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Bildungspolitik

Wochenrückblick auf zwei beachtliche Vorgänge verbunden mit zwei Tipps zu nahe liegenden Themen

Das betrifft den weit unterschätzten rechtsextremen Terror und das weit überschätzte PISA der OECD. Die Tipps gelten Medienterminen zu Willy Brandt und Mollath. Allen vier Vorgängen eigen ist die Tatsache, dass das öffentliche Bild von Ereignissen und Personen sehr viel anders gezeichnet und verzeichnet wird, als es der Wahrheit entspricht. Alle vier Beispiele zeigen, wie sehr Menschen und unsere Gesellschaft davon betroffen sein können. Von Albrecht Müller

Macht PISA dumm?

Herr Wolfram Meyerhöfer, am 3. Dezember werden die Ergebnisse der neuesten, inzwischen fünften PISA-Studie, PISA 2012 genannt, der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie gehören von Beginn an zu den größten Kritikern dieses Programms [PDF – 89.4 KB]. Wogegen richtet sich Ihre Kritik?
Nun, ich habe ursprünglich mal versucht, mit Hilfe von PISA und ähnlichen Studien Wege zur Verbesserung von Schule zu finden. Dafür geben diese Studien aber nichts her. Zudem war es, als würden Sie ein Bild aufhängen wollen: Sie schlagen einen Nagel in die Wand und Schlag für Schlag bröckelt Ihnen die ganze Wand entgegen. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedes theoretische und methodische Element von PISA als brüchig. Ein Interview von Jens Wernicke.

Pawlowsche Reflexe aufgrund ideologischer Konditionierung – Zu den Kritiken am Referentenentwurf für ein „Hochschulzukunftsgesetz“ NRW

Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hat letzte Woche unter dem Titel „Hochschulzukunftsgesetz“ einen Referentenentwurf für eine Novelle des vom früheren FDP-Innovationsminister Andreas Pinkwart im Jahre 2006 durchgesetzten sog. Hochschul-„Freiheits“-Gesetz dem Kabinett vorgelegt.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) – die „Stimme der Hochschulen“, wie sie von sich selbst behauptet – läuft dagegen Sturm. Ihr Präsident, Horst Hippler, sieht in einem Offenen Brief an die NRW-Landesregierung im Namen aller Hochschulrektoren durch den Gesetzentwurf „in zentralen Punkten die Wissenschaftsfreiheit und Autonomie in inakzeptabler Weise“ eingeschränkt [PDF – 68.2 KB]. „Die Zeit“ – die Medienplattform für das bertelsmannsche CHE-Hochschulranking – meint in ihrer jüngsten Printausgabe in dem Referentenentwurf gar eine „Rückkehr zur Planwirtschaft“ (Die Zeit vom 21. November 2013, Nr. 48, S. 99) erkennen zu müssen.
Die Rektoren und ihre medialen Sprachrohre hätten aber besser einmal das geltende Gesetz gelesen und mit dem Novellierungsentwurf verglichen, statt in einer Art pawlowscher Reflex „Paternalismus“ (so die Zeit) oder ein „Untergraben“ der Autonomie der Hochschulen (so die HRK) zu wittern. So aber bleiben die Kritiken nur Beißreflexe aufgrund einer ideologischen Konditionierung. Von Wolfgang Lieb.

Wer steuert die Hochschulen in Zeiten von Postdemokratie?

Der Begriff „Postdemokratie“ wurde vor allem durch den britischen Politikwissenschaftler Colin Crouch in die Debatte eingeführt. Crouch beschreibt damit zwar die formale Fortexistenz demokratischer Institutionen, hinter deren Fassade aber eine weitreichende Selbstaufgabe der Politik stattgefunden hat.
In einer Gesellschaft gibt es aber kein Vakuum der Macht. In dem Maße, in dem die Politik ihre Macht selbst abgegeben hat, hat es eine Verlagerung der Macht- und Entscheidungszentren auf andere Machtinhaber gegeben.
Eine solche Verlagerung der Macht bei formaler Fortexistenz demokratischer Institutionen hat es gerade auch an den nach wie vor weitgehend öffentlich finanzierten Hochschulen im Verlauf der letzten 10 Jahre gegeben.
Vorbereiteter Beitrag von Wolfgang Lieb in der Podiumsdiskussion an der Goethe Universität Frankfurt am Main [PDF – 180 KB] (ich habe allerdings frei gesprochen)

Wolfgang Lieb nimmt heute an einer Podiumsdiskussion an der Goethe Universität in Frankfurt a.M. teil

„Wer steuert die Hochschulen in Zeiten von Postdemokratie?“, so lautet die Einladung zu einer Podiumsdiskussion an der Goethe Universität Frankfurt am Main. Veranstalter ist die Demokratische Liste im Senat (DL). Auf dem Podium diskutieren Prof. Dr. Tanja Brühl (Vizepräsidentin der Goethe-Universität), Gerd Köhler (Mitglied des Hochschulrates der Goethe-Universität) Wolfgang Lieb (Mitherausgeber von www.NachDenkSeiten.de)
Moderation: Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink (Demokratische Liste im Senat).
Montag, 18.11.13, 18.00 c.t., Campus Westend, Casino 1.811 [PDF – 180 KB]

„Für eine demokratische und soziale Hochschule – Hochschulräte zu Kuratorien“

Referat von Wolfgang Lieb auf einem Workshop des DGB zum Thema „Für eine demokratische und soziale Hochschule – Hochschulräte zu Kuratorien“ am 14. November 2013 in Berlin.

10 Thesen zur Kritik an Hochschulräten, Vorschläge für eine neue Balance zwischen der institutionellen Autonomie der Hochschulen einerseits und der subjektiven, individuellen Wissenschaftsfreiheit der Hochschulangehörigen andererseits und drittens der demokratischer Verantwortung des Staates im Spannungsfeld der Freiheit von Forschung und Lehre.

Von wegen Rechtschreipkaterstrofe!*

Einen allgemeinen Verfall der Rechtschreibung oder gar der Rechtschreibfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen gibt es nicht, meint Hans Brügelmann, bis 2012 Professor für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Uni Siegen. Was es stattdessen aber sehr wohl gebe, seien immer mehr Diagnostiziererei und Pathologisierung abweichenden Verhaltens. Mit Konzepten wie Legasthenie, ADHS usw. würden Schwierigkeiten so zu individuellen Eigenschaften deklariert anstatt zu sehen, dass diese stets auch Folge der Wechselwirkung zwischen Kind und Umwelt seien. Mit Hans Brügelmann sprach Jens Wernicke.

Chance 2020 – Die INSM will es noch einmal wissen (3/4)

Als vor fast 10 Jahren die NachDenkSeiten das Licht der Welt erblickten, kritisierte Albrecht Müller in unserem allerersten Artikel eine Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Seitdem begleiten uns die Kampagnen der INSM in steter Regelmäßigkeit – wer auf den NachDenkSeiten nach „INSM“ such, kommt auf stolze 1.320 Treffer. Wie zu befürchten war, versucht die INSM nun auch mit einer aktuellen Kampagne Einfluss auf die kommenden Koalitionsverhandlungen zu nehmen. Da die maßgeblich von Wolfgang Clement erarbeitete aktuelle Kampagne mit dem Namen „Chance 2020“ im Grunde alter neoliberaler Wein aus neuen Schläuchen ist, auf den wir bereits unzählige Male inhaltlich eingegangen sind, wollen wir Ihnen an dieser Stelle eine vierteilige Serie anbieten, in denen wir Ihnen zahlreiche Gegenargumente zu den 21 Forderungen der Chance 2020 an die Hand geben. Im dritten Teil geht es heute um die Themenfelder „Bildung“ und „Sozialversicherung“.  Von Jens Berger.

Das „QS World University Ranking“ – Es geht nicht um Wissenschaft sondern ums Geschäft

Dieser Tage ist wieder einmal das jährliche „QS World University Ranking“ veröffentlicht worden. Das QS Ranking wird in einschlägigen Kreisen, also an den Hochschulen, in der Politik und bei den Arbeitgebern, wie üblich, Furore machen. Man muss allerdings wissen, dass dieses Ranking aus rein kommerziellen Motiven erstellt wird.
Der Unsinn des QS Rankings beginnt schon damit, dass Gesamturteile über Hochschulen gefällt werden und nicht nach Stärken und Schwächen differenziert wird, die jede Hochschule hat. Die Reihung der Hochschulen erfolgt nach kaum durchschaubaren und höchst zweifelhaften Kriterien. Es ist nach wissenschaftlichen Standards eher peinlich, wenn sich Hochschulen ihrer Platzierung in solchen Rankings rühmen. Und es ist gefährlich, wenn Studierende ihre Auswahlentscheidung für eine Hochschule an solchen Rankings orientieren, weil zumindest das QS Ranking ziemlich wenig darüber aussagt, wie die Lehr- und Studienqualität an den „gerankten“ Hochschulen in den einzelnen Fächern ist. Noch schlimmer ist allerdings, wenn Hochschulleitungen und Hochschulpolitiker ihre Entscheidungen danach ausrichten, wie sie ihre jeweiligen Hochschulen auf solchen Rankinglisten nach oben bringen könnten. Von Wolfgang Lieb.

Sanfte Steuerung neu verpackt: Bildungslobbyisten mit neuer Strategie

Welchen Einfluss haben wirtschaftliche Interessen auf die Bildung? Wie findet diese Einflussnahme statt und welche neuen Strategien werden dabei verfolgt? Welche Absicht wird mit Großveranstaltungen wie dem heute beginnenden „Vision Summit 2013“ verfolgt? Was ist von der Reformrhetorik eines Richard David Precht zu halten? Wie lässt sich die Chancenungleichheit im Bildungswesen abbauen? Welche Reformen wären notwendig und sinnvoll? Was heißt eigentlich „Potentialentfaltung“? Was können Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern für einen Reformprozess tun? Jens Wernicke fragt den Pädagogikprofessor und Bildungswissenschaftler Jochen Krautz.

Bildungschancen und Verteilungsgerechtigkeit

Unter diesem Titel haben Kai Eicker-Wolf, Gunter Quaißer und Ulrich Thöne ein interessantes Buch über die „Grundlagen für eine sachgerechte Bildungs- und Finanzpolitik“ herausgegeben. Der Metropolis-Verlag, Marburg, hat uns freundlicherweise die von Ulrich Thöne für die Herausgeber verfasste Einleitung zu diesem neuen Buch zur Verfügung gestellt. Wolfgang Lieb.

Furcht vor der Zivilklausel? Die Freiheit der Wissenschaft und die Verantwortung der Hochschulen für den Frieden

„Mit den Waffen des Geistes – Gegen der Geist der Waffen“, das ist der Leitsatz der Zivilklausel-Bewegung an vielen deutschen Hochschulen. Die FAZ vom 2. August bietet Professor Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, mit einem Beitrag unter dem Titel „Verklausulierter Frieden“ eine Plattform für eine harsche Kritik daran, dass inzwischen an 14 deutschen Hochschulen sog. „Zivilklauseln“ in die Grundordnungen aufgenommen worden sind. Danach sollen Forschung, Lehre und Studium auf zivile und friedliche Zwecke ausgerichtet sein. Krause schreibt: „Einige Klauseln verstoßen gegen die im Grundgesetz garantierte Freiheit von Forschung und Lehre, denn sie machen es Wissenschaftlern unmöglich, mit der Bundes­wehr oder der Industrie im Bereich der Forschung zu kooperieren. Wenn keiner klagt (oder sich keiner zu klagen traut), bleiben solche Klauseln aber bestehen.“ Es werde Zeit, dass die Hochschulleitungen Rückgrat zeigen und er fordert Bund und Länder auf, die bestehenden Zivilklauseln auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen. Zum Sachstand von Zivilklauseln an Hochschulen, zu den Erwägungen zur Freiheit der Wissenschaften und über den Zusammenhang von Zivilklauseln und Zivilcourage schreibt Dietrich Schulze.

20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks – Das Wichtigste in Kürze

Der vom HIS-Institut erarbeitete und vom DSW und dem BMBF vorgelegte Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Deutschland 2012 verknüpft eine Sozial- mit der Bildungsberichterstattung und bietet daher ein realistischeres Bild über das Studieren in Deutschland als die meisten sonstigen Statistiken. Deshalb lohnt es sich, die wichtigsten Aussagen zusammenzufassen. Von Wolfgang Lieb

Bildung: Wir leisten uns weniger, als wir uns leisten können und müssen

Im Jahre 2008 forderte Kanzlerin Angela Merkel: »Wir müssen die Bildungsrepublik Deutschland werden!« [1]
Von einer »Republik«, in der alle Bürgerinnen und Bürger gleiche Rechte und vor allem auch gleiche Chancen haben, sind wir in Sachen Bildung jedoch weit entfernt. Im Jahre 2013 leben wir bildungspolitisch noch in einer Erbmonarchie oder bestenfalls in einem Ständestaat.
(Auszug aus dem Buch „Das alles und noch viel mehr würden wir machen, wenn wir Kanzler von Deutschland wär’n“, herausgegeben von Peter Zudeick) Von Wolfgang Lieb.

Wirbel um den Aachener Friedenspreis an die Hulda-Pankok-Gesamtschule – Schulleiterin ignoriert Beschluss der Schulkonferenz

Am 1. September, dem Antikriegstag, sollte der Aachener Friedenspreis an drei deutsche Schulen verliehen werde, die beschlossen haben, keine Werbeauftritte der Bundeswehr in ihrer Schule zuzulassen. Eine der Preisträgerinnen ist die Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf, benannt nach der Frau des bekannten Malers Otto Pankok, selbst engagierte Friedenskämpferin. Die Schulkonferenz hatte im Oktober 2010 einstimmig einen entsprechenden Beschluss gefasst. Die Schulleiterin Alexandra Haußmann teilte nun dem Friedenspreiskomitee mit, sie lehne den Preis ab. Einen entsprechenden Schulkonferenzbeschluss habe es nämlich nie gegeben. Die Vertreterin des Friedenspreises dagegen hat den Beschluss gesehen, der damalige Schulsprecher versichert, er wurde einstimmig gefasst. Den Lehrerinnen und Lehrern wurde die Ablehnung des Preises und die obrigkeitlich angeordnete Nichtexistenz des Konferenzbeschlusses auf einer Dienstbesprechung offiziell mitgeteilt. Von Karl-Heinz Heinemann.