Schuldnerberatung – Ein ganz normaler Vormittag.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Die Schulden sind heute für viele Menschen und Familien ein zentrales Problem. Schuldnerberatung ist eine wichtige soziale Aufgabe. Viele NDS-Leser kennen sie nur vom Hörensagen. Deshalb habe ich den Schuldnerberater der AWO Roth-Schwabach, Wolfgang Hunner, den ich anlässlich eines Seminars traf, gebeten, aufzuschreiben, wie ein normaler Vormittag bei ihm aussieht. Hier ist sein Bericht, ergänzt um ein Papier zu den Zielen der Schuldner- und Insolvenzberatung (Anlage)

Schuldnerberatung

Morgens acht Uhr. Der Arbeitstag beginnt. Da steht schon ein kleines, rotes Auto vor der Tür.

Frau S. wartet bereits. Sie ist psychisch krank und hat weniger als 10 Gläubiger. Sie ist erwerbsunfähig und erhält eine kleine Rente so um 800,00 €. Das ist gerade genug zum Leben. Ganz aufgeregt berichtet Sie:

Am Vortag war Sie in der Bankfiliale. Die sonst so freundliche Bankangestellte erklärt ihr unmissverständlich, dass sie ihr kein Geld auszahlen wird. “Tut mir leid”, rief die Angestellte nicht gerade leise, “Ihr Konto wird gepfändet.” Frau S. fühlt sich plötzlich von allen Anwesenden angestarrt. Sie verlässt wie betäubt den Schalterraum und schafft es gerade noch bis nach Hause, bevor ihr die Tränen kommen. Sie muss doch etwas zu Essen kaufen, die Miete wird demnächst auch fällig. Wenn jetzt auch die Miete nicht mehr überwiesen wird.

Wird ein Konto gepfändet, ist Eile geboten. Sozialleistungen müssen innerhalb einer bestimmten Frist abgehoben werden. Das ist im § 55 SGB I geregelt. Da bis zum Einzug der Bankkarte schon einige Tage seit dem Eingang der Pfändung vergangen sein können, kann jeder Tag Verzögerung ein Tag zuviel sein.

Zunächst haben wir mit der Bankangestellten telefoniert, damit die Sachlage bezüglich der Sozialleistungen geklärt wird. Im Gespräch besteht die Bankangestellte darauf, dass das kleine noch vorhandene Guthaben der Pfändung unterworfen ist und überwiesen wird. Also müssen wir, nachdem Frau S. beruhigt und aufgeklärt ist, sie an das zuständige Amtsgericht verweisen, damit die nötigen Anträge bezüglich des Guthabens gestellt werden können. Bis zur Freigabe wird die Bank keine Überweisungen mehr ausführen. Jede Überweisung kostet bis dahin je nach Bank zwischen 4 und 10 €. Für eine Rentnerin mit gerade mal 800 € Einnahmen ist das jede Menge Geld.

Ein Blick in die Zukunft von Frau S.: Kurz darauf kommt der nächste Schock. Sie erhält Post von ihrer Bank. Kurz und knapp wird ihr mitgeteilt, dass die Bank das Konto gekündigt hat. Diesmal versucht es Frau S. selbst telefonisch. Der Bankmitarbeiter erklärt, dass der Bank die Weiterführung der Geschäftsverbindung nicht mehr zuzumuten ist, murmelt etwas von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und legt auf. Wie soll Sie ohne Konto leben? Es steht wieder ein Besuch bei der Schuldnerberatungsstelle an. Diesmal telefonieren wir mit der kontoführenden Bank, verweisen auf die Selbstverpflichtung der Banken die besagt, jedem Bürger ein Konto auf Guthabenbasis einzurichten. Manchmal wird die Kündigung dann zurückgenommen. Die nächsten Arbeitsschritte könnten aber auch das Auffinden eines Rechtsanwaltes sein, der rechtliche Schritte prüft und ggf. einleitet.

Eine Freigabe bei einer Kontopfändung oder der Erhalt einer Kontoverbindung vermindern die Verbindlichkeiten natürlich um keinen Euro. Sie schaffen jedoch zunächst einmal die Voraussetzungen, damit überschuldete Personen menschenwürdig leben können. Ist diese Grundlage gelegt, kann in einem nächsten Schritt eine Schuldensanierung von uns angegangen werden. Dies erfolgt dann in weiteren Terminen.

Es ist jetzt 9.00 und der erste vereinbarte Beratungstermin steht an. Es ist der erste persönliche Kontakt zur Familie T. Es handelt sich um ein Ehepaar mit einem Kind. Bei diesem Termin wird festgelegt, ob existenzsichernde Maßnahmen oder Krisenintervention eingeleitet werden müssen.

Im Falle der Eheleute T. ist schon bald klar, dass das geeignete Mittel zur Abtragung der Schuldenlast ein Verbraucherinsolvenzverfahren sein wird. Herr T. hatte eine Transport-Firma und hat sich durch die Pleite mit weit über 100.000 € verschuldet. Diese verteilen sich nach seinen Angaben auf ca. 10 Gläubiger. Genau kann er es aber nicht sagen. Wir fordern ihn auf, eine genaue Aufstellung anzufertigen. Die Firma ist bereits abgemeldet. Die Familie hat Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) beantragen müssen, um die wirtschaftliche Existenz zu sichern. Seit 3 Wochen hat man nichts mehr vom Amt gehört. Mündliche Anfragen werden abgebügelt mit Floskeln wie „die Bearbeitung dauert halt“. Die Familie hat kein Geld mehr und nichts zu Essen. Wir verwiesen auf die örtliche „Tafel“ und vereinbaren einen persönlichen Termin mit der Familie bei der zuständigen ARGE-Mitarbeiterin – noch in dieser Woche.

Die Miete ist seit 3 Monaten im Rückstand. Die Wohnung noch nicht schriftlich gekündigt. Der Vermieter hat aber die Kündigung in einem mündlichen Gespräch bereits ausgesprochen. Hier ist Eile geboten.

Frau T. spricht von Trennung, da die gemeinsamen Probleme zu groß sind und dauernd gestritten wird. Sie hat Ihren Nebenjob erst kürzlich verloren und möchte gerne wieder Nebenberuflich arbeiten. Sie findet aber zurzeit keine Stelle. Ob wir etwas wüssten.

Für uns wird deutlich, dass die Beratung mehrere längere Termine in Anspruch nehmen wird, da die Folgen von Trennung und Scheidung aufgearbeitet werden müssen. Eine Vermittlung an die Eheberatung wird in Erwägung gezogen.

Das Erst-Gespräch ist gegen 10.15 Uhr beendet. Ein weiterer Termin wird vereinbart. Die Sekretärin wartet schon geduldig mit einem Zettel auf dem die Namen und Telefonnummern von 5 Personen stehen, die alle dringend und am besten gestern zurückgerufen werden wollen. So mancher, der nur mal kurz was wissen wollte, wird auf einen Beratungstermin verwiesen, da die Situation für ein telefonisches Beratungsgespräch zu vielschichtig und kompliziert ist.

Seit 10.00 wartet bereits ein Mann, der seinen 2. Termin wahrnimmt. Während seines ersten Gespräches bemerkten wir seine tiefe innere Verzweiflung, die gelegentlich in Lebensunlust übergeht. Aber er hat den geforderten Ordner angelegt und sich eine Übersicht über seine Verbindlichkeiten verschafft.

Eigentlich war sein Leben perfekt. 3 Kinder hat der Mann, verheiratet war er und er hat vor 12 Monaten seiner Familie ein Haus gekauft. Er hat, um die Raten für das Haus abzutragen, sogar einen zweiten Job angenommen. Jetzt lebt er von seiner Frau getrennt. Die Kinder sieht er nur sehr unregelmäßig, da er Schicht arbeitet. Eigentlich gibt es gar keinen richtigen Grund für die Trennung – erzählt er. Er will nicht mehr arbeiten, da das alles eh sinnlos ist. Er stellt sich die Frage für was er eigentlich lebt. Ein Traum ist geplatzt. Alles hat er dafür gegeben. Die Dunkelheit nimmt immer mehr zu. Aber – unterbricht er sich – das wollen Sie bestimmt alles gar nicht hören. Er ist ja wegen der Schulden gekommen. Falsch sagen wir. Von den Schulden wollen wir gar nichts hören. Genau das ist das Thema, um das es geht. Über die Schulden braucht sich keiner mehr Gedanken zu machen, wenn er keinen Verdienst mehr hat. Über die Kinder erhalten wir Zugang zu ihm. Diese geben ihm Kraft – für die Kinder lohnt es sich zu leben – und auch zu arbeiten.

Ein sehr wichtiger und großer Themenkomplex ist der nach Trennung fällig werdende Unterhalt für die Kinder. Mit unserer Arbeit können wir das Jugendamt an dieser Stelle entlasten. Eine Vermittlung an einen Familienfachanwalt scheint geraten.

Auch eine drohende Obdachlosigkeit kann durch unsere Arbeit evtl. vermieden werden. Dadurch wird der Stadt die gesetzlich verankerte Unterbringung erspart.

Dies ist eine für uns typische Situation. Wenn jetzt nichts passiert verstärkt sich die existenzielle Krise, die die Energieversorgung, die Wohnung und oft auch Arbeit, Gesundheit und familiären Zusammenhalt gefährdet. Aus diesem Grund sprechen Fachleute auch von existenzsichernden Maßnahmen, die oft ergriffen werden müssen, wenn überschuldete Personen oder Familien sich in einer Schuldnerberatungsstelle melden.

Der Kreis zu den Schulden ist geschlossen. Das Jugendamt hat geschrieben. Sie wollen dass er 750,00 € monatlich Kindsunterhalt bezahlt. 3 Monate wäre er schon im Rückstand. Die getrennt lebende Ehefrau hat Sozialhilfe beantragt. Gestritten hat er mit dem Jugendamt auch schon. Jetzt ist er den Tränen nahe. Er kann doch nicht das Haus abzahlen und noch den vielen Unterhalt. Er muss fast 50 Kilometer zur Arbeit zurücklegen und irgendwas zum Leben muss er auch haben. Ganz zu Schweigen von den sonstigen Kosten wie Strom, Telefon, Versicherungen etc.

Irgendwann wurden dann die regelmäßigen Lastschrifteinzüge für Hausfinanzierung und Raten von der Hausbank nicht mehr gezahlt. Insgesamt sind ca. 260.000,00 € an Schulden aufgelaufen, die sich auf 8 Gläubiger verteilen. Der Verkaufswert des Hauses ist in der Zwischenzeit merklich gesunken und deckt gerade mal 50 % der Schulden ab. Die Zwangsversteigerung ist durch die Gläubiger bereits eingeleitet. Wie hoch der tatsächliche Erlös wird ist völlig offen.

Die Zeit harter Entscheidungen ist angebrochen. Wirtschaftlich reicht das Geld nicht aus, um den Kindsunterhalt, die Raten für das Haus und auch noch den eigenen Lebensunterhalt zu besorgen. Wir haben gemeinsamen einen monatlichen Haushaltsplan erstellt. Es ist eine Zeit der Trennung gekommen. Trennung von der Familie und irgendwann auch vom eigenen Haus. Diese Erkenntnis nimmt er aus diesem Termin mit.

Es geht voran. Er hat wieder Mut geschöpft. Er will auch weiterarbeiten – um den Unterhalt für die Kinder zu besorgen. Das ist wichtig. Die Kinder können nichts dafür und leiden am meisten. Der Mann geht mit klaren Zielsetzungen hinaus. Mit dem Jugendamt setzt er sich selbst in Verbindung – erklärt er stolz. Ob man wieder Zeit hätte, wenn noch Probleme auftauchen? Jederzeit antworten wir. Wir erwarten noch einige Termine bis die Probleme weitgehend gelöst sind.

Es ist erfreulich, dass der Mann so weit stabilisiert ist, dass er wieder Lebensmut fasst, weiterarbeitet und seinen Regelunterhalt für die Kinder bezahlt. Das Jugendamt muss ihm nicht hinterherlaufen, keinen Vorschuss leisten und die Sozialkassen sind auch entlastet.
Jetzt ist schon fast Mittag. Dann wird der Posteingang gesichtet und die schriftliche Kontaktaufnahme zu Gläubigern und Schuldnern geordnet und vorbereitet.

Der Nachmittag beginnt wie der Vormittag endet. Mit einem weiteren Gespräch.

Herr M. kommt zu uns. Herr M. ist Rentner und lebt im Betreuten Wohnen. Er hat nur eine geringe Rente und dennoch hat ihm eine der großen Banken einen Kredit gegeben. 400 € monatlich soll er für die 20.000 € Kreditsumme bezahlen. Das Girokonto hat er bei der gleichen Bank. Das ist auch überzogen mit ca. 3.000 €. Er hat völlig den Überblick verloren. Mit ihm kommt jeweils die zuständige Sozialarbeiterin des Betreuten Wohnens mit. Herr M. hat keine Familie mehr, die sich um ihn kümmern könnte. Zum Glück hat er einen der wenigen Plätze im Betreuten Wohnen bekommen.

Man fragt sich an der Stelle, wie so etwas möglich ist. Ein Mensch in diesem Alter mit einer geringen monatlichen Rente. Die mitgekommene Sozialarbeiterin überlegt, ob die Bank so etwas darf. Von moralischer Verpflichtung ist die Rede.

Herr M. hatte die finanziellen Verpflichtungen, die damit verbunden sind, nie richtig verstanden. Er hat einfach immer das unterschrieben, was ihm seitens der Bankangestellten vorgelegt wurde. Bereits 3 Mal ist sein Girokonto „umgeschuldet“ worden. Damit verbunden war jedes Mal die komplette Auflösung des Kredites – samt Vorfälligkeitsentschädigung. Auch die unsägliche Kreditversicherung wurde jedes Mal gekündigt und wieder neu abgeschlossen. Der Kreis der Überschuldung ist geschlossen und ohne Hilfe kann er sich daraus jetzt nicht mehr lösen.

Dies ist bereits unser 5. Termin. Herr M. ist sehr ängstlich. Wir haben gemeinsam mit ihm ausgerechnet, dass sein Geld für die monatliche Kredit-Rate, die Überziehungszinsen, die Miete, den Strom, das Telefon und auch noch für Essen einfach nicht reichen wird. Er muss – um seine Existenz und auch den Platz im Betreuten Wohnen zu sichern – Prioritäten setzen. Die kontoführende Bank wird immer zuerst den Kredit und die eigenen Zinsen abbuchen. Da kommt es schon vor, dass einmal eine Miete oder der Strom nicht überwiesen wird. Es gab auch schon Monate, in denen er gar kein Geld für die Haushaltsführung zur Verfügung hatte – erzählt er.

Der weitere Weg wird für Herrn M. nicht einfach. Er muss dafür sorgen, wieder über sein Geld zu verfügen. Der Hinweis an die Bank, dass nach dem SGB I eine Verrechnung von Sozialleistungen nicht möglich ist, verbunden mit der Bitte um komplette Auszahlung der Rente, bringt den Stein ins Rollen.

Anlage:

Ziele der Schuldner- und Insolvenzberatung

Wir leisten professionelle Schuldner- und Insolvenzberatung überwiegend unter der theoretischen Grundlage der Einzelfallhilfe oder der systemischen Beratung. Da die Ursachen der Überschuldung vielschichtig sind, wird eine individuelle Lösung gesucht, die sich an den besonderen Zusammenhängen des Einzelfalles orientiert. Grundsätzlich ist die Arbeit an den Ressourcen des Kunden ausgerichtet.

Der Beratungsprozess deckt gezielt die Ursachen der Überschuldung auf und ermöglicht dem Kunden Selbstexploration. Die „Hilfe zur Selbsthilfe“ steht im Vordergrund. Primär soll ein weiteres Absinken der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Ratsuchenden vermieden werden. Durch psychosoziale Intervention zur Krisenbewältigung werden Ressourcen freigesetzt und andere Leistungsträger werden entlastet. Der Bezug von Sozialhilfe/Arbeitslosengeld II wird abgebaut oder ihm wird vorgebeugt, die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt. Die Motivation zur eigenen Handlungsfähigkeit wird gesteigert. Der Ratsuchende beginnt seine Krise zu bewältigen und sich in den Kreislauf der Gesellschaft wieder zu integrieren. Viele Ratsuchende berichten uns beim Eintritt in die Beratung von der Sinnlosigkeit, einer Betätigung nachzugehen und werden durch uns zur Arbeitsaufnahme motiviert und begleitet.

Durch Vernetzung mit anderen Fachdiensten und Behörden werden Wege verkürzt und Gelder gespart. Der Unterhaltsverpflichtete wird durch uns über die vorliegenden Verhältnisse aufgeklärt. Der Vorrang der Unterhaltspflicht wird in den Haushaltsplan eingebaut. Die Behörde muss unter Umständen keinen Unterhaltsvorschuss leisten. Die Mitarbeiter werden entlastet, da der Unterhaltsverpflichtete die Vorgänge akzeptiert. Gleichermaßen verfahren wir mit Beziehern von Leistungen nach dem SGB II oder Ähnlichem.

Fachliche Qualifikation der Beratung

  1. Beratungskonzept

    Die Kontaktaufnahme mit dem Ratsuchenden steht am Beginn der Beratungstätigkeit. Dies geschieht durch ein ausführliches Erstgespräch.

    1. Dort wird festgelegt, ob existenzsichernde Maßnahmen oder Krisenintervention eingeleitet werden müssen.Die existenzsichernden Maßnahmen betreffen existentiell wichtige Lebensbereiche wie
      • Wohnung
      • Energie
      • Arbeitsplatz
      • Mobilität
      • Lebensunterhalt

      Ist einer der Bereiche betroffen, wird eine sofortige schriftliche, telefonische oder persönliche Intervention geprüft und gegebenenfalls eingeleitet, sowie mit dem Betroffenen an der notwendigen psychosozialen Stabilisierung gearbeitet. Die Krisenintervention trägt zur Konfliktbewältigung bei und hilft Gefährdungen von Familiensystemen, deren Mitgliedern oder Einzelpersonen zu vermeiden. Belastungen werden gemindert. Durch Vernetzung wird gegebenenfalls an andere Fachdienste vermittelt.

    2. Nach der Überprüfung der existenzsichernden Maßnahmen bzw. einer Krisenintervention erfolgt der analytische Teil in Form eines umfangreichen Beratungsgespräches. Die Problemlage wird definiert und es wird festgelegt, ob der Kunde durch Kurzberatungen soweit gestärkt werden kann, dass er die Problemlage nach der Beratung selbst überwinden kann, oder ob ein Auftreten der Beratungsstelle nach außen nötig ist.

      Dies erfolgt entweder in Form einer

      • Kurzberatung

        Hier wird Information über die Problemlage(n) in Form eines Beratungsgespräches vermittelt. Es werden gemeinsam mit dem Kunden Strategien erarbeitet, die die individuelle Problemlage überwinden helfen. Es wird in der Regel keine Vollmacht erteilt und die Beratungsstellen werden nach außen nicht tätig. Das Ziel ist eine kurzfristige Beratung, damit der Betroffene nach dem Informationsgewinn selbständig an der Situation weiterarbeiten kann.

        Es werden u. a. folgende Beratungsleistungen angeboten

        • Budget- und Haushaltsberatung
        • Informationsvermittlung
        • Überprüfung und Geltendmachung wirtschaftlicher Ressourcen
        • Ausarbeitung einer Sanierungsstrategie
        • Auskunft über das Verbraucherinsolvenzverfahren
        • Hilfestellung beim Ausfüllen von Formularen

      oder als

      • Fallberatung

        Hier wird eine Akte angelegt, eine Vollmacht ausgefüllt und durch einen mündlichen Kontrakt festgelegt, welche Inhalte die Beratung hat. Es wird auf einen transparenten Prozess geachtet. Der Ratsuchende soll über unser Angebot genau unterrichtet sein, damit keine Irritationen entstehen.

        Unser Auftreten nach außen umfasst u.a. folgende Leistungen:

        • Kontaktaufnahme mit den Gläubigern
        • Verhandlungen und Vereinbarungen mit den Gläubigern
        • Informationseinholung bei den Gläubigern
        • Außerordentliche Vertragskündigungen
        • Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuches im Sinne der InsO
  2. Laufender Beratungsprozess

    Vor allem multiple Problemlagen machen eine Fallberatung nötig. Der Grund für das Aufsuchen der Beratungsstelle stellt sich anfänglich als wirtschaftliche Problemlage dar. Nach mehreren Gesprächen werden die darunter liegenden psychosozial wirkenden Problemlagen sichtbar.
    Oft gehen Arbeitslosigkeit, Trennung vom Partner, psychische Erkrankung, Krankheit oder Einsamkeit einher mit den anfänglich vom Ratsuchenden geschilderten wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
    Schulden können auch eine bestimmte Funktion im eigenen System haben. Sie sind nur das Symptom für eine selbstverständlich gewordene Verhaltensweise, die erst auffällt, wenn bestimmte Mechanismen versagen.

    Wir sind der Meinung, dass hier das klassische Feld der Schuldnerberatung liegt. Sozialpädagogische Maßnahmen in diesem Bereich gehen weit über das Problemfeld Schulden hinaus. Die Probleme sind – genau wie die Lösungsansätze – komplex.

    Die Einführung der Verbraucherinsolvenz zum 01.01.1999 hat die Beratungsarbeit verändert. Es ist ein weiteres – sehr starkes – Instrument zur Regulierung des finanziellen und Stabilisierung des psychosozialen Bereiches hinzugekommen. Vor allem für gescheiterte Selbstständige, Not leidende Immobilienbesitzer und andere hoch verschuldete Ratsuchende ist die Insolvenz ein starkes Instrument, um außergerichtliche Einigungen zu erzielen – oder falls keine Einigung zustande kommt – einen Antrag zu stellen, damit eine gerichtliche Regelung erfolgt. Oft liegt in der Insolvenzerklärung die einzige Möglichkeit, dauerhaft regulierend und stabilisierend einzugreifen.

    Durch die erste InsO-Änderung im Herbst 2001 ist mit der Verfahrenskostenstundung auch ein Weg für völlig mittellose Überschuldete zum Verbraucherinsolvenzverfahren ermöglicht worden.

    Das vereinfachte Insolvenzverfahren sichert dem Antragsteller

    • gerichtliche Schuldenregulierung
    • bei akuter oder drohender Zahlungsunfähigkeit
    • nach erfolglosem außergerichtlichen Einigungsversuch
    • auf Antrag
    • bei Wohlverhalten
    • nach Einsetzung des pfändbaren und verwertbaren Vermögens
    • innerhalb von 6 Jahren nach Eröffnung
    • Restschuldbefreiung zu.

    Dies ist unabhängig von der Höhe der Schulden und der Anzahl der Gläubiger. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von weiteren Regelungen, die dem normalen Bürger die Antragstellung ohne fachkundige Hilfe unmöglich machen. Folgende Leistungen werden durch unsere Insolvenzberatung erbracht:

    • aufklärende Gespräche, ob eine Verfahrenseröffnung wirtschaftlich und psychosozial sinnvoll ist
    • Klärung, ob ein Verbraucher- oder Regelinsolvenzantrag gestellt werden muss
    • Hilfe bei der Feststellung der Gläubiger und der Schuldhöhe
    • Hilfe bei der Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuches
    • Erteilung der Bescheinigung nach Anlage 2 des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    • Hilfe beim Ausfüllen der Formulare
    • Hilfe bei der Beibringung der notwendigen Unterlagen und Angaben
    • Begleitung zu Gerichtsterminen
    • Hilfestellung bei Problemen nach der Verfahrenseröffnung

    Seit der Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens befürchten wir aber auch zunehmend eine Entwicklung der Schuldner- und Insolvenzberatung hin zur reinen finanztechnischen Beratung.

    Den Menschen und Familiensystemen, bei denen multiple Problemlagen vorliegen, wird diese Beratungsmethodik nicht gerecht. Da die materielle Krise sich mit der psychosozialen Krise verzahnt, kann die Vielschichtigkeit der Probleme erst nach intensiven Beratungsgesprächen erkannt werden. Die Ratsuchenden sind mit der Regelung ihrer finanziellen Angelegenheiten grundsätzlich überfordert und ihre psychische Verfassung ist labil. Sie bedürfen einer umfassenden Hilfe und manchmal muss eine Therapie empfohlen werden.

    Eine Schwierigkeit besteht durch den ungenügenden Zeitrahmen in der Schuldner- und Insolvenzberatung. Finanzielle Schwierigkeiten sind sehr real und auf den ersten Blick das Problemfeld. Es handelt sich bei Schulden um einen klar definierten Bereich, während die restlichen Problemlagen unklar, nebulös und schwer greifbar sind. Ziel der Beratung ist u.a. eine Verhaltensmodifikation der Ratsuchenden. Zusammen mit dem Kunden werden die Verhaltensmuster und Lebensumstände transparent gemacht, die dem Aufsuchen unserer Beratungsstellen vorgelagert sind. Eine reine Regelung der finanziellen Angelegenheiten ist in vielen Fällen nicht ausreichend und wird den multiplen Problemlagen nicht gerecht, da nur eine oberflächliche Regulierung erwirkt wird und keine dauerhafte Verhaltensänderung.

    Wir möchten an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass wir u.a. von Ratsuchenden frequentiert werden, die von unseriösen Kreditvermittlungen und Schuldenregulierern aus dem gewerblichen Bereich durch verlockende Angebote und Versprechungen finanziell ausgenutzt werden. Diese Geschäftsleute nutzen die finanzielle und psychische Notlage der Betroffenen skrupellos aus und versuchen Geschäfte mit der Armut zu betreiben. Es ist wichtig, dass sowohl die Schuldnerberatung als auch die Insolvenzberatung durch professionelle – finanzielle und sozialpädagogische – Beratungsarbeit seriös und kostenlos für die Ratsuchenden erfolgt.

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