Es gibt PR-Journalisten, PR-Wissenschaftler, PR-Schriftsteller, abrufbare PR-„Persönlichkeiten“ und Medien, die die PR-Geschichten transportieren

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Immer wieder bekommen wir Anschauungsmaterial für diese Beobachtungen frei Haus geliefert: Gestern Abend im heute journal zum Beispiel den so genannten Wissenschaftler Herfried Münkler mit dem Versuch, Angela Merkel herauszuschlagen, gestern am Tage den deutschlandweit bekannten Bernd Raffelhüschen, immer zur Stelle, wenn es um die Privatisierung sozialer Sicherungssysteme geht, vor ein paar Tagen den Schriftsteller Peter Schneider und täglich ein Sortiment von PR-Journalisten bei Spiegel Online und anderen Medien. Albrecht Müller.

Wir machen darauf aufmerksam, damit Sie auf die PR Geschichten nicht herein fallen und damit Sie Ihre Freunde und Bekannten auf dieses Unwesen aufmerksam machen. Manch einer hat ja schon gemerkt, dass Journalisten sich für PR-Geschichten einspannen lassen. Dass sich auch Wissenschaftler und Schriftsteller und andere so genannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Kampagnen der Meinungsbildung einbringen oder eingebracht werden, ist vielen unter uns nicht bewusst. Deshalb die folgenden aktuellen Beispiele und vorweg noch ein paar Hinweise zum Hintergrund:

PR ist nicht neu aber wohl enorm gewachsen

Zum ersten Mal wurde ich damit konfrontiert, als mir 1969 die Mitarbeiterin eines befreundeten Bonner Journalisten andeutete, dass das Gehalt ihres Chefs als Korrespondent seiner Zeitung nur das Zubrot sei. Die Hauptsache verdiene er durch das Schreiben von Geschäftsberichten, Broschüren anderer Art und durch Moderation von Veranstaltungen bei Unternehmen und Verbänden. Die Honorare für das Schreiben der Texte waren dabei so üppig, dass man sie nicht als Honorare für die Texte betrachten konnte, sondern als Entgelt für eine freundliche Berichterstattung und Kommentierung in den Medien, für die er arbeitete.

Ich wurde dann ein zweites Mal am Jahresende 1969 damit konfrontiert, als ich die Leitung der Öffentlichkeitsarbeit der SPD übernahm und mein Vorgänger mir ans Herz legte, mit den gewaltigen Zahlungen an einen Agenturjournalisten fortzufahren, mit denen er zu Beginn des Wahlkampfes 1969 begonnen hatte. (Ich bin diesem Ratschlag übrigens nicht gefolgt.)

Inzwischen hat die Bedeutung von Public Relations gewaltig zugenommen. Darauf wurde im Laufe der jüngeren Geschichte immer wieder hingewiesen. Aus meiner Sicht am eindrucksvollsten von dem Sozialwissenschaftler McChesney in seinem Werk „Rich Media Poor Democracy“. Er beschreibt dort das Zusammenspiel von Wallstreet und Madison Avenue – ein Zusammenspiel, dessen Opfer die amerikanische und deutsche Politik bis heute ist, eben unfähig zu einer Zähmung der spekulierenden Finanzwirtschaft.

Heute muss man sich die Abläufe leider so vorstellen, dass die Presse- und Informationsarbeit zum Beispiel von großen Verbänden, von Unternehmen der Energiewirtschaft und der Finanzwirtschaft und beispielsweise der Bundesregierung eng mit Public Relations Agenturen und PR-Journalisten in den Medien und PR-Wissenschaftlern verbunden ist. Wenn im konkreten Fall die Bundesregierung eine Botschaft von Gewicht unter die Leute bringen will oder wenn sie etwas schief laufendes korrigieren will, dann werden die gefälligen Institutionen und Personen eingeschaltet. Damit sind wir beim ersten Beispiel, dem Fall Münkler:

  1. PR Wissenschaftler

    Fall A: Herfried Münkler zu Bin Ladens Ende
    Die Bundeskanzlerin hat für ihren Beifall zur Tötung von Osama bin Laden nicht überall Beifall geerntet (siehe dazu den Beitrag von Wolfgang) . In jedem Fall schien es aus Sicht ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter sinnvoll, ihre Bemerkung „Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.“ ins rechte Licht zu setzen, also nichts zurück zu nehmen oder zu korrigieren, sondern zu interpretieren. Wenn das ihr Pressesprecher Seibert tut, dann ist dies nur begrenzt wirksam. Da ist es gut, wenn man einen Wissenschaftler wie Herfried Münkler und einige Medien zum Transport seiner Interpretationskünste zur Verfügung hat. Also erschien bei Spiegel Online, diesem gehobenen Strichjungen der Journalistik, schon am 3. Mai ein Interview mit dem Politologen Münkler unter der Überschrift “Natürlich darf eine Demokratie töten“. Wörtlich zur Hauptsache:

    Münkler: Für Frau Merkel hat meiner Einschätzung nach die Frage der Rache keine große Rolle gespielt, ihre Aussage ist einfach eine verunglückte Äußerung. Sie zeigt die semantische Unsensibilität einer gelernten Naturwissenschaftlerin. Merkel hätte stattdessen etwa sagen können: ‘Ich freue mich, dass es gelungen ist, das Problem eines freiherumlaufenden Osama Bin Ladens zu lösen’ oder ‘Ich freue mich, dass mein Kollege Obama einen solchen Erfolg erzielt hat.“

    In anderen Blättern, wie zum Beispiel den Stuttgarter Nachrichten, wird der Ball aufgenommen.
    Im Heutejournal vom 3. Mai wird Münkler interviewt.(Hier unter der Überschrift „Darf eine Demokratie gezielt töten?“)

    Ich gehe davon aus, dass der Einsatz dieses so genannten Wissenschaftlers im konkreten Fall arrangiert ist oder dass er sich gerne zur Verfügung hält.

    Fall B Raffelhüschen zur Pflegeversicherung im Tagesspiegel:
    Dort heißt es am 3.5.2011:

    Raffelhüschen befürchtet Pflegekollaps mit Ansage.
    Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen hält Reformen in der Pflegeversicherung für dringend notwendig. Die von der Politik diskutierten Verbesserungsideen reichen seiner Ansicht nach nicht aus.

    Es ist allseits bekannt, dass der Professor aus Freiburg sich rund um die Uhr für die private Vorsorge in der Altersvorsorge, in der Gesundheitsvorsorge und bei der Pflegeversicherung engagiert und engagieren lässt. Es ist bekannt, dass er für Versicherungsunternehmen tätig ist. Auch die herausgehobene Markierung dieses Professors als PR-Wissenschaftler hält Medien jedoch offensichtlich nicht davon ab, ihm immer wieder eine Plattform zu bieten. Das alleine schon ist ein beachtlicher Vorgang.

    Fall C: Prof. Sinn.
    Genauso beachtlich ist der Umgang mit Professor Hans-Werner Sinn. Seine Fehlleistungen sind bekannt. Ein markantes Beispiel dafür ist seine groteske Fehlbewertung der Wettbewerbsfähigkeit der USA, die er noch im Jahre 2003 für überragend hielt. Seine Daueragitation zur Senkung des Lohnniveaus ist bekannt. Seine Vortragstätigkeit für Finanzdienstleister wie MLP ist bekannt. Die PR, die die Bild-Zeitung für ihn seit Jahren betreibt, ist ebenfalls bekannt. Umso erstaunlicher ist es, dass er in den Medien immer wieder zitiert und interviewt wird. Es ist erstaunlich, dass er in Volkshochschulen wie zum Beispiel in München auftreten durfte.
    Mit der Bild-Zeitung ist er so eng verbunden, dass diese Zeitung auch für seine Popularität sorgt. Sie nannte ihn den besten Ökonomen Deutschlands, sie setzte ihn in der Kampagne gegen die Griechenland-Hilfe ein (siehe hier) und macht wie jetzt mit einer PR-Story Reklame für Hans-Werner Sinn. Solche Storys sind die Basis für die Verwendbarkeit dieser PR-Wissenschaftler im weiteren Verlauf der Geschichte. Ihre Glaubwürdigkeit und Popularität muss gepflegt werden.

  2. PR-Schriftsteller
    Schriftsteller, Theaterleute, Künstler eignen sich sehr gut als Testimonials für die Öffentlichkeitsarbeit von Parteien und Personen. Jetzt wurde uns wieder einmal ein treffendes Beispiel auf den Tisch gelegt: Der Schriftsteller Peter Schneider wirbt für Schröders Reformpolitik und für den aufkommenden Kanzlerkandidaten der SPD Peer Steinbrück. Hier im Tagesspiegel wird das Stück unter der Glaubwürdigkeit heischenden Überschrift „Bekenntnisse eines Verwirrten“ und mit dem Einstiegstext: „Schriftsteller Peter Schneider über seine masochistische Treue zur SPD und einen echten sozialdemokratischen Beißer“ präsentiert. Den Tagesspiegel stört dabei nicht, dass der zitierte Schriftsteller nicht belegte Behauptungen wiederholt wie zum Beispiel jene, wir hätten einen Aufschwung und dieser sei Schröders „tapferer Agenda 2010 zu verdanken“. Es stört auch nicht, dass der Schriftsteller die Behauptung, Steinbrück sei ein „echter sozialdemokratischer Beißer“ an der Behauptung festmacht, Steinbrück sei der Richtige, um „das Treiben der Boni-Banker und ihres falschen Helden Josef Ackermann bloß zustellen“.
    Peter Schneider hat offensichtlich keine Ahnung von den wirklichen Abläufen. Er hat nicht einmal Steinbrücks Rolle bei der Übernahme der Milliarden Wettschulden von IKB und HRE wahrgenommen. Er hätte nur das gleiche Blatt, den Tagesspiegel, früher aufmerksam lesen sollen, um Steinbrück als Förderer der Spekulanten, der Hedgefonds und der Milliardenverluste deutscher Landesbanken kennen zu lernen. Dazu ein Beitrag im Tagesspiegel vom 26.11.2008, ein Artikel von Hans-Joachim Dübel. Dort heißt es:

    „Ackermann und Steinbrück sind schuld.
    Wer hat Deutschland in den Sog der Finanzkrise getrieben, die Politik mit ihren Landesbanken oder die Deutsche Bank? Die Antwort: Beide.“

    Das alles muss ein Schriftsteller nicht wahrnehmen, um als PR-Figur geeignet zu sein.
    Peter Schneider ist nur ein Beispiel. Er fällt nur dadurch auf, dass er des Öfteren eingespannt wird oder sich einspannen lässt.

  3. Jederzeit abrufbare PR Persönlichkeiten
    Es ist erstaunlich, mit welcher Regelmäßigkeit Personen, die eigentlich in der Sache nichts zu sagen haben aber als Blackboxes in bestimmte Kampagnen passen, für Interviews gefragt werden und in Talkshows auftreten dürfen: Baring, von Dohnanyi, Henkel usw. Ich glaube dabei nicht an Zufälle. Diese Personen sind mit ihren Rollen gesetzt. Sie haben wie zum Beispiel von Dohnanyi das Image eines Sozialdemokraten und sind deshalb immer geeignet, gegen andere Sozialdemokraten und Linke in Stellung gebracht zu werden. Baring hat das Image eines Kenners früherer Jahre und vor allem der sozialliberalen Koalition und eines objektiven Historikers. Dass er schon bei der Arbeit an seinem Werk über die sozialliberale Koalition im „Kämmerchen“ von Walter Scheel, dem damaligen von der FDP gestellten Bundespräsidenten saß und davon beeinflusst war, wird nicht mehr in Rechnung gestellt. Er wird als objektiver Beobachter des Zeitgeschehens präsentiert.
  4. PR Journalisten und Medien
    Dafür gibt es nun täglich neue Belege. Ich beschränke mich auf die Fortsetzung meines Berichtes vom 29. April über professionelle PR-Journalisten. Ich hatte auf Artikel des Spiegel Online-Journalisten Sven Böll aufmerksam gemacht. Dabei ging es um die Förderung der Inflationsangst und der daraus folgenden Bereitschaft, in Edelmetalle einzusteigen. Sven Böll ist ein vielseitig begabter Journalist. Er schreibt auch über Bahnhöfe, zum Beispiel über Stuttgart 21 im Sinne der Befürworter von Stuttgart 21. Schon der Einführungstext lässt erkennen, für wen hier PR-Arbeit betrieben wird. Prüfen Sie den Text selbst. Sie werden schon unschwer erkennen, wie hier die Kosten eines Scheiterns hochgerechnet werden und im Sinne des Bahnchefs Grube und der Befürworter analysiert wird:

    01. Mai 2011, 07:07 Uhr
    Grün-Rot und Stuttgart 21

    Viel Geld, wenig Bahnhof

    Von Sven Böll

    Grün-Rot hat bei Stuttgart 21 einen Formelkompromiss gefunden. Doch wenn das Projekt scheitert, bleibt der Bahn keine Wahl: Sie muss auf Schadensersatz in Milliardenhöhe klagen. Dann wird es für Baden-Württemberg richtig teuer – und das Land hat noch immer keinen vernünftigen Bahnhof. 

    Hamburg – Bei der Lösung von Problemen ähnelt Rüdiger Grube Kanzlerin Angela Merkel: Der Bahn-Chef denkt Konflikte vom Ende her. Er überlegt, wie eine Lösung angesichts der gegensätzlichen Standpunkte wohl aussehen wird, spielt seine Optionen durch – und entscheidet sich meistens für die Alternative, die ihm am vernünftigsten erscheint.

    Diesem Muster folgte Grube auch nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Mit den Grünen hat die profilierteste Anti-Stuttgart-21-Partei die Wahl gewonnen, für eine Mehrheit reicht es aber nur mit der Wir-sind-im-Prinzip-für-den-unterirdischen-Bahnhof-SPD.

    Dem Bahn-Chef war klar, dass beide Parteien angesichts ihrer Differenzen einen Formelkompromiss finden würden, der die endgültige Entscheidung über das riesige Infrastrukturprojekt vertagt. Entsprechend hielt er nichts davon, einfach weiterzubauen, also mit einem dicken Kopf gegen eine im Zweifel noch dickere Wand anzurennen. Auch ein Durchwurschteln war für ihn keine sinnvolle Alternative. Die Bahn hätte dann erstmal unter- statt oberirdisch weiterwerkeln müssen, damit es nicht auffällt.

    Das war ein gemessen am Umfang des Materials kurzer Überblick über einige PR-Erscheinungen. Ich will nichts weiter erreichen, als bei Ihnen und Ihren Bekannten und Freunden anzuregen, dass Sie mit Hilfe des Suchrasters PR bei Medien, bei Wissenschaft, bei Künstlern und bei Schriftstellern vorsichtig mit ihrem Glauben umgehen. „Mit dem Wissen wächst der Zweifel“ – so Johann Wolfgang von Goethe.

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!