Weltjugendtag zwischen Weltjugendfestival und Weltpapsttag
Ein persönlicher Eindruck.
Ein persönlicher Eindruck.
Heute trifft sich der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes zur Beratung über die Klagen gegen die Auflösung des Deutschen Bundestages durch den Bundespräsidenten. Die Bundesregierung hat rechtzeitig zu dieser Verhandlung eine Übersetzung des von ihr hochgelobten Economist ins Netz gestellt. Diese Texte zeigen einmal mehr, dass der Bundespräsident, um die Auflösung des Deutschen Bundestages zu begründen, in seiner Rede vom 21. Juli nicht die Wahrheit über die Lage unseres Landes gesagt und Deutschland schlecht geredet hat. Dass die Bundesregierung und die SPD Bundestagsfraktion sich die Aussagen des englischen marktradikalen Wirtschaftsblattes so eindeutig zu eigen machen, zeigt zugleich: Wer glaubt, dass es am 18. September um eine Richtungswahl gehe, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.
Das geschah mit Kirchhof. An ihm hängen sich die Wirtschaftsnahen in der die Union an, also Merz, Austermann, Koch. Sie loben Kirchhof und drängen Merkel, den Kompromiss des CDU/CSU-Programms aufzulösen. Ähnlich hat sich Biedenkopf eingeschaltet.
Von Ulrich Sedlaczek, München
Möglicherweise haben Sie sich über meinen Tagebucheintrag vom 5.8. gewundert. Damals habe ich davor gewarnt, den Umfrageinterpretationen im allgemeinen und der damaligen Meldung von Infratest und ARD im besonderen („Schwarz-Gelb ohne Mehrheit“) einfach so zu glauben. Wie richtig diese Warnung unter Hinweis auf die Fehlertoleranz bei Umfragen war, zeigt die neue Umfrage von ARD und einigen Zeitungen. In der Welt heißt es heute, gerade einmal 14 Tage später: „ARD-Umfrage: Schwarz-Gelb mit 49 Prozent vorn…. Damit wäre das Patt zwischen dem rechten und linken Parteienlager aufgehoben. Das ist das Ergebnis des aktuellen Deutschlandtrends im Auftrag der ARD-“Tagesthemen” und der WELT.“
Wie Sie am Vergleich beider Meldungen – „Schwarz-Gelb ohne Mehrheit“ und „Schwarz-Gelb mit 49% vorn“ – sehen, können Sie die Institute und ihre Interpretationen in der Pfeife rauchen, um es etwas despektierlich zu sagen.
Drei Beispiele für Stoibers Wirken: die 45%-Marke, die „Frustrierten“ im Osten und eine Beleidigung der Arbeitslosen in Hamburg, dokumentiert in einem Brief eines Nutzers der NachDenkSeiten an die CDU Hamburgs. Siehe unten. Eine solche Häufung lässt darauf schließen, dass Stoibers Vorstöße geplant sind. Er will Merkel offenbar beschädigen; vielleicht will er sich als Kanzler einer großen Koalition ins Spiel bringen. Das könnte sein Motiv sein. Wir wissen es nicht.
Eine Studie belegt: In anderen europäischen Länder haben die Arbeitnehmer teilweise sogar noch mehr Mitspracherechte als hierzulande.
Die Mitbestimmung in Deutschland sei ein „Investitionshindernis in einer globalisierten Welt“. Deswegen, so meint die Lobby der Wirtschaft, müsse eine „Reform“ her und deshalb setzte der Kanzler eine durch die Arbeitgeberseite dominierte „Mitbestimmungskommission“ ein.
Deren Auftrag soll es wohl sein, diesen „Fremdkörper“ (Peter Glotz) aus den deutschen Betrieben zu entfernen. In einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung schaut Hellmuth Gohde über den Tellerrand hinaus und belegt, dass unsere Nachbarn, etwa das wirtschaftlich erfolgreichere Schweden, weitergehende Beteiligungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer bieten als das angeblich so reformbedürftige deutsche Mitbestimmungsgesetz.
Einer unserer Leser, Martin Steinmetz, bespricht für uns das Buch von Wolfgang Herles: „Dann wählt man schön. Wie wir unsere Demokratie ruinieren“.
Nächste Woche berät der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes über die Klagen gegen die Entscheidung des Bundespräsidenten zur Auflösung des Deutschen Bundestages. Das wird ein spannender Vorgang, denn bei einer der Hauptbegründungen für Neuwahlen haben wir es mit einem Phantom zu tun. Mehr und mehr Beobachter glauben, Blockaden seien schuld an unserem wirtschaftlichen Desaster. Der Bundespräsident hat diese Einschätzung in besonderer Weise befördert, als er in seiner Begründung für die Auflösung des Bundestags davon sprach, die föderale Ordnung sei überholt.
Die gestern über die ARD und heute in einigen Zeitungen verbreitete Interpretation der neuen InfratestDimap-Umfrage muss man mit Vorsicht genießen. Alle vier Änderungen der Umfrageergebnisse für die einzelnen Parteien liegen innerhalb der Fehlertoleranz.
Wenn SPD und Bundesregierung die Auseinandersetzungen mit der Linkspartei ernst nähmen, dann würden sie diese Auseinandersetzung inhaltlich führen. Dazu gehörte zunächst einmal, dass man die unter Beschuss der Arbeitgeber stehende Mitbestimmung verteidigt. Dazu würde weiter gehören, sichtbar zu machen, dass man den Arbeitnehmern nahe steht, jedenfalls nicht ferner als dem Arbeitgeberlager.
Der Bundeskanzler demonstriert mit einer Pressemitteilung, dass er von einer solchen Überlegung nicht viel hält. Das beweist er schon damit, wen er in eine Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung berufen hat. Ein Dokument der Einseitigkeit.
In der Koalitionsvereinbarung zwischen der nordrhein-westfälischen CDU und der FDP vom 16. Juni 2005 heißt es: „Das von der bisherigen Landesregierung geschaffene ausufernde Beauftragtenwesen werden wir zurückführen…Eine effiziente Verwaltung braucht nicht für jedes Problem noch zusätzlich „Beauftragte“.“ Kaum an der Regierung, setzt die Landesregierung NRW eine „Expertengruppe zur Haushaltskonsolidierung“ ein.
“Wir müssen den Leuten deutlich machen, daß wer PDS/WASG wählt, im Ergebnis Merkel und Westerwelle bekommen wird”, sagt Heiko Maas, der saarländische SPD-Chef. Das Abreagieren von Wut in der Wahlkabine könne also zu einem über vier Jahre hinweg “äußerst unerfreulichen” Ergebnis führen, das will er den Saarländern jetzt klarmachen. So berichtet die Welt am Sonntag am 31.7.2005. – Das klingt ja ganz logisch, könnte man denken. De facto ist es jedoch eine Zumutung: die SPD hat seit 1999 sechs ihrer Ministerpräsidenten bei Wahlen verloren, davon fünf an schwarz-gelb. Auch beim Bund schien vor dem Auftreten der Linkspartei alles klar: Schwarz-gelb lag klar vorn.
Einfach, ungerecht und unseriös ist das Steuerkonzept der FDP in ihrem Wahlprogramm. In einem Drei-Stufenmodell mit Sätzen von 15, 25 und einer weiteren Senkung des Spitzensteuersatzes auf 35 % sollen obere Einkommensschichten noch stärker als schon bisher entlastet werden und bei Unternehmen soll die Spitzenbelastung 25 % nicht übersteigen. Sie will die Wähler mit einem auch in linken Kreisen populären „Bürgergeld“ locken, schweigt sich aber darüber aus, wie viel der Staat in Not geratenen Bürgern für ein menschwürdiges Dasein noch bezahlen könnte.
So als hätte ihm jemand in die Suppe gespuckt, reagiert der SPIEGEL auf Gysi und Lafontaine. Die Schreiberlinge würden am liebsten das ganze Volk austauschen, weil es das von diesem Blatt propagierte Rezept der „Reformen“, der „Erneuerung“, der „tiefen Schnitte“ verschmäht.