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Wichtige Debatten

Der „Aufstand der Alten“ oder die Panik der „Generation Ich“. Nötig wäre ein Aufstand der demokratischen Kontrollorgane des ZDF gegen eine einseitige Werbekampagne

Der Autor und Regisseur der Doku-Fiction „Aufstand der Alten“, Jörg Lühdorff ist Jahrgang 1966, gehört also zu der Generation der 40-Jährigen, die von der ARD-Sendung Greisenland für die Überalterung verantwortlich gemacht wird, weil sie nicht genug Kinder gezeugt hat.
Das ist natürlich simpler Quatsch. Aber die Grundphilosophie des ZDF-Stücks lässt einen doch darüber nachdenken, ob sie nicht den Zeitgeist eines Teils der zu den derzeitigen Gewinnern zählenden Altersgruppe ausdrückt, die ihrem eigenen Nutzen lebt sich vor allem auf ihre Ellbogen verlässt und die keine Orientierung an anderen gesellschaftliche Normen mehr anerkennt und für die Solidarität oder das Gefühl für sozialen Ausgleich unbekannt oder verschüttet sind. Solche nur ihren eigenen Nutzen maximierenden Leute müssen natürlich in Panik geraten, wenn sie an ihr Alter im Jahre 2030 denken, wo ihr Paradigma – jeder ist seines Glückes Schmied – für sie persönlich an ihre physischen Grenzen stößt. Und diese Panik drückt sich nach meinem Eindruck in der Horror-Doku-Fiction aus. Wolfgang Lieb.

Die Sozialstaatsreformer vor der großen Weltwirtschaftskrise vertraten nicht nur dieselben Konzepte, sie trugen – Ironie der Geschichte – auch noch den gleichen Namen

Peter Hartz, früher Personalvorstand des größten Automobilkonzerns in Europa, Leiter der Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ und Miturheber der nach ihm benannten vier Gesetze (Hartz I-IV), steht wegen seiner Verwicklung in den sog. VW-Skandal um „Lustreisen“ für Manager wie Betriebsräte vor Gericht und mit einem Bein im Gefängnis. Hier geht es allerdings weder um ihn als Person noch um sein Konzept, das die Arbeitslosigkeit nicht verringert, aber die Armut erhöht hat, sondern um einen Namensvetter von Peter Hartz, der bisher weitgehend unbekannt, aufgrund seiner Rolle als geistiger Vorläufer aktueller und Pionier während der Weimarer Republik entwickelter „Reformpläne“ jedoch sehr interessant ist. Es mutet wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass die „Sozialstaatsreformer“ damals und heute denselben Familiennamen hatten. Christoph Butterwegge hat uns die Langfassung seines heute in der FR veröffentlichten Beitrags zur Verfügung gestellt.

Nachtrag: ZDF auch beim heute-journal ein nackter Propagandasender

Zur „Demagogie pur“ des ZDF haben uns viele Mails erreicht, auch deshalb, weil sich das heute-journal am 15.1. mit einer 9,5 Minuten langen Passage in den Dienst dieser Propaganda für die private Versicherungswirtschaft gestellt hat. Ich weiß, wie missverständlich meine folgende Charakterisierung ist. Dennoch, was wahr ist, sollte man aussprechen: was uns das ZDF in Sachen Demographie bietet, hat den demagogischen Gehalt des Schwarzen Kanals von Schnitzler und der Propaganda von Goebbels. Der Unterschied: Die vom ZDF verbreiteten Unwahrheiten kommen bürgerlich und smart daher. Das ist in der Wirkung genauso schlimm. Selbst ein Blatt wie die Frankfurter Rundschau fällt darauf herein. Die Mails unserer Nutzer enthalten so viele interessante Details, dass wir sie unten dokumentieren. Albrecht Müller.

Demagogie pur beim Abbau des Vertrauens in die gesetzliche Rente: der ZDF-Programmschwerpunkt Demographie

Das ist der Favorit für unsere Rubrik Manipulation des Monats. Bitte weitersagen. Bitte nutzen, um die Glaubwürdigkeit des ZDF infrage zu stellen.
Mit einer Presseerklärung vom 12.1. weist das ZDF darauf hin, dass in dieser Woche nicht nur die ZDF-Doku-Fiction „2030 – Aufstand der Alten“ gesendet wird, sondern in einer Reihe anderer Sendungen das Thema demographischer Wandel behandelt wird. Der Text ist auch angehängt.
Schon im zweiten Satz dieser Pressemitteilung wird glatt die Unwahrheit verbreitet. Ob und vor allem wie die Rentensysteme und die gesundheitliche Versorgung finanzierbar sind, hängt nämlich von politischen Entscheidungen und vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Am allerwenigsten von der demographischen Entwicklung. Dass sie finanzierbar sind, wenn politisch dafür gesorgt wird, dass die Arbeitslosigkeit abgebaut wird und sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge wieder vermehrt werden, wenn die Erwerbsquote verbessert wird und die Produktivität der arbeitenden Menschen wie bisher steigt, ist eindeutig nachweisbar. Und dennoch erscheint die in der Presseerklärung formulierte Unwahrheit wie der rote Faden der ZDF-Produktionen. Die Redaktion und die Produzenten von „2030 – Aufstand der Alten“ haben mit der gewohnt einseitigen Auswahl so genannter Experten dafür gesorgt, dass bei ihnen keine Zweifel aufkommen. Das können Sie in einer Pressedokumentation [PDF – 540 KB] erkennen, die diesen Tagebucheintrag angefügt ist. Albrecht Müller.

„Greisenland“ in der ARD – der verfilmte Methusalem-Komplex

Leere Wohnungen, Immobilien zu verschenken, Gaststätten leer, Alte auf Parkbänken, Kinder werden zu Kindergärten und Schulen aus der gesamten Region angekarrt, aus Schulen werden Altersheime – das waren die Bilder:
Die Rente ist nicht sicher, die bezahlbare Gesundheit wird geringer, einen Generationenvertrag gibt es nicht mehr. Das Tempo der Alten ist das Maß der Gesellschaft. Die Masse der Alten gibt die Regeln vor. Demografie ist einer der wichtigsten Einflussfaktoren für die nächsten Jahre. Eine Gesellschaft mit zu hohem Altersdurchschnitt verliert. Wenn eine Gesellschaft überaltert, dann gibt es eine Katastrophe – das sind die Aussagen eines Fernsehstücks der ARD vom 10.01.07.
Demografischer Alarmismus mit der suggestiven Kraft von Bild und Ton. Wolfgang Lieb.

Konfliktforscher Heitmeyer: Feindselige Mentalitäten gegen schwache Gruppen werden durch Identitäts- und Nationalstolz-Kampagnen gefördert.

Die Ergebnisse aus der am 14. Dezember in Berlin von Professor Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, vorgestellten Langzeituntersuchung “Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” verweisen auf riskante Entwicklungen. Die Desintegrationsängste und -befürchtungen nehmen seit Projektbeginn 2002 deutlich zu. 38,3 Prozent der Befragten schätzen ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht ein (2002 waren es noch 30 Prozent). Insbesondere seit Einführung von HARTZ IV berichtete mehr als die Hälfte der Befragten über Abstiegsängste. Die Spaltung der Gesellschaft lässt sich damit nicht nur an objektiven Kriterien, wie dem Nettogeldvermögen aufzeigen, sondern findet ihre Entsprechung auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung. So vertreten 91,2 die Auffassung, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden (2002 waren es noch 85,8 Prozent).

Die Demagogie in Sachen Demographie geht auch im neuen Jahr weiter.

Zwei Beispiele: Das Statistische Bundesamt kam heute mit einer Pressemitteilung: „2006: Bevölkerungsrückgang hält an.“ Und der Deutschlandfunk fragte:

“Deutschland vor dem Alterskollaps?
Den demographischen Wandel gestalten
Herausforderungen für 2007”

Quelle 1: Deutschlandfunk – Programmtipp
Quelle 2: Deutschlandfunk – Sendung als Podcast

Die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes enthält nur die halbe Wahrheit. Die Sendung des Deutschlandfunks war einseitig besetzt. Albrecht Müller.

Spiegel-Interview mit dem Staatsoberhaupt: Der neoliberale Stammtisch unter sich

Wenn Bundespräsident Horst Köhler, der Chefredakteur des Spiegels Stefan Aust, und der Leiter des Berliner Büros, Gabor Steingart zusammensitzen, dann sind neoliberale „Reformer“ unter sich. Da wird, wie Tom Schimmeck in der taz schrieb, den Schwachen mal so richtig Druck gemacht und den Mächtigen devot am Bauch gekrault. Ein solches Interview hat auch sein Gutes: Unser Bundesaufsichtsratsvorsitzender wird so richtig aus seiner ideologischen Reserve gelockt. Hier ein paar Kostproben.

Was für einen Unsinn sie uns alle erzählen, bis der Tag zu Ende geht. Und immer wieder Reformen!

Am 7.12.2006 war mein Tagebucheintrag überschrieben mit „Ende der Aufklärung“. Heute könnte ich einfach eine (2) dahinter schreiben. Denn die Tage der Irrationalität und des Stumpfsinns wollen nicht enden. Ich übertreibe nicht. Schauen Sie sich selbst die Äußerungen von Politikern und Wirtschaft und die Produkte unserer Medien zur wieder einmal belebten Reformdebatte an. Zwischen den einzelnen Behauptungen zum Thema gibt es keine logischen Konnexe. Es werden einfach Sprechblasen abgelassen. Wortsignal neben Wortsignal.
Ein Beispiel aus den folgenden Dokumenten: Beck bezeichnete die Reformbeschlüsse als notwendig, es gebe allerdings für die Bürger auch „Grenzen der Zumutbarkeit“. Merkel entgegnet, „um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können, müssen wir Strukturreformen vorantreiben“. – Beides so dahingesagt. Die Wirkungszusammenhänge erschließen sich nicht logisch sondern über angelernte Glaubenssätze. Die Politiker geben diese vor. Die Journalisten und die Wirtschaft beten sie nach. Oder umgekehrt. Albrecht Müller.

Weihnachten unter dem Stern des Wettbewerbs

Selbst in seiner Weihnachtsansprache fällt unserem Bundespräsidenten keine wichtigere Botschaft ein, als dass wir „in einem internationalen Qualitätswettbewerb“ stehen, „der alle Bereiche unseres Zusammenlebens betrifft: Welcher Nation gelingt es am besten, die schöpferischen Kräfte ihrer Menschen zu wecken? Wie offen ist eine Gesellschaft für Neues?“
Die „Qualität von Politik“ misst Köhler am Erfolg im internationalen Wettbewerb und nicht etwa an einer Wirtschaftspolitik die Wohlstand für alle schafft. Er misst „gute Politik“ nicht an der annäherungsweisen Umsetzung des politischen Willens des Parlaments oder gar der Wünsche und Vorstellungen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. „Gute Politik“ hat aus der Köhlerschen Sicht eines Diktats des Wettbewerbs nichts mit aufklärerischer Vernunft, nichts mit Fortschritt als Verwirklichung humaner Ideale oder gar mit Emanzipation im Sinne einer Befreiung der Menschen von irrationalen Zwängen zu tun. Wolfgang Lieb.

Erich Kästner: Knigge für Unbemittelte

Ein Gedicht aus dem Jahre 1928, das so treffend zu der Kampagne von BILD und anderen Medien passt, um mit der dummen Geschichte des unrasierten Enrico F., der Kurt Beck attackierte, Arbeitslose als arbeitsscheues Gelichter zu diskriminieren.

Arbeitgeber verließen die Mitbestimmungskommission: Ohne Abschaffung der paritätischen Mitbestimmung erübrigt sich für sie jede weitere Reformdebatte.

Michael Schumann vom Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI) berichtet auf dem Symposium „Mehr Demokratie wagen?“ am 29.11.06 im Willy Brandt-Haus in Berlin über den Stand der Beratungen und die Kontroversen zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und den wissenschaftlichen Vertretern in der sog. Biedenkopf-Kommission. Wolfgang Lieb.

Bertelsmann-Symposium mit IWF: “Demographischer Wandel führt zum Staatsbankrott”

Krake Bertelsmann – diesmal mit dem Internationalem Währungsfond, mit Staatssekretär Mirow BMF, MP Milbradt und Prof. Sinn. Die Vernetzung und der Zugriff auf öffentliche Einrichtungen und Kompetenzen geht hemmungslos weiter. Auch die hemmungslose Agitation geht weiter. Denn: Mit mindestens dem gleichen Recht könnte man sagen: Die so schlecht gemachte deutsche Vereinigung führt zum Staatsbankrott. Siehe dazu Grafik als Anhang 1 und den Link zu einem Artikel über das Wahnsinnsstück der Verschleuderung der Ostdeutschen Banken an die Westdeutschen Banken als Anhang 2. Albrecht Müller.