Künstler für den Frieden – Wo bleiben sie heute, wird vielerorts gefragt.

Künstler für den Frieden – Wo bleiben sie heute, wird vielerorts gefragt.

Künstler für den Frieden – Wo bleiben sie heute, wird vielerorts gefragt.

Ein Artikel von Zaklin Nastic

Sie sind zwar weniger geworden als im Bonner Hofgarten im Oktober 1981 gegen die NATO-Atomraketen. Aber es gibt sie noch. Die langjährige Hamburger Landesvorsitzende, Bürgerschafts- und Bundestagsabgeordnete von Linke und BSW, Zaklin Nastic, porträtiert einen „großen Sohn“ ihrer Stadt, der sich einst zu Recht als Publikumsliebling fühlen durfte, aber heute wie ein Ausgestoßener erscheint.

Brückenbauer für den Frieden: Justus Frantz

In den Achtzigerjahren war Justus Frantz zwar noch nicht unter den Initiatoren der großen Friedenskundgebungen in Bonn, Hamburg und Mutlangen, doch als Dirigent, Impressario und Pianist bereits ein Brückenbauer zwischen klassischer Musik und der arbeitenden Bevölkerung. Das von ihm – gemeinsam mit Helmut Schmidt und Uwe Barschel – gegründete und von Leonard Bernstein unterstützte „Schleswig-Holstein-Musik-Festival“ holte weltberühmte Virtuosen wie Anne-Sophie Mutter, Yehudi Menuhin und Swjatoslaw Richter in ungewohnte Spielstätten: norddeutsche Scheunen, Werkhallen und Werften. Von 1986, dem Jahr seines Hamburger Professurantritts, bis 1994 war Frantz Intendant des Festivals. Sein Leitgedanke „Make music as friends“ bezog sich für ihn stets auch auf Willy Brandts Satz: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“.

Die enge Freundschaft zu Helmut Schmidt, gemeinsame Klavierauftritte und sogar zwei Schallplatteneinspielungen mit ihm führten dazu, dass sich der konservative Klassikexperte zunehmend der Sozialdemokratie annäherte. Die konservativ-humanistische Prägung der Familie Frantz, die sich stets gegen Faschismus, Krieg und andere Formen von Chauvinismus gestellt hatte, wurde in seinem künstlerischen Wirken zu einem humanistischen Erbe – und zu einer beständigen Friedensbotschaft.

Seine Fernsehauftritte – etwa bei „Wetten, dass..?“ oder „Wer weiß denn sowas?“ und auch später bei „Lanz“ – entwickelten sich zu Quotenbringern. Mit seiner ZDF-Sendung „Achtung Klassik“ hatte er ein Millionenpublikum erreicht. Frantz erklärte große Kompositionen dort nicht von oben herab, sondern als gemeinsames Erlebnis. Seine Mission war klar: Musik gehört nicht nur Experten, sondern allen. Sie ist Brückenbau zwischen Welten – und über ideologische Schützengräben der Völker hinweg.

Sein vielleicht wichtigstes Projekt, die „Philharmonie der Nationen“, gründete er 1995 bewusst „für Frieden und Völkerverständigung“. Junge Musiker aus vielen Ländern sollten zu einem vielfarbigen Klangkörper zusammenwachsen – als lebendiges Symbol dafür, dass Verständigung möglich ist, wo Menschen einander zuhören.

Frantz, der in Hamburg, St. Petersburg und Gran Canaria lebt und musiziert, betont häufig, dass Kunst eine Brücke ist, aber keine Waffe. Doch als er mehrfach an sämtliche Parteien des Deutschen Bundestags – später auch an AfD und BSW – appellierte, im Zusammenhang mit der Krim-Annexion nicht die umjubelte Rede Wladimir Putins im Bundestag 2001 zu vergessen und eine Friedensperspektive mit Russland nicht gänzlich zu verbauen, begann eine Phase zunehmender Drangsalierung. Diese traf nicht nur ihn, sondern auch Familienangehörige und Freunde.

Nachdem er sich geweigert hatte, sich in den offiziell vorgegebenen Formulierungen „von Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg“ zu distanzieren, wuchs enormer wirtschaftlicher und politischer Druck auf das Schleswig-Holstein-Musikfestival – bis er von dort ab 2023 nicht mal mehr als dessen Gründungsvater eingeladen wurde. Intendant Kuhnt nannte dafür als Grund: Frantz’ Haltung zu Russland. Auch die FAZ meint es seither nicht gut mit dem Maestro: er müsse gefälligst sein Mandat als Juror beim Moskauer „Tschaikowski-Wettbewerb“ niederlegen. Alle anderen Juroren seien ja bereits ausgeschieden. Dieses behauptete das „Frankfurter Blatt der klugen Köpfe“ – allerdings war das frei erfunden.

NATO-nahe Medien griffen ihn an, weil er in Sankt Petersburg Mozart und Verdi dirigiert hatte, während die politischen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen auf einem Tiefpunkt standen. Als Dieter Hallervorden (90) und Justus Frantz (81) am Karfreitag 2025 per Videobotschaft zu einer Friedenskundgebung in Dresden zugeschaltet wurden, folgte scharfe Kritik – unter anderem wegen „Alterstarrsinn“ und wegen der Anwesenheit von Tino Chrupalla, wodurch man ihnen angebliche Nähe zu „gesichert Rechtsextremen“ unterstellte.

Besonders heftig wurde Frantz attackiert, als er am 5. November im Kreml einen Friedens- und Kultur-Preis aus den Händen Putins entgegennahm. Bereits am Folgetag forderte ein früherer CDU-Staatssekretär öffentlich, Frantz das Bundesverdienstkreuz abzuerkennen.

Auch sein Sohn Konstantin verlor und verliert in Deutschland Veranstaltungsräume und bereits zugesagte Konzerte – offenbar als Reaktion auf die politische Haltung seines Vaters und womöglich auch auf seine Mutter, die bekannte russische Violistin Dubrowskaja.

Für Frantz jedoch bleibt seine Kulturarbeit ein aufrechter Gang – gerade dort, wo Politik scheitert. Seine Kunst versteht er als Angebot zur Verständigung. Heute fordert er, den von Donald Trump vorgelegten 28-Punkte-Plan für einen Frieden in der Ukraine nicht vorschnell abzulehnen, sondern als Grundlage für einen erneuten, von mehreren Staaten getragenen Prozess der Abrüstung und wirtschaftlichen Zusammenarbeit in ganz Europa und darüber hinaus zu prüfen.

Trotz seines Zweitwohnsitzes in Sankt Petersburg und entsprechender Angebote aus Russland hält Frantz an seiner deutschen Staatsangehörigkeit in Hamburg fest – ebenso wie an seinem humanistischen Engagement. Mit seiner Kunst möchte er weiterhin dazu beitragen, Völkerverständigung orchestrierend zu fördern und neu auszubauen.

Vlnr.: Justus Frantz, Leonard Bernstein, Helmut Schmidt

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