Fortsetzung der Kaffeesatzleserei und andere Zumutungen

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Am 10. September beschrieben wir unter der Überschrift „Stimmungsmache des Kaffeesatzlesers von Forsa“, wie Umfragen für die Meinungsbildung benutzt werden und wurden. Es gab ein paar (wenige) Fragen danach, ob Umfragen wirklich so und auch geplant eingesetzt werden. Die neueste Umfrage von Forsa ist ein weiterer Beleg für den Einsatz von Umfragen zur Meinungsbildung und für die „großzügige“ zweckdienliche Interpretation. Dazu und zu einigen anderen Zumutungen. Albrecht Müller

Die Bertelsmann-Medien Stern und RTL veröffentlichen auf der Basis von Forsa-Umfragen den stern-RTL-Wahltrend. Hier ein Auszug aus der entsprechenden Meldung vom 16.9.2009:

stern-RTL-Wahltrend TV-Duell nutzt SPD und CDU
Kurios: Das TV-Duell hat beiden Volksparteien ein Plus von 2 Prozent beschert. Die Sympathiewerte des SPD-Kandidaten Steinmeier stiegen noch deutlicher an. Verlierer des stern-RTL-Wahltrends ist die Linkspartei. …
Nach dem TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier am letzten Sonntag haben Union und SPD in der Wählergunst deutlich zugelegt. Das ergab eine Blitzumfrage unter 1008 repräsentativ ausgewählten Bundesbürgern am Montag nach dem Duell für den stern-RTL-Wahltrend. Die Union, die bis Ende der vergangenen Woche bei 35 Prozent stagnierte, schnellte am Tag nach dem Duell auf 37 Prozent. Die SPD, die schon im Wochenverlauf um 1 Punkt auf 22 Prozent stieg, kletterte nach dem Duell auf 24 Prozent. …
Im Gegenzug verlor vor allem die Linkspartei. Bereits im Laufe der Woche war sie um 1 Punkt auf 13 Prozent gefallen, nach dem Duell büßte sie weitere 3 Punkte ein und sackte auf 10 Prozent ab. Die FDP, die Ende der Woche 13 Prozent erreichte, verschlechterte sich in der Blitzumfrage um 1 Punkt auf 12 Prozent. Es ist der niedrigste Wert für die Liberalen in diesem Jahr – im Februar hatten sie im stern-RTL-Wahltrend ihren Höchstwert von 18 Prozent erzielt. Für die Grünen stimmten wie zuvor 10 Prozent, auf “sonstige Parteien” entfielen 6 Prozent.
Quelle: Stern

Kurios ist vor allem das Ergebnis und die Interpretation dieser Umfrage.
Es wurden 1008 Personen befragt. Das ist nicht viel. Es muss mit einer Fehlerquote von plus /minus 3 % gerechnet werden. Siehe dazu eine Analyse der Verlässlichkeit von Umfragen im Tagesspiegel vom 13. September:

Bei der üblichen Anzahl von rund 1000 Befragten ist eine Fehlerquote von plus/minus drei Prozent vorausgesetzt. Ergibt eine Umfrage etwa ein Ergebnis von 40 Prozent für eine Partei, muss von einem tatsächlichen Ergebnis ausgegangen werden, das zwischen 37 und 43 Prozent liegt. Je mehr Menschen befragt werden, desto kleiner wird die Fehlerspanne.
Quelle: Tagesspiegel

Eine Veränderung von 2 % wird von Forsa und Stern/RTL jedoch als eine relevante Verbesserung der Position von CDU/CSU und SPD interpretiert und gleich auch noch dem Fernsehduell vom vergangenen Sonntag zugerechnet. Hier ist deutlich erkennbar, dass die Umfragenden und die veröffentlichenden Medien offensichtlich einen Mitzieheffekt auslösen wollen. Wollten sie dies nicht, dann hätten sie sich mit der Interpretation einer 2%igen Veränderung zurückhalten müssen.
Vermutlich ist auch das Minus von 4 % für die Linkspartei der Versuch, die ansteigende Sympathie, die die saarländischen und thüringischen Wahlen gezeigt haben, zu brechen.
Den großzügigen bis manipulativen Umgang mit solchen Umfragen können wir diesen Medien nicht versagen. Wir können uns aber davor schützen, solches zu glauben.

Andere Zumutungen:

  • Die CSU kommt 10 Tage vor der Wahl mit einem Wirtschafts-Sofortprogramm. Ein reiner Profilierungsversuch.
  • SPD-Arbeits- und Sozialminister Scholz kommt 11 Tage vor der Wahl mit der Einsetzung einer Mindestlohn-Kommission, z.B. hier. Daran ist nicht nur ärgerlich, dass es um eine Wahlkampfshow geht. Für jeden Kenner muss es auch befremden, dass ein solches Gremium von einem SPD Politiker geleitet wird, von Klaus von Dohnanyi, der schon seit Jahren weit weg ist von sozialdemokratischen Wertvorstellungen, von den Interessen der Arbeitnehmer sowieso.
  • EU-Kommissionspräsident Barroso ist wiedergewählt worden. Eine echte Zumutung.

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