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Agenda 2010

Deflatorische Lohnkürzungspolitik

Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird von vielen Unternehmen dazu benutzt, Druck auf die Löhne auszuüben. Jetzt soll das zum Beispiel auch bei der Deutschen Bahn AG so laufen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann man das verstehen. Jedes Unternehmen versucht, seine Kosten zu drücken. Gesamtwirtschaftlich ist das in der jetzigen Situation Gift. Deflatorisches Gift sozusagen. Heiner Flassbeck hat vor kurzem in der Berliner Zeitung am Beispiel der Lohnsenkungen bei Daimler vorgerechnet und erläutert, was das für unsere gesamte Volkswirtschaft bedeutet und wie falsch diese Sparversuche sind. Siehe Anhang. Albrecht Müller.

70 Prozent der Deutschen würden Köhler wählen. – Wie das?

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verkündet. Genau 60 Jahre später dürfte Horst Köhler zum zweiten Mal zum Bundespräsident gewählt werden. Die Wahl in der Bundesversammlung ist weitgehend Formsache, dort spiegeln sich die Mehrheiten im Bundestag und in den Länderparlamenten wieder und dort haben eben Schwarz-gelb zusammen mit den gleichfalls konservativen freien Wählervereinigungen eine knappe Mehrheit. Diese konservative Mehrheit ergibt sich daraus, dass die SPD seit der letzten Wahl zum Staatsoberhaupt eine Wahl nach der anderen verloren hat, zuletzt in Bayern und Hessen. Es reicht also nicht einmal mehr zu einer Mehrheit von Rot-rot-grün. Köhler profitiert also vor allem vom Niedergang der SPD.
Das ist aber nur die parteipolitische Seite der Präsidentenwahl.
Viel deprimierender ist allerdings, dass Köhler, wenn er direkt vom Volk gewählt würde noch eine viel deutlichere Mehrheit erhielte.
Wie ist es zu erklären, dass ein Hardliner des Weiter-so in der Bevölkerung eine derart unkritische Unterstützung und Sympathie erfährt? Wolfgang Lieb

Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik hin zur Prävention

Bei einem erwarteten Wachstumseinbruch in der Wirtschaft um bis zu 6 Prozent und einem drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit auf bis zu 5 Millionen 2010 kommt der präventiven Arbeitsmarktpolitik eine besonders bedeutsame Rolle zu.
Natürlich kann die Arbeitsmarktpolitik kein Patentrezept zur Bekämpfung der größten Weltwirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg bieten. Hierzu brauchen wir weitere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen.
Jedoch spielt die präventive Arbeitsmarktpolitik gerade in der jetzigen Krise eine wichtige Rolle.
Ursula Engelen-Kefer fordert deshalb in ihrem Diskussionsbeitrag einen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik hin zu mehr Vorbeugung und Prävention.
Es sei unerträglich, wenn jetzt bereits wieder die neoliberalen Ideologen, die uns diese verheerende Krise eingebrockt haben, aus den Schützengräben kämen und davor warnten, den Sozialstaat überzustrapazieren. Wo war der ordnungspolitische Aufschrei der meist wohlbestallten und abgesicherten Wirtschaftskapitäne, Politiker und Wissenschaftler, als auf Kosten der Steuerzahler in bisher unvorstellbar riesigen Größenordnungen Schutzschirme über die marode Finanzdienstleistungsindustrie und notleidende Wirtschaftskonzerne gespannt wurden? Die Lasten der größten weltweiten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg dürfen nicht vor allem auf dem Rücken der arbeitenden Menschen und der sozial Schwachen abgeladen werden. Von Ursula Engelen Kefer

Die Warnungen vor sozialen Unruhen und die Angst der Abwiegler

„Ich kann mir vorstellen, dass in zwei bis drei Monaten die Wut der Menschen deutlich wachsen könnte“, sagte Gesine Schwan dem „Münchner Merkur“. „Wenn sich dann kein Hoffnungsschimmer auftut, dass sich die Lage verbessert, kann die Stimmung explosiv werden“, warnte Schwan.
Über diese Warnung fallen nun nahezu gesamte die Medienmeute, Arbeitgeber, Kanzlerin Merkel, der CSU-Vorsitzende Seehofer und wie die Schönredner alle sonst noch heißen mögen, wie bellende Hofhunde her. Selbst SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier fällt der eigenen Bundespräsidentenkandidatin in den Rücken: “Ich glaube, die sozialen Unruhen sollen wir nicht herbeireden”, sagte er “Spiegel TV Online”.
Dabei spricht Schwan nur aus, was jeder befürchtet und nur keiner zu sagen wagt oder keiner der Abwiegler vom eigenen Versagen angsichts der Krise in Politik, Wissenschaft und Journalismus wahr haben will. Wolfgang Lieb

Frühjahrsprognose: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2009 in der tiefsten Rezession seit der Gründung der Bundesrepublik.“

„Alles in allem wird sich das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2009 voraussichtlich um 6%verringern. Dies dürfte zu einem sich beschleunigenden Abbau der Beschäftigung führen. Zwar wird der Einsatz von Kurzarbeit den Beschäftigungsabbau zunächst abfedern, doch werden sich Unternehmen zunehmend gezwungen sehen, den Personalbestand zu reduzieren, je länger die Kapazitäten unterausgelastet sind. Im Jahresverlauf 2009 ist mit einem Verlust von mehr als 1 Mill. Arbeitsplätzen zu rechnen. Spiegelbildlich wird die Arbeitslosigkeit hochschnellen und im Herbst die Marke von 4 Mill. überschreiten.
Für 2010 erwarten die Institute keine durchgreifende Erholung. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte um 0,5% sinken. Zum Jahresende ist mit knapp unter 5 Mill. Arbeitslosen zu rechnen.“ So fassen das Ifo-Institut, das Institut für Weltwirtschaft Kiel, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle, das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in ihrem Gemeinschaftsgutachten [PDF – 86,1 KB] die Aussichten der Wirtschaft für die Jahre 2009 und 2010 zusammen. Wolfgang Lieb

Selbst Wendehälse kommen mit guten Vorschlägen: die OECD plädiert u.a. für eine wirksame Ausdehnung der Arbeitslosenversicherung.

Seit Jahren werbe ich dafür, die soziale Sicherung gegen Arbeitslosigkeit, also langes Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe wieder herzustellen und damit Hartz IV loszuwerden. Begründung: die Wiederherstellung einer einigermaßen befriedigenden sozialen Sicherheit. Jetzt kommt ein wichtiges konjunkturpolitisches Argument hinzu. Die Einkommen der von der Krise gefährdeten Arbeitnehmer und der Arbeitslosen müssen stabilisiert und verbessert werden. Andernfalls geraten wir in eine Spirale von weiter sinkenden Masseneinkommen, sinkender Nachfrage, sinkender Beschäftigung und wieder sinkenden Einkommen usw. – Selbst die OECD, die seit 1975 mit neoliberalen Sprüchen über die Bedeutung der Flexibilität der Löhne nervt, ist zur Einsicht gekommen. Der Generalsekretär der OECD Gurria warnte gestern in einer Rede vor den G8-Arbeits- und Sozialminister vor dem gefährlichen Absturz und schlägt eine Reihe von sinnvollen Maßnahmen vor. Siehe dazu die Pressemitteilung in Anlage 1 und den Text der Rede selbst in Anlage 2. Albrecht Müller.

Arbeits-Unrecht – ein Aufruf von Werner Rügemer

Rechtsbrüche, Unrechts-Gesetze, rechtliche Grauzonen, öffentliche Diskriminierung, Erpressung: Beschäftigte wie Arbeitslose werden ausgequetscht und erniedrigt. Bestandsaufnahme und Widerstand sind nötig. Werner Rügemer beschreibt die Brisanz der Entwicklung und weist auf eine Konferenz zum Thema hin: www.businesscrime.de. Albrecht Müller

Hartz-IV-Sätze für Kinder und Erwachsene erhöhen!

Mit dem „Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (Hartz IV), das am 1. Januar 2005 in Kraft trat, wurde die Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitslosengeld II ersetzt – eine reine Fürsorgeleistung, die nicht mehr den früheren Lebensstandard zum Maßstab der Leistungsgewährung für Langzeitarbeitslose macht. Dies führte zur Schlechterstellung von Millionen Menschen sowie zur Aufspaltung der bisherigen Sozialhilfeempfänger/innen in erwerbsfähige, die Alg II beziehen, einerseits und nichterwerbsfähige, die Sozialgeld bzw. -hilfe erhalten, andererseits. Daraus wiederum erwuchsen neue Gefahren einer Stigmatisierung dieser Personenkreise nach dem Grad ihrer Nützlichkeit bzw. ihrer ökonomischen Verwertbarkeit. Von Christoph Butterwegge.

Die Hartz-Gesetzgebung wirkt. Aber wie?

In einem Schwerpunktheft des Archivs für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit zu Erfahrungen, Auswirkungen und Schlussfolgerungen nach drei Jahren SGB II ist Helga Spindler speziell dem „Fordern und Fördern“ und seinen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nachgegangen. Nicht nur dass Sanktionen immer umfangreicher verhängt werden und immer mehr Menschen selbst die unzureichenden Regelsätze nur gekürzt erhalten, der Staat bleibt auch noch nicht einmal beim Fördern neutral, sondern greift durch den Umgang mit den Arbeitslosen einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer in den Markt ein, nimmt ihnen Verhandlungsmacht und verhindert den Aufbau notwendiger Arbeitsplätze.

Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin – Eine atemberaubende Flucht aus der Wahrheit

Festtagsansprachen von Politikern sollen den Gemeinsinn ansprechen und bei den Menschen Zuversicht schaffen. Das ist ein legitimes Anliegen. Aber die Neujahrsansprache der Kanzlerin strotzte nur so von Selbstlob und von neoliberalem „Neusprech“. Das Gesagte und das Gemeinte, die Ansprache und die Wirklichkeit könnten nicht weiter auseinander liegen. Man muss nur einmal Satz für Satz hinterfragen, was sich hinter dem Gesprochenen verbirgt und welche Täuschungsversuche hinter den Worten stecken. Wolfgang Lieb

„Krieg dem Pöbel“. Die neuen Unterschichten in der Soziologie deutscher Professoren

Die Entdeckung der „neuen Unterschicht(en)“ zu Beginn des neuen Jahrtausends ist kein so­ziologisches, kein wissenschaftliches Datum, sondern das Produkt einer der politischen Pro­paganda dienenden „öffentlichen Soziologie“, in der einige Wissenschaft­ler – vor allem Paul Nolte und Heinz Bude – als professorale Autoritäten, aber auch als akti­ver Teil einer publizistischen Welle fungieren. Diese hat in Deutschland nicht zufällig im Jahr 2004 einen Höhepunkt erreicht: Sie begleitete und legitimierte die Einführung von „Hartz IV“: die Abkehr vom bis dahin dominierenden sozialstaatliche Ziel der Statussicherung hin zum Ziel der Existenzsicherung.
Eine Kritik des Lehrers in einer Abendhauptschule Hans Otto Rößer.

„Hartz IV“ würde korrekter „Steinmeier IV“ heißen

Der ehemalige Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Bonn und „Vater“ von WISO (ZDF), Hans-Ulrich Spree, – nebenbei Freund der NDS – schreibt: „Es ist anscheinend aussichtslos, gegen den Begriff „Hartz IV“ anzugehen – selbst bei den NDS. Wer dem Sachverhalt nachspürt, muss jedoch feststellen: die so genannte Hartz-Kommission, in der u.a. Gewerkschafter, Unternehmensvertreter und Kommunalpolitiker mitarbeiteten, trat beim beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld I einstimmig (!) dafür ein, dass „die Ansprüche in Höhe und Dauer im Grundsatz dem bisherigen Regelwerk entsprechen“. Albrecht Müller.

Nochmals: „Die Sarazzins der Wissenschaft: Hartz-IV-Regelsatz von 132 Euro ausreichend“

Einige Stunden nachdem wir gestern diesen Beitrag ins Netz gestellt hatten, schrieb uns ein Leser, dass der angegebene Link zu der „Studie“ der TU-Chemnitz ins Leere führe (HTTP Error 404: File not found). Im Laufe des Tages wurde der Link wieder geschaltet.
Der „Studie“ wurde jedoch zwischenzeitlich eine abwiegelnde „Präambel“ vorangestellt: Die Studie habe aus ihren Neuberechnungen der sozialen Mindestsicherung von 123 Euro „keine Konsequenzen abgeleitet“.
Daraus lassen sich nach meiner Meinung nur folgende Schlüsse ziehen:

  • Entweder die Hochschule oder die Autoren haben erkannt, dass sie mit Ihrem Vorstoß zur Senkung der Hartz-IV-Leistungen doch zu zynisch waren und versuchen nun abzuwiegeln.
  • Oder – und das ist die wahrscheinlichere Erklärung, da die „Studie“ ja wieder im Netz steht -: das ist die typische Art einer verantwortungslosen „Wissenschaft“, die irgendwelche inhumanen Berechnungen in die Welt setzt, ohne die Verantwortung für die Folgen übernehmen zu wollen und sich dann anschließend damit freizeichnen will, dass man ja daraus keine „Konsequenzen abgeleitet“ hätte. Genau so haben sich auch die „Wissenschaftler“ in der NS-Zeit etwa mit ihrer Rasse-„Forschung“ aus der Affäre ziehen wollen.

Wolfgang Lieb