Bemerkungen zur Wahl in Berlin und zu den Analysen
Was auffällt. Albrecht Müller.
Was auffällt. Albrecht Müller.
Manchmal reibt man sich aufgrund der Vergesslichkeit der schreibenden Zunft verwundert die Augen. Da entdecken die Leitartikler in dieser Woche doch glatt, dass die FDP eine populistische Partei und mit ihr kein Staat zu machen ist. Ei der Daus! Wer hätte das gedacht? Wo haben die Edelfedern eigentlich die letzten Jahre verbracht? Von Jens Berger
Wir werden in diesen Tagen immer neu mit der alten Erfahrung von NachDenkSeiten-Lesern konfrontiert. Die Meinungsbildung und die darauf gründenden Entscheidungen sind weitgehend gesteuert. Aktuelle Beispiele: Deutsche „Tea-Party“ mit tausenden Mails an MdBs gegen Euro-Hilfen, die FDP mit dem gleichen Thema auf dem Weg zur rechtsradikalen Partei und die SPD auf dem Weg in die Arme des Versagers Steinbrück. Albrecht Müller.
Zweitbestes Prozentergebnis für die SPD, schlechtester Wahlausgang für die CDU im Heimatland der Kanzlerin, die Linke stabilisiert sich, die FDP stürzt ab, die Grünen sind nun auch in das sechzehnte Länderparlament eingezogen und die rechtsradikale NPD marschiert erneut in den Landtag von Schwerin ein. Nur noch die Hälfte der Mecklenburger und Vorpommern ging zur Wahl. Die Enttäuschung über die mit der friedlichen Revolution errungene Demokratie nimmt bedrohliche Formen an. Obwohl das strukturschwache MeckPomm eine aktive Finanzpolitik zur Ankurbelung seiner Wirtschaft dringend brauchte, setzt der „Wahlsieger“ Erwin Sellering (SPD) weiter vor allem auf seine Sparpolitik. Eine zwar kleinere Große Koalition von SPD und CDU ist deshalb wahrscheinlich. Andere Ziele des Wahlprogramms der SPD, die mit der Linkspartei durchsetzbar wären, bleiben wohl uneingelöste Wahlversprechen. Von Wolfgang Lieb
Aufgrund ihrer falschen Politik hatten wir bislang wenig Anlass, die Kanzlerin Angela Merkel zu verteidigen. Aber diesmal müssen wir sie in Schutz nehmen. In Schutz nehmen gegen die Angriffe des Egomanen und inzwischen nur noch an seiner eigenen Legende strickenden „Kanzler der Einheit“ Helmut Kohl. Er fällt in einem Akt kalter Rache über die heutige Politik und speziell über die Kanzlerin her. In seinem selbstbeweihräuchernden Personenkult erhebt er sich selbst zu einer der großen Figuren der Geschichte, der nach seiner selbstgerechten Wahrnehmung alles richtig gemacht hat. Dabei will er nur vertuschen, dass Angela Merkel nur den Scherbenhaufen zusammenkehren muss, den dieser altkluge Philister hinterlassen hat.
Wenigstens in einem Punkt ist auf die FDP Verlass. Obgleich kaum Geld in den Kassen ist, konnte Gesundheitsminister Daniel Bahr Honorarsteigerungen in Milliardenhöhe für die Ärzte durchboxen. Um die Mehrkosten haushaltsneutral zu finanzieren, hat das Finanzministerium einen Passus in die Gesetzesnovelle schreiben lassen, der verhindert, dass die aus Bahrs Milliardengeschenken resultierenden Zusatzbeiträge über den Sozialausgleich abgefedert werden. Dies ist nicht der erste Frontalangriff auf den Sozialausgleich, der streng genommen nur vom Namen her existiert. Die Umverteilung von unten nach oben geht auch im Gesundheitssystem unaufhörlich weiter. Von Jens Berger
Bei Interviews und Stellungnahmen der Bundeskanzlerin, so auch bei ihrem ARD-Sommerinterview, fragt man sich bisweilen, ob sie eigentlich selbst von der Redlichkeit und Sinnhaftigkeit ihrer eigenen Aussagen überzeugt ist. Von unserem Leser G.K.
Ein Programm das radikal anders ist, das Ideale hochhält, die im Wesentlichen einer Mehrheitsmeinung entsprechen und dennoch nur bei einer Minderheit Vertrauen findet. Das liegt vor allem an der Medienbarriere und an der politischen Ausgrenzung der Linkspartei. Die Gründe liegen aber auch im Programm selbst: Es fehlt ein Vertrauen schaffendes Bild der System-Alternative und es mangelt an einem vermittelbaren ökonomischen Modell jenseits kapitalistischer Produktionsbedingungen. Von Wolfgang Lieb
Eine Replik auf Wolfgang Liebs Beitrag „Gewerkschaften springen auf den falschen Zug auf: Nach der Wirtschaft wollen sich nun auch die Gewerkschaften in die Schule einmischen“ vom 18. Februar 2011.
Von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe der Initiative Schule und Arbeitswelt, Jeanette Klauza (DGB), Martina Schmerr (GEW), Oliver Venzke (IG BCE) Bernd Kaßebaum (IG Metall), Gunther Steffens (ver.di) und Klaus Buchholz (IG Metall).
Der Stein des Anstoßes ist mein Beitrag vom 21.6.: „Der Antisemitismus-Vorwurf wird zur friedens- und gesellschaftspolitischen Gleichschaltung der Linken benutzt“. Die Vizevorsitzende Halina Wawzyniak reagiert auf den dort enthaltenen Hinweis auf die bedrohliche Kampagne gegen ihre Partei mit einer lustig aufgemachten und zugleich aggressiven Wortklauberei: ‚Müllers „Trojaner” oder vom Umgang mit schiefen Bildern’. Wenn Sie Mitglieder oder Mandatsträger der Linken kennen, dann wäre zu empfehlen, diese auf diesen Vorgang aufmerksam zu machen. Sie sollten sich um die erkennbare Blindheit eines Teils ihrer Führung kümmern. Albrecht Müller.
„Bis zu 1150 Euro mehr im Jahr sind drin!“, so titelte gestern die Printausgabe der Bild-Zeitung auf Seite 2. „Millionen Arbeitnehmer erhalten endlich mehr Netto!“ „Bis spätestens 2013 sollen vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet werden. Das hat Angela Merkel dem neuen FDP-Chef Philipp Rösler in einem vertraulichen Gespräch Anfang Juni zugesagt“, jubelt das Kampagnen-Blatt.
In bild.de wird „die große Netto-Tabelle“ veröffentlicht. Schaut man sich die vom „Bund der Steuerzahler“ erstellte Tabelle genauer an, wird allerdings die ganze Bauerfängerei deutlich: Familien mit einem hohen Bruttoeinkommen von 6.000 Euro werden pro Jahr in absoluten Zahlen fast hundert Mal mehr entlastet als solche mit einem Bruttolohn von 2.000 Euro. Je höher das Einkommen, desto höher auch die prozentuale Entlastung. Die Partei der Besserverdienenden hat sich in der schwarz-gelben Koalition mal wieder durchgesetzt. Von Wolfgang Lieb
Mit der Linkspartei beschäftige ich mich deshalb, weil es dort mehr als in anderen Parteien noch Kräfte gibt, die sich der neoliberalen und militärpolitischen Gleichschaltung entziehen und erwehren. Ohne die Linke werden sich Grüne und Sozialdemokraten vollends ergeben. Wer eine Alternative zur herrschenden Lehre und Politik will, wer will, dass sich bei der SPD und den Grünen Widerstand gegen die Agenda 2010 und die Fortsetzung dieser falschen Linie regt, muss daran interessiert sein, die Linke in möglichst vielen Parlamenten vertreten zu sehen. Dagegen wird massiv mobilisiert nach dem Motto: Entweder: Ihr passt Euch an, oder: Ihr habt in den Parlamenten – und an der Regierungsmacht sowieso – nichts zu suchen. Mit der Resolution zum Antisemitismus vom 7. Juni hat die Bundestagsfraktion der Linken die Rettung durch Anpassung versucht. Damit hat sie die Stöckchen geschnitzt, über die die Linke in Zukunft wird springen müssen. Albrecht Müller.
Das ist die Botschaft eines Beitrags von Klaus Funken [PDF – 287 KB]. Er beschäftigt sich vornehmlich mit den Regelungen bei der SPD, ist aber von allgemeinem Interesse. Funken fürchtet, die Quotierung werde auf Dauer den demokratischen Willensbildungsprozess beschädigen. Über seine Thesen kann man streiten. Auch deshalb geben wir sie wieder. Wir haben zugleich der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Frauen (ASF) in der SPD angeboten, darauf zu antworten oder antworten zu lassen. – Infos zum Autor finden Sie am Ende seines Beitrags. Albrecht Müller
Auf der einen Seite erzielt das gesetzliche Krankenversicherungssystem nach jüngsten Schätzungen auch in diesem Jahr gigantische Überschüsse, auf der anderen Seite droht immer mehr Kassen das wirtschaftliche Aus. Was sich zunächst wie ein Widerspruch anhört, hat System. Mit dem Gesundheitsfonds steht dem FDP-geführten Gesundheitsministerium genau das Instrument zur Verfügung, um schonungslose Klientelpolitik zu betreiben. Von Jens Berger
Heute (8. Juni 2011) ist ein recht interessanter Beitrag in der SZ (Feuilleton, S. 11, nicht im Netz) von Stefan Ulrich nachzulesen:
… Die Würde des Dominique Strauss-Kahn – Frankreich ist sie besonders wichtig. Denn das Land nimmt den Fall persönlich. Brechen nicht gerade in Amerika alte Ressentiments durch? Wird die Republik nicht als libertär und moralisch verkommen geschmäht? Sitzt sie nicht mit auf der Anklagebank in New York?…
Frankreich fühlt sich herausgefordert durch dieses spektakulär inszenierte Strafverfahren in den USA…
Nun da der erste Schock überwunden ist, öffnet sich das Land dem Zweifel. Falls sich hinter dem formidablen Siegertypen Strauss-Kahn tatsächlich ein zwielichtiger Mann verbergen sollte, könnte es da nicht sein, dass auch die strahlende Kulturnation Frankreich düstere Seiten hat?…