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Agenda 2010

Erwerbstätigenbefragung 2006 der BAuA und des BIBB: Was Beschäftigte belastet

Jeder zehnte Beschäftigte in Deutschland beurteilt seinen Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht. Dies ist ein Ergebnis der fünften Erwerbstätigenbefragung durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Die repräsentative Befragung von 20.000 Beschäftigten liefert aktuelle Daten über die Arbeitsbedingungen in Deutschland. Die BAuA wertete die Daten hinsichtlich Belastungen und Beanspruchungen der Beschäftigten sowie deren Gesundheitszustand aus. Als Trend zeichnet sich eine zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeiten ab. Mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen, fehlende Informationen, Termin- und Zeitdruck belasten Betroffene stark. Arbeit im Stehen, Zwangshaltungen sowie das Heben und Tragen schwerer Lasten gehen auf die Knochen. Entsprechend führen Schmerzen im Nacken, Rücken und an den Schultern gemeinsam mit allgemeinen Erschöpfungszuständen die Liste der gesundheitlichen Beschwerden an. Insgesamt geben die Beschäftigten jedoch eine hohe Arbeitszufriedenheit an.

DGB-Bilanz zu fünf Jahren “Hartz”. 89,7 Prozent empfinden den sozialen Abstieg als größte Bedrohung

Die Hartz-Gesetze sind der größte Einschnitt in die Arbeitsmarktpolitik seit Bestehen der Bundesrepublik. Sie führten zu erheblichen Verwerfungen am Arbeitsmarkt und erhöhten deutlich das Verarmungsrisiko Arbeitsloser”, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach zur DGB-Zwischenbilanz der ´modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt` am Mittwoch in Berlin. Vor fünf Jahren hatte die Hartz-Kommission ihre Empfehlungen der Öffentlichkeit vorgestellt.

Fünf Jahre Hartz: Nahezu 2 Millionen Kinder unter 15 leben in Hartz IV-Haushalten

1,929 Millionen Kinder im Alter von unter 15 Jahren (nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige bzw. Sozialgeld-Empfänger/innen) leben in sog. SGB II-Bedarfsgemeinschaften – der höchste Bestand in den ersten 27 Monaten nach Inkrafttreten von Hartz IV. Das sind 16,9 Prozent der Kinder in diesem Alter. Der Anteil der Kinder im Alter von unter 15 Jahren deren Mütter und/oder Väter auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren, reichte im März 2007 in den 16 Ländern von 37,6 Prozent in Berlin bis 8,5 Prozent in Bayern.
Lesen Sie mehr in der statistischen Aufbereitung des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 184 KB]. Wolfgang Lieb.

Fünf Jahre Hartz-Reformen – ein kritischer Kommentar zu FR-Artikeln wäre nötig gewesen

Im Hinweis Nr. 1 von heute wird auf drei Beiträge der Frankfurter Rundschau hingewiesen – unteren anderem auf „BA-Chef ist zufrieden“ und auf „Das neue Denken“ von Markus Sievers. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass sich die NachDenkSeiten einen Hinweis darauf hätten sparen können, zumindest hätte kommentiert werden müssen. – Ich jedoch hatte gedacht, das „kräftige Sowohl-als-auch“ in „Das neue Denken …“ falle auf und den Rest erledige die Bewertung von Ottmar Schreiner. Ich lasse mich aber eines Besseren belehren und mache noch einige Anmerkungen, vor allem zu „Das neue Denken nach Hartz“. Albrecht Müller.

„Wie bekämpft man den „Reformwiderstand“? – Das ZEW-Mannheim als Psychodoktor“

Das ist der Titel eines interessanten Beitrags von Friedhelm Grützner. „Er ist länger geworden als ursprünglich geplant“, so Grützner, „aber die methodologische Unbedarftheit dieser sich selbst aufblasenden “Experten” (und deren teilweise richtig drollige Argumentation) hat bei mir das unwiderstehliche Bedürfnis hervorgerufen, hier mal in medias res zu gehen – und zwar weniger von der fachlichen wirtschaftswissenschaftlichen Seite her, sondern mehr unter sozialwissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Gesichtspunkten.“ Schwerer Stoff, aber sehr lesenswert. Ein großes Dankeschön geht an den Autor. Albrecht Müller.

DIHK: Weiterbildung – aber bitte im Urlaub

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) will, dass die Bundesbürger ihren Urlaub künftig verstärkt zur Weiterbildung nutzen. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben verwies in der Tageszeitung “Die Welt” (Freitag) darauf, dass Deutschland zusammen mit Schweden die meisten Urlaubs- und Feiertage habe.
“Da ist genug Luft für beides: Erholung und Weiterbildung. Die Arbeitnehmer in Deutschland müssten mehr Ferien- und Freizeit in ihre Weiterbildung investieren – gerade auch vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels.”
Hintergrund der Äußerungen ist der Zeitung zufolge ein neuer EU-Bericht zur Entwicklung der Arbeitszeiten in Europa. Demnach haben die Arbeitnehmer in Deutschland 40 Urlaubs- und Feiertage im Jahr. Nur die Schweden hätten noch zwei Tage mehr. Der EU-Durchschnitt läge bei 33,7.
Hier wird mit Halbwahrheiten die Verantwortung auf die Arbeitnehmer verschoben und die Wirklichkeit der Weiterbildung auf den Kopf gestellt. Wolfgang Lieb

Zur Aktualität der Kritik an Axiomen der neoklassischen Theorie

Der neoliberale Umbau der Gesellschaft ist langfristig angelegt, wird mit dem Anspruch objektiver Notwendigkeit durchgesetzt und vor allem ordnungspolitisch begründet. Kritik an der daran ausgerichteten Politik genügt daher nicht. Ebenso wichtig ist es, das marktgläubige, ökonomische Weltbild kritisch zu hinterfragen und als Legitimation zu entwerten. Hans-Peter Büttner hat dazu im Blog „Oeffinger Freidenker“ einen Beitrag geleistet. Mit seinem Text „Die Nutzlosigkeit der neoklassischen Nutzenlehre – eine Kritik der Grundlagen der subjektiven Werttheorie“ stellt er ein zentrales Element neoklassischer Ideologie in Frage. Der Wert dieser Kritik für tagesaktuelle Diskussionen kann anhand von konkreten Beispielen verdeutlicht werden. Kai Ruhsert

Jobwunder in Ostdeutschland?

Euphorische Stimmungsmache: Die in der Sommerperiode von der Presse gern lancierten Schlagzeilen-Knüller sind diesmal um die Voraussage eines Jobwunders in Ostdeutschland bereichert worden, das mit über 1 Mio. neue Stellen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für die Zeit bis 2020 vorausgesagt wurde.
Starke Vereinfachungen des Sachverhalts sorgen seitens der Presse für den gewünschten Nachrichten-Hit. Was ist tatsächlich an dieser „Vision“ dran?
Ein Kritischer Kommentar von Karl Mai.

Babyboomern droht schwieriger Abschied aus dem Erwerbsleben

Nach einer empirischen Studie des „Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie“ (INIFES) kommen deutlich mehr Menschen im nächsten Jahrzehnt in die Spätphase des Erwerbslebens. Das droht die Probleme Älterer am Arbeitsmarkt zu verschärfen – denn die Berufschancen der 55- bis 64-Jährigen stehen schon jetzt in vielen Regionen und Branchen nicht gut.
Mit einem demografisch bedingten Fachkräftemangel ist in Deutschland in den nächsten 20 Jahren nicht zu rechnen. Doch die Arbeitskräfte werden älter – es gibt künftig deutlich mehr 55- bis 64-Jährige. “Für die regionale Arbeitsmarktpolitik wird dies auf Jahrzehnte hinaus die entscheidende demografische Herausforderung sein”, schreiben Professor Ernst Kistler, Andreas Ebert und Falko Trischler. Denn die Chancen, bis zur Rente im Beruf bleiben zu können, stehen je nach Region und Branche schon heute oft nicht gut – und könnten sich bei zunehmender Konkurrenz und einem höheren gesetzlichen Rentenalter noch verschlechtern.
Quelle: Böckler Impuls 12/2007

Rente mit 67 – kippen oder (und) gestalten?

Die Diskussion um die Rente mit 67 geht weiter. Aus Sicht der Kritiker soll sie bei der 2010 anstehenden Überprüfung, ob die Arbeitszeitverlängerung unter Berücksichtigung der Arbeitslage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vertretbar ist, gekippt werden. Kurt Pittelkau, Mitglied des Arbeitskreises Alterssicherung ver.di-Berlin, fass für uns den Stand der Diskussion der Kritiker zusammen.

Die Kapitalbeteiligungsmodelle von CDU/CSU und SPD ein teurer und wenig zielführender Umweg

So sicher wie das Amen in der Kirche folgt jedem Konjunkturaufschwung seit den 60er Jahren eine Diskussion über einen Investivlohn, also einem Lohnbestandteil, der nicht bar ausgezahlt wird, sondern als Beteiligung am Produktivvermögen an die Arbeitnehmer ausgegeben wird. So auch jetzt wieder.
Wenn bei anspringender Konjunktur die Gewinne steigen oder wie in den letzten Jahren gar explodieren und der Arbeitgeberseite bei Tarifverhandlungen die Argumente für „moderate“ Lohnabschlüsse ausgehen, kann man sicher sein, dass von irgendjemand die Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern in die Debatte geworfen wird. Damit lenkt man die öffentliche Debatte von Lohnerhöhungen ab und liefert den Gewerkschaften einen Nebenkriegsschauplatz, man gewinnt Zeit bis die ersten Krisensignale am Horizont erscheinen, mit denen man „überzogenen“ Lohnforderungen wieder die Zähne ziehen kann. Nach den Tarifrunden verschwanden die Vorschläge jeweils wieder in der Schublade zur Wiedervorlage bei passender Gelegenheit. Das war die Dramaturgie seit über vierzig Jahren. Wolfgang Lieb.

Gespensterdebatten um die duale Berufsausbildung

Letzte Woche debattierte der Bundestag über den Berufsbildungsbericht 2007 [PDF – 41.8 MB]. Es ist eine Gespensterdebatte, die hier vorgeführt wurde. Statistiken werden geschönt oder gar gefälscht, das Scheitern wird mit partiellen Erfolgsmeldungen übertüncht. Die nüchterne Wahrheit ist: Die duale Ausbildung ist nur noch ein Fetisch, weniger als die Hälfte der neu hinzukommenden Bewerber finden einen Ausbildungsplatz, für Hauptschüler werden die Chancen immer schlechter und nur noch ein Drittel aller Jugendlichen mit Migrationshintergrund können in einen Ausbildungsbetrieb vermittelt werden. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit der Jugendlichen ist doppelt so hoch wie bei den Erwachsenen. Hier sammelt sich ein sozialer Sprengstoff von bisher unbekanntem Umfang an. Wolfgang Lieb.

Alle reden über die soziale Gestaltung der Globalisierung, doch von den Ergebnissen der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) wird in den Medien kaum Notiz genommen

Die IAK wird von der ältesten multilateralen Organisation, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) durchgeführt. Sie soll die Interessen von Arbeitnehmern in allen Teilen der Welt schützen und fördern. Die IAK tagte vom 30. Mai bis 15. Juni 2007 alljährlich in Genf. Während die Show-Veranstaltung des G 8-Treffens wochenlang von den Medien hochgejubelt wurde und 4.500 Journalisten nach Heiligendamm reisten, um ein paar nichtssagende Pressestatements groß aufzublasen, wurde über die Konferenz von 160 Mitgliedstaten, wo Beschlüsse über die weltweite Förderung von Arbeitnehmerrechten gefasst wurden, fast gar nicht berichtet.
Trotz intensivster Suche haben wir gerade zwei ernstzunehmende Berichte, einen in der FR und einen in der taz, gefunden. Wir haben sogar davon gehört, dass von einzelnen Wirtschaftsredaktionen, die IAK ganz bewusst totgeschwiegen wurde.
Die NachDenkSeiten wollen dieser Schweigespirale gegenüber Arbeitnehmerinteressen wenigstens ein wenig entgegenwirken. Die ehemalige DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer hat für die deutschen Gewerkschaften auf dieser Konferenz teilgenommen, sie stellt uns ihren Bericht zur Verfügung.