Fragwürdige Auszeichnungen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Von Uli Müller. Aus Newsletter Gesteuerte Demokratie vom 28.11.2004.
Von Uli Müller. Aus Newsletter Gesteuerte Demokratie vom 28.11.2004.
28.11.2004
Mitteilung an die Presse
Benneter: 150-Millionen-Euro-Kampagne der Arbeitgeber für die Union
Zur Verleihung des Titels “Reformer des Jahres” an Friedrich Merz und “Blockierer des Jahres” an Andrea Nahles, erklärt SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter:
Die neoliberale Lobby macht auf dem Felde der Bildung mobil. Nach McKineys Studentenranking veröffentlichte wenige Tage danach, am 24.11.04, die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ ihren sog. „Bildungstest“. Das Ergebnis überrascht nicht: Hier wie dort schneiden die Südstaaten und CDU-regierte Länder am besten ab. Der wissenschaftliche Schreibtisch der „INSM“, das arbeitgebernahe „Institut der deutschen Wirtschaft Köln“ hat 105 Indikatoren, die irgendetwas mit Bildung zu tun haben, zusammengetragen, diese in irgendwelche Korrelationen gebracht und kommt dann, ohne dass die Daten in einen plausiblen Bezug zur Bildungspolitik der jeweiligen Länder gebracht worden wären, zu dem Ergebnis, dass Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen über dem Durchschnitt und alle anderen Länder unterdurchschnittlich abschneiden.
Die Methode ist immer gleich: Erst Miesmachen, um dann neoliberale Reformen „mit eiserner Entschlossenheit“ zu verlangen.
Obwohl in dem vom SPIEGEL veröffentlichten Ranking nicht die Leistungen der Hochschulen in Forschung und Lehre verglichen wurden (vgl. NachDenkSeiten vom 23.11.04) sondern allenfalls welche Studierenden, von welchen Unis am ehesten die Kriterien der Personalauswahl des Personalberaters McKinsey & Co erfüllen, machen die Medien aus einem zweifelhaften Studentenranking ein Hochschulranking: „Köln ist mieses Mittelmaß“ oder „Uni-Test: NRW-Hochschulen weit abgeschlagen“ oder „Neues Uni-Ranking macht RWTH-Rektor nachdenklich“. Der Trick hat also funktioniert. Kaum einer schaut hinter das Ranking und die meisten glauben, dass damit die Qualität der Hochschulen miteinander verglichen wurde. Jetzt suchen die Rektoren nach Methoden, die „richtigen“ Studenten zu bekommen. McKinsey kann seine Hilfe anbieten. Das wird ein gutes Geschäft.
Über die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), den am besten aufgestellten Think-Tank und der aktivsten PR-Maschine für einen wirtschaftsliberalen Kurs- und Klimawechsel in Deutschland, mit einem Etat von 10 Millionen Euro jährlich, professioneller Organisationsstruktur und permanenter Medienpräsenz berichtet Rudolf Speth in einer ausführlichen Analyse, veröffentlicht von der Hans-Böckler-Stiftung.
Eine ganz neue Variante eines Hochschulrankings stellt der SPIEGEL in seiner neuesten Titelstory vor: Nicht mehr die Leistungen von Hochschulen in Forschung und Lehre werden miteinander verglichen, sondern welche Studenten von welcher Uni am ehesten den Kriterien der Personalauswahl der Personalberater McKinsey & Company entsprechen. Zur Elite gehört: Wer den Standard einer schriftlichen Bewerbung bei einem internationalen Großunternehmen am besten erfüllt. Dieser Standard lautet: Die Aneignung von Wissen und Fähigkeiten zu fremdnützigen Zwecken.
Und andere Erkenntnisse der ewig gleichen Runden. Einer unserer Leser hat uns Sprüche von Rogowski und Sinn im Bayerischen Rundfunk geschickt. Wir geben sie wieder, weil sie zitieren kann, wer Reden halten muss oder Texte schreiben muss oder einfach zeigen will, was für famose Eliten wir haben. Die Texte zeigen zweierlei: wir leiden unter einer miserablen Qualität unserer Meinungsführer und einer Gleichschaltung, die kritische Stimmen immer seltener zu Wort kommen lässt.
„Unserer“ Wirtschaft geht es schlecht, „wir“ müssen den Gürtel enger schnallen, „wir“ müssen länger arbeiten, „wir“ müssen Nullrunden hinnehmen, so hören wir das alltägliche Tremolo. Um nicht depressiv zu werden, schauen wir heute einfach auch einmal auf die Seite der Gewinner, ins Manager-Magazin.
Nach einem sogenannten „Professoren-Panel“ der INSM sind die „Ökonomen mit großer Mehrheit für Studiengebühren im Erststudium“. 92,6% der „führenden deutschen Wirtschaftswissenschaftler“ seien dafür. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass sich nur eine winzige Zahl von Deutschlands Ökonomieprofessoren an der Umfrage beteiligt haben, nämlich gerade mal 54 von mehreren tausend. Ein schofles Täuschungsmanöver auf das manche Medien aber kritiklos hereinfallen.
Wer hat etwas von einem Hochschulranking auf Länderebene? Weder die Studierenden, noch die Hochschullehrer, noch die Hochschulen, noch die Abnehmer der Hochschulabsolventen, denn sie erfahren nicht welche Fakultät oder welche Uni in welchem Land in diesem Ranking gut oder schlecht abschneidet. Das im November vorgestellte CHE-Länderranking kann eigentlich nur auf die Politik zielen: Bertelsmann will damit einmal mehr das Wettbewerbsdenken fördern, diesmal nicht zwischen den Hochschulen sondern zwischen den Ländern. Um den Gewinnern oder Verlierern dieses Rankings die betriebseigenen Konzepte zum Erhalt oder zur Förderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit andienen zu können und damit seinen ohnehin schon starken politischen Einfluss noch mehr stärken zu können, dazu braucht Bertelsmann ein „Länderranking“.
Was macht ein gewiefter Kommunikationsstratege, wenn die Politik, die er „verkaufen“ muss, auf Kritik oder gar Widerstand stößt?
Täglich wanderten 1000 Arbeitsplätze ins Ausland ab, verkündet Angela Merkel landauf, landab. „Deutschland Exportweltmeister (von Arbeitsplätzen)“ titelt „Der Spiegel“. Eines der weltweit größten Finanzberatungsunternehmen Morgan Stanley analysiert: Verglichen mit anderen europäischen Staaten und den USA sei der Anteil der aus Deutschland ins Ausland verlagerten Stellen relativ klein und die Auswirkungen des „Offshorings“ auf den deutschen Arbeitsmarkt seien gering.
Nachtrag zur letzten Meldung und zur dokumentierten Manipulation von SPIEGEL ONLINE. Am Nachmittag reagierte die Redaktion – vermutlich auf unsere Meldung hin – und änderte die Frage. Jetzt ist das Ergebnis völlig anders. Jetzt wird nach der Verlegung des Nationalfeiertags auf einen Sonntag gefragt. Die Mehrheit wollte das nicht. Siehe P.S. beim vorherigen Beitrag.
Ein Leser von NachDenkSeiten schreibt uns das folgende, ungekürzt und ergänzt durch ein erstes Ergebnis dieser „tollen“ Umfrage.
Die demographische Entwicklung wird regelmäßig als objektiver Zwang für die Reform der sozialen Sicherungssysteme angeführt. Die Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes wird als unumstößliches Datum für die „Vergreisung unserer Gesellschaft“ betrachtet. Der Herausgeber der FAZ, Frank Schirrmacher, macht daraus gleich einen „Methusalem-Komplott“.
Nun berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 31.10.04 über ein „demographisches Datendefizit“ in Deutschland. Es gebe keine verlässlichen Daten zur Kinderlosigkeit. Die amtliche Geburtenziffer lasse keine Aussage darüber zu, „ob es in Deutschland ein Problem zunehmender Kinderlosigkeit gebe“. Der Autor Björn Schentker stützt sich dabei auf das Max-Planck-Institut für Demographie in Rostock.