Flassbeck und Spiecker zur EZB-Entscheidung
Hier noch eine Wertung von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker. “EZB Entscheidung: In die richtige Richtung, aber mit dem falschen Vorzeichen”. Albrecht Müller
Hier noch eine Wertung von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker. “EZB Entscheidung: In die richtige Richtung, aber mit dem falschen Vorzeichen”. Albrecht Müller
In dem folgenden Beitrag, den zu lesen und weiter zu verbreiten sich empfiehlt, erläutert Flassbeck, warum er die Zeit für gekommen hält: Weil er keine Hoffnung hat, dass das von der deutschen Regierung durchgesetzte und weiter geforderte „irrsinnige wirtschaftspolitische Programm“ korrigiert werden könnte. Außerdem böte die Trennung aus seiner Sicht die einzige Chance, dass die deutschen Provinzpolitiker und verstockten Ökonomen damit aufhören, Kübel voller Häme und Gehässigkeiten über den Völkern des europäischen Südens auszukippen. Die Folgen für Deutschland und Europa insgesamt wären bitter. Ich bin ziemlich sicher, dass die Aggression gegenüber anderen Völkern auch nach der Trennung nicht aufhört. Albrecht Müller.
Heute sind die Medien voll von Meldungen (S.a. hier) über einen wahrscheinlichen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands von rund 163 Milliarden €. Damit hat sich seit dem Jahr 2000 ein Leistungsbilanzüberschuss von weit über 1 Billion angesammelt. Das erinnert an Einschätzungen und politische Forderungen zum Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft, die ca. zehn Jahre zurückliegen. Es sind gravierende Fehleinschätzungen, die mitverantwortlich sind für die Ungleichgewichte in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen und insbesondere für die Krise im Euroraum. Den falschen Propheten und Falschberatern hat dies nicht geschadet. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Medien eng mit der Fehleinschätzung verflochten sind und die Wissenschaft von der Ökonomie unter einem schon des Öfteren beschriebenen Mangel an welfareökonomischer Bildung leidet. Albrecht Müller.
Deutschland ist wieder „Exportweltmeister“ und führte zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert sogar mehr Güter nach China aus als es von dort einführte. Wenn man diese Entwicklung als Sieg sehen will, so handelt es sich hierbei um einen Pyrrhussieg. Dies wird deutlich, wenn man sich auch die Kehrseite der Medaille anschaut. Deutschland ist nicht nur Weltmeister bei den Exportüberschüssen, sondern spiegelbildlich auch bei den Importdefiziten. Erkauft wurde dieser Sieg vor allem durch die viel zu niedrigen Löhne in Deutschland. Die Lektionen, die China gelernt hat, scheinen in Deutschland zu verpuffen. Von Jens Berger.
Am 9. August berichtete die FAZ davon, die EZB fordere in ihrem neuen Monatsbericht die Krisenländer zu Lohnsenkungen auf. Von der Aufforderung an die Leistungsbilanzüberschussländer wie z.B. Deutschland, dafür zu sorgen, dass bei ihnen die Löhne steigen, ist nichts zu lesen. Die EZB befürwortet mal wieder die deflationäre und die Rezession verschärfende Anpassung zu Lasten der Arbeitnehmer in den Krisenländern. Es wäre die von der Sache wie von einem Hauch Solidarität bestimmte Pflicht der deutschen Gewerkschaften, gegen einen solchen Bericht und die dahinter steckende Strategie zu protestieren. Ich habe nach entsprechenden Meldungen gesucht. Ohne Ergebnis. Albrecht Müller.
Für mehr Wachstum sind sie fast alle. Doch spätestens seitdem die FDP aus Angst vor dem eigenen Minus-Wachstum ihr Steuersenkungsmantra gegen ein Wachstumsmantra ausgetauscht hat, ist Vorsicht geboten, wenn wirtschaftsliberale Politiker ihre Entscheidungen mit dem Ziel zu mehr Wachstum begründen, denn Wachstum ist für sie gleichbedeutend mit Abbau des Sozialstaats. Sozialstaatsfeindlich ist auch die Kanzlerin Angela Merkel. Da ist es noch nicht einmal sonderlich überraschend, dass ihr ideologischer Leitfaden aus ökonomischer Sicht komplett verquer ist, auf lange Sicht das Wachstum verhindert und das Wohl der Menschen keine Rolle spielt. Von Jens Berger.
Auf FAZ online rezensiert Peer Steinbrück das neue Buch von Thilo Sarrazin. In zwei kleinen Absätzen wird dort, besser als in allen anderen Papieren, die ich kenne, dokumentiert, worunter die deutsche Politik im Allgemeinen und die SPD im Besonderen leiden. Steinbrück bespricht Sarrazin und entlarvt seine eigene Sichtweise auf den Euro als genauso falsch wie die desjenigen, dessen Buch er bespricht. Von Heiner Flassbeck.
So wird von einer Veranstaltung am 9. Mai an der Uni Münster berichtet, bei der Heiner Flassbeck in seinen bekannten Positionen sowohl von einem Vertreter der Deutschen Bank als auch von dem früheren sächsischen Ministerpäsidenten Georg Milbradt (CDU) unterstützt wurde und bei der, zum offensichtlichen Entsetzen der Moderatorin von der FAZ (Heike Göbel) auch Hans Tietmeyer zugestehen musste, dass die Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit nicht nur einseitig von Seiten der Defizitländer erfolgen kann. Albrecht Müller.
Das Statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig alle Jahre wieder diesen Vergleich der Arbeitskosten. Einerseits wird zwar damit die häufig von Arbeitgeberseite in Talkshows wiederholte Behauptung widerlegt, dass Deutschland die höchsten Arbeitskosten habe. Andererseits sei immer wieder darauf hingewiesen, dass der Vergleich der Arbeitskosten im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu kurz greift. Diesen Kosten muss vielmehr die Produktivität gegenüber gestellt werden, also die Beziehung des Lohnsatzes in absoluten Zahlen mit der Arbeitsproduktivität, d.h. die Lohnkosten je erbrachter Leistung. Wegen ihrer viel engeren Beziehung zur Preisbildung sind die Lohnstückkosten ein weitaus besserer Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit als das Arbeitskostenniveau.
Lesen Sie hier zunächst die Meldung des Statistischen Bundesamtes und danach einige Anmerkungen von Wolfgang Lieb und unseres Lesers G.K. sowie eine Meldung des IMK.
Die Zeichen stehen auf Sturm. Nachdem die Arbeitgeberseite trotz Warnstreiks bis dato noch nicht ernsthaft auf die Forderungen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di eingegangen ist, droht dem Land nun ein zäher Arbeitskampf mit massiven Streiks im öffentlichen Dienst. Dabei sind die Forderungen der Arbeitnehmer nicht nur im Sinne der Frage eines gerechten Lohns gerechtfertigt, sondern stellen ein zwingend notwendiges Korrektiv für die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone dar. Da bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Staat auf Seiten der Arbeitgeber verhandelt, könnte hier die Politik endlich ein Zeichen setzen, gelten die Verhandlungen doch auch als Vorlage für etliche Tarifverhandlungen, die in den nächsten Monaten anstehen. Von Jens Berger.
Um ökonomische Ungleichgewichte innerhalb der EU abzubauen, baut die EU-Kommission in diesem Jahr ihren Stabilitätspakt aus und erweitert dabei die Zahl der Indikatoren von zwei auf zehn. Künftig spielen beispielsweise auch Außenhandelsüberschüsse eine Rolle bei der Bewertung, ob ein Land die ökonomische Stabilität der EU gefährdet. Was sich in der Theorie ursprünglich sehr gut anhörte, ist jedoch dank der massiven Einflussnahme Deutschlands in der Praxis zu einer einzigen Farce geworden, wie der gestern veröffentlichte „Alarmbericht“ [PDF – 127 KB] zeigt. Anstatt Ungleichgewichte abzubauen, nutzt die EU-Kommission die zehn Indikatoren dazu, die Mitgliedsstaaten anzuhalten, Löhne zu senken, den Arbeitsmarkt zu deregulieren und den Einfluss des Staates immer weiter zurückzufahren. Europa soll keine Ungleichgewichte abbauen, sondern deutscher werden. Von Jens Berger.
Seit der Weltwirtschaftskrise von 1929 wissen wir, dass es keinen Sinn macht, in einer makroökonomischen Krise weiter sparen zu wollen. Weil man mit dieser pro-zyklischen Politik die Krise verschärft. Wir wissen, dass es in einem gemeinsamen Währungsraum nur gut ausgehen kann, wenn sich auf mittlere Sicht Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite angleichen. Deshalb war von vornherein klar, dass die gemeinsame Währung Euro nur gerettet werden kann, wenn die Entwicklung der Lohnstückkosten und der Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone nicht weiter auseinander getrieben, sondern angeglichen werden. Und dennoch haben sich die herrschende Ökonomie und die herrschende Wirtschaftspolitik in Deutschland diesen und anderen Einsichten verweigert. Das herrschende Elend und die große Gefahr für die Eurozone ist ein Ergebnis der Ignoranz. Man konnte wissen was zu tun ist, wenn man wollte. Albrecht Müller.
Der Film “Das Riester-Dilemma – Porträt einer Jahrhundertreform“ von Ingo Blank und Dietrich Krauß, auf den wir hier schon hingewiesen haben, ist eine sehr verdienstvolle Arbeit. Wir kommen darauf aus verschiedenen Gründen zurück. Der wichtigste: Es wird von den politisch handelnden und die Riester-Rente bisher propagierenden Personen und Parteien immer noch die klare Konsequenz verdrängt: damit Schluss zu machen. Ich beginne deshalb mit der Antwort auf die Frage, wie nach der Re-Vision, der sachlich, kritischen Betrachtung der Riester-Rente und der sich verbreitenden Erkenntnis, dass wir mit dieser Reform auf einen falschen Weg geschickt worden sind, die Lösung aussehen muss. Was ist zu tun? Albrecht Müller.
Sigmar Gabriel hat auch noch einen Essay für die FAZ geschrieben.
Titel: „Was wir Europa wirklich schulden“. Siegmar Gabriel beruft sich ausgerechnet auf den Bundesbankpräsidenten Weidmann und meint, es müssten „bislang rein nationale Souveränitätsrechte in der Europäischen Union gebündelt, um in einer gemeinsamen Währungszone auch eine gemeinsame Strategie des Schuldenabbaus, der Sanierung der Staatshaushalte und der Investition in die Wettbewerbsfähigkeit sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu verfolgen.“ Damit lässt sich der Vorsitzende der SPD auf die gängige Forderung einer europäischen Sparunion ein. Von der notwendigen Korrektur der auseinanderdriftenden Entwicklung der Löhne, Lohnstückkosten und der Preise ist im ganzen Text keine Rede. Albrecht Müller.
Mit den „Deutschen“ gemeint ist die Bundesregierung und die dogmatisch neoliberal eingefärbte Mehrheit der Meinungsführer in Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Die Dogmatik dieser Kreise kann ausgesprochen gefährlich für uns werden. Das skizziert Heiner Flassbeck im folgenden Beitrag für das Hamburger Abendblatt [PDF – 69.2 KB]. Der Text ist gut nutzbar zur Verbreitung über Ihren persönlichen Email-Verteiler. Es lohnt sich. Heiner Flassbeck sagte mir gerade am Telefon, seine Leser und Zuhörer würden zunehmend aufgeschlossen, er habe letzthin in Frankfurt einen großen Kreis von Bankern nachdenklich gestimmt. Das ist möglich, weil die herrschende Lehre nur noch Dogmen verbreitet. – Ich ergänze seinen Text, weil er meines Erachtens an einem Punkt unnötig defensiv ist. Er bezeichnet die deutsche Seite als „Gewinner“. Das sind wir schon lange nicht mehr. Albrecht Müller.