Kategorie:
Ungleichheit, Armut, Reichtum

„Kapitalanlage- und Zerstörungsunternehmer“ vs. Wertschöpfungsunternehmer – Oder: Wie lange lässt sich die deutsche Wirtschaft noch für Hasardeure einspannen?

Wenn ein Unternehmer oder Manager zusammen mit seinen Mitarbeitern/innen, seinen eigenen Fähigkeiten und dem investierten Kapital Güter oder Dienstleistungen produziert und dabei Gewinne macht – aus meiner Sicht kein Problem. Aber dieser Typ von Unternehmer verschwindet in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen hinter solchen Typen, die mit Vermögenswerten handeln, und zum Beispiel wie der 33jährige Hedgefonds-Manager John Arnold 2006 fast zwei Milliarden Dollar Gehalt einstreichen. Heute werden die großen Gewinne beim Handel mit Vermögenswerten und nicht bei der Wertschöpfung gemacht. Was da geschieht, nennt sich zwar harmlos „Auflösung der Deutschland AG“, ist über weite Strecken aber reines Zerstörungswerk. Siehe dazu den Beitrag im „Tagesspiegel“ von heute: Die Piranha-Strategie. Albrecht Müller.

“Happiness Economics” bei der Deutschen Bank

Die Deutsche Bank ist unter die Glücksforscher gegangen. In einer gerade veröffentlichten Studie vergleicht das Institut 22 reiche Industrienationen und vier Varianten des Kapitalismus. Ergebnis: Die Deutschen sind eher traurig und leben, so der Autor Stefan Bergheim, “in einer unglücklichen Variante des Kapitalismus”. Die meisten anderen jedenfalls sind besser drauf, das meldete die FTD. Wolfgang Lieb.

Utz Claassen EnBW: Wie uns ein „Top-Manager“ für dumm verkaufen will

Dem Schröder-Freund und „harten Sanierer“ Utz Claassen, wird nachgesagt er sei ein „Überflieger“. Deshalb kann er eigentlich so dumm gar nicht sein, wie er seine Leser in seinem in BILD vorabgedrucktem Buch „Mut zur Wahrheit“ für dumm verkaufen will. So flach und hanebüchen wie Utz Claasen kommt jedoch kaum ein anderer der selbsternannten „Sanierer“ unseres Landes daher. Was der EnBW-Chef zum Besten gibt, ist ein Musterbeispiel für das unterirdische argumentative Niveau und für die ideologische Verbohrtheit unserer höchstbezahlten Unternehmensführer.

Ein typisches Beispiel dafür, dass Wirtschaftsminister Glos in seiner ökonomischen Halb-Weltsicht ein kleiner Müller geblieben ist

In einem Namensartikel im Handelsblatt poltert Michael Glos gegen den Mindestlohn. Für den gelernten Müller ist der Arbeitsmarkt nichts anderes als der Handel mit Getreide: Sinkt der Preis des Mehls nur tief genug, dann wird man das Mehl auch los. Glos: „Mindestlöhne sind Jobvernichter“ weil sie den Preis der Arbeit nicht so weit fallen lassen, dass die Anbieter von Arbeit „am Arbeitsmarkt Fuß fassen“ können. Im ökonomischen Weltbild des mittelständischen Müllers Glos gibt es offenbar nur zwei Grundwahrheiten: Erstens der Arbeitsmarkt ist ein Markt wie der Getreidemarkt und zweitens, die Erde ist eine Scheibe. Wolfgang Lieb.

Statistisches Bundesamt: Schulden der öffentlichen Haushalte 2006 um 2,6% gestiegen. Man könnte auch sagen, die Vermögen der Kreditgeber sind um 38 Milliarden gestiegen.

Nach ersten vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes waren die öffentlichen Haushalte zum Jahresende 2006 insgesamt mit 1 485,4 Milliarden Euro am Kreditmarkt verschuldet. Man kann Gift darauf nehmen, dass die Meldung über die schwindelerregende Summe von 1,5 Billionen Euro, wieder einen öffentlichen Rummel über die zu hohe Staatsverschuldung auslöst und Forderungen nach einem weiteren Abbau staatlicher Leistungen vor allem im Sozialbereich folgen. Kaum jemand wird die Frage stellen, ob mit der Verschuldung in Deutschland nicht auch die Einkommen von Menschen, die so hohe Einkommen haben, dass sie dem Staat Geld leihen können, steigen. Wolfgang Lieb.

Mindestlohn: Man braucht nicht immer nur neue „Reformen“, man könnte auch einfach das vorhandene alte Recht anwenden oder erweitern.

In der Großen Koalition gibt es ein zähes Ringen um die gesetzliche Einführung eines Mindestlohns. Als Kompromiss zwischen SPD und CDU wird über eine Ausweitung des sog. Entsendegesetzes auf weitere Branchen diskutiert, was ja nur auf die Abwehr von Billig-Lohn-Konkurrenz aus EU-Niedriglohnländern zielt. Dabei brauchte nur ein uraltes Gesetz aus dem Jahre 1952 angewandt oder falls erforderlich erweitert werden, das “Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen” (MiArbG). Dort heißt es in § 1 Abs. 2:

Mindestarbeitsbedingungen können zur Regelung von Entgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen festgesetzt werden, wenn

  1. Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern für den Wirtschaftszweig oder die Beschäftigungsart nicht bestehen oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber umfassen und
  2. die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen zur Befriedigung der notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer erforderlich erscheint und
  3. eine Regelung von Entgelten oder sonstigen Arbeitsbedingungen durch Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nicht erfolgt ist.

Jordan Flaherty: Das Weltsozialforum in Nairobi – ein Tagebuch

Das Weltsozialforum versteht sich als Gegenveranstaltung zum „Weltwirtschaftsgipfel“ in Davos. In dieser Woche versammeln sich Zehntausende von Menschen, die fast alle Nationen und Völker repräsentieren, um Strategien zu finden, zu debattieren und für Lösungen zu kämpfen, um die weltweite Ungerechtigkeit und Ungleichheit überwinden zu können. Zum ersten Mal ist das Weltsozialforum nach Nairobi in Kenia gekommen. Lesen Sie einen Bericht von Jordan Flaherty, der durch seine Reportagen über die Auswirkungen des Wirbelsturms „Katrina“ in New Orleans auch in Deutschland bekannt geworden ist, mit einem Vorwort und in einer Übersetzung von Brigitta Huhnke.

Anmerkungen zu den Daten des Statistischen Bundesamtes über die Wirtschaftsleistung im Jahre 2006

Wir freuen uns wirklich darüber, dass die Konjunktur wieder etwas angezogen und das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 2,5 Prozent angestiegen ist. Muss man aber deshalb wie der neue Präsident des Statistischen Bundesamtes gleich von einem „kräftigen“ Wirtschaftswachstum [PDF – 520 KB] sprechen. „Kräftig“ gewachsen ist das BIP zwischen 1950 und 1960 mit durchschnittlich 8,2% oder in den 60er Jahren mit 4,4%, oder in den 70er Jahren mit teilweise knapp 5% oder gar noch während des Einigungsbooms Anfang der 90er Jahre mit über 5% (Schaubild 2 [PDF – 908 KB]). Davon kann man heute nur noch träumen. Ähnliche relativierende Warnungen vor allzu großer Euphorie sind auch bei anderen Daten angezeigt. Wolfgang Lieb.

Das „Soll“ auf dem Erfolgskonto der Bundesregierung

In den üblichen Erklärungen um die Jahreswende rühmten die Bundesregierung, CDU, SPD, ja sogar der Bundespräsident die „Erfolge“ der Bundesregierung. Eine etwas andere Erfolgsbilanz zieht einer unserer Leser.
Was beim Selbstlob der Regierenden unter den Tisch fällt.

SPD will durch Subventionierung von Armutslöhnen, den Niedriglohnsektor ausweiten

Der SPD-Parteivorstand will laut „Bremer Erklärung“ vom 6. Januar [PDF – 104 KB] „einfache Arbeiten besser fördern.“ Basis hierfür ist der Vorschlag des Sachverständigenratsmitglieds Professor Bofinger sowie Dr. Walwei, nach der die Sozialbeiträge von Geringverdienern subventioniert werden sollen. Im September 2006 hatten sie ein Konzept für den Niedriglohnbereich [PDF – 716 KB] vorgelegt.
In einer Studie setzt sich ver.di [PDF – 144 KB] mit der negativen Einkommenssteuer als Kombilohn auseinander: Mehr Arbeit fürs gleiche Geld für viele arbeitende Arme und mehr Armut trotz Arbeit – das wären die Wirkungen der Subventionierung von Niedrigstlohnbeschäftigung in Vollzeit oder längerer Teilzeit. Wolfgang Lieb.

Konfliktforscher Heitmeyer: Feindselige Mentalitäten gegen schwache Gruppen werden durch Identitäts- und Nationalstolz-Kampagnen gefördert.

Die Ergebnisse aus der am 14. Dezember in Berlin von Professor Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, vorgestellten Langzeituntersuchung “Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” verweisen auf riskante Entwicklungen. Die Desintegrationsängste und -befürchtungen nehmen seit Projektbeginn 2002 deutlich zu. 38,3 Prozent der Befragten schätzen ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht ein (2002 waren es noch 30 Prozent). Insbesondere seit Einführung von HARTZ IV berichtete mehr als die Hälfte der Befragten über Abstiegsängste. Die Spaltung der Gesellschaft lässt sich damit nicht nur an objektiven Kriterien, wie dem Nettogeldvermögen aufzeigen, sondern findet ihre Entsprechung auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung. So vertreten 91,2 die Auffassung, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden (2002 waren es noch 85,8 Prozent).

Spiegel-Interview mit dem Staatsoberhaupt: Der neoliberale Stammtisch unter sich

Wenn Bundespräsident Horst Köhler, der Chefredakteur des Spiegels Stefan Aust, und der Leiter des Berliner Büros, Gabor Steingart zusammensitzen, dann sind neoliberale „Reformer“ unter sich. Da wird, wie Tom Schimmeck in der taz schrieb, den Schwachen mal so richtig Druck gemacht und den Mächtigen devot am Bauch gekrault. Ein solches Interview hat auch sein Gutes: Unser Bundesaufsichtsratsvorsitzender wird so richtig aus seiner ideologischen Reserve gelockt. Hier ein paar Kostproben.

Jedes Jahr dieselbe Bauernfängerei: Spitzenverdiener tragen 57 Prozent der Einkommensteuerlast.

Die oberen zehn Prozent der Steuerpflichtigen zahlten 2006 rund 57 Prozent der gesamten Einkommensteuereinnahmen des Bundes, wie die „Sächsische Zeitung“ unter Berufung auf die jüngsten Steuerstatistiken des Bundesfinanzministeriums berichtet. 2004 waren dies nur knapp 53 Prozent. Mit dieser Bauernfängerei, wird zu passender Gelegenheit immer wieder die zu hohe Steuerlast von Spitzenverdienern beklagt, diesmal passend zur Einführung der „Reichensteuer“. Wolfgang Lieb.