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Lobbyismus und politische Korruption

Die INSM legt mal wieder einen „Bildungsmonitor“ vor: Diesmal wird Sachsen auf Platz 1 gesetzt. Der Osten Deutschlands bildet für den Westen aus.

Einmal mehr wird über den von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) veröffentlichten „Bildungsmonitor 2006“ in der Presse (bis auf „Die Zeit“) meist kritiklos berichtet. Viele Medien verschweigen, wer hinter dieser „Studie“ steht, sie nehmen deren Bewertungen einfach als „bare Münze“. Dass es bei diesen „Messungen“ nicht um die Qualität von Bildung geht, sondern darum, inwiefern das Bildungssystem „zu einer Steigerung von Standortqualität, Wachstum und Beschäftigung“ im Sinne der Vorstellungen der neoliberalen PR-Agentur INSM beitragen kann, wird tunlichst verschwiegen.

Unternehmer wollen nun auch in Kindergärten und Schulen Herr im Haus sein

Bisher 40 Unternehmen von der BASF bis zur Voith AG, über die Unternehmensberater A.T. Kearney oder Roland Berger bis zur Deutschen Industriebank haben sich unter dem Namen „Wissensfabrik. Unternehmen für Deutschland“ zusammengeschlossen. Die Initiatoren finden die Rechenbücher in den Schulen „wirtschaftsfeindlich“, ja „subversiv“. Im globalen Wettbewerb brauche man „Disziplin und Wettbewerb auch in der Erziehung“. Anregung zur Vorschulerziehung z.B.: „Wenn man Fünfjährigen ein Handy gibt, dann ist es für sie das allerschönste Spielzeug der Welt.“ Einer der Gründer der „Wissensfabrik“, Trumpf-Chef Leibinger: „In Deutschland herrscht Sozialismus bei der Bildung.“ BASF-Chef Hambrecht: „Wir müssen in den Schulen eine deutliche Leistungs- und Wettbewerbsorientierung einführen.“

„Der demografische Wandel: Vom Gespenst und Mythos zur Chance“

“Axel Börsch-Supan, Prof., Universität Mannheim, ist Direktor des von ihm gegründeten Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel (MEA), Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina.“
Quelle: WSI Mitteilungen 8/2006 [PDF – 34 KB]

Die in “…” gesetzte Information über den Autor des Kommentars in den WSI Mitteilungen 8/2006 enthält eine wichtige Information nicht: Das von Börsch-Supan gegründete MEA ist zu großen Teilen von der Versicherungswirtschaft finanziert. Der Professor ist vor allem Lobbyist der Versicherungswirtschaft und Polemiker gegen die gesetzliche Rente. Dass die Hans-Böckler-Stiftung ihm Gutachtenaufträge gibt und in den WSI Mitteilungen kommentieren lässt, zeigt, dass manche Gewerkschafter immer noch nicht begriffen haben, was die Stunde geschlagen hat.

Die ‚gute Regierung’ des Bildungswesens.

Die Hamburger Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Lohmann hat im März auf einem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) in Frankfurt einen Vortrag über den Einfluss der Bertelsmann Stiftung auf das Bildungswesen gehalten, den sie den NachDenkSeiten freundlicherweise zur Verfügung stellt [PDF – 83 KB].

Dieser Text wird gegen Ende 2006 in dem Buch “Jens Wernicke, Torsten Bultmann, Wiebke Priehn (Hrsg.): Netzwerk der Macht – Bertelsmann: Der medial-politische Komplex aus Gütersloh. Marburg: BdWi-Verlag 2006” erscheinen.

Die taz distanziert sich von sich selbst

Wie weit das Druckpotential von Bertelsmann auch auf die Medien offenbar schon gehen muss oder die Schere im Kopf schon wirkt (was noch wahrscheinlicher ist), zeigt ein ziemlich einmaliger Vorgang. Die taz distanziert sich mittels eines Leserbriefes und einer Redaktionsnotiz von einer Besprechung des Buches von Thomas Leif „Beraten und Verkauft“ durch den Journalisten Holland-Letz, der einige bertelsmannkritische Akzente enthielt.
Siehe Hinweis Nr. 7 in den NachDenkSeiten und die Distanzierung der taz.
Meines Erachtens geht der Streit allerdings am Kern der notwendigen Frage an Thomas Leif vorbei.

Bild-Serie mit Deutschlands wichtigsten Chefs – verlogen bis über die Grenzen des Erträglichen.

Unter der Überschrift „Die Politik muss ehrlicher werden!“ erschien am 14.8. im Rahmen einer Serie der Bild-Zeitung mit dem Titel „Deutschlands wichtigste Chefs erklären in BILD, wie unser Land Spitze bleibt“ ein Beitrag von Carsten Maschmeyer. In diesem Beitrag stimmt nahezu nichts und wichtige Informationen sind nicht enthalten. Der Autor, Vorstandsvorsitzender des Finanzdienstleisters AWD Holding AG schreibt auch hemmungslos zu Gunsten der Interessen seines Unternehmens.

Der Zugriff privater Interessen auf Universitäten – Bitte um einschlägige Beispiele für eine Dokumentation.

Seit einiger Zeit schon sammle ich Beispiele für den Zugriff privater Interessen auf Universitäten. Im Zuge der Recherchen zur „Krake Bertelsmann“ machte einer unserer Leser darauf aufmerksam, dass es angegliedert an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster das “Centrum für Krankenhausmanagement e.V.” gibt. Ein deutsches Zentrum mit “C” machte ihn misstrauisch – und richtig: Es handelt sich um eine Kreation der Familie Mohn.
Das ist eines von vielen Beispielen der Vermischung von privaten Interessen mit der öffentlichen Einrichtung „Universität“. In der Öffentlichkeit wird häufig der Eindruck vermittelt, diese Kooperationen dienten vor allem der Akquisition von Drittmitteln. Tatsächlich dienen sie aber vor allem den privaten Interessen, die sich durch die Verbindung mit Universitäten ein Image von Neutralität und Unabhängigkeit geben. Ich nenne unten zwei weitere Beispiele.
Wenn Sie ähnliche Beispiele kennen, dann schicken Sie uns bitte die notwendigen Informationen. Sie sollten verlässlich und kurz sein und ungefähr im Schema wie unten aufgebaut sein. Wir werden die Informationen dann zu gegebener Zeit dokumentieren und hoffen auch damit ein Stück Aufklärung zu leisten.

Der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit Florian Gerster ist nun Headhunter und Vorsitzender des Investitionsbeirats des Private-Equity-Unternehmens Fortress.

In seiner Rubrik „Was macht eingentlich…“ berichtet das manager-magazin 8/2006, dass der frühere rheinland-pfälzische Arbeits- und Sozialminister und spätere Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit nach seinem Rauswurf, aufgrund von mehreren dubiosen, vermutlich rechtswidrigen Beraterverträgen, nun nicht mehr Arbeitslose vermittelt, sondern sich beim kanadischen Headhunter Ray & Berndtson um die Besetzung von Führungspersonen, vor allem im öffentlichen Sektor kümmert.
Da ihn das nicht ausfüllt steht Gerster noch dem US-amerikanischen Private-Equity-Unternehmen Fortress als „Vorsitzender des Investitionsbeirats“ zur Verfügung. Dabei soll er seine alten Kontakte nutzen, um der deutschen Politik die Interessen von Fortress vor allem an der Einführung von börsennotierten Immobilien nahezubringen.
Zudem firmiert er bei dem von der Deutschen Post finanzierten Think-Tank „Institut zur Zukunft der Arbeit“ (IZA) als „Direktor Policy-Fellows“.

„Krake Bertelsmann“ lädt zusammen mit dem österreichischen Bundeskanzler zum „Salzburger Dialog“

Das PR-Schema ist immer das gleiche: Man hole einen hochkarätigen Kreis aus Politik, Wirtschaft, Finanzwelt und Kultur in ausgewählt vornehmer „Location“ zusammen und lasse sie über ein möglichst publikationsfähiges (d.h. populistisches) Diskussionspapier [PDF – 911 KB] bedeutungsschwere Besorgnis absondern und verkünde dann als Erlösung die Forderung nach Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft. Und schon fallen die Medien auf das Theater herein und das Ganze wird sogar in der Frankfurter Rundschau (kritiklos) dokumentiert.

Der frühere SPD-Bundesinnenminister Otto Schily wird Aufsichtsratsmitglied in zwei Biometrie-Unternehmen.

Schily wird Aufsichtsrat bei Safe ID Solutions. Sie stellt die Sicherheitstechnologie beim Prozess der Erstellung von biometrischen Pässen zur Verfügung. In Schilys Amtszeit wurde in Deutschland der Reisepass mit biometrischen Merkmalen eingeführt.

Die Biometric Systems AG hat sogar extra ihren Aufsichtsrat erweitert. Im Februar 2004 hatte Schily ein zeitlich befristetes Pilotprojekt der Firma zur Biometrie-gestützten Grenzkontrolle mittels Iris-Erkennung am Frankfurter Flughafen genehmigt. Nachdem der Versuch letztes Jahr abgelaufen war, verlängerte Schily als eine seiner letzten Amtshandlungen im vergangenen September das Firmenprojekt am Flughafen kurzerhand um weitere zwei Jahre. Eine Hand wäscht die andere.

Public Private Partnership (PPP)

„Public Private Partnerships (PPP) – oder: öffentlich private Partnerschaften – stehen für modernes und effizientes Verwaltungshandeln. Sie sind Teil der Innovationsoffensive der Bundesregierung und verfolgen das Ziel, durch eine langfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privater Wirtschaft öffentliche Infrastrukturprojekte effizienter zu realisieren als bisher.”
Das ist der offizielle Text, den Sie auf der Homepage des Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finden. Daraus kann man nur schließen, dass die Bundesregierung Teil einer Interessenverflechtung zu Gunsten privater Unternehmen und der Finanzwirtschaft ist. Andernfalls könnte das zuständige Ministerium nicht einen solchen werbenden Text ins Internet stellen. Zur Interessenverfilzung ausführlich siehe Seite 115 ff. in „Machtwahn“. Dort ist beschrieben, wie in Deutschland noch vor der Wahl im September 2005 ein Gesetz zur Erleichterung von PPP beziehungsweise ÖPP über die parlamentarischen Hürden gebracht wurde.

Das arbeitgebernahe „Institut der Deutschen Wirtschaft“ (IW) betreibt mit einer neuen Arbeitskostenstatistik ziemlich plumpe Arbeitgeberpropaganda

Unter der Schlagzeile „Westdeutsche Arbeitskosten weltweit auf Rang drei” bringt der SPIEGEL einen Bericht über eine neue Studie des IW [PDF – 85 KB].
Mit durchschnittlich 27,87 Euro je Arbeitsstunde werde der Westen Deutschlands nur noch von Norwegen und Dänemark übertroffen. Die Kosten lägen über einem Drittel über dem Durchschnitt der Konkurrenzländer. Dass das IW sich mit solchen Statistiken eher als Propagandaagentur für seine Geldgeber einspannen lässt, als dass es Aufklärung betreibt, zeigt Joachim Jahnke.

Eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung untersucht die Kampagnen der „INSM“, von „Du bist Deutschland“, „Deutschland – Land der Ideen“

Rudolph Speth hat schon vor zwei Jahren eine detaillierte Studie [PDF – 666 KB] über Ziele und Vorgehensweise der Propagandaagentur der Metallarbeitgeber, der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ vorgelegt. Diese Untersuchung hat er nun, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, fortgeschrieben und andere Kampagnen sowie die Strategie des CDU-nahen Think-Tanks „Stiftung Marktwirtschaft“ einbezogen. Sein Fazit: Die neueren Kampagnewellen wollen weniger mit Negativbotschaften und mehr mit Emotionen und Patriotismus die Botschaften der meist unsichtbar dahinter steckenden Wirtschaft in der Bevölkerung verbreiten und Einfluss auf Politik und Medien nehmen.
Obwohl die Kampagnen eine hohe Reichweite haben, tröstet uns, dass Speth beobachtet, dass Websites (Blogs) dieser Propaganda gefährlich werden und die Marketing-Strategien durchkreuzen können.

Durchsuchen Sie doch mal die Informationsportale Ihrer Landesregierungen!

Ein Leser der NachDenkSeiten hat uns auf eine spannende Idee gebracht. Er hat im Internet einfach mal das Informationsportal der hessischen Landesregierung aufgerufen und als Suchwort „Bertelsmann“ eingegeben. Man findet dort sage und schreibe 28 Suchergebnisse.
Schauen Sie doch einfach einmal bei Ihrer Landesregierung rein und staunen Sie darüber, auf wie vielen Feldern der Landespolitik Ihnen da Bertelsmann begegnet.
Wenn Sie sich die Mühe machten, uns Ihr Erstaunen und Ihre interessanten Funde mitzuteilen, wäre das großartig. Vielleicht könnten wir ja eine Art Atlas der von Bertelsmann besetzten Themen und Handlungsfelder in den Ländern anlegen.

„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“,

so lautet die Überschrift eines Kommentars von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung vom 24.7.. Mit dieser Überschrift ist schon angedeutet, wie verlogen und ablenkend die Debatte um die Trennung von Abgeordnetenmandat und anderen Beschäftigungen geführt wird.