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Agenda 2010

Arbeitssuche als Facharbeiter

Der bei Bayer in Ausbildung zum Chemikanten befindliche R. freute sich Mitte 2010, nach 3 jähriger Lehrzeit, darauf, endlich bald Vollzeit zu arbeiten und Geld zu verdienen, was ihm mit rund 1900 € brutto Monatslohn immerhin ermöglichen würde, eine kleine Wohnung zu mieten und sein Leben außerhalb des Elternhauses in Selbstständigkeit zu beginnen. Er büffelte also, um seine Abschlussprüfung gut zu bestehen.
Wie bestürzt war er, als – 4 Wochen vor dieser Abschlussprüfung – ein formloses Schreiben der Bayer AG eintraf, welches ihm, ohne Gründe zu nennen, mitteilte, dass er nicht in eine Festanstellung übernommen würde und er sich bei der zuständigen Agentur für Arbeit melden solle, damit ihm dort geholfen würde. Es beruhigte ihn natürlich nicht, dass alle seine Mitauszubildenden das gleiche Schreiben erhielten. Von unserem Leser R.K.

Wie kommt die Bundesagentur für Arbeit zu den gemeldeten Stellen?

Geht die BA zu den Arbeitgebern oder fragt sie telefonisch nach? Schaut die BA auf ihre Jobbörse und holt sich dort ihre Zahl der gemeldeten Stellen?
Mit ersteren hätte ich schon ein großes Problem. Aber bei der Variante 2 könnte ich sogar nachweisen, dass die BA naiv oder bewusst mit Zahlen jongliert, die nicht stimmen können.
Von einer Leserin die nicht genannt werden möchte.

Drohende Wohnungskündigung: Kampf gegen Windmühlen?

Ein Erfahrungsbericht
In die Mühlen der Bürokratie kommt man schneller, als man denkt. Dass Wohnungslosigkeit zu etwa 80 % durch Mietschulden verursacht wird, ist nichts Neues. Neu ist vielleicht die Dimension und Perspektive darauf. Angeblich gibt es ja auch im Rechtsstaat noch genug Interventionsmöglichkeiten, um eine drohende Kündigung und Räumung abzuwenden. Soweit die Theorie. Denkste!

Hartz IV für Selbständige – „arm gerechnet“

„Selbständige sind oft Abzocker“ meldet der Kölner Stadtanzeiger und die Frankfurter Rundschau springt dem Schwesterblatt bei: „Solche Fälle lassen auf ein verbesserungsfähiges Geschäftsmodell schließen – oder auf gezielten Leistungsmissbrauch.“ (Printausgabe vom 15. Juni) Neue Sündenböcke braucht das Land. Nun sind es die Selbstständigen, die auf der gehartzten Hängematte liegen und an den Pranger gestellt werden.
Von Günter Frech

Sachverständigenrat – 2070: Rente erst ab Ableben

Zu diesem Ergebnis würde man vermutlich kommen, wenn man die „Prognosen“ des jüngsten Gutachtens des sog. „Sachverständigenrats“ [PDF – 2.6 MB] fortschriebe. 2060 ist der SVR immerhin schon bei einem gesetzlichen Renteneintrittsalters von 69 Jahren angekommen.
Wenn man von vorneherein unterstellt, dass alle anderen Stellschrauben zur Bewältigung des demografischen Wandels festgezurrt sind, dann bleibt eben nur der Ausweg, dass eine älter werdende Bevölkerung eben länger arbeiten muss, egal ob sie das will oder kann. Um die vom SVR ausgemachte „Tragfähigkeitslücke“ für die Sozialen Sicherungssysteme endgültig zu schließen, folgt nach dieser fixen Idee in absehbarer Zeit unausweichlich der Vorschlag den Renteneintritt erst kurz vor dem Ableben festzusetzen. Von Wolfgang Lieb

Stellungnahme Anhörung zur Unternehmensmitbestimmung von Heinz-Bontrup

Heute gibt es eine Anhörung zum Thema im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontup hat uns seine schriftliche Stellungnahme zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Unternehmensmitbestimmung lückenlos garantieren“ (Drucksache 17/1413) und zum Antrag der SPD Fraktion: „Demokratische Teilhabe von Belegschaften und ihren Vertretern an unternehmerischen Entscheidungen stärken“ (Drucksache 17/2122) zur Verfügung gestellt. Albrecht Müller.

Die gewollte Reservearmee an Arbeitslosen – Oder: Wie einige Linke das Geschäft der Monetaristen und Rechten betreiben, indem sie die Verantwortung der Krise des Kapitalismus zuschieben.

Es gibt ein Zitat des ehemaligen britischen Notenbankers Sir Alan Budd, das Gold wert ist für die Argumentation jener, die den Anstieg der Arbeitslosigkeit in den siebziger, in den achtziger Jahren und auch heute für gewollt und damit für vermeidbar halten und – spiegelbildlich – den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit für möglich und für aussichtsreich halten, wenn man nur will und die richtigen Entscheidungen trifft. Sir Alan Budd beschreibt, dass unter Thatcher die Arbeitslosigkeit bewusst erzeugt worden ist, um die Arbeiterklasse zu schwächen und hohe Profite zu realisieren. Das gleiche Spiel begann bei uns schon in den siebziger Jahren und währt bis heute. Albrecht Müller.

Lolek und Bolek ante portas

Am 1. Mai endet die siebenjährige Übergangsfrist, mit der Deutschland und Österreich ihren Arbeitsmarkt vor potentiellen Migranten aus acht mittel- und osteuropäischen Ländern abgeschottet haben. Ab nächsten Monat können Staatsbürger der Slowakei, Polens, Tschechiens, Ungarns, Sloweniens, Estlands, Lettlands und Litauens ihre Arbeitskraft ohne bürokratische Einschränkungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt anbieten. Während die Arbeitgeberverbände sich über den erhofften Zuzug von Fachkräften freuen, befürchten die Gewerkschaften eine Ausweitung des systematischen Lohndumpings zu Lasten der Arbeitnehmer. Schon bald wird sich zeigen, ob es sich Deutschland leisten kann, weiterhin auf einen flächendeckenden Mindestlohn zu verzichten. Jens Berger

Nationale Bologna-Konferenz

Am 6. Mai findet die zweite Nationale Bologna-Konferenz in Berlin statt. Die erste Konferenz („Schavan-Show“) war eine Folge der Bildungsproteste des Jahres 2009 und sollte einen Dialog zwischen Studierenden, Beschäftigten, Hochschulen und Politik eröffnen. Die zweite Konferenz findet in einem deutlich kleineren Rahmen statt und bereits heute lässt sich das Ziel dieser Veranstaltung erahnen: Der Bachelor soll als Erfolgsmodell dargestellt werden. Auf der Tagesordnung stehen daher: Der Übergang vom Bachelor in den Master, die Berufschancen von Bachelorabsolventen auf dem Arbeitsmarkt und Mobilität. Klemens Himpele beleuchtet die Themen im Vorfeld der Konferenz.

Die Lüge mit Hartz IV-Sanktionen-Statistik soll den Flop des „Bildungspakets“ verdecken

828.708 Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger, eine Steigerung um 14 Prozent, so lauteten die Schlagzeilen. Damit wird der Eindruck erweckt, dass nahezu jeder Sechste der etwa 5 Millionen von Hartz IV Betroffenen sanktioniert würde, weil er die gesetzlichen Auflagen nicht erfüllt. Tatsächlich sind aber nur höchstens 4 Prozent Hartz-IV-Empfänger mit Sanktionen belegt worden. Bezogen auf den Bestand der Hartz IV-Empfänger, die sanktioniert wurden, hat sich die Quote der Betroffenen gerade einmal von 2,5 auf 2,8 Prozent erhöht. Selbst Arbeitsministerin von der Leyen muss einräumen: „96 Prozent verhalten sich korrekt“. Die in diskriminierender Absicht in die Welt gesetzte Horrorzahl von über 800.000 ausgesprochenen Sanktionen („Trauriger Rekord“) erklärt sich, dass nur die im angenommenen Zeitraum Anzahl der Sanktionen im Verlauf, also etwa auch mehrfache Sanktionen, erfasst werden, aber nicht die Zahl der Personen, die von einer Sanktion betroffen wurden. Wolfgang Lieb

Was zu erwarten war: Das Bürokratiemonster Bildungspaket floppt

Rund 2,5 Millionen Kinder sollten über das Bildungspaket Kindern Nachhilfe, Musikschule, Sport Schulmittagessen oder Klassenausflüge angeboten werden. Nach einer Spiegel-Meldung sollen aber erst zwei Prozent der Berechtigten bei den Jobcentern Anträge auf eine Förderung durch das Bildungspaket gestellt haben. Bis Ende April sollten die Eltern die Anträge einreichen, wenn sie die Leistungen rückwirkend zum 1. Januar beanspruchen wollten. Was jeder, mit einigermaßen gesundem Menschenverstand ausgestattete, vorhersehen konnte, ist nun eingetreten: Das mit dem Bildungspaket in die Welt gesetzte Bürokratiemonster frisst die Kinder, die es fördern sollte. Wolfgang Lieb

Berufsbildungsbericht 2011: Bildungsministerin setzt auf die Verblödung der Öffentlichkeit durch die veröffentlichte Meinung

Die Vorstellung des Berufsbildungsberichts ist seit Jahren eine PR-Show der Bundesbildungsministerin. In jedem Frühjahr wird eine Verbesserung der Ausbildungslage junger Menschen verkündet und der sog. Ausbildungspakt in höchsten Tönen gelobt. Da werden dann irgendwelche Statistiken herausgepickt, die Ministerin Schavan als Jubelmeldungen verkündet. Mit der tatsächlichen Lage auf dem Ausbildungsmarkt haben solche Meldungen kaum etwas gemein. Die Darstellung des BMBF ist eine Beschönigung der Lage, um nicht zu sagen, die Bildungsministerin betreibt reine Propaganda zugunsten der Spitzenverbände der Wirtschaft und zulasten hunderttausender junger Leute. Und die veröffentlichte Meinung plappert das munter nach. Von Wolfgang Lieb.

Menschen, die sowohl ökologisch als auch sozial engagiert sind, haben heute keine politische Heimat

Bei den Demonstrationen gegen Atomkraft haben viele mitgemacht, denen dieses richtige und wichtige Engagement allein auf Dauer nicht reicht. Gesucht wird eine Partei, die ökologisches mit sozialem Engagement verbindet. Würde sie als dritte Kompetenz den ernsten Willen, friedliche Lösungen für Konflikte zu suchen, hinzufügen – und dann noch als Basis die wirtschaftspolitische Vernunft ohne neoliberale Ideologie, sie wäre die politische Heimat einer Mehrheit. Albrecht Müller.

Die Mehrheit der Menschen ist der gezielten Agitation oft hilflos ausgeliefert – auch dank der Unfähigkeit der Medien, Widersprüche aufzudecken und aufzuklären

Die totale Manipulation ist möglich, hatten wir am 11. Februar 2009 und noch einmal am 7. Dezember 2009 geschrieben. Wir kommen darauf zurück, weil das Geschehen falsch analysiert, wer die Möglichkeit und die Bedeutung der totalen Manipulation nicht begriffen hat. Das erleben wir bei den krampfhaften Versuchen, den Aufstieg Guttenbergs zu deuten. Wir erleben es an vielen anderen Beispielen. Angela Merkel beherrscht im Verein mit den ihr verbundenen Medien die Methode perfekt. Albrecht Müller.