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Agenda 2010

Wenn politisch Gemachtes zum Trend erklärt wird – Anmerkungen zu Eppler und Koehnen

In der letzten Woche erschienenen zwei in der Methodik ihrer Argumentation ähnlich gelagerte Beiträge in der Frankfurter Rundschau. Von Erhard Eppler “Markt und Staat ins Lot bringen” und von Volker Koehnen, verdi-Hessen, “Eine Gefahr für die Demokratie”. Beide Beiträge sind insofern ähnlich, als sie die neoliberale Behauptung, es habe sich in den letzten Jahren Grundlegendes geändert, übernehmen. Eppler zum Beispiel behauptet, der Nationalstaat sei reichlich hilflos; Koehnen forderte die Umgestaltung des Sozialstaats jenseits der Erwerbsarbeit. Wir setzen zu beiden Beiträgen einen Link, weil man an ihnen sehen und demonstrieren kann, wie absonderlich gedacht wird und wie sich intelligente Leute dazu hergeben, die gängigen Parolen als begründet erscheinen zu lassen. Als Anstoß hier noch Hinweise zu einzelnen Passagen der beiden Beiträgen.

Die Wirkung des neuen Linksbündnisses – eine Fortschreibung.

Am 12.6.05 hatten wir gemeldet, dass das neue Linksbündnis von WASG und PDS – schon bevor es gegründet war – die ersten Kurskorrekturen bei den „Agenda-Parteien“ ausgelöst hat. Es scheint sich zu lohnen, eine Liste dieser Korrekturen aufzumachen und sie fortzuschreiben. Sie finden diese dann immer neu und ergänzt unter der Rubrik „Manipulation des Monats“.
Wenn die Wahl vorbei ist und die Parteien sich an ihre versprochenen Korrekturen halten sollten, dann werden die entsprechenden Positionen selbstverständlich aus der Rubrik Manipulation entfernt und wir loben sie dafür.

Was heißt „Häuserkampf“?

Der DGB-Vorsitzende Sommer wurde heftig kritisiert, weil er bei einer Abschaffung von Flächentarifverträgen einen tarifpolitischen „Häuserkampf“ in den Betrieben befürchtet. Einmal abgesehen davon, dass er dabei ausdrücklich auf einen Begriff des früheren Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt aus dem Jahre 2000 zurückgriff, hat Sommer in der Sache völlig Recht: Die Verlagerung der Tarifautonomie in die Betriebe bedeutet eine Streikermächtigung kleinster Spezialgewerkschaften, die zur Durchsetzung ihrer tarifpolitischen Forderungen ganze Betriebe oder Branchen bestreiken und damit lahm legen könnten. So sieht das jedenfalls das Bundesarbeitsgericht in einem erst kürzlich ergangenen Beschluss vom 14. Dezember 2004.

Mit vorgezogenen Neuwahlen will Schröder davon ablenken, dass er für den historischen Niedergang der SPD verantwortlich ist

Das Wunder blieb aus. Die SPD erzielt mit 37,1 Prozent in NRW ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 50 Jahren; mit 5,7 Prozent ist sie so weit abgestürzt wie noch bei keiner Landtagswahl. Die SPD ist mit ihrem Agenda-Kurs an der Mehrheit der Bevölkerung auf ganzer Linie gescheitert. Schröder hat seine Partei bundesweit an die Wand gefahren. Um zu verhindern, dass seine Person und sein Kurs von seiner Partei in Frage gestellt wird, zwingt er wie ein politischer Hasardeur Rot-Grün in vorgezogene Neuwahlen im Herbst dieses Jahres. So hofft er, bei einer voraussehbaren Niederlage der SPD auch noch im Bund sein persönliches politisches Scheitern auf seiner Partei abladen zu können.

Die Pfingstbotschaft der Arbeitgeber: Pfingstmontag als Feiertag streichen

An Pfingsten feiert die Christenheit bekanntlich, dass der Heilige Geist über die Apostel kam und damit die Kirche gegründet wurde. Für mehrere Wirtschaftsverbände ist die Pfingstbotschaft eine andere, sie wollen den Pfingstmontag als arbeitsfreien Feiertag abschaffen. Heiliger Geist hin oder her, die „heilige“ Wettbewerbsfähigkeit verlange, dass wir mehr arbeiten, denn Deutschland habe mehr Feiertage als andere Länder. Schon in der Bibel heißt es, dass nach Pfingsten mit vielen Zungen geredet wurde. Damit wir wissen, über was wir reden, hier noch einmal ein paar Fakten. Daraus ergibt sich, dass hinter der unternehmerischen Pfingsttaube eher ein Aasgeier steckt.

Zur Diskussion: Das IAT sieht in der Fleischbranche den gesetzlichen Mindestlohn als wirksame Maßnahme gegen Lohndumping

Anders als in der Bauwirtschaft, wo es seit 1996 mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine Regelung gibt, die ausländische Unternehmen dazu verpflichtet, tarifliche Mindestlöhne einzuhalten, sieht eine Studie des Instituts Arbeit und Technik in der Übertragung solcher Regelungen auf die Fleischbranche keinen gangbaren Weg. Lars Czommer und Georg Wortmann plädieren deshalb für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

IAB: Niedriglohnverdiener haben zugenommen, ihre Aufstiegschancen haben sich verschlechtert

Mehr als ein sechstel aller Vollzeit-Beschäftigten gehören zu den Geringverdienern. Ein überdurchschnittliches Niedriglohnrisiko tragen Frauen, Ostdeutsche, Jugendliche und Beschäftigte in Kleinbetrieben. Nur eine Minderheit schafft den Aufstieg in eine besser bezahlte Position. Für zwei von drei Geringverdienern gilt: Einmal Niedriglohn, immer Niedriglohn. Die Aufstiegschancen sind rückläufig. Dieser Trend stellt auch im internationalen Vergleich eine Besonderheit dar. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit.

Quelle: IAB [PDF – 216 KB] »

Hessens Justizminister propagiert Fußfessel für Langzeitarbeitslose

Schon mit der Parole „Fordern und Fördern“ werden Arbeitslose letztlich als arbeitsscheue Faulenzer eingestuft, für die durch eine Senkung ihrer Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung auf das Niveau der Bedürftigkeit ein „Anreiz“ geschaffen werden soll, jede Arbeit anzunehmen und sei es für einen Euro pro Stunde. Hessens Justizminister geht nun noch einen Schritt weiter, er will Langzeitarbeitslose wie Kriminelle behandeln und empfiehlt zu ihrer Überwachung die sog. elektronische Fußfessel.

Sind die Lohnforderungen der Stahlarbeiter wirklich unbezahlbar?

In der westdeutschen Stahlindustrie wird in diesen Wochen wieder zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband Stahl um eine Lohnerhöhung gestritten. Das ist dann immer die Lamento-Zeit der Arbeitgeber und ihrer publizistischen Hilfsorgane: Die Löhne seien zu hoch, die Arbeitszeit zu kurz, die deutschen Unternehmen könnten im Wettbewerb nicht mehr bestehen. Ausgeblendet wird bei solchen Betrachtungen immer die Produktivitätsentwicklung.