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Kampagnen/Tarnworte/Neusprech

Russische Oligarchen, zypriotische Geldwäsche und deutsche Saubermänner

Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Methoden deutsche Politiker und Journalisten greifen, wenn es darum geht, sich auf Kosten Russlands zu profilieren. Die Diskussion rund um das ESM-Paket für Zypern ist dafür wieder einmal ein gutes Beispiel. Russische Spareinlagen auf zypriotischen Banken stammen – so lesen wir – grundsätzlich von „Oligarchen“. Und Gelder von „Oligarchen“ sind – so hören wir – grundsätzlich illegal und dienen lediglich der Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Daher ist es – so ahnen wir – auch nur rechtens, wenn man den Besitz russischer Staatsangehöriger im EU-Land Zypern beschlagnahmt. Die Russen sind schuldig – vollkommen ohne Prozess, ohne Richter, ohne Verteidigung, ja gar ohne Anklage und auch ohne jegliche Beweismittel. In Russland gibt es zweifelsohne rechtsstaatliche Defizite. Indem wir Russland demonstrieren, wie wenig wir selbst von Rechtsstaatlichkeit halten, gehen wir jedoch mit dem denkbar schlechtesten Beispiel voran. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Jetzt erlebt der konservative Demokrat Frank Schirrmacher die Aggressivität gezielter Manipulationen und Kampagnen

Seit Erscheinen seines Buches „Ego. Das Spiel des Lebens“ – hier die Rezension von Jens Berger – attackieren eine Reihe von Autoren und Medien – an vorderer Front Springers „Welt am Sonntag“ und „Die Welt“ – den Autor und seine Werke. Der Konservative Frank Schirrmacher erlebt jetzt, was Politikern und Autoren auf der eher linken Seite des politischen Spektrums tagaus tagein geschieht. – Jetzt hat sich die Kampagne bei Wikipedia niedergeschlagen. Dort wird nur auf negative Kritiken hingewiesen (siehe Anlage), obwohl es auch viele positive gibt. Der Autor muss sich jetzt auch mit einem Vorwurf herumschlagen, dem wir Macher der NachDenkSeiten wie auch ich als Buchautor ständig ausgesetzt sind: Wir seien Verschwörungstheoretiker. Dabei ist die Realität, wie wir täglich beweisen können, viel schlimmer, als sich das der fantasievollste Verschwörungstheoretiker ausdenken könnte. – Was jetzt mit Schirrmacher geschieht, scheint rätselhaft, ist es aber nicht. Albrecht Müller.

Connection reset by Peer – Steinbrück zieht die Reißleine

Das „Peerblog“ wird wohl als einer der skurrilsten Episoden in die Geschichte der deutschen Kanzlerkandidaturen eingehen. Angefangen mit der verdeckten Finanzierung, über die nur noch als dilettantisch zu beschreibende Machart, gepaart mit einem größtmöglichen Fremdschämpotential, wirkte das Peerblog so, als sei es vielmehr eine besonders perfide Kampagne des politischen Gegners. Damit reiht sich das Peerblog nahtlos in den Katastrophenwahlkampf Steinbrücks ein.

peerblog - das wars

Und dabei kann Steinbrück noch von Glück reden, dass ihm gestern ein vermeintlicher „Hackerangriff“ die Möglichkeit offenbarte, das verunglückte PR-Experiment vom Netz nehmen zu lassen – denn gleichzeitig kündigte die Linkspartei an, die Bundestagsverwaltung wegen eines Verstoßes gegen das Abgeordnetengesetzes gegen Steinbrück und die anonymen Hintermänner des Peerblogs ermitteln zu lassen. Von Jens Berger

Anonymes Geld für Steinbrück! – Zur Attacke darauf kann die CDU einfach frühere Anzeigen der SPD umkopieren.

Die Kommunikationsagentur steinkuehler-com hat das neue “PeerBlog” für den SPD-Kanzlerkandidaten an den Start gebracht hat. Seit Sonntag bloggen Agenturinhaber Steinkühler und seine Mitarbeiter „für“ den Kandidaten. Finanziert wird das Projekt von anonymen „Unternehmerpersönlichkeiten“. Diese Nachricht erinnerte mich an meine eigene Wahlkampf-Vergangenheit: Vor gut 40 Jahren war ich verantwortlich für Willy Brandts Wahlkampf und für diese Anzeige:

Sie war Teil einer wichtigen Kampagne der SPD gegen das „Große Geld“ – siehe auch unten – und seinen Einfluss auf die CDU und ihren Kanzlerkandidaten Barzel. Vor allem mit dieser Kampagne haben SPD und Brandt damals 100 tausende von Menschen dazu bewegt, sich im Wahlkampf zu engagieren. „Wahlkampf von unten“ nennt die SPD Führung das heute. Wie will sie das schaffen, wenn sich Steinbrück mit anonymen Geldern finanzieren lässt? Albrecht Müller.

„Es reicht“, meinen „Die Seeheimer in der SPD“ – Reicht es auch der SPD mit den „Seeheimern“?

In einer Mitteilung an die Presse beklagen sich die Sprecher der „Seeheimer in der SPD“ über die Berichterstattung über den Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück „in Teilen der Medien“ [PDF – 140 KB].
Aus ihrem Plädoyer wird zum einen deutlich, dass die SPD-Rechte genauso wenig wie ihr Lieblingskandidat verstanden hat, wie mögliche Anhänger der Sozialdemokratie das Verhalten und die Äußerungen Steinbrücks empfinden müssen. Zum anderen verurteilen sie einen „Kampagnenjournalismus“, dessen sich die „Seeheimer“ selbst zur Ausschaltung ihrer innerparteilichen Gegner in der SPD skrupellos seit Jahren bedient haben – ein „Kampagnenjournalismus“ der Steinbrück erst zum Kanzlerkandidaten gemacht hat. Die „Seeheimer“ haben die SPD zu einem fremdbestimmten Spielball der Medien und mächtiger Interessengruppen gemacht und merken jetzt allmählich, dass sie selbst nur Spielmaterial waren. Wann endlich merken das auch die Mitglieder der SPD? Von Wolfgang Lieb

Kritik an Israels Regierung = Antisemitismus. Und die TAZ macht bei dieser üblen Hatz auf „Freitag“-Herausgeber Augstein mit.

Als Fazit seiner Beobachtungen im Jahr 2012 setzte das Simon Wiesenthal Center (SWC) den deutschen Publizisten Jakob Augstein auf Platz 9 seiner Liste der „Top Ten“-Antisemiten und Israel-Kritiker. Vor Augstein wurden immerhin noch die Ägyptische Muslimbruderschaft und das Regime des Iran platziert. Das SWC beruft sich zur Begründung auf Henryk M. Broder und nennt diesen Rechtspopulisten einen „weltweit anerkannten Experten“ für Antisemitismus. Die israelische Zeitung Jerusalem Post übernimmt die Wertung des SWC. Die TAZ widmet dem Vorgang am 29. Dezember einen verständnisvollen Wischi-Waschi-Kommentar.
Die Auflistung Jakob Augsteins ist ein unglaublicher Vorgang. Es ist ein weiterer Versuch, Kritiker an der israelischen Politik mundtot zu machen. Das zielt auf Kritiker außerhalb und innerhalb Israels. Wenn Augstein diese zweifelhafte Ehre mithilfe der üblen Methoden eines Broder zuteil wird, dann müssen auch andere Kritiker demnächst Ähnliches befürchten. – Damit Sie sich ein Bild von dem Vorgang machen können, folgt eine Kurzdokumentation und am Ende ein erweiterter Einordnungsversuch. Albrecht Müller.

Neujahrsansprache: Eigenlob statt Problemlösungen oder wie politisches Versagen an die Bürgerinnen und Bürger weitergereicht wird

Aufrufe zu Mut und Zuversicht gehören zum Ritual von Neujahrsansprachen. Die Frage ist allerdings immer, woraus sich solche Hoffnungsappelle speisen sollen. Angela Merkels Ausblick auf 2013 war eine Flucht in die anbiedernde Beliebigkeit und in die verklärende Idylle. Dieser Neujahrsansprache fehlte jeder Mut zur Wahrheit und zur Wahrnehmung der Wirklichkeit und schon gar fehlte jeder Anhaltspunkt, dass durch politisches Handeln dieser Regierung das Jahr 2013 zu einem glücklicheren Ende führen könnte. Von Wolfgang Lieb.

Unter dem Mantel der Nächstenliebe

Zur Spendenkampagne einer großen Tageszeitung in diesen Weihnachtswochen
Ganz großartig, könnte man sagen: in vielen Tageszeitungen der Bundesrepublik laufen derzeit Hilfsaktionen für Arme und Arbeitslose, für alte und erkrankte Menschen. Weihnachtszeit, das bedeutet: Deutschland hilft, auch durch ganze Artikelserien in ihren Regionalblättern. Tatsächlich nur dieses: großartig? Ein Gastartikel von Holdger Platta[*]

Meinungsmache bestimmt das politische Leben. Hier der Blick auf die Manipulationen der Woche – Nr. 2

Heute ein zweiter Rückblick auf einige Beispiele von Meinungsmache in den vergangenen Tagen. Die Reaktion auf die erste Übersicht war ermunternd. Das ist verständlich. Viele NachDenkSeiten-Nutzer/innen sehen wie wir, dass viele politische Entscheidungen durch Meinungsmache vorbereitet oder gerechtfertigt werden und man diese Entscheidungen deshalb nur verstehen kann und oft auch voraussehen kann, wenn man beobachtet, wie und warum Meinung gemacht wird. Mit gezielter, strategisch angelegter und wiederholter Meinungsmache wird in Deutschland beispielsweise dafür gesorgt, dass es kein alternatives politisches Bündnis geben kann, das der neoliberalen Ideologie nicht hinterher läuft. Also Beispiel (1) ein Artikel von Björn Hengst bei SPON; dann (2) die Schönung des Armutsbericht, dann (3) „Deutschlands Rentnern geht es so gut wie nie“, und dann (4) der Afghanistan Einsatz war ein Erfolg. Die meisten NDS-Leserinnen und Leser wissen, dass dies nur eine äußerst knappe Auswahl von Dutzenden von Manipulationen ist, die uns auch in den vergangenen acht Tagen wieder an der Nase herum geführt haben. Albrecht Müller.

In Gesetz gegossene Verfassungswidrigkeit

Die Anzahl der verhängten Sanktionen gegen arbeitslose und nichtarbeitslose ALG-2-Empfänger strebt unaufhaltsam von Rekordmarke zu Rekordmarke. Wurde im April dieses Jahres noch für das Jahr 2011 ein neuer Höchststand von über 912.000 von den Jobcentern ausgesprochenen Sanktionen vermeldet, deuten die Zahlen für das erste Halbjahr 2012 auf eine erneute Steigerung der Sanktionierungsversuche hin. Mit über 520.000 Sanktionen im ersten Halbjahr 2012 geht die Tendenz für das Gesamtjahr in Richtung über 1 Million. Dabei ist generell zu berücksichtigen, dass 42 Prozent der dagegen eingelegten Widersprüche, auch per Gerichtsentscheid, erfolgreich sind. Das mag als Fingerzeig dafür dienen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der verhängten Sanktionen selbst der aktuellen Rechtslage widerspricht. Von Lutz Hausstein[*]

Meinungsmache bestimmt das politische Leben. Hier der Blick auf die Manipulationen der Woche – Nr. 1

Neben der Lobbyarbeit bestimmt nichts so sehr die Willensbildung und die politischen Entscheidungen wie die gezielte und strategisch angelegte Meinungsmache. Von NachDenkSeiten-Nutzerinnen/n wissen wir, dass sie von den NachDenkSeiten Recherchen und Informationen zur gängigen Meinungsmache und ihren Methoden erwarten. Wir wollen dem in regelmäßigen, vielleicht wöchentlichen Abständen gerecht werden. Deshalb diese besondere Rubrik. Heute zur „Kauflaune“ zu Weihnachten (1), zu Merkels Bemerkung über ihre außerordentliche Regierungskunst und die dementsprechenden Überschriften in der Zeitung „Das Parlament“(2), zur kritischen Distanz der Piraten zur Vollbeschäftigung (3), zu einem Kommentar über die Haushaltsberatungen im „Parlament“ (4) und am Ende noch einmal zum Rentenbeschluss der SPD (5), weil dessen einleitende Absätze immer noch Kabarettreife haben. Albrecht Müller.

96,8 Prozent der 4,35 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher halten sich an die Gesetze.

So und ähnlich hätten die Schlagzeilen lauten können und müssen, wenn unsere Medien ehrlich berichten würden und nicht auf herablassende Diffamierung der Hartz-IV-Bezieher aus wären. Stattdessen titelte die SZ: „Neuer Rekord: Jobcenter verhängen mehr als eine Million Hartz-IV-Sanktionen“. Inzwischen übernahmen alle, aber auch alle, die Meldung in dieser Form: Welt, Spiegel, Bild, Stern, Handelsblatt usw. Selbst die “taz” ist sich nicht zu schade und titelt: “Rekord bei Hartz-IV-Sanktionen. Strafe muss sein.” Die Aufmache der SZ wie auch die unkritische Übernahme durch andere Zeitungen ist skandalös. Rücksichtslos wird nach dem Titel gesucht, der die Aufmerksamkeit der Leser erregt. Von Orlando Pascheit

Die intellektuelle Tragödie des Herrn K.

In der vergangenen Woche hat das Statistische Bundesamt (Destatis) eine Pressemitteilung zur Entwicklung der Armutsgefährdungsquote veröffentlicht. Demnach waren im Jahr 2010 insgesamt 15,8 Prozent der Bevölkerung Deutschlands armutsgefährdet, also rund 12,8 Millionen Menschen. Für eine Person galt dies dann, wenn sie weniger als 11.426 Euro im Jahr beziehungsweise 952 Euro im Monat zur Verfügung hatte. Das Nachrichtenmagazin „Der SPIEGEL“ hat diese Meldung in seiner jüngsten Ausgabe aufgegriffen und gleich in der Überschrift verraten, was es von der ganzen Sache hält. Ein Gastartikel von Thomas Trares [*]

Der SPIEGEL und die Inflation

Immer wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, weiß der SPIEGEL einen in steter Regelmäßigkeit vom Gegenteil zu überzeugen. Vom Online-Ableger des ehemaligen Nachrichtenmagazins ist man in Sachen Niveau-Limbo ja schon einiges gewohnt. Mit der Titelgeschichte „Vorsicht Inflation!“ – Unterzeile „Die schleichende Enteignung der Deutschen“ – hat die alt-ehrwürdige Print-Mutter der boulevardesken Online-Tochter im Wettbewerb um den schlechtesten Wirtschafts-Artikel jedoch nun den Kampf angesagt. Von Jens Berger