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„Lohnnebenkosten“

Auch gravierende Fehler und Fehleinschätzungen werden hierzulande nicht bestraft. Beispielhaft: Steinmeier, Steingart und Sinn.

Heute sind die Medien voll von Meldungen (S.a. hier) über einen wahrscheinlichen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands von rund 163 Milliarden €. Damit hat sich seit dem Jahr 2000 ein Leistungsbilanzüberschuss von weit über 1 Billion angesammelt. Das erinnert an Einschätzungen und politische Forderungen zum Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft, die ca. zehn Jahre zurückliegen. Es sind gravierende Fehleinschätzungen, die mitverantwortlich sind für die Ungleichgewichte in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen und insbesondere für die Krise im Euroraum. Den falschen Propheten und Falschberatern hat dies nicht geschadet. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Medien eng mit der Fehleinschätzung verflochten sind und die Wissenschaft von der Ökonomie unter einem schon des Öfteren beschriebenen Mangel an welfareökonomischer Bildung leidet. Albrecht Müller.

EU-Vergleich der Arbeitskosten und Lohnnebenkosten für das Jahr 2011

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig alle Jahre wieder diesen Vergleich der Arbeitskosten. Einerseits wird zwar damit die häufig von Arbeitgeberseite in Talkshows wiederholte Behauptung widerlegt, dass Deutschland die höchsten Arbeitskosten habe. Andererseits sei immer wieder darauf hingewiesen, dass der Vergleich der Arbeitskosten im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu kurz greift. Diesen Kosten muss vielmehr die Produktivität gegenüber gestellt werden, also die Beziehung des Lohnsatzes in absoluten Zahlen mit der Arbeitsproduktivität, d.h. die Lohnkosten je erbrachter Leistung. Wegen ihrer viel engeren Beziehung zur Preisbildung sind die Lohnstückkosten ein weitaus besserer Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit als das Arbeitskostenniveau.
Lesen Sie hier zunächst die Meldung des Statistischen Bundesamtes und danach einige Anmerkungen von Wolfgang Lieb und unseres Lesers G.K. sowie eine Meldung des IMK.

Irreführende Darstellung der Entwicklung der Nettolöhne und Abzüge in Welt-dpa-Grafik: Absicht oder Irrtum?

Vor einigen Tagen machte eine Meldung und eine Grafik die Runde in den Medien: „Deutsche zahlen so viel an den Staat wie nie zuvor“. Dabei wurde einmal mehr die steigende Abgabenlast der Arbeitnehmer beklagt. Wie selbstverständlich wurden Steuern und Beiträge an die selbstverwalteten Sozialversicherungsträger (Rente, Krankenversicherung etc.) addiert und als Abgaben „an den Staat“ bezeichnet. Immerhin wurde dabei festgestellt, dass die Netto-Reallöhne in dem angeblichen „Boomjahr“ 2010 auf 2011 gesunken sind.
Paul M. Schröder vom „Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe“ (BIAJ) hat genauer hingesehen und herausgefunden, dass hinter der der Welt-dpa-Grafik eine absichtliche oder vielleicht auch nur irrtümliche Irreführung steckt: Es wurden preisbereinigter Löhne und nicht preisbereinigte Abgaben gegenüber gestellt. Daraus ergibt sich dann der stärkere Anstieg der Abgaben im Vergleich zu den Löhnen. Solche Irreführungen eignen sich natürlich trefflich um Stimmung für Steuersenkungen und die Senkung der sog. „Lohnnebenkoste“ zu machen. Wolfgang Lieb.

INSM und Raffelhüschen: Angriff auf die Familie

Dass Bernd Raffelhüschen mit seinem Freiburger „Zentrum Generationsforschung“ ein verlängerter pseudo-wissenschaftlicher Schreibtisch der Versicherungswirtschaft und der am gleichen Strick ziehenden „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) ist, das haben wir auf den NachDenkSeiten unzählige Male belegt (z.B. hier oder aktuell hier) Die neueste Raffelhüschen-„Studie“ mit dem Titel „Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung“, finanziert von der INSM, wird als ein besonders raffinierter Versuch genutzt, wieder einmal die Lieblingsthemen dieser allein in diesem Jahr mit über 7 Millionen Euro arbeitgeberfinanzierten PR-Agentur, nämlich die Senkung der sog. „Lohnnebenkosten“ zum öffentlichen Thema zu machen und gleichzeitig den (inzwischen finanziell schwächelnden) privaten Krankversicherern Kunden zuzutreiben. Von Wolfgang Lieb

„Hoher Anstieg der Arbeitskosten“ – Das Statistische Bundesamt lässt sich als PR-Agentur der Bundesregierung und der Arbeitgeber instrumentalisieren

„Hoher Anstieg der Arbeitskosten im 1. Quartal 2011: + 2,0% zum Vorquartal“, das war die Überschrift der gestrigen Pressmitteilung des Statistischen Bundesamtes und natürliche musste in dieser Meldung noch ein Superlativ folgen: „Das ist der zweithöchste Anstieg seit Beginn der Zeitreihen des Arbeitskostenindex im Jahr 1997.“
Solche Schlagzeilen, die dann erst im „Kleingedruckten“ relativiert werden und die letztlich nur eine geringe Aussagekraft für die Rentabilität der Produktion und für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft haben, können eigentlich nur zwei Interessen bedienen:
Sie sind Wasser auf die Mühlen der Bundesregierung, dass der „Aufschwung“ bei den Arbeitnehmern ankomme und sie liefern Munition für den Abwehrkampf der Arbeitgeberseite gegen Lohnerhöhungen und für die Senkung der sog. „Lohnnebenkosten“. Wolfgang Lieb

Wieder einmal eine in die Irre führende Werbekampagne der INSM

Angeblich wissenschaftlich untermauert durch eine Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) startet die arbeitgeberfinanzierte PR-Agentur, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) wieder einmal eine Anzeigenkampagne. Wieder einmal soll der Bevölkerung eingebläut werden, dass wir in der besten aller möglichen Welten lebten, dass wir einen Aufschwung XXL und ein „Jobwunder“ hätten, dass wir sogar „Vollbeschäftigung“ erreichen könnten. Wenn…, ja wenn wir weiter machen wie bisher: wenn die „Lohnzusatzkosten“ weiter gesenkt würden, wenn weiter „Lohnzurückhaltung“ geübt würde, wenn die Arbeitszeiten flexibler würden, wenn der Arbeitsmarkt weiter „liberalisiert“ würde, wenn nur die Arbeitnehmer mobiler würden, wenn die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I nicht verlängert würde, wenn kein Mindestlohn eingeführt würde, wenn wir noch mehr Zeitarbeit hätten, wenn wir ein Leben lang lernten, wenn wir an der Rente mit 67 festhalten usw.. Die zurückliegenden „Reformen“ dürften keinesfalls in Frage gestellt werden. „Weiter so“ das ist die Devise. Motto ist: Umso schlimmer für die Wirklichkeit, wenn sie nicht mit der Ideologie der INSM übereinstimmt. Von Wolfgang Lieb

Gesundheitsreform: Abriss der solidarischen Krankenversicherung

In den USA hat Präsident Obama gerade den Beginn einer solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung mit vielen Anfeindungen und inhaltlichen Abstrichen durchboxen können. Bislang waren 45 Mio. Amerikaner ohne eine gesetzliche Krankenversicherung. Der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttosozialprodukt liegt mit inzwischen über 18 Prozent am höchsten im internationalen Vergleich.
In der Bundesrepublik geht die schwarz-gelbe Regierungskoalition den umgekehrten Weg: Durch die jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Gesundheitsreform wird der Abriss der solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung eingeläutet. Von Ursula Engelen-Kefer

Kauder-welsch über die Wurzel des Übels

Die Wurzel des Übels und die „wahre Ursache der Krise“ liegen nach Meinung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien darin, dass „wir“ über unsere Verhältnisse gelebt haben und deshalb in der Schuldenfalle stecken. Deshalb mussten „wir Schutzschirme für Sparer, Arbeitnehmer und den Mittelstand aufspannen“. In dieser Logik ist dann auch selbstverständlich, dass „die Sparer, Arbeitnehmer und der Mittelstand“ die „hohe Staatsverschuldung“ auch wieder abtragen müssen. Ein Textbeleg aus der gestrigen Sitzung des Bundestags von unserem Leser G.G.

Arbeitskosten steigen – Was heißt das eigentlich?

Zufall oder nicht, mitten hinein in die Debatte um die Exportlastigkeit der deutschen Wirtschaft und um die Folgen der Leistungsbilanzungleichgewichte kommt die Mitteilung des Statistischen Bundesamtes, dass die Arbeitskosten im Jahre mit 4,1 Prozent auf durchschnittlich 35,60 Euro deutlich angestiegen sind.
„Arbeitskosten in Deutschland steigen massiv“, so oder so ähnlich lauten die Schlagzeilen. Verliert die deutsche Wirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit? Sind die Sorgen unserer Nachbarn, dass sie durch unser Lohndumping niederkonkurriert werden, damit unbegründet? Wolfgang Lieb

Zum Koalitionsvertrag (I): Leitbild und Grundsätze der schwarz-gelben Bundesregierung

„Unsere wirtschaftspolitische Leitlinie ist die Soziale Marktwirtschaft. Sie greift weit über ökonomische Ziele hinaus, ist ein unverzichtbarer Teil einer freiheitlichen offenen Gesellschaft.“ Schon in den ersten Sätzen belegen die Dramaturgie dieses Koalitionsvertrages [PDF – 1 MB]: Unter einem sozialen Mäntelchen verbergen sich die Ellbogen der sog. „Leistungsträger“.
Eine Analyse des 1. Kapitels des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und FDP. Die Kritik der anderen Kapitel wird in den nächsten Tagen folgen. Wolfgang Lieb

Was uns noch bevorsteht: Sozialstaat im Abbruch

In der gegenwärtigen Weltfinanzwirtschaftskrise leidet unser Land mehr denn je unter den Arbeitsmarktreformen, die von Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier unter dem hochtrabenden Titel „Agenda 2010“ durchgesetzt wurden. Die rot-grüne Koalition hatte der Bundesrepublik eine Rosskur verordnet, die den „Wirtschaftsstandort D“ fit für die Globalisierung bzw. den Weltmarkt machen sollte: Beschönigend als „Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ bezeichnet, schaffte Hartz IV mit der Erstgenannten eine für Millionen Menschen existenzielle Sozialleistung ab und schuf mit dem Arbeitslosengeld II einen fragwürdigen Ersatz, der nur das Existenzminimum abdeckt und eigentlich „Sozialhilfe II“ heißen müsste. Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD blieb trotz ein paar sozialen Zugeständnissen auf „Agenda“-Kurs und machte eine Regierungspolitik, die an das Matthäus-Evangelium erinnert, in dem es sinngemäß heißt: Wer viel hat, dem wird gegeben. Und wer nur wenig hat, dem wird auch das noch genommen. Von Christoph Butterwegge

Der Alt-Neoliberale (!) Alexander Rüstow wäre heute wohl in der Einschätzung Steinbrücks ein Linksradikaler …

… schreibt der NDS-Freund und Fach- und Studienkollege Gerhard Kilper nach Lektüre meines Beitrags „Makroökonomie kommt bei der SPD nicht vor“ eine Mail mit anhängendem Zitat von Rüstow. Der Text von Rüstow ist für viele unserer Leser direkt brauchbar – für Diskussionen mit anderen, für eigene Reden, etc. Deshalb die Weidergabe von Mail und Anhang. Albrecht Müller

Makroökonomie kommt bei der SPD nicht vor

Die klammheimliche Hoffnung hatte ich noch, die SPD könnte sich ihrer guten Tage umfassender wirtschaftspolitischer Kompetenz entsinnen und damit auch zum politischen Anker von Arbeitnehmern und jenen Unternehmen werden, die auf eine gute Konjunktur und Beschäftigungspolitik angewiesen sind. Ich habe den Deutschlandplan „Die Arbeit von morgen“ – Politik für das nächste Jahrzehnt [PDF – 231 KB] durchsucht. Weder da noch in den Kernbotschaften [PDF – 64 KB] noch in der Rede Steinmeiers fand ich einen ausreichenden Hinweis auf dieses wichtige Thema. Deshalb ergänze ich die Analyse von Wolfgang Lieb um einige Anmerkungen. Albrecht Müller