auf diese Fragen zu finden. Der Autor zeichnet darin den Studiengebührendiskurs nach, indem er über 1000 Artikel aus der FAZ und der SZ untersucht, die in der Zeit zwischen 1993 und 2005 zu diesem Thema erschienen sind. Zudem führte er Interviews mit den Hauptakteuren der Debatte, um zu klären, wie diese sich den Meinungswandel erklären. Der Beitrag wurde uns vom Autor des Buches, Norbert Krause, zur Verfügung gestellt.