Während Friedenswillen vorgetäuscht wird, steuert Europa auf Kollisionskurs mit Russland – mit Sicherheitsgarantien, Truppenstationierung, Enteignung und Zensur als Werkzeugen. Von Sevim Dagdelen.
In der gemeinsamen Erklärung einer Koalition williger Staats- und Regierungschefs der EU, des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie der EU-Spitzen vom 15. Dezember 2025 wird der Wille zum Frieden bekundet. Der Friedensplan von US-Präsident Donald Trump wird zwar formal begrüßt, zugleich werden jedoch gemeinsame Maßnahmen vorgeschlagen, die auf die Absicht hindeuten, den Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine fortzusetzen. Zentral ist, dass der Ukraine nach einem Friedensschluss ‘Article 5-like’ Sicherheitsgarantien in Aussicht gestellt werden, die einer funktionalen Äquivalenz zur NATO-Mitgliedschaft entsprechen, mit robusten Verpflichtungen zur kollektiven Verteidigung, die im Falle eines militärischen Konflikts mit Russland eine multilaterale militärische Reaktion auslösen könnten – einschließlich einer potenziellen Beteiligung Deutschlands. Die vom Kanzleramt verbreitete Erklärung dieser Koalition der Willigen wäre deshalb nichts anderes als der Weg in den Krieg der NATO gegen Russland.
Die „robusten Sicherheitsgarantien“ sollen untersetzt werden durch die „Bereitstellung anhaltender und erheblicher Unterstützung für die Ukraine zum Aufbau ihrer Streitkräfte, die zu Friedenszeiten permanent eine Stärke von 800.000 Soldatinnen und Soldaten haben sollten“ sowie durch „eine von Europa geführte, aus Beiträgen williger Nationen bestehende ‚multinationale Truppe für die Ukraine‘ im Rahmen einer Koalition der Willigen, die von den USA unterstützt wird“. Diese Truppe soll „auch Operationen innerhalb der Ukraine“ durchführen können. Damit wären die europäischen Truppen dieser Koalition der Willigen direkt an einem Krieg beteiligt. Rechtlich soll dies fixiert werden durch eine „innerstaatlichen Verfahren unterliegende bindende Verpflichtung, Maßnahmen zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit im Fall eines zukünftigen bewaffneten Angriffs zu ergreifen“.
Konfrontation statt Kompromiss
Die Erklärung der Koalition der Willigen kommt einer künftigen Kriegspflicht gegen Russland gleich. Die Staats- und Regierungschefs setzen unbeirrt darauf, die Ostexpansion der NATO fortzusetzen, auch wenn dies im Falle der Ukraine verschleiert wird. Auch der Wirtschaftskrieg soll weiterverfolgt und intensiviert werden. Ziel bleibt, Russland zu ruinieren.
Die in der Europäischen Union eingefrorenen russischen staatlichen Vermögenswerte sollen enteignet und für die Ukraine genutzt werden im Rahmen einer Entschädigung Russlands für Kiew. Alle Maßnahmen werden zudem bewusst in den Rahmen der NATO gestellt. In der gemeinsamen Erklärung wird denn auch betont, dass „jede ausgehandelte Lösung die langfristige Sicherheit und die Einheit des euro-atlantischen Raums und die Rolle der NATO bei der Sicherstellung robuster Abschreckung gewährleisten solle“. Gegen Ende wird der unbedingte Wille bekundet, „den Druck auf Russland weiter zu erhöhen, um Moskau dazu zu bringen, ernsthaft zu verhandeln“.
Russland soll einer de-facto-NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, der Stationierung von NATO- und EU-Truppen an seiner Grenze in der Ukraine und einer Enteignung von 210 Milliarden Euro russischen Staatsvermögens zustimmen. Nichts anderes bedeutet diese Erklärung übersetzt.
Die Koalition der Willigen hat sich damit einen Blankoscheck für die Fortsetzung des Stellvertreterkrieges ausgestellt. Zugleich wird an einem direkten Kriegseintritt gegen Russland gearbeitet. Die Rolle der USA bleibt angesichts dieser Kriegserklärung undurchsichtig. Klar ist, dass alles, was in Berlin deklariert wurde, mit dem ursprünglichen Trump-Friedensplan (28-Punkte) nicht vereinbar ist. Offenbar soll die demonstrierte Kriegswilligkeit der Europäer als Hebel genutzt werden, um Verhandlungserfolge auf dem Papier erzielen zu können. Es darf bezweifelt werden, dass Moskau einer De-facto-Ostexpansion der NATO seinen Segen geben wird, geschweige denn einer Truppenstationierung von NATO-Staaten an seiner Grenze. Die demonstrierte Kriegswilligkeit aber gerade auch des deutschen Bundeskanzlers erhöht die Kriegsgefahr für Deutschland und riskiert im Vorbeigehen das Leben der Bevölkerung in unserem Land.
Profitlogik und Zensurregime
Aus der deutschen Wirtschaft werden derweil Rufe laut, bei den Ukraine-Geschäften in spe nicht zu kurz zu kommen. Parallel zum Schaulaufen im Kanzleramt fand im Haus der Deutschen Wirtschaft das Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum statt. Ziel, so The Pioneer: „Optimismus ausstrahlen.“ Regierungsvertreter sollten fortan mit Wirtschaftsdelegationen in die Ukraine reisen und das Auswärtige Amt pauschale Reisewarnungen sein lassen, so die Forderungen. Während die Kiesewetters und Hofreiters des Landes vom „russischen Vernichtungskrieg“ schwadronieren, gilt bei der Wirtschaft die Maxime: „Im Westen der Ukraine lasse sich sicher investieren. Andere Länder sähen das auch so. Das sei gut fürs Business.“ Wirtschaftsministerin Katherina Reiche selbst wird mit den Worten zitiert: „Ja, man kann durch die Ukraine gut reisen.“ Auch lobte sie den „Spirit der Ukrainer“. Konkret: „den Appetit auf Risiko.“
Erst einmal geht es allerdings um die unbedingte Rüstungskooperation zwischen Berlin und Kiew. Einem zehn Punkte umfassenden Plan zufolge lässt die Ukraine selbstentwickelte Kampfdrohnen in industriellen Stückzahlen in Deutschland bauen. Produziert werde im Auftrag des – korruptionsanfälligen – Kiewer Verteidigungsministeriums, wie der ukrainische Drohnenbauer Frontline Robotics und die deutsche Rüstungsfirma Quantum Systems beim Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin mitteilten. Frieden ist da schlecht fürs Geschäft.
Und wer sich den Kriegsvorbereitungen der Koalition der Willigen entgegenstellt oder gar wagt, Kritik an den regierungsamtlichen Mythen zu üben, der geht Gefahr, ganz aus dem Spiel genommen zu werden. Die EU hat jetzt Sanktionen gegen 14 weitere Personen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg erlassen, darunter der ehemalige Oberst der Armee und Analyst des Schweizer Geheimdienstes, Mitarbeiter der Vereinten Nationen und der Nato in der Ukraine, Jacques Baud. Der Vorwurf: Baud verbreite prorussische Propaganda. Die EU jedenfalls, die der ganzen Welt Demokratie und Menschenrechte predigt, ist dabei, um ihre Kriegspropaganda abzuschirmen, ein systematisches Zensurregime zu errichten. Auf dem Altar ihrer Kriegsvorbereitungen wird die Meinungs- und Pressefreiheit geopfert. Das System von der Leyen ist ein System Metternich, das sich sukzessive ausweitet. Jeder, der sich nicht konform verhält, kann der Nächste sein. Der Kampf um die Freiheit von Jacques Baud, seine Meinung zu sagen, ist der Kampf um die Freiheit selbst. Baud verdient die Solidarität aller friedens- und freiheitsliebenden Menschen.
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