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Europäische Verträge

Die Existenzkrise der EU

Winfried Wolf

Nach der Entscheidung vom 23. Juni verlässt mit Großbritannien erstmals ein Mitgliedsland die EU. Auch Linke sprachen sich in der vorausgegangenen Kampagne für den Austritt aus. Einige sehen im Brexit bereits den Beginn der Auflösung der Union, da weitere Länder diesem Beispiel folgen könnten. Die andauernde Krise um Griechenland offenbart exemplarisch die Schwächen des Eurosystems: Statt zu sozialer und ökonomischer Konvergenz unter den Euroländern beizutragen, führt es zur Auseinanderentwicklung von Löhnen und Produktivität. Neben Griechenland sind auch Portugal, Spanien und selbst Italien hiervon betroffen. In einigen Ländern mehren sich daher bereits die Forderungen, nicht nur die Eurozone, sondern auch die EU zu verlassen. Es sei dringend an der Zeit, offensiv „Gegen eine EU der Banken und Konzerne und für Solidarität und Demokratie“ einzutreten, meint auch Winfried Wolf, Autor von „Die griechische Tragödie. Rebellion, Kapitulation, Ausverkauf“ und Chefredakteur von Lunarpark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie, im Interview mit Jens Wernicke.

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Liebe Eliten, Ihr spielt mit dem Feuer und treibt Europa in den Untergang!

Nachdem die Phase der grenzen- und sinnlosen Beschimpfung des britischen Volkes sich nun nach fünf Tagen so langsam dem Ende zuneigt, hat sich in den Chefetagen der Politik und der Medien eine neue Brexit-Verdrängungsstrategie breitgemacht: Man spekuliert öffentlich über Tricksereien und gewiefte Winkelzüge, wie man das Ergebnis des Referendums ganz einfach umdeuten oder besser noch ignorieren könnte. Das hat ja in der Vergangenheit schließlich auch immer perfekt funktioniert! Diese unverhohlene Verhöhnung demokratischen Anstands ist jedoch ein Spiel mit dem Feuer. Man kann die Demokratie doch nicht dadurch retten, indem man sie abschafft. Bereits die öffentlichen Spekulationen über derlei Taschenspielertricks treiben den Rechtspopulisten Scharen neuer Wähler zu. Unsere Eliten scheinen jeden Sinn für die Realität verloren zu haben und treiben Europa in den Untergang. Von Jens Berger.

Der Brexit und die Angst der Transatlantiker

Eine Woche vor dem entscheidenden Referendum vergrößern Umfragen zufolge die Brexit-Befürworter ihren knappen Vorsprung. Es ist also durchaus im Bereich des Möglichen, dass die EU und Großbritannien schon bald in Brüssel die Einzelheiten ihrer Scheidung verhandeln. Was dann passiert, ist vollkommen offen und liegt einzig und allein im Verantwortungsbereich der Verhandlungspartner. Die Welt wird dadurch weder gerettet noch untergehen. Und die Katastrophenszenarien der Freunde der transatlantischen Sache werden auch nicht automatisch eintreten. Der Brexit allein wäre auch kein Grund, eine Träne zu vergießen. Doch was kommt danach? Und warum haben vor allem die Transatlantiker in den Redaktionsstuben derart Angst vor einem Brexit? Von Jens Berger

Ukraine: Merkel rudert zurück und die Medien schweigen

Es gibt Dinge, über die erfährt man in den Medien wenn überhaupt nur am Rande etwas. Erstaunlicherweise zählt auch die offizielle Position der Kanzlerin zum Ukraine-Konflikt dazu. Am Sonntag sagte Angela Merkel im Sommerinterview der ARD ein paar Dinge, die man durchaus als Distanzierung vom Konfrontationskurs der EU einschätzen muss. Die ukrainische Regierung wird dies nicht gerade mit Wohlwollen registriert haben. Und auch die ansonsten konfrontationsfreudigen deutschen Medien scheinen den Worten Merkels nicht besonders gewogen zu sein – anders ist ihr Schweigen kaum zu deuten. Von Jens Berger.

Nach der Europawahl – Vorhang auf zum Laienspiel

Eine Woche nach der Europawahl herrscht in den Kommentarspalten und Feuilletons der Republik wohl konditionierte Aufregung. Dabei wird die Personalie des künftigen Kommissionspräsidenten zur Gretchenfrage der europäischen Demokratie stilisiert. „Weiter so!“ heißt offenbar die Devise, die selbst von vermeintlichen Kritikern des Merkelschen Demokratieverständnisses ausgerufen wird. Von Jens Berger.

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Plan zur ESM-Hebelung führt das Bundesverfassungsgericht ad absurdum

Kaum ist die Tinte unter dem kontrovers diskutierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM getrocknet, planen die Finanzminister der Eurozone bereits, den ESM durch zusätzliche Finanzinstrumente zu hebeln. Anstatt der vertraglich festgelegten 500 Mrd. Euro soll das Finanzierungsvolumen des ESM künftig offenbar auf bis zu 2.000 Mrd. Euro steigen, ohne dass dabei die maximale Haftungssumme für die einzelnen Länder steigt. Ein Gelingen dieses Plans ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber prinzipiell möglich. Die Hebelung hat jedoch einen ganz entscheidenden Nachteil – sie widerspricht ganz ausdrücklich dem mittlerweile ratifizierten ESM-Vertrag, über den die Karlsruher Richter entschieden haben und erhöht überdies die Haftungswahrscheinlichkeit für den Steuerzahler massiv. Von Jens Berger.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Die entscheidenden Fragen vor der Ratifizierung des ESM-Vertrages stellen sich erst noch

Dem Bundespräsidenten konnte es offenbar nicht schnell genug gehen: Teilte nach dem Karlsruher Urteil das Bundespräsidialamt mit, dass die Entscheidung nun erst einmal „unverzüglich ausgewertet werden“ müsse und dass man noch keinen Termin für die Ausfertigung der Gesetze zum „Euro-Rettungsschirm“ nennen könne, hat der Bundespräsident anders entschieden. Nur einen Tag nachdem das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren sein Urteil über den ESM-Vertrag und den Fiskalpakt gefällt hat, und entschieden hat, dass die Ratifikation dieser Verträge nur unter Auflagen erfolgen darf, hat Joachim Gauck diese Gesetze nun ausgefertigt.
Anlässlich der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises für herausragenden Zeitungsjournalismus erklärte Joachim Gauck dieser Tage, dass im Gegensatz zum Qualitätsjournalismus im Internet „jeder posten und pesten kann, wie er will“. Also posten und pesten wir mal und stellen Fragen, die sich der Qualitätsjournalismus (bisher jedenfalls) nicht gestellt hat. Von Wolfgang Lieb

Um wessen Demokratie geht es hier?

Die Vertreter der Politik und die Kommentatoren der Tagespresse sind sich bei der Bewertung des gestrigen ESM-Urteils des Bundesverfassungsgerichts in einem Punkt einig – die Demokratie wurde gestärkt und das ist gut. Dass es begrüßenswert ist, wenn die Demokratie gestärkt wird, ist freilich ein Gemeinplatz. Die Frage, die sich hier stellt, ist jedoch, wessen Demokratie durch das ESM-Urteil gestärkt wurde – die deutsche oder die europäische? Während der Bundestag durch das Urteil in der Tat mehr Entscheidungsbefugnisse bekommen hat, bedeutet das Urteil für die künftigen Länder als Empfänger von ESM-Krediten keinesfalls mehr Mitsprache und Demokratie – im Gegenteil. Von Jens Berger.

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Erfreuliche Korrekturen, aber trotz verfassungskonformer Einschränkungen bestätigt das Gericht die Austeritätspolitik des Fiskalpakts

Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch über die Klagen gegen den Rettungsschirm ESM und gegen den Fiskalpakt entschieden. Die Entscheidung erging zunächst im Eilverfahren und betraf die Anträge der verschiedenen Kläger – von den Linken und Demokratie e.V. bis zum CSU Abgeordneten Gauweiler – dem Bundespräsidenten zu verbieten, diese völkerrechtlichen Verträge zu unterzeichnen, um damit die Voraussetzungen für das Inkrafttreten der Regelwerke zu schaffen. Das BVerfG hat sämtliche Anträge der Kläger im Grundsatz abgelehnt, sodass die Verträge nun durch die Ausfertigung des Bundespräsidenten in Kraft treten können. Von Andreas Fisahn[*]

Karlsruhe stärkt die Demokratie – mit allen Vor- und Nachteilen

Sowohl die Befürworter als auch die Gegner des ESM können aufatmen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist Europa weder dem Untergang geweiht, noch der „Diktatur“ des ESM-Gouverneursrats ausgeliefert. Die Karlsruher Richter haben stattdessen den Einfluss des Bundestags bei wichtigen ESM-Entscheidungen deutlich gestärkt. Gleichzeitig haben sie jedoch präventiv der kontrovers diskutierten „Banklizenz“ für den ESM eine klare Absage erteilt. Dieses Urteil hat zweifelsohne die Macht die Demokratie gestärkt. Für die Bekämpfung der Eurokrise und der Spekulation der Finanzmärkte ist dies jedoch nicht unbedingt gutes Zeichen. Von Jens Berger

Die deutsche Regierung heizt die Eurokrise weiter an

Ginge es nach François Hollande und Mario Monti würde der Euro-Rettungsschirm ESM mit einer Banklizenz ausgestattet, die es ihm erlauben würde, mit EZB-Krediten direkt Staatsanleihen notleidender Eurostaaten zu kaufen. Nach langem Zaudern und Zögern wäre dies ein echter Befreiungsschlag im Kampf der europäischen Bevölkerung gegen die destruktiven Auswirkungen der Finanzmärkte. Doch die deutsche Regierung scheint kein Interesse an einer Bekämpfung der Krise zu haben und wehrt sich mit fadenscheinigen Argumenten gegen den französisch-italienischen Vorstoß. Die Begründung lautet: Eine Entspannung würde den Reformdruck von den angegriffenen Ländern nehmen. Schon immer lag es vor allem an ideologischer Verbohrtheit, wenn die Welt ins Unglück gestürzt wurde. Von Jens Berger

Zustimmung der Länder zum Fiskalpakt – Schmierentheater zweiter Akt

Nachdem der Bundesrat schon im Mai seine grundsätzliche Zustimmung zum Fiskalpakt signalisiert hatte [PDF – 117 KB], war es nicht mehr überraschend, dass es bei den Bund-Länder-Verhandlungen im Kanzleramt nicht mehr darum ging, ob eine der weitreichendsten vertraglichen Bindungen für Bund, Länder und Gemeinden sinnvoll oder ob er schädlich ist, sondern nur noch um den Preis, den die Bundesregierung für den von ihr in Europa vorangetriebenen Pakt an die Länder zu bezahlen bereit ist.
Wer bei einer Verhandlung seinem Verhandlungspartner in der Sache schon zugestimmt hat, kann natürlich keine harten Bedingungen mehr stellen, dementsprechend billig ließen sich die Länder durch die Bundesregierung auch abspeisen. Das Ergebnis der Bund-Länder-Verhandlungen vom Sonntag lässt sich so zusammenfassen: Wir (die Länder) zahlen jetzt in bar (nämlich mit der Zustimmung zum Fiskalpakt), ob und in welchem Umfang (vom Bund) geliefert wird, das wird irgendwann später ausgehandelt und wer dann Verhandlungspartner sein wird, das werden die Bundestagswahlen zeigen. Von Wolfgang Lieb.

Einigung auf Fiskalpakt – ein politisches Schmierentheater

Da hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Woche dem Parlament gegenüber der Regierung und deren Tendenz, politisch brisante Entscheidungen mittels Geheimdiplomatie über die europäische Ebene durchzusetzen, nachdrücklich den Rücken gestärkt, doch die Opposition denkt nicht daran ihre parlamentarische Macht einzusetzen. SPD und Grüne könnten angesichts der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Bundestag zur Verabschiedung des Fiskalpakts wie kaum bei einer anderen Entscheidung in dieser Legislaturperiode politischen Druck ausüben, doch Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel, Cem Özdemir und Jürgen Trittin spielen bestenfalls parlamentarisches Schmierentheater. Da hauen SPD und Grüne ein paar Wochen lang auf die Pauke und wollen dem Publikum einpauken als hätten sie eine Alternative zur Regierung anzubieten, doch jedem einigermaßen Kundigen war von Anfang an klar, dass es nur viel Lärm um nichts war. Von Wolfgang Lieb.

Egon hat einen Plan! Oder: Die Olsenbande der SPD und der Fiskalpakt

Das war er also nun – der groß angekündigte Widerstand der SPD zum Fiskalpakt. Am Dienstag präsentierten die drei sozialdemokratischen Alphatiere in Berlin ihren Plan, Merkel in die Zange zu nehmen, das Spardiktat zu beenden und Europa zu mehr Wachstum zu verhelfen. Ein kleiner Schritt für die Vizekanzler-Kandidaten in spe, aber ein großer Schritt für Europa – Richtung Untergang. Ein „Nein“ zum Fiskalpakt stünde nach Aussage des Trios ohnehin nicht zur Debatte, schließlich stehe ja „Höheres auf dem Spiel“ und man sei, so Peer Steinbrück, ja nicht die Linkspartei. Wohl wahr, ansonsten gäbe es ja auch Hoffnung für Europa. So wurde aus dem groß angekündigten Widerstand gegen den Fiskalpakt ein absurd anmutendes Schaulaufen der Olsenbande der SPD, bei dem es nur darum ging, welche der drei Politikerkarikaturen im nächsten Jahr Vizekanzler in Muttis Küchenkabinett werden darf. Von Jens Berger

Verkehrte Welt: Die einzige Partei mit einer vernünftigen Haltung zur Finanz- und Wirtschaftskrise wird gemobbt – Die Linke.

Die politische Entscheidungsfindung ist bei der entscheidenden Frage, was zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun ist, geprägt von Inkompetenz: Alle sollen sparen, auch wenn dieses in einer wirtschaftlich kritischen Situation als prozyklisches Sparen die Krise verschärft. Das hat am 7. Mai bei einer Expertenbefragung des Haushaltsausschuss zum Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt auch das Mitglied des Sachverständigenrates Peter Bofinger einmal mehr bestätigt. (Schriftliche Stellungnahme siehe hier [PDF – 400 KB]) Prof. Bofinger sprach davon, mit ihrer bisherigen Strategie, die Krise über prozyklisch wirkende Sparprogramme zu lösen, habe die Bundesregierung „völligen Schiffbruch erlitten“. „Nicht zuletzt die dadurch entstandenen teilweise extrem hohen Arbeitslosenraten von jungen Menschen stellen eine große Gefahr für die politische Stabilität und zugleich für die Zustimmung der Bürger zur Europäischen Union dar“. Albrecht Müller.