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Ökonomie

Auszug aus „Machtwahn“ zur richtigen Wirtschaftspolitik einschließlich eines fiktiven Kanzleramtspapiers

Dies ist ein einschlägiger Text aus „Machtwahn. Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet“. Dieser Text enthält auch ein fiktives Kanzleramtspapier, das ich im Blick auf die Koalitionsverhandlungen vom September 2005 und die damalige Entscheidung zur Mehrwertsteuererhöhung um drei Punkte geschrieben habe einschließlich eines „10-Punkte-Programms zur Kurskorrektur in der Wirtschaftspolitik“. Die Bundesregierung hat jede notwendige Kurskorrektur nicht konsequent vollzogen. Siehe im Kontext auch den heutigen Beitrag „Wir sind einfach schlecht regiert“. Albrecht Müller.

Blind für die makroökonomische Verantwortung und ihre Möglichkeiten

Auf einer meiner letzten Diskussionsveranstaltungen wurde seltsamerweise gerade von gewerkschaftlich Engagierten die These vertreten, dass die hohe Arbeitslosigkeit und der Niedergang wirtschaftlicher Tätigkeit quasi das Ergebnis eines Trends ist, konkret: die Folge hoher Produktivitätszuwächse und der gleichzeitig stattfindenden Globalisierung. Das Streben nach Vollbeschäftigung sei veraltet, quasi mit den siebziger Jahren beerdigt. Die damit verbundene Missachtung der wirtschaftspolitischen Verantwortung der handelnden Personen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ist ein Gottesgeschenk für diese neoliberalen Führungsschichten. Sie sind verantwortlich für den Absturz der Lohnquote und eine dekadenlange Stagnation der Reallöhne, sie sind verantwortlich für eine miserable Geldpolitik wie auch jetzt wieder ganz aktuell bei der Weigerung der EZB, die Zinsen zu senken. Diese Fehler sind kein unabweisbarer Trend. Albrecht Müller.

Denkfehler 17: »Wir leben vom Export.«

Der Bericht in SpiegelOnline über „WORLD TRADE REPORT Deutschland bleibt Exportweltmeister“ bringt mich zwangsläufig dazu, einen eigenen Text aus „Die Reformlüge. 40 Denkfehler, Mythen und Legenden …“ ins Netz zu stellen. Denn Sie finden den einschlägigen Denkfehler Nr. 17 beispielhaft bei SpiegelOnline und bei dem zitierten Staatssekretär des BMWi, Pfaffenbach formuliert. Bei SpiegelOnline heißt es:
“Exporte gesteigert, Titel verteidigt: Deutschland bleibt auch 2007
Exportweltmeister.“ Diese undifferenzierten Lobeshymnen auf Exporte sind rational nur schwer zu verstehen. Albrecht Müller.

Wir sind alles kleine Kapitalisten

Ich erfuhr die frohe Botschaft während der morgendlichen Zeitungslektüre: Da stand es – schwarz auf weiß.: „Viele Arbeitnehmer und einfache Bürger sind inzwischen längst kleine Kapitalisten.“ Diese überaus erfreuliche Mitteilung fand sich in einem Artikel von Peter Hahne (nein, nicht der bekannte Neokonservative vom ZDF), sondern eines Redakteurs vom Kölner Stadt-Anzeiger. Ich gestehe, dass ich für derlei Hinweise überaus empfänglich bin. Was in der Zeitung steht, ist bekanntlich wahr. Erbaulich auch die Nachricht, dass unser Finanzminister Steinbrück den Bankmanagern einmal so richtig die Leviten gelesen hat. Viele seien der Komplexität ihrer Aufgaben nicht gewachsen. Hat der Mann sich in der Veranstaltung geirrt oder ist das schon eine Auswirkung der strikt anti-kapitalistischen Parteitagsbeschlüsse der SPD; gar des Bekenntnisses zum „demokratischen Sozialismus“? Die Zukunft wird es zeigen.
Ein Zwischenruf zum Schmunzeln von Joke Frerichs.

Erste Deutsche Mindestlohnstudie löst heftiges Gackern im Hühnerstall der Ökonomen aus

Gestern noch berichteten wir über das Eingeständnis des neuen IAB-Chefs Möller, dass sich noch keiner die Daten zum Mindestlohn im Baugewerbe angeschaut habe, obwohl alle ihr Urteil darüber abgäben. Was etwa in England längst als erwiesen gilt [PDF – 268 KB], aber als nicht übertragbar abgestritten wurde, konnte jetzt eine neue empirische Studie auch für Westdeutschland feststellen: Der Mindestlohn im Baugewerbe hatte keine negativen Beschäftigungseffekte. Entsprechend groß ist die Aufregung im Hühnerstall der deutschen Wirtschaftsexperten. Das Handelsblatt dokumentiert das Kikeriki unserer eitlen ökonomischen Hähne auf ihren Misthaufen. Ein herrlicher Beleg für die Grundhaltung unserer „Experten“ namens Franz, Snower, Rürup, Zimmermann etc., die sich so zusammenfassen lässt: Umso schlimmer für die Wirklichkeit, wenn sie unserer Glaubenslehre nicht entspricht. Wolfgang Lieb

Der Spiegel hängt mal wieder hinterher und unterstellt seinen Leser/innen ein sehr kurzes Gedächtnis.

Seit Jahren warnen die nicht ideologisch verblendeten Ökonomen vor dem Niedergang des Dollars und seinen Folgen für unsere Volkswirtschaft; vor allem forderten wir rechtzeitig eine Stärkung der Binnennachfrage als Ersatz für mögliche Ausfälle beim Export. Und dies nicht erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Der Spiegel merkte es im letzten Herbst, und jetzt noch einmal. Reichlich spät. Albrecht Müller.

Verfassungsfeinde geben den Ton an.

Wir hatten uns am 13.11. über Tonlage und Inhalt einer Sendung bei Deutschlandradio Kultur gewundert. Leser fanden, wir hätten auf die Inhalte stärker eingehen müssen. Ich hatte gedacht, der Text erschließe sich selbst. Freundlicherweise hat einer unserer Leser uns einen Brief an Deutschlandradio Kultur zur Verfügung gestellt. Siehe unten.
Das ist eine bestimmte, aber immer noch freundliche Kritik. Vielleicht verlangen aber die Zeit und das Gebot, unsere Demokratie und das Grundgesetz streitbar zu verteidigen, eine deutlichere Sprache. Aus meiner Sicht ist der Autor des Beitrags im Deutschlandradio ein Feind unserer Verfassung. Er kann sich mit dem Sozialstaatsgebot unseres Grundgesetzes offensichtlich nicht anfreunden. Und er ist bei weitem nicht allein. Auch und vielleicht gerade bei Deutschlandradio Kultur findet sich eine Ansammlung davon. Acht Tage vorher lief dieses Stück „Über Gleichmacher und Abstiegsängste“ von Ulf Poschardt über den gleichen Sender. Der gleiche Geist – angefüllt von antidemokratischem, elitären Denken, und eingebettet in eine Reihe ähnlicher Stücke. Es ist an der Zeit, die Verfassungsfeindlichkeit dieser Kreise beim Namen zu nennen. Um ein Begriff des unseligen Autors zu benutzen: Auf Samtpfoten werden wir diese soziale Demokratie, soweit sie noch existiert, nicht verteidigen können.
Der Verletzung des Sozialstaatsgebots in der praktischen Politik der letzten Jahrzehnte ist Lothar Kindereit nachgegangen. Er hat sich entschlossen, gegen die Verletzung des Artikel 20 GG zu klagen. Albrecht Müller.

Buchbesprechung: Butterwegge/Lösch/Ptak/Engartner: Kritik des Neoliberalismus

Die NachDenkSeiten wollen – so steht es auf der Homepage – „eine gebündelte Informationsquelle für jene Bürgerinnen und Bürger werden, die am Mainstream der öffentlichen Meinungsmacher zweifeln und gegen die gängigen Parolen Einspruch anmelden.“ Dieser Mainstream besteht seit einigen Jahren aus einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik mit einer starken Betonung wettbewerblicher Elemente – zusammengefasst unter dem Begriff des Neoliberalismus. Wie dieser entstanden ist, was das Primat des Marktes bedeutet, wie der Sozialstaat unterminiert wird und wie der Neoliberalismus die Demokratie gefährdet, dass haben Christoph Butterwegge, Bettina Lösch und Ralf Ptak (unter Mitarbeit von Tim Engartner) in einem neuen Buch untersucht.
Eine Rezension von Klemens Himpele.

Thomas Frickes Kolumne „Vom Scheitern der Alt-76er“ ist in vieler Hinsicht lehrreich.

„Nach gut 30 Jahren strammer Angebotslehre hat sich selbst der treue Sachverständigenrat von der alten Bekenntnisökonomie weitgehend verabschiedet. Spät und zögerlich, aber zeitgemäß. Und aus gutem Grund,“ schreibt Fricke.
Er beschreibt und belegt das lange Wirken der Angebotsökonomie seit Mitte der siebziger Jahre und nennt ihr Scheitern beim Namen. Mit Recht. Aber seinen Optimismus, der Sachverständigenrat und die ökonomische Zunft insgesamt verabschiede sich von ihren alten Bekenntnissen, kann ich leider nicht teilen. Auf allen Kanälen und in nahezu allen Blättern wird uns doch täglich eingetrichtert, wir hätten das bisschen Wirtschaftsbelebung den Reformen zu verdanken. Und wir müssten dringlich so weitermachen. Auch Wirtschaftswissenschaftler predigen das Gleiche: Hüther, Zimmermann und selbst ein Rüdiger Pohl, den ich aus den Siebzigern noch mit ganz anderen Tönen kenne, bäumen sich auf gegen das Eingeständnis des Scheiterns. Thomas Fricke möge sich das DeutschlandRadioInterview mit Pohl anhören, das im Anhang verlinkt wird. Albrecht Müller.

Der so genannte Sachverständigenrat ist nur noch eine Maschinerie der Meinungsmache.

Freunde warnen mich immer wieder davor, einen Vergleich mit der Nazizeit anzustellen, weil dies einen von vornherein diskriminiert. Aber was ist, wenn die Parallelen erdrückend sind? Was ist, wenn genauso professionell gelogen wird und die Meinungsmache gleichgeschaltet ist? Darf man dann immer noch nicht darauf hinweisen, wie sich die Bilder und die Methoden gleichen? Wir haben unsere Väter gefragt, warum sie der durchschaubaren Propaganda glaubten. Wenn sie klug waren, verwiesen sie auf die teuflischen Methoden und die gleich lautenden Stimmen. Meist waren sie aber nur hilflos. So wie wir heute, wenn über uns eine Armada von Propagandisten herfällt wie jetzt bei der Verbreitung der Botschaften: Der Aufschwung ist da! Wir verdanken ihn den Reformen! Die Reformdividende nicht verspielen! Weitermachen mit den Reformen! – Das Gutachten des Sachverständigenrates, seine Präsentation und die Begleitpropaganda – mustergültig in „Spiegel Online“ – sind ein eindrucksvolles Anschauungsmaterial für diese Beobachtung. Albrecht Müller.

Newsweek über Angela Merkel – Ein Medienspiel über die amerikanische Bande

Der Aufmacher in der früher einmal links-liberal geltenden amerikanischen Wochenzeitung über einen angeblichen Links-Ruck in Deutschland kam wie gerufen. Die Sprachrohre der Reformpolitik vom „Spiegel“ über die „Welt“ bis hin zur „Zeit“ stiegen mächtig darauf ein. BILD machte sogar mit der Schlagzeile auf: “US-Magazin nennt Angela Merkel ,verlorene’ Kanzlerin”. Was unterging: Mit einer Ausnahme stammen die Meinungsmacher in Newsweek alle aus Deutschland, so etwa der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer, Zeit-Herausgeber Josef Joffe oder der BILD-Kolumnist Hugo Müller-Vogg. Autoren, die in Deutschland mit ihrer Reformeuphorie kaum noch ernst genommen werden, benutzten jetzt die USA als ihren Resonanzboden. Dazu die SZ süffisant: Das US-Spezifische der Hauptgeschichte besteht darin, dass sie von einem nach Pittsburgh ausgewanderten Deutschen auf Englisch geschrieben wurde, der offenbar seit 2001 Deutschland-Korrespondent von Newsweek ist. Seine Hauptquellen sind das Allensbach-Institut, der Forsa-Chef, Zeit-Kommentator Jörg Lau und ein in London lebender Chef-Ökonom der Bank of America mit dem Namen Holger Schmieding. Unser Leser Roger Strassburg hat einen Leserbrief an Newsweek geschrieben.

Die Glaubenskongregation Sachverständigenrat hat mal wieder getagt.

„Wirtschaftsweise loben Merkel und Schröder“ meldet das Handelsblatt vorab und meint weiter: „Lob gleich für zwei Regierungen: Die fünf Wirtschaftsweisen bescheinigen der Großen Koalition und ihrem rot-grünen Vorgänger, dass ihre Reformen zu einer „tiefgreifenden, nicht nur zyklischen Erholung“ der Wirtschaft beigetragen haben.“ (Link zum Sachverständigenrat) Es war zu erwarten, dass der Sachverständigenrat die Reformen lobt und damit auch seine Vorstellung von der strukturellen Bedingtheit der Arbeitslosigkeit. Damit Sie sich ein bisschen auf die „Glaubwürdigkeit“ der Mehrheit dieses Gremiums einstellen können, verweise ich auf eine von vielen niederschmetternden Erfahrungen in der Vergangenheit. Der Sachverständigenrat war wesentlich beteiligt am Abbruch des kleinen Booms von 1997 bis 2000. Albrecht Müller.