Kategorie:
Wettbewerbsfähigkeit

Noch einmal „Spiegel“: Jetzt entdeckt die Redaktion überrascht, dass es auch noch industrielle Tätigkeit gibt

Spiegel-Lesern kann man offensichtlich nahezu alles zumuten. Bis vor kurzem wurde im Blatt der Abstieg beschworen, sogar der Wirtschaftsweltkrieg, jetzt liest man: „Überraschende Renaissance. Das Comeback der deutschen Industrie widerlegt die These, dass die Zukunft den Dienstleistungen gehöre. Produktionsfirmen sind der Wachstumstreiber – auch für den Servicesektor.“ Weitere Auszüge in der Anlage.
Das alles konnte man vor drei oder fünf oder noch mehr Jahren auch schon wissen. Aber damals musste man im „Spiegel“ und in Büchern und Fernsehsendungen seines Chefredakteurs Aust und des Berliner Büroleiters Steingart noch vom „Abstieg eines Superstars“ und vom „Fall Deutschland“ lesen, hören und sehen. Gehen Sie mit dieser Geschichte zu Spiegelabonnenten. Zeigen Sie ihnen, welcher Wetterwendigkeit und Beliebigkeit sie wöchentlich ausgesetzt sind. Albrecht Müller.

Baden-Württemberg setzt auf Studierfähigkeitstest

„Studieren im Land Baden-Württemberg ist gar nicht so einfach: 90 Prozent aller Studiengänge sind zulassungsbeschränkt. Wer zum Beispiel an der Fachhochschule Pforzheim das Fach Wirtschaftswissenschaften belegen möchte, dem reicht eine gute Schulnote nicht aus. Er muss einen Studierfähigkeitstest machen. Er soll die Eignung des Studierenden für das Fach überprüfen.“ So berichtet der DLF Statt Geld in die Hand zu nehmen und die Studienkapazitäten auszudehnen, setzt das Land auf Verknappung und Selektion. Das Abitur verliert seine Bedeutung als „allgemeine Hochschulreife“. Die Zeiten sind gekommen, wo wie in Japan oder in den USA Studierwillige nach der Schule ein oder gar zwei Jahre teure und private Paukkurse besuchen müssen, um an eine Hochschule gelangen zu können.

Der schwarz-gelbe Präsident: „Zur Freiheit gehört Ungleichheit“

„Deutschland muss sich für seine Wettbewerbsfähigkeit noch stärker ins Zeug legen. Am Konjunkturhimmel ziehen Wolken auf. Deshalb wünschte ich mir mehr Reformehrgeiz“, sagte Bundespräsident Horst Köhler in einem Gespräch mit der FAZ vom 29.12.07. Köhlers Weltbild ist das einer „Standortkonkurrenz“, da konkurrieren also nicht einzelne Unternehmen auf dem Weltmarkt miteinander, wie z.B. Daimler gegen Peugeot oder General Motors, sondern die „Holding Deutschland“ steht im Wettbewerb mit der „Holding China“ oder dem „Multi USA“. Und gerade so wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Firma Deutschland redet der Bundespräsident auch. Er hat vor allem die Interessen der Shareholder dieser Holding im Blick, wenn er das Hauptproblem des „Exportweltmeisters“ Deutschland in seiner Wettbewerbsfähigkeit sieht und nicht etwa in der seit Jahren chronisch stagnierenden Binnennachfrage. Wolfgang Lieb

Nach dem Stocken der Doha-Runde ist der Hydra der neoliberalen Globalisierung ein neuer Kopf gewachsen – die „Global Europe Strategie“ der EU-Kommission steht für den Ausbau der Macht europäischer Konzerne

Die „Global Europe-Strategie“ soll durch Freihandelsabkommen den Außenhandels- und globalen Investitionsinteressen europäischer Unternehmen dienen. Kernpunkt des „Global Europe“ ist eine Handelsstrategie der Europäischen Union, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber anderen konkurrierenden Wirtschaftsräumen zu verbessern. Zur Verringerung und Beseitigung von Handelshemmnissen beim Austausch von Gütern und Dienstleistungen sollen alle verfügbaren, politischen Instrumente eingesetzt werden. Da die so genannten Singapur-Themen (Investitionen, Wettbewerb und öffentliches Beschaffungswesen) in der Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) von den Entwicklungsländern abgelehnt wurden, benötigt die EU diese neue Strategie, um die Ansprüche der europäischen Exportwirtschaft statt über eine internationale Abmachung praktisch durch die Hintertür in Form von bilateralen Verträgen doch noch durchzusetzen. Von Christine Wicht

Der Höhenflug des Euros gilt als weitgehend unschädlich, aber die sog. Lohnnebenkosten schaden der internationalen Wettbewerbsfähigkeit

Der Kurs des Euro hat ein neues Rekordhoch erreicht. In der Spitze sprang die Gemeinschaftswährung bis auf 1,45 US-Dollar und damit auf den höchsten Stand seit der Einführung des Euro, so die letzten Meldungen. Die Belastungen dieses Höhenflugs des Euro für die internationale Wettbewerbsfähigkeit spielen seltsamerweise in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle, dafür wird etwa im Gemeinschaftsgutachten der Konjunkturforschungsinstitute um so mehr über die Belastungen durch Löhne und sog. Lohnebenkosten geklagt und deren weitere Senkung gefordert. Wolfgang Lieb

Unbeantwortete Fragen an die Gegner des Mindestlohns

Der Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Blum ist Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH). Das Institut war dieses Jahr neu am Gemeinschaftsgutachten der Konjunkturforschungsinstitute beteiligt. Dieses Gutachten spricht sich vehement gegen die Einführung von Mindestlöhnen aus. Blum hat in einem Editorial zu einer von seinem Institut herausgegebenen Broschüre „Wirtschaft im Wandel“ [PDF – 544 KB] seine ablehnende Haltung mit den in der vorherrschenden ökonomischen Lehre üblichen Behauptungen begründet.
Unser Leser Karl Mai stellt in einem Brief zu den dort aufgestellten Hypothesen ein paar kritische Fragen, die belegen, wie hohl bzw. ideologiebehaftet die „Begründungen“ des ökonomischen Mainstreams für die Ablehnung von Mindestlöhnen sind.

Kabinettsklausur: „Aufschwung – Teilhabe – Wohlstand“

So lautet die Überschrift des Abschlusspapiers der Kabinettsklausur auf Schloss Mesberg [PDF – 56 KB]. Man hört die Botschaft wohl, allein sie wird durch die darin beschriebenen Absichtserklärungen und Prüfaufträge nicht belegt. Die Überschrift über das Abschlusspapier beweist eigentlich nur, dass die Bundesregierung das größte Legitimationsdefizit ihrer „Reform“-Politik mit wohlklingenden Schlagworten zu überdecken versucht. Denn immer mehr Menschen fragen immer drängender danach, was denn der moderate Aufschwung mit den „Reformen“ zu tun haben soll und vor allem, wer an diesem Aufschwung teil hat und wer eigentlich vom gestiegenen Wohlstand profitiert. Wolfgang Lieb

Nochmals zum Mythos: Die Sozialausgaben sind zu hoch

Karl Mai hat in seinem Beitrag vom 17.08.07 die Aussage von Professor Fuest in der FTD, der Anteil der „Sozialausgaben“ läge in Deutschland höher als in allen anderen OECD Ländern mit den gängigen Statistiken konfrontiert und sie als fragwürdig und neben der Faktenlage liegend kritisiert. Von einem unserer Leser darauf hingewiesen, erwidert Fuest, dass er sich nicht auf „Sozialschutzausgaben“ sondern auf die „Sozialtransferquote“ [PDF – 28 KB] beziehe.
Karl Mai repliziert nun seinerseits und weist darauf hin, dass diese statistische Abgrenzung unüblich sei und Fuest in seinem FTD-Artikel diese Besonderheit nicht erwähnt habe, sondern allgemein die hohen „Sozialausgaben“ in Deutschland kritisierte.
Es gehe dabei allerdings nicht um einen Streit über Statistik, sondern darum, dass in der neoliberalen ökonomischen Lehre der Abbau von Sozialleistungen zum Credo gehöre.

Neoliberalismus, Wettbewerbsföderalismus und Föderalismusreform

„Wettbewerb“ dient Neoliberalen als Zauberwort, mit dem sie die angeblich verkrusteten Strukturen des Wohlfahrtsstaates aufbrechen und auch bei einer Reform des Föderalsystems der Staatsordnung die bisherigen, als überholt bezeichneten Verhältnisse zum Tanzen bringen möchten. Rainer Hank, Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, verlangt Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten, in den sozialen Sicherungssystemen und im Bundesstaat: „Ein wichtiger Schlüssel zu mehr horizontalem Wettbewerb liegt auf dem Felde des Sozialen. Der gegenwärtige Sozialstaat muß stärker privatisiert, der verbleibende Kernsozialstaat stärker dezentralisiert werden.“ Christoph Butterwegge hat uns einen Beitrag aus dem Buch „Kritik des Neoliberalismus“ zur Verfügung gestellt, das er zusammen mit Bettina Lösch und Ralf Ptak herausgibt und das dieser Tage erscheint.

Jahrelang wurde uns erzählt, wir seien schlecht. Jetzt plötzlich sind wir gut.

Unentwegt hat man uns erzählt, die Attraktivität des Standorts Deutschland hänge von Reformen ab, von Reformen, die den Unternehmen niedrige Unternehmenssteuern, niedrigere Lohnnebenkosten und niedrige Lohnkosten bescheren. Jetzt plötzlich lesen wir in einer Studie von Ernst & Young, dass Weltoffenheit, Fröhlichkeit und Gastfreundlichkeit, dass unsere erstklassische Infrastruktur, die hohe Qualifikation der Arbeitnehmer und eine gute Lebensqualität wichtige Faktoren sind, wenn über den Standort von Investitionen entschieden wird. Albrecht Müller.

Der neu entdeckte Fachkräftemangel

Die Klagen der Arbeitgeber über den Fachkräftemangel sind alarmierend, das Wirtschaftswachstum werde gebremst. Doch dieser Notstand ist nicht über Nacht aufgetreten. Er war mit großer Treffsicherheit vorhersehbar.
Insbesondere die Arbeitgeber wissen aus Erfahrung, dass die Nachfrage nach Fachkräften bei einer Konjunkturbelebung regelmäßig steigt. Eine Besonderheit ist diesmal allenfalls darin zu sehen, dass der Mangel an Fachkräften schon bei relativ bescheidenen Wachstumsraten einsetzt. D.h. die Unternehmen haben ihren Personalbestand in den letzten Jahren radikal ausgedünnt.
Lesen Sie mehr in einem Beitrag, der uns von einem Arbeitsmarktexperten zur Verfügung gestellt wurde, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Beliebige Manipulation mit dem Thema Abwanderung

An einem unserer heute eingestellten Hinweise können Sie schön beobachten, wie wir manipuliert werden. Gemeint ist der Artikel im ManagerMagazin über „Die Rückkehr der Reumütigen“. Wenn Sie dann diese Abwanderungsdebatte konfrontieren mit dem Beitrag in der taz „Globalisierung in Franken“, dann können Sie erkennen, wie sehr die Debatte an dem vorbeigeht, was wirklich politisch entschieden und geregelt werden müsste: Das Gebaren der Finanzinvestoren zum Beispiel. Zunächst zum ManagerMagazin. Was dieses Magazin über Verlagerung und Rückkehr jetzt im April 2007 schreibt, konnten Sie in der „Reformlüge“ 2004 schon lesen. Das erwähne ich nicht, um die Richtigkeit meiner Analysen zu bestätigen, sondern um auf die Willkür hinzuweisen, mit der bei uns Meinung gemacht wird und mit einem so ernsten Thema wie der Abwanderung umgegangen wird. Albrecht Müller.

Nachtrag zu Globalisierung und ZDF-Dreiteiler dazu

Zu den beiden Tagebucheinträgen „Globalisierung als Entschuldigung fürs Nichtstun und für Fehlentscheidungen“ (28.3.) und „Mein Gott, dafür zahlen wir Gebühren“ (29.3.) schickte Werner Calmus ergänzende zugespitzte Hinweise mit vielen Fakten, im wesentlichen zum Beleg der These, dass gewaltige Globalisierungsschübe und Strukturveränderungen unserer Industrie schon hinter uns liegen. Albrecht Müller.