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Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: ” Paul Kirchhof gegen EU-Transferzahlungen; The Lonely Fight of Monetary Dogmatist Axel Weber; Deutschland ist EU-Schlusslicht beim Lohnplus; Behinderung ist nicht modern; Die Bimbesrepublik; Nächstes Milliardengeschenk für Unternehmen; Das Ende von bauer druck köln; Deutsche Telekom: Außen- versus Innendarstellung; Kreditkartenfirmen: Ku-Klux-Klan ja, Wikileaks nein; Euthanasie: Wir haben geschwiegen!; Druck aus Peking. (KR)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. “Wir müssen den Euro stabilisieren” – Paul Kirchhof gegen EU-Transferzahlungen
  2. Row Over ECB Handling of Euro Crisis : The Lonely Fight of Monetary Dogmatist Axel Weber
  3. Das Kapital: Die Konjunkturlokomotive Europas
  4. Lucas Zeise: Die Zweifel der Euro-Schuldner
  5. Deutschland ist EU-Schlusslicht beim Lohnplus
  6. Behinderung ist nicht modern
  7. Die Bimbesrepublik
  8. Nächstes Milliardengeschenk für Unternehmen
  9. Das Ende von bauer druck köln
  10. Deutsche Telekom: Außen- versus Innendarstellung
  11. Sicherungsverwahrung: Im neuen Gefängnis ist es zu eng
  12. Opposition nutzt Debatte um Grotelüschen für Forderung nach Mindestlohn
  13. Ärzte verdienen prächtig an Zusatzleistungen
  14. Kreditkartenfirmen: Ku-Klux-Klan ja, Wikileaks nein
  15. Euthanasie: Wir haben geschwiegen!
  16. Migrantenkinder im Pisa-Test: Aufholjagd der Abgehängten
  17. Britische Studenten liefern sich Handgemenge mit der Polizei
  18. Ärzte in Tschechien: Kündigungswelle – Ab nach Deutschland
  19. EU rügt tschechischen Penistest an Asylbewerbern
  20. Druck aus Peking
  21. Ein Bürgerrechtler in China

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. “Wir müssen den Euro stabilisieren” – Paul Kirchhof gegen EU-Transferzahlungen
    Paul Kirchhof im Gespräch mit Jürgen Liminski.
    Die EU sei auf dem Weg zu einer Transferunion, “obwohl der Unionsvertrag diesen Weg nicht vorgibt”, meint der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof und warnt gleichzeitig vor einer europäischen Finanz- und Wirtschaftsregierung.
    “Europa brennt!”, so überschreibt der Spiegel diese Woche seine Titelgeschichte, und jüngst hatte die Wirtschaftswoche auf ihrer ersten Seite eine Totenanzeige auf den Euro präsentiert, auch in den Wirtschaftsredaktionen der großen Tageszeitungen wächst spürbar die Skepsis über die Gemeinschaftswährung. Aber gibt es überhaupt eine Alternative? Für die Politik ist offenbar keine zu sehen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist sogar bereit, über eine weitgehende Europäisierung der nationalen Finanzpolitik innerhalb der Eurozone zu verhandeln und das Budgetrecht des Deutschen Bundestags an die EU abzutreten. Sind wir über die Währungsunion auf dem Weg in den europäischen Bundesstaat? Gibt es eine Alternative zu den Schulden? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich Professor Paul Kirchhof, den früheren Bundesverfassungsrichter und heutigen Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht der Universität Heidelberg. Guten Morgen, Herr Kirchhof.
    Quelle: DLF

    Anmerkung des NDS-Unterstützers G.G.: Kirchhof sagt allen Ernstes (und ohne Widerspruch durch den Interviewer), “die überhöhte Staatsverschuldung ist der Kern des Übels. (…) Wenn wir uns mal einen Moment vorstellen, wir hätten diese europaverbindlichen Normen beachtet – wir hätten fast keine Finanzkrise. Also man muss in dieser Situation schon darüber nachdenken, dass der Schutz des Rechts in seiner Verbindlichkeit ein Schutz gegen Fehlentwicklungen und insbesondere gegen ökonomische Torheit ist.”
    Wie ignorant darf “der Professer aus Heidelberg” (Gerhard Schröder), der mal Finanzminister werden sollte, eigentlich sein – ohne wegen erwiesener Inkompetenz ausgelacht zu werden, wenn er nicht nur kein Wort über die Ursachen, den Anstieg der Staatsverschuldung infolge der Bankenkrise, verliert, sondern neoliberales Geschwätz in Reinkultur auch noch mit moralischem Impetus krönt: “Wir müssen die Staatsaufgaben überprüfen, alle. Wir müssen den Bürger der Erwartung entwöhnen, er könnte alle seine Finanzprobleme durch Griff in die Staatskasse lösen. Wir haben gegenwärtig die Entwicklung, dass die Menschen hoffen, vom Staat Geld zu bekommen. Sie verdichten diese Hoffnung zu einem Rechtsanspruch. Sie setzen diesen Rechtsanspruch notfalls mithilfe der Gerichte durch. Gleichzeitig flüstern ihnen die Parteien und Verbände ein, es könnte mehr sein, der Anspruch könnte höher sein. Dann haben die Bürger ihr Geld vom Staat bekommen und sind trotzdem unzufrieden, weil es ja mehr sein könnte. Dieses System entsolidarisiert, dieses System nimmt dem Staatsvolk die gemeinsame Mitte des Staatsverständnisses als eines schlanken Staates, der vor allem Recht gibt, also dem Bürger im Gesetz seine Rechte gibt, aber weniger Geld gibt. Wir müssen diesen aufgeblähten Staat, diese Bereitschaft, über unsere Verhältnisse zu leben, zulasten unserer Kinder, stoppen und nicht Rettungsschirme aufbauen, die dieses zu viel, dieses Übermaß, dieses Leben über die gegenwärtig möglichen Verhältnisse fördern und weiter voranschreiten lassen.” Das muss man wirklich Satz für Satz “genießen”. Unfassbar! Und der DLF-“Interviewer” bedankt sich artig für den Monolog.

  2. Row Over ECB Handling of Euro Crisis : The Lonely Fight of Monetary Dogmatist Axel Weber
    The head of the German central bank, Axel Weber, is openly critical of the way the European Central Bank has handled the euro’s debt woes. He is fighting to uphold purist monetary principles that are untenable in the current crisis. His chances of succeeding Jean-Claude Trichet as ECB chief are waning as a result.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung GG: Dazu passt das Verdikt von Helmut Schmidt „Im tiefsten Herzen sind die Bundesbanker Reaktionäre. Sie sind gegen die europäische Integration … Sie denken nicht wirklich liberal. Sie neigen dazu, zu sehr nach nationalen Interessen zu agieren und zu reagieren, und haben die strategische Notwendigkeit der europäischen Integration nicht verstanden.“

  3. Das Kapital: Die Konjunkturlokomotive Europas
    Ein kleiner, selbstredend unvollständiger Zwischenstand zur Inlandsnachfrage in Deutschland, auf die inzwischen ganz Europa hofft.
    Quelle: FTD
  4. Lucas Zeise: Die Zweifel der Euro-Schuldner
    Das Interesse der Staaten an der Gemeinschaftswährung ist nicht mehr so selbstverständlich wie einst. Nun ist kontrollierter Schuldenschnitt nötig – sonst wird die Union keinen Bestand haben.
    Der Rettungsfonds reicht nicht, um die Währungsunion zu erhalten. Er stellt lediglich eine Fristverlängerung zur Bewältigung der tiefen Krise dar. Diese Erkenntnis der Bundesregierung stammt aus dem Mai dieses Jahres, als es um Griechenland ging. Sie ist eine ihrer wenigen richtigen Stellungnahmen zum Thema. Nun ist die Frist mit dem Fall Irland zum zweiten und sicher nicht letzten Mal verlängert worden. Der Plan, die Konditionen der Staatsanleihen ab 2013 zu ändern, um den Kanzlerin und Finanzminister so viel Wind machen, kann nicht ernsthaft als Versuch gelten, diese Krise in den Griff zu bekommen. Also stellt sich unverändert die Frage, ob und wie die Euro-Währungsunion Bestand haben kann. […]
    Zur Rettung der Währungsunion reichen Überbrückungshilfen nicht aus. Ein Schuldenschnitt für die überschuldeten Staaten ist unvermeidlich. Er muss allerdings kontrolliert ablaufen und für die betroffenen Länder erträglich sein. Damit die Währungsunion attraktiv bleibt, sollten die Mittel des Rettungsfonds verwendet werden, um die Boykottperiode der Anleger so lange zu überbrücken, bis der Staat wieder kapitalmarktfähig wird.
    Der Anleihemarkt rechnet ohnehin mit einer solchen Umschuldungsaktion. Damit ist auch ein großer Teil ihrer negativen Wirkungen bereits vorweggenommen. Ist der Schuldenschnitt getan, fängt die Reform des Euro erst an. Ohne eine Koordination der Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, die Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der Euro-Zone abzubauen, hat der Euro keine Zukunft.
    Quelle: FTD
  5. Deutschland ist EU-Schlusslicht beim Lohnplus
    Entwickelt sich Deutschland zum Paradies für Arbeitgeber? Löhne und Gehälter sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich langsamer gestiegen als im Rest Europas. Grund dafür ist auch der steigende Anteil von Beschäftigten in prekären Jobverhältnissen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung KR: Woran es wohl liegen mag, dass es so viele prekäre Jobs gibt – danach fragt der SPIEGEL nicht. Kein Wunder, gehörte er doch selbst lange zu den Einpeitschern der Prekarisierungspolitik, siehe z.B. dieser NDS-Artikel von 2004: “Sei rüde, sei ehrlich, mach es schnell”.

  6. Behinderung ist nicht modern
    Die Neuregelung der Hartz IV-Regelsätze wird behinderte Menschen benachteiligen. Das ist nicht überraschend: das ist nur konsequent! Das Sozialgesetzbuch II fragt eben nicht in erster Linie nach Bedürfnissen und individuellen Lebenssituationen, es interessiert sich wenig für die jeweilige Lebenswirklichkeit der Hilfebedürftigen, sondern es stellt in erster Linie die bestmögliche Verwurstbarkeit des Transferbeziehers in den Mittelpunkt.
    Quelle: Ad sinistram
  7. Die Bimbesrepublik
    Peinlich, peinlich: Der FDP steht schon wieder eine häßliche Parteispendenaffäre ins Haus. Diesmal geht es um die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) und satte Zuwendungen an die Freidemokraten im zeitlichen Umfeld einer Gesetzesinitiative zum Anlegerschutz. Die vorerst letzte von drei Großspenden innerhalb weniger Monate bescherten der Finanzvertrieb und dessen Tochter Allfinanz den Liberalen am 9. November. 60000 Euro gingen dabei auf dem FDP-Konto ein, zuvor waren es 65000 Euro im August und 75000 Euro im Juli. Formal erfolgten die Zahlungen ganz legal. Auffällig ist nur, daß im fraglichen Zeitraum die von der Koalition großangekündigte »Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen« zu einer– wie die SPD meint– »bedingungslosen Kapitulation vor den Anbietern von Finanzprodukten geschrumpft« ist. Summen in ähnlicher Größenordnung flossen an die CDU.
    Quelle: Junge Welt
  8. Nächstes Milliardengeschenk für Unternehmen
    Der Koalitionsausschuss mit den Spitzen von Union und FDP hat am Donnerstagabend einen 41-Punkte-Plan mit Steuervereinfachungen beschlossen. Die Bürger sollen insgesamt um rund 590 Millionen Euro entlastet werden. Nach Angaben des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) profitiert allerdings etwa die Hälfte der Arbeitnehmer von der Steuerentlastung überhaupt nicht.
    Wie die “Süddeutsche Zeitung” berichtete, sollen darüber hinaus die Unternehmen durch eine Vereinfachung des Steuerrechts um mehr als viereinhalb Milliarden Euro entlastet werden.
    Quelle: ZDF
  9. Das Ende von bauer druck köln
    Er zählt zu den reichsten Leuten der Republik. Das Vermögen des Verlegers Heinz Bauer wird aktuell auf etwa vier Milliarden Euro geschätzt. Diesen Reichtum haben Tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in seinen Betrieben erarbeitet. Eine soziale Verpflichtung hat Bauer daraus nicht entwickelt. Die von ihm abhängig Beschäftigten werden geheuert und gefeuert wie es sein Gewinnstreben erfordert.
    Nun hat Heinz Bauer wieder Arbeitsplätze vernichtet. Sein Tiefdruckbetrieb In Köln wird Ende Dezember geschlossen. Rund 350 Beschäftigte werden in die Arbeitslosigkeit entlassen.
    Quelle: NRHZ
  10. Deutsche Telekom: Außen- versus Innendarstellung
    Leser M.G. schrieb uns: „Während man in Österreich oder Frankreich schon mal den Personalvorstand austauscht, wenn die Mitarbeiter unter deren Vorgehen leiden, so gibt es für das mitarbeiterfeindliche Verhalten der Telekom in unserem Absurdistan sogar einen Preis:

    1. Deutsche Telekom erhält Gesundheitspreis (11/2010)
      Die Deutsche Telekom wurde in Berlin mit dem “Corporate Health Award” ausgezeichnet. Das Unternehmen wurde zum Sieger in der Kategorie Dienstleistung/IT/Kommunikation gekürt. Der Corporate Health Award zeichnet Unternehmen aus, die sich in besonders vorbildhafter Weise für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter einsetzen. Er steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und wird zum zweiten Mal von Handelsblatt, EUPD Research und TÜV SÜD Life Services in insgesamt sechs Kategorien verliehen.
      Die Jury versteht die Auszeichnung für die Deutsche Telekom als “Anerkennung für die außerordentlichen Bemühungen” des Unternehmens “um die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der eigenen Mitarbeiter
      Quelle: Telekom

      Wie lässt sich das mit ihrem tatsächlichen Vorgehen vereinbaren? Siehe Verdi 11/2010:

    2. Telekom: Standortschließung in großem Maßstab geplant – Familienfeindlicher Plan
      Läuft alles nach Plan, müssen sich rund 5000 Telekom-Mitarbeiter in den kommenden zwei Jahren auf deutlich längere Fahrtzeiten zur Arbeit oder einen Umzug einstellen. Wieder einmal am stärksten betroffen sind Teilzeitkräfte − überwiegend Frauen −, Schwerbehinderte und Alleinerziehende. Mit ihrem familienfeindlichen Vorhaben verletzt die Telekom den Grundsatz der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
      Lothar Schröder, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für den Bereich Telekommunikation, hält die Telekom für unglaubwürdig: “Es geht nicht um eine Optimierung der Strukturen, sondern darum, Menschen auf dem kalten Weg der Arbeitsplatzverlagerung aus dem Unternehmen zu drängen.” – Ein Trick mit Methode: Beim vergleichbaren Konflikt um die Callcenter der Telekom-Kundenservicesparte verließen bis heute etwa 1000 Mit­ar­bei­ter/innen das Unternehmen.
      Quelle: Verdi

      Noch einmal Leser M.G.: Da werden unter den Augen des Arbeits- und Finanzministeriums langjährige Mitarbeiter aus dem Konzern gedrängt. Es ist eher angebracht, von systematischem Bossing unter staatlicher Aufsicht zu sprechen.
      Wie sagt Personalvorstand Thomas Sattelberger: “Psychosoziale Schieflagen betreffen selten nur den einzelnen Mitarbeiter. Sie können gravierende Ursachen wie Auswirkungen in ganzen Teams, ganzen Bereichen haben. Wer da weg schaut, darf sich nicht wundern, wenn das Unternehmen von innen heraus krankt.”

  11. Sicherungsverwahrung: Im neuen Gefängnis ist es zu eng
    Die neuen europäischen Regeln zur Unterbringung besonders gefährlicher Straftäter in der Sicherungsverwahrung könnten für Sachsen-Anhalt teuer werden. Justizministerin Angela Kolb (SPD) sagte, die bisherige Unterbringung der Betroffenen aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen in der neuen Haftanstalt Burg (Jerichower Land) stehe in Frage. Die Anstalt könne nicht so umgebaut werden, wie es nötig wäre, um die Hafträume den neuen Anforderungen anzupassen.
    In diesem Zusammenhang äußerte sich die Justizministerin grundsätzlich kritisch zum Bau- und Betreibermodell des Burger Gefängnisses. Zwar kümmere sich der Betreiber um alle technischen Probleme, jede Änderung im Betrieb der Anstalt müsse aber Bestandteil des umfangreichen Vertrages mit dem Betreiber sein oder neu ausverhandelt werden. Die Anstaltsleitung sei damit überfordert, man habe deshalb einen Mitarbeiter im Justizministerium abstellen müssen, der sich um diese Detailfragen kümmert. Aus diesem Grund würde sie “ein weiteres PPP-Modell im Strafvollzug eher verneinen”, so Kolb.
    Quelle: Mageburger Zeitung

    Anmerkung KR: Private machen alles besser, schneller, effizienter und günstiger, wurde uns jahrelang erzählt. Doch wie z.B. beim Neubau der A1 stellt sich nun auch in diesem Fall heraus, dass PPP die in der Praxis fast immer notwendigen Änderungen erschwert und verteuert.

  12. Opposition nutzt Debatte um Grotelüschen für Forderung nach Mindestlohn
    Die Opposition im niedersächsischen Landtag hat die Debatte um mögliches Lohndumping im Umfeld von Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU) am Mittwoch erneut zur Forderung nach Einführung eines Mindestlohns genutzt.
    Hintergrund der Debatte sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen eine Putenschlachterei aus Wildeshausen wegen des Verdachts der illegalen Arbeitnehmer-Überlassung. Die vom Ehemann der Landwirtschaftsministerin geführte Mastputen-Brüterei Ahlhorn ist an dem Schlachtbetrieb beteiligt. Grotelüschen hatte die Zahlung von fünf Euro Lohn pro Stunde anschließend in einem Fernsehinterview in Ausnahmefällen als “akzeptabel” bezeichnet.
    Quelle: T-online-Nachrichten

    Anmerkung KR: Siehe dazu auch die letzten Minuten dieser Panorama-Sendung.

  13. Ärzte verdienen prächtig an Zusatzleistungen
    Das Geschäft mit Extra-Behandlungen wie Ultraschall beschert Ärzten hohe Einnahmen. Laut AOK bieten sie diese deshalb auch eifrig an.
    Quelle 1: Welt
    Quelle 2: Wissenschaftliches Institut der AOK [PDF – 125 KB]

    Anmerkung Martin Betzwieser: Bei Sozialstaatsreformen gibt es immer jemanden, der an Kürzungen verdient.

    Anmerkung KR: Der WELT-Artikel ist arg kurz. Der Text des Wissenschaftlichen Instituts der AOK lohnt einen Blick.

  14. Kreditkartenfirmen: Ku-Klux-Klan ja, Wikileaks nein
    Visa und Mastercard sperren seit Tagen alle Spenden an Wikileaks, radikale Organisationen dürfen weiter mit den Diensten der Unternehmen rechnen. Jetzt liefert Wikileaks neue Munition: Die USA sollen Lobbyarbeit geleistet haben – für Visa und Mastercard.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung Martin Betzwieser: Der umformulierte Werbeslogan spricht für sich. “Pressefreiheit ist unbezahlbar, für alles andere gibt es Mastercard.”

  15. Euthanasie: Wir haben geschwiegen!
    Deutsche Psychiater haben während des „Dritten Reichs“ aktiv die Sterilisierung und Tötung von psychisch Kranken und körperlich Behinderten betrieben. Das wurde lange Zeit beschwiegen. Jetzt endlich ist das Schuldbekenntnis erfolgt.
    „Im Namen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde bitte ich Sie, die Opfer und deren Angehörige, um Verzeihung für das Leid und Unrecht, das ihnen in der Zeit des Nationalsozialismus im Namen der deutschen Psychiatrie und von deutschen Psychiaterinnen und Psychiatern angetan wurde, und für das viel zu lange Schweigen, Verharmlosen und Verdängen der deutschen Psychiatrie in der Zeit danach.“
    Quelle: FAZ
  16. Migrantenkinder im Pisa-Test: Aufholjagd der Abgehängten
    Selten ist über gehobenes Mittelmaß so viel gejubelt worden wie bei der Verkündung der jüngsten Pisa-Ergebnisse: Mit Begriffen wie “in die erste Liga aufgestiegen”, “richtigen Weg eingeschlagen”, “Hausaufgaben gemacht”, “der Bildungsrepublik ein ganzes Stück näher gekommen” wurde das Abschneiden der deutschen Schüler kommentiert. Wirklich bemerkenswert aber sind die Riesensprünge der sozial benachteiligten Schüler – vor allem jener aus Zuwandererfamilien. Zumal diese Gruppe größer geworden ist: Bei der ersten Pisa-Runde stammte gerade mal bei 22 Prozent der Teilnehmer mindestens ein Elternteil aus dem Ausland, diesmal haben bereits 26 Prozent einen Migrationshintergrund. Gut anderthalb Schuljahre (64 Pisa-Punkte) hinkten Zuwandererkinder noch bei Pisa 2000 in puncto Lesen hinterher. Jetzt ist der Rückstand auf ein Jahr zusammengeschmolzen (44 Punkte). Noch größer sind die Sprünge der Kinder, deren Eltern beide im Ausland geboren sind: Sie holten fast ein ganzes Schuljahr auf. Sie schneiden zwar noch immer um 56 Punkte schlechter ab als gleichaltrige Einheimische, vor zehn Jahren allerdings betrug der Abstand noch 84 Punkte. Wie aber konnte diese Aufholjagd gelingen? “Die Ursachen der positiven Entwicklung kann Pisa nicht identifizieren”, sagt Pisa-Forscher Eckhard Klieme.
    Bereits im Sommer hatte eine Studie mit dem gängigen Vorurteil aufgeräumt, dass türkische Eltern Bildung weniger schätzen: Bei gleicher Leistung und sozialer Herkunft wechseln türkische Kinder demnach sogar häufiger auf die Realschule oder das Gymnasium als deutsche. Für Schüler mit vietnamesischen Wurzeln gilt das ohnehin – sie fallen mit besonders guten Leistungen auf und wechseln nach der Grundschule deutlich häufiger als ihre deutschen Mitschüler aufs Gymnasium. Auch die Lernfreude von Einwandererkindern ist oft höher, das zeigt eine Studie des Jenaer Bildungsforschers Carsten Rohlfs. “Schüler mit Migrationshintergrund scheinen im geringeren Maße resigniert zu haben als andere Jugendliche, die sich weit häufiger unter Druck gesetzt fühlen”, sagt er. Die Pisa-Forscher bestätigen jetzt, dass sich die Lesekompetenz der türkischstämmigen Jugendlichen verbessert hat, wenn auch nur geringfügig.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ist das nun für Sarrazin -Anhänger eine gute oder eine schlechte Nachricht? Freuen sich nun, dass Deutschland durch seinen Migrationshintergrund doch nicht abgeschafft wird oder trauern sie über die allmähliche Abschaffung ihres Feindbildes?

  17. Britische Studenten liefern sich Handgemenge mit der Polizei
    Hunderte von britischen Studenten habe am Donnerstagnachmittag versucht, das Unterhaus zu stürmen. Ihr Protest richtet sich gegen die drastische Erhöhung der Studiengebühren. Die Studenten waren Teil der inzwischen dritten Großdemonstration gegen die drastische Erhöhung der Studiengebühren; schätzungsweise 30.000 Studenten waren auf die Straße gegangen. Die Polizei hatte gewarnt, Anarchisten könnten die Demonstration unterlaufen. Im Unterhaus wurde das Gesetz am Abend mit einer Mehrheit von 21 Stimmen verabschiedet. Auch mehrere Abgeordnete der konservativ-liberalen Koalition verweigerten ihre Zustimmung. Die Studenten draußen kündigten weiteren Widerstand an: „Wir werden die Abstimmung vielleicht verlieren, aber dieser Kampf wird nach Weihnachten weitergehen und wir werden ihn gewinnen“, warnte der Präsident der Studentengewekschaft NUS, Aaron Porter. Er erinnerte an die „Poll Tax“-Krawalle 1989, die ebenfalls zur Rücknahme einer Politik führten, die im Parlament bereits beschlossen worden war.
    Quelle: Tagesspiegel
  18. Ärzte in Tschechien: Kündigungswelle – Ab nach Deutschland
    An den Krankenhäusern in Tschechien hat am Montag eine Welle von Kündigungen eingesetzt, die das Gesundheitswesen des Landes und damit auch die Patienten in große Bedrängnis bringen könnte. Hunderte vorwiegend junge Ärzte erklärten, sie wollten ihren Dienst quittieren. Sie folgten damit einem Aufruf ihrer Gewerkschaft, der Tschechischen Ärzte-Union, die mit den Massenkündigungen eine massive Erhöhung der Gehälter durchsetzen will. Unter dem Motto “Danke, wir gehen” drohen die Ärzte, nach Deutschland und in andere westeuropäische Länder abzuwandern, wo sie wesentlich besser bezahlt werden.
    Der Vorgang erregt bereits seit Monaten in Tschechien und anderen mittel- und osteuropäischen Staaten großes Aufsehen, weil dort ein Massenexodus einheimischer Ärzte und Krankenschwestern im Gange ist. Sie werden von westlichen Krankenhäusern und Instituten umworben und mit höheren Gehältern sowie angenehmeren Arbeitsbedingungen gelockt. Erst vor vier Wochen fand in Prag eine Jobmesse statt, bei der sich 32 Kliniken aus Deutschland und eine aus Österreich präsentierten. Sie boten den mehr als 5000 tschechischen Ärzten, die die Veranstaltung besuchten, Monatsgehälter zwischen 3700 und 4500 Euro an. Das ist etwa das Doppelte dessen, was heute im tschechischen Gesundheitswesen bezahlt wird.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die Aktion der Tschechischen Ärzte-Union hat mehrere Aspekte. Zunächst geht es um das Sparpaket der konservativ-liberalen Koalitionsregierung, welches für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes Einkommenskürzungen um zehn Prozent vorsieht. Auch wenn die Beschäftigten des Gesundheitswesens bis jetzt davon ausgenommen sind, die Einkommenssituation der Tschechische Ärzte ist miserabel. Die Angaben zum Einkommen der tschechische Ärzte ist im obengenannten Bericht sind missverständlich. Ein ausgebildeter Facharzt verdient ohne Überstunden 800 €, das ist weniger als der tschechische Durchschnittslohn (950 €). Eigentlich geht es darum, dass die in den Zugang zum EU-Binnenmarkt erhofften Effekte nicht eingetreten sind. Osteuropa hat zu Kerneuropa keineswegs aufgeschlossen und ist weiterhin extrem abhängig von der Konjunktur Westeuropas, wie z.B. der Einbruch der Industrieproduktion Tschechiens um 14 Prozent in 2009 zeigt. Nach Berechnungen des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) würden unter den osteuropäischen Ländern gerade mal Slowenien und die Slowakei im Jahre 2030 beim BIP- pro-Kopf-Einkommen den EU-27-Durchschnitt (nicht Kerneuropas) erreichen – unter der sehr heroischen Annahme einer 50 Prozent höheren Wachstumsrate als die EU-27. Hinzukommt, dass Osteuropa als verlängerte Werkbank Westeuropas mehr Facharbeiter benötigt als “Studierte”, was u.a. auch die Einkommenssituation von Ärzten und anderen Akademikern erklärt.
    Ein weiterer Aspekt ist der weltweite Krieg der Talente, in dem es die Industrieländer kaum kümmert, dass sie mit ihren Lockangeboten viele Volkswirtschaften ihres Humankapitals berauben. In Tschechien haben im ersten Halbjahr 2010 bereits soviel Ärzte ihre Heimat verlassen wie im gesamten Jahr 2009. In Lettland ist infolge der von der EU und IWF geforderten Sparmaßnahmen das Gesundheitssystem zusammengebrochen. Ärzte und Pflegekräfte verlassen massenweise das Land. Einmal abgesehen von den Verlusten für diese Länder, sind selbst dem Kalkül des kerneuropäischen Exportkapitals, in diese Länder zu expandieren, unter diesen Umständen Grenzen gesetzt. Solange die Arbeitskosten in Osteuropa noch weit unter denjenigen Kerneuropas liegen (siehe die jüngste Übersicht des Statistischen Bundesamts), sind dies für die Nachfrage nach Waren aus der Union schlechte Nachrichten.

  19. EU rügt tschechischen Penistest an Asylbewerbern
    Wer in Tschechien behauptet, wegen Homosexualität in seinem Heimatland verfolgt zu werden, musste sich bislang einem merkwürdigen Test unterziehen. Den Asylbewerbern wurden heterosexuelle Pornofilme gezeigt – und dabei wurde ihnen der Blutfluss zum Penis gemessen. Damit sollte nach Angaben der Behörden überprüft werden, ob die Asylbewerber in Wahrheit heterosexuell sind. Nun hat die EU Tschechiens Behörden wegen der Penis-Kontrollen kritisiert. Sie seien für die Asylbewerber entwürdigend und verstießen mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die Grundrechtecharta der EU, schrieb die EU-Grundrechteagentur in einem Bericht. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte am Donnerstag, die “phallometrischen Tests” würden seit Beginn dieses Jahres nicht mehr ausgeführt. Doch das Verfahren scheint noch seine Verteidiger zu finden. Tschechiens Innenminister Radek John sagte noch am Mittwoch im tschechischen Rundfunk, die Asyl-Bewerber müssten den tschechischen Behörden eben überzeugend beweisen können, dass sie Homosexuelle sind. Andernfalls hätte der Betroffene keinen Anspruch auf Asyl. Wer sich beklage, “soll doch in ein Land gehen, wo diese Tests nicht durchgeführt werden, und dort Asyl beantragen”, sagte John.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass Osteuropa noch manches von der Alt-EU trennt, was sich nicht durch den Binnenmarkt regelt. Während nach der Wende, Anfang der 90er Jahre, auch unter Homosexuellen eine gewisse Aufbruchsstimmung herrschte, hat sich inzwischen die Situation wieder verschlechtert. Geht die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin an der Mehrheit der dortigen Bevölkerung vorbei, dürften sich Ausgrenzungstendenzen gegen Homosexuelle u.a. verstärken. Nicht zu dulden ist seitens der EU, wenn die Politik in diesen Ländern  sich nur formal an die Antidiskriminierungsrichtlinien des EU-Rechts halten. So gab unter der konservativen Regierung in Polen einen Erlass, der Lehrern verbot, Homosexualität im Unterricht überhaupt nur zu erwähnen.

  20. Druck aus Peking
    Bei der Verleihung des Friedensnobelpreises am kommenden Freitag in Oslo werden zahlreiche Staaten nicht vertreten sein. Wie das norwegische Nobelkomitee am Dienstag bekanntgab, werden neben China 18 weitere Länder die Zeremonie boykottieren. Peking habe eine aktive Kampagne betrieben, um die Vergabe des Preises für den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo zu untergraben, teilte das Komitee mit. Das Nobelpreiskomitee erklärte, dass neben China folgende Länder nicht bei der Zeremonie dabei sein werden: Russland, Kasachstan, Ukraine, Serbien, Afghanistan, Pakistan, Vietnam, die Philippinen, Iran, Irak, Saudi-Arabien, Ägypten, Sudan, Marokko, Tunesien, Kolumbien, Venezuela und Kuba. Vertreter von 44 Staaten sagten zu, aus Algerien und Sri Lanka gab es keine Reaktion auf die Einladung nach Oslo.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Unbestritten hat China Druck ausgeübt, allerdings dürfte dieser für die oben genannten Länder nicht ausschlaggebend gewesen sein. Es sind Länder, die mit freier und kritischer Meinungsäußerung nichts am Hut haben und wahrscheinlich sogar dankbar sind, dass einer der Großen die Preisverleihung als Einflussnahme auf innere Verhältnisse verurteilt.

  21. Ein Bürgerrechtler in China
    Hier stehe ich, ich kann nicht anders. So hat Liu Xiaobo immer gehandelt. Ob das nun richtig war oder nicht. Es geht nicht darum, was Liu Xiaobo alles gesagt hat, was alles fragwürdig ist an seinen Schriften und Meinungen. Es geht darum, wofür er seit über zwanzig Jahren steht. Nein, das ist nicht hauptsächlich Privatisierung und hat mit links oder rechts wenig zu tun. In seinen Aktionen in China steht Liu Xiaobo für Aufarbeitung ein, für eine schonungslose Aufarbeitung der Zeitgeschichte. Für Redefreiheit, Versammlungsfreiheit und andere Grundrechte, die auch die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) immer wieder garantiert hat. 1945 und 1948, vor der Gründung der Volksrepublik, und in der heute gültigen Verfassung.
    Quelle: TAZ

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