Hinweise des Tages

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(KR/WL)

  1. Nachschlag zum G8-Treffen
    • US-Präsident Bush macht Angela Merkel die Bühne frei
      Je lauter die um ihr Image als internationale Maklerin besorgte Bundeskanzlerin den Fehlschlag von Heiligendamm als Riesenerfolg feiert, desto mehr steht auch Bush nicht mehr als Buhmann vor der Weltöffentlichkeit. Bush und Putin – beide sind als Inkarnationen der Verantwortungslosigkeit nach Heiligendamm gereist; beide fliegen als scheinbar kompromissfähige Staatschefs wieder davon. Bush weiß, dass der Gipfel nichts hinterlässt, auf dem aufgebaut werden müsste oder wofür er innenpolitisch angefeindet werden könnte. Er muss nichts rechtfertigen. Ziel erreicht.
      Quelle: taz
    • Nachtrag zur „Merkel-Show“ in Heiligendamm: Heiße Luft für alle
      Die USA werden so oder so bei den Verhandlungen für ein Post-Kyoto-Protokoll dabei sein, um diese zu beobachten und zu beeinflussen – ob sie dann am Ende unterschreiben, ist eine ganz andere Frage. Nach dem bisherigen Kenntnisstand der G8-Ergebnisse wird sie nichts daran hindern, noch mal so vorzugehen wie beim Kyoto-Protokoll.
      Quelle: LobbyControl

      Weitere Einblicke in die Kommunikationsstrategie bietet LobbyControl: Das Klimathema sei gegenüber der Öffentlichkeit besser kommunizierbar als weltwirtschaftliche Fragen.
      Quelle: LobbyControl

    • Triumph der Verkäufer
      Chapeau! Innerhalb von nur 48 Stunden hat Angela Merkel das Klima, Afrika und den Weltfrieden gerettet. Auch ihre Kollegen stehen als Sieger da: George W. Bush ist nicht länger isoliert, sondern freundschaftlich integriert. Tony Blair sichert sein Vermächtnis als Kämpfer gegen die weltweite Armut. Und Wladimir Putin erscheint nicht mehr als Kriegsdroher, sondern als Oberdiplomat.
      Quelle: taz

      Anmerkung: Interessant ist, dass das G 8-Treffen in amerikanischen Zeitungen kaum Erwähnung findet.

  2. Und noch ein Blick vor den Zaun
    • Polizei gibt zu, beim G-8-Gipfel einen Zivilbeamten im Demonstrantenzug eingesetzt zu haben
      Entgegen einem ersten Dementi hat die Sondereinheit “Kavala” den Einsatz eines Zivilbeamten bei einer Blockade-Aktion an der zentralen Sicherheitsschleuse vor der Galopprennbahn bestätigt. Gestern war gestern – und heute ist heute, so kommentiert “Kavala”-Sprecher Ulf Claassen gegenüber SPIEGEL ONLINE das Dementi vom Dementi.
      Juristisch, erklärt Rechtsanwalt Ströbele, “hätte dieser Mann eine klar strafbare Handlung begangen”. Politisch allerdings wiege die Sache noch schwerer: “Wenn das stimmt, würde natürlich die Bewertung vieler Dinge aus den letzten Tagen einen ganz anderen Hintergrund bekommen.”
      Inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft Rostock mögliche strafrechtliche Ermittlungen gegen den Zivilpolizisten.
      Quelle: Spiegel Online
    • »Wir wurden wie Hunde behandelt«
      Ein Berliner Arzt will gegen seine Verhaftung während der Gipfeltage klagen. Er berichtet von unhaltbaren Zuständen im Rostocker Sammelgefängnis.
      Quelle: Junge Welt
    • Haftbedingungen “wie im Zoo”
      Martin Lemke vom Republikanischen Anwaltverein (RAV) kritisiert zudem “eine Unterordnung von Teilen der Justiz” gegenüber Anweisungen der Polizei. So habe die Kavala alle zuständigen Richter im Vorfeld des Gipfels zu “Belehrungen über Freiheitsentziehungsmaßnahmen” geladen. “Außerdem hat die Polizei Richterbeschlüsse aufgehoben”, so Lemke weiter. Nachdem ein Richter zwei Räume für vier Juristen in der Gefangenensammelstelle angeordnet habe, habe ein Polizeiführer diesen Beschluss kurzerhand aufgehoben.
      Quelle: TAZ
  3. 11,3 Milliarden Dollar gestrichen
    Statt Abhängigkeit Zusammenarbeit: Die Neuorientierung der russischen Afrikapolitik beginnt mit einem Schuldenerlass.
    Quelle: Junge Welt
  4. Deutsche Löhne im EU-Vergleich hoch?
    Bei den Arbeitskosten liegt Deutschland in Europa in der Spitzengruppe. In der Privatwirtschaft mussten deutsche Arbeitgeber im Jahr 2006 pro Stunde durchschnittlich 28,70 Euro brutto plus Lohnnebenkosten bezahlen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Bei der Frankfurter Rundschau häufen sich in jüngster Zeit journalistische Ausfallerscheinungen. Sollten wir gerade Zeuge eines beginnenden und anhaltenden Qualitätsverlusts sein?
    Wer die obige Meldung bringt, ohne die langfristige Tendenz zu erwähnen und vor allem darauf hinzuweisen, dass es nicht auf die absolute Lohnhöhe, sondern auf die Lohnstückkosten ankommt, der beteiligt sich an Propaganda für die Arbeitgeberseite.
    Vor allem diese Formulierung ist bemerkenswert: „In Deutschland wurde der Anstieg der Arbeitskosten im ersten Quartal 2007 gebremst. Im Vergleich zum Vorquartal gingen die Kosten je geleistete Stunde um 0,1 Prozent zurück.“

    Die TAZ kann’s besser:

    Arbeit wird billiger
    Allen Klagen der Wirtschaftsverbände zum Trotz: Unternehmer kriegen Arbeitskräfte in Deutschland immer billiger. Saison- und kalenderbereinigt sanken im ersten Quartal dieses Jahres die Kosten je Arbeitsstunde im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent, wie das statistische Bundesamt in Wiesbaden gestern mitteilte.
    Quelle: TAZ

  5. Hedgefonds-Kuschelkurs
    Auch wenn es die Bundesregierung so verkaufen möchte: Dass das Thema Hedgefonds in Heiligendamm auf der Tagesordnung stand, ist allein kein Erfolg. Bis auf weiteres wird es verbindliche Kontrollen dieser hochspekulativen Finanzunternehmen nicht geben.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Dieser Kommentar der FR ist zwar einigermaßen kritisch. Über die folgende Einlassung kann man sich aber nur wundern:

    Es ist aber auch nicht angebracht, Hedgefonds unter Generalverdacht zu stellen. Durch ihre speziellen Anlageformen machen sie Gewinne, wenn andere verlieren, oder sie übernehmen Risiken – das kann den Markt stabilisieren. Hedgefonds richten sich an Großinvestoren und Vermögende und werden deshalb gern als Privatgeschäft betrachtet, in dem Kontrollen nicht angebracht wären. Neben überdurchschnittlichen Gewinnen ist auch Totalverlust möglich.

    Das ist eine arglose bis alberne, den PR-Parolen der Branche nachgesprochene Rechtfertigung, die die Leser übrigens wahrscheinlich genauso wenig verstehen wie die Autorin selbst.

  6. Der Preis der Liberalisierung: Ein Drittel Aufschlag bei den Strompreisen
    Wie “Euro am Sonntag” unter Berufung auf den Branchendienst Verivox berichtet, haben bereits 67 Versorger in Deutschland Tariferhöhungen angekündigt. Danach müssten Kunden mit Preissteigerungen im Extremfall von bis zu 34 Prozent rechnen. Insgesamt gehe Verivox von bundesweit über 100 Tarifanhebungen zum 1. Juli aus.
    Wesentlicher Grund für die Preiswelle sei das Ende der Bundesverordnung Elektrizität, erklärte Peters. Danach müssten sich Stromerzeuger ab Juli die Erhöhung ihrer Grundpreise nicht mehr vom Wirtschaftsministerium des jeweiligen Bundeslandes genehmigen lassen.
    Quelle: Stern
  7. Währungsfonds warnt vor Fusionswelle
    Immer mehr Konzerne sehen sich nach Verstärkung bei der Konkurrenz um. Übernahmen werden zunehmend auf Pump finanziert. IWF-Chef de Rato befürchtet Schaden für die Weltwirtschaft – besonders jetzt bei steigenden Zinsen.
    Quelle: WELT
  8. Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide nehmen zu
    Die Zahl der Arbeitslosen, die gegen ihre Hartz-IV-Bescheide und staatlichen Unterstützungs- leistungen klagen, hat 2006 nach einem Bericht der «Berliner Zeitung» erheblich zugenommen. Nach Ansicht des DGB zeigt die wachsende Zahl derer, die sich gegen Leistungsbescheide wehre, dass es bei vielen Arbeitslosen um existenzielle Sorgen geht: «Wer diese Fürsorgeleistung nicht oder unzureichend erhält, hat keine Spielräume mehr», sagte DGB- Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der Zeitung. Vielen bleibe gar nichts anderes übrig, als auch vor Gericht um ihre Ansprüche zu kämpfen. Die Gewerkschafterin verwies darauf, dass in etwa 40 Prozent der Entscheidungen dem Widerspruch ganz oder teilweise stattgegeben wurde.“
    Quelle: Linkszeitung
  9. Sommermärchen mit einem schlechten Ende
    Bei den allermeisten Unternehmen spülte die Fußball-WM keine Zusatzgewinne in die Kasse, im Gegenteil: Selbst an den WM-Standorten klagten nicht wenige Einzelhändler über schmerzhafte Umsatzeinbußen.
    Die Rückschau zeigt zudem: Es kamen weniger ausländische Besucher als erwartet und auch der Aufbau neuer Jobs hielt sich in bescheidenen Grenzen.
    Quelle: SZ

    Anmerkung: Dazu gestern die Seite 1 von Bild am Sonntag: „Wir fühlen noch WM!“ Und auf Seite 16: „Nach einer Studie des Mainzer Sportökonomen Holger Preuß haben die ausländischen Gäste während der WM für 3,88 Milliarden Euro konsumiert und dem Staat dadurch Steuermehreinnahmen von 1,26 Milliarden Euro beschert.“
    Wenn man dagegen die in der SZ erwähnte Studie des DIW betrachtet, scheinen „Sportökonomen“ eben ihre eigene Ökonomie zu haben.

  10. Bieterstreit um Privat-Uni Witten-Herdecke
    Deutschlands älteste Privatuni steht vor der Pleite. Gleich zwei Investoren wollen sie retten. Die Übernahmeschlacht wird zur Richtungsentscheidung.
    Quelle: FTD
  11. Spiegel-Werbung für Privatversicherungen
    Für wenig Geld gut versichert – viele Verbraucher glauben nicht, dass das wirklich möglich ist. Dennoch: Wer unnötigen Schnickschnack weglässt, kann für kleines Geld umfassenden Schutz einkaufen und das schon für 100 Euro im Monat.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Auch beim Spiegel scheint inzwischen jede journalistische Hemmschwelle weggefallen zu sein: Die Vermischung von Werbung und redaktioneller Arbeit wird zur Routine.

  12. Eine Frage des Standards
    Schöne deutsche Fernsehlandschaft: Ein Dokumentarfilm über das KZ Mittelbau-Dora passt nicht ins öffentlich-rechtliche Programm.
    Quelle: Junge Welt
  13. Buchbesprechung: Sprechblasen von Globalisierungsoptimisten Stefan Aust, Claus Richter, Matthias Ziemann: “Wettlauf um die Welt”
    Die Globalisierung gehört derzeit zu den Reizthemen schlechthin. Während die einen vor dem Verlust der hiesigen Besitzstände warnen, sagen die anderen eine blühende Zukunft voraus. Ausgewogene Aufklärung wäre also dringend geboten. Doch Stefan Aust, Claus Richter und Matthias Ziemann geben in ihrem Buch “Wettlauf um die Welt” nur die Sichtweise derer wieder, die sich vor der Globalisierung nicht fürchten müssen.
    Quelle: DLF
  14. Marktforscher: Die angeblichen Massen hochqualifizierter und konkurrenzlos billiger junger Inder und Chinesen sind ein “Mythos”
    Der viel beklagte Abzug von Wirtschaftskapazitäten nach Asien hat in der jüngeren Vergangenheit bereits spürbar nachgelassen, manches Unternehmen holte verlagerte Bereich auch schon wieder zurück. Nun zeichnet sich ein weiterer Trend ab: Asiatische Firmen setzen bei hochwertigen Dienstleistungen auf Europas Vorteile, um weiter expandieren zu können.
    Quelle: Siemens Dialog der IGM
  15. Es gibt keinen Blairismus
    Lassen Sie uns eines klarstellen: Es gibt keinen Blairismus, und es hat ihn auch nie gegeben. Das ist alles Schall und Rauch. Das Phänomen besteht daraus, dass man ein Paket von Worten wie Veränderung, Gemeinschaft, Erneuerung, Partnerschaft, Soziales und Reform in die Luft wirft und zusieht, wie sie wie Blüten zu Boden fallen, bis die ganze politische Sphäre mit einem süßlich duftenden Teppich bedeckt ist.
    Es ist nicht so, als habe Großbritannien unter Blair und Gordon Brown keine Leitlinie gehabt. Aber diese Leitlinie war der Thatcherismus.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

    Siehe dazu auch:

    Die Verlierer des Herrn Blair
    Der Premierminister wollte den Briten mehr soziale Gerechtigkeit bringen – zehn Jahre später sind die Unterschied zwischen Arm und Reich so groß wie nie.
    Quelle: SZ

  16. Nicolas I.
    Kein Präsident Frankreichs war je so mächtig wie jetzt Sarkozy.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung: „Aber nach den Parlamentswahlen, die morgen und am folgenden Sonntag stattfinden werden, wird es in beiden Kammern des Parlamentes nur noch absolute rechte Mehrheiten geben, in einer nie zuvor da gewesenen Stärke dazu. Ihnen gegenüber wird eine Opposition stehen, die zahlenmäßig geschwächt und institutionell ohnmächtig und daher politisch zahnlos sein wird.“ schreibt die Autorin. Doch wenn man sich an die unerträgliche Fernsehdebatte zwischen Royal und Sarkozy erinnert, dann verhält es sich wohl eher andersherum: Weil die Opposition politisch zahnlos ist, wurde sie zahlenmäßig geschwächt und institutionell ohnmächtig.

  17. Der Witz des Tages:
    Welt am Sonntag: „Aus der Vertiefung in die Schrift erwächst die evangelische Freiheit mit all ihren schönen liberalistischen Blüten“

    Anmerkung: Mit diesem Resümee kritisiert die konservative und wirtschaftsliberale WamS den evangelischen Kirchentag in Köln. Die Schärfung des evangelischen Profils beschränkt sich auf für die WamS Sekundäres, auf Freiheitsverständnis und soziale Verantwortung. Primär wären eben „liberalistische Blüten“. Mal etwas ganz Neues: Die Bibel als Kraftquelle für den Liberalismus?

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