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Erosion der Demokratie

Die ´´volonté générale´´ für ein liberales Europa steht für die politische Klasse über dem Volkswillen der Franzosen

Die Interpretation des Volkswillens ist ein schwieriges Geschäft. Das weiß man schon seit Rousseaus Unterscheidung zwischen der „volonté générale“ als dem über die individuellen Interessen hinausgehenden Gemeinwillen und der „volonté de tous“ als der unmaßgeblichen Summe bloßer Einzelinteressen. Folgt man den Äußerungen der europäischen politischen Klasse, so war die Volksabstimmung in Frankreich über den Vertrag der EU-Verfassung nur eine momentane Addition von ganz unterschiedlichen und daher im rousseauschen Sinne unmaßgeblichen Willensbekundungen.

Immerhin: Die ZEIT analysiert die INSM

Unter www.zeit.de/2005/19/insm finden Sie eine Analyse der Hamburger Wochenzeitung. „Lautsprecher des Kapitals – Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft streitet für die Freiheit der Unternehmen. Sie ist so erfolgreich, dass selbst ihre Gegner sie schon nachahmen,“ so der Titel. – Wir wollen ja nicht nachkarten, aber wundern dürfen wir uns schon darüber, wie lange unsere Leitmedien brauchen, um zu kapieren, welche Demokratie gefährdende Lobbyarbeit hier betrieben wird. In den NachDenkSeiten konnten Sie sich bisher schon gut informieren über die INSM. Zu Ihrer Orientierung:

Der Entwurf für eine “EU-Verfassung”

Wenn man bedenkt, wie intensiv in der Öffentlichkeit etwa über die europäische Dienstleistungsrichtlinie diskutiert wird, wundert man sich schon, wie nahezu ohne öffentliche Debatte die künftige europäische Grundordnung verabschiedet werden soll, die in weiten Teilen unser Grundgesetz ändert, modifiziert und in seiner künftigen Rechtsauslegung bestimmen wird.
Im Gegensatz zum wirtschaftspolitisch neutralen Grundgesetz schreibt die EU-Verfassung auf vielen Feldern wirtschaftsliberale Grundsätze fest, sie weicht seinen Sozialstaatsgedanken auf, leistet u.a. einer weiteren Chancenungleichheit in der Bildung Vorschub oder kehrt seinen defensiven Verteidigungsauftrag um, indem sie militärische Kampfeinsätze (auch der Bundeswehr) zum integralen Bestandteil der künftiger europäischer Außenpolitik macht.

Ein Beitrag von Christine Wicht und Carsten Lenz.

Neue Töne aus der SPD? Münteferings Ehrenrettung des Staates und seine Kritik am Primat der Ökonomie

Soweit ist die politische Debatte schon heruntergekommen, dass es Schlagzeilen macht, wenn ein führender Politiker – dazu noch in einer abgehobenen Programmdebatte – die Rolle des Staates in der Demokratie und das Spannungsverhältnis von Staat und Markt anspricht. Man muss zugeben, auch aus der SPD sind solche Diskussionsbeiträge schon lange nicht mehr zu hören gewesen. Hat Müntefering aber wirklich einen neuen Akzent gesetzt, der wütende Kritik aus dem Unternehmerlager nachvollziehbar machen könnte?

Schöne Demokraten

Man muss kein Fan von Heide Simonis sein, um sich über die Drohungen der Unionsspitzen gegenüber dem SSW in Schleswig-Holstein zu wundern. Parlamentarische Regeln sind Regeln, auch wenn sie einem gerade mal nicht passen.

Die eigentliche politische Korruption bleibt im Hintergrund

Mein Sonntagsblatt schrieb gestern: „Da sind Parlamentarier, die fürs Nichtstun Geld von Firmen bekommen.“ Das ist der Grundtenor der Kritik auch in vielen anderen Medien. Sie regen sich vor allem darüber auf, dass mehrere Abgeordnete der CDU, der SPD und FDP von der Dresdner Bank, von RWE, von Volkswagen, von Siemens u.a.m. Gehälter oder andere Geld- und Sachleistungen bekommen haben, ohne dass sie etwas dafür tun. „Viereck verfüge jedoch nicht einmal über einen Schreibtisch im Konzern. Unklar blieb, für welche Leistungen er von Volkswagen bezahlt worden sei”, merkt Spiegel Online an. – Das sind lächerliche „Unklarheiten“ und Fragen. Die laufende Debatte wirkt wie eine Vernebelung einer viel schwerwiegenderen politischen Korruption.

Das Scheitern der Föderalismuskommission: Scheitern ist besser als eine Verschlimmbesserung

Die ein Jahr andauernden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Reform des deutschen Föderalismus sind (vorläufig) ohne ein Ergebnis zu Ende gegangen. Ist das gut oder schlecht?
Man weiß es nicht, denn außer den Überschriften über die Themenkomplexe sind ziemlich wenige Details nach außen gedrungen und schon gar nicht gab es darüber eine inhaltliche und breit geführte öffentliche Debatte: Bei einer so grundlegende Veränderung unseres Verfassungsgefüges ein Armutszeugnis für die öffentliche Meinungsbildung in unserem Lande.
Zum Glück hat der Bund der Kleinstaaterei in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik nicht weiter Vorschub geleistet und seine ohnehin schwache (Rahmen-)Zuständigkeit nicht vollends aufgegeben. Wir wären im (Wettbewerbs-) Chaos gelandet.

Die Weißwäscher: Aus Niederlagen werden Erfolge

Da verliert die CDU bei der Kommunalwahl in NRW knapp 7% und dennoch redet der CDU-Landeschef Rüttgers von einem „großartigen Ergebnis“. Da erzielt die SPD nach einem Absturz bei der vorigen Wahl mit einem weiteren Minus von über 2% ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen dieses Landes und dennoch redet der SPD-Landesvorsitzende Schartau von einer „guten Basis“. Das Umdeuten von Niederlagen zu Erfolgen muss beim Wahlvolk den bitteren Eindruck hinterlassen: Egal ob, wie oder was ihr wählt, wir deuten das Ergebnis so um, dass wir uns bestätigt fühlen.

Einheitsfront der Reformer

Wer den Sozialstaatsumbau ablehnt, hat im Bundestag und in der politischen Elite keine wirkungsvolle Stimme mehr – also gibt er sie Außenseitern / Von Franz Walter / Quelle: Süddeutsche Zeitung / Nr.220, Mittwoch, den 22. September 2004 , Seite 15

Sind die Reaktionen der SPD auf die gestrigen Wahlniederlagen nur ignorant oder schon arrogant?

Nach dem weitaus schlechtesten Wahlergebnis für die SPD bei einer bundesweiten Wahl kann man die Reaktionen ihrer Spitzenpolitiker über dieses Wählervotum eigentlich nur noch entweder als ignorant oder – schlimmer – als arrogant einstufen. Ignorant, weil offenbar nicht mehr zur Kenntnis genommen wird (oder werden darf), dass die weit überwiegende Mehrheit den “Agenda”-Kurs ablehnt. Arrogant, weil man offenbar nicht mehr bereit (oder ideologisch, zu borniert) ist, demokratische Voten, d.h. die Meinung der Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen.

Hinweis auf einen interessanten Beitrag von Johano Strasser: Demokratie – ein Standortnachteil?

Bei festlichen Anlässen wird er immer noch beschworen: der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Demokratie, besonders dann, wenn es darum geht, die Vorbildhaftigkeit des Westens gegenüber anderen Weltgegenden herauszustreichen. Aber im Alltag scheinen immer mehr Politiker und Verbandsvertreter, Journalisten und Publizisten, Medienvertreter und Medienverbraucher nicht mehr so recht an das zu glauben, was bei festlichen Gelegenheiten unserer Demokratie nachgerühmt wird: dass sie nämlich der angemessene Rahmen für eine gedeihliche Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft sei. Immer häufiger hören wir heute, dass gehandelt werden solle, statt zu diskutieren …

Zum Berater(un)wesen in der Politik

Ein nicht öffentlich ausgeschriebener millionenschwerer Beratervertrag, den der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit Florian Gerster an den früheren Bertelsmann-Manager Bernd Schiphorst, einem Vorstandsmitglied der W(irtschaft) – M(edien) – P(olitik) EuroCom AG vergeben hat, löste einmal mehr eine Debatte über das Berater(un)wesen in Politik und Wirtschaft aus.