Schlagwort:
Austeritätspolitik

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Der neue europäische Fiskalvertrag – ein klammheimlicher Systemwechsel

Während in Deutschland die Affären um den Bundespräsidenten die Schlagzeilen und die Nachrichtenlage beherrschen, wird in den Hinterzimmern von Europäischem Rat und EU-Kommission ein Vertrag vorbereitet, der schon im März 2012 auf einem Euro-Gipfel unterzeichnet werden soll und der alle Euroländer (und perspektivisch alle Mitgliedstaaten) der Europäischen Union dauerhaft auf einen strikten Kürzungs- und Austeritätskurs festlegen soll. Da die Regierungschefs sich nicht trauen den bestehenden EU-Reformvertrag von Lissabon [PDF – 901 KB] zu ändern, weil das in einigen Ländern nur über Volksabstimmungen möglich wäre, wird der neue „fiskalpolitischen Pakt“ außerhalb des bisherigen Rechts für die gesamte Europäische Union etabliert. Dennoch soll der Pakt für die Organe der Europäischen Union bis hin zum Europäischen Gerichtshof bindend sein. Anne Karras, die am Graduiertenkolleg “Die Zukunft des europäischen Sozialmodells” in Göttingen promoviert, hat sich mit dem Entwurf dieses neuen zwischenstaatlichen Fiskal-Vertrages auseinandergesetzt.

Michel Rocard / Pierre Larrouturou, „Warum sollen Staaten 600-mal mehr als Banken zahlen?“

Kann es sein, dass Privatbanken, die sich üblicherweise zu 1% bei Zentralbanken refinanzieren, in Krisenzeiten in den Genuss eines Zinssatzes von 0,01% kommen, während in der gleichen Krise einige Staaten gezwungen werden, 600 bis 800 mal höhere Zinssätze zu zahlen?
Inhalte eines in der Pariser Tageszeitung Le Monde vom 3.1.2012 (S.20) erschienen Artikels übertragen von Gerhard Kilper

Neujahrsansprache der Kanzlerin: Selbstsuggestion statt Lösungsangebote

Eine Ansprache ohne Empathie für die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Eine Kanzlerin, die die Politik aus der Verantwortung für die „ tiefgreifenden Veränderungen“ nimmt und die, statt Lösungsangebote aus der Krise anzubieten, nur noch ihre eigenen Parolen wiederholt und die Wirklichkeit mit Beschönigungen verdrängt. Wer, wie unsere Kanzlerin, offenbar daran glaubt, dass es Deutschland gut gehe, von dem darf man nicht mehr erwarten, dass er sich um politische Lösungen bemüht, durch die es Deutschland und Europa jemals wieder besser gehen könnte. Von Wolfgang Lieb

Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt sich’s völlig ungeniert

Das könnte das gemeinsame Motto von Bundeskanzlerin und Bundespräsident bei ihren jeweiligen Ansprachen zu Neujahr und zu Weihnachten sein. Jedenfalls ist das ihre Strategie und die Strategie der Parteien und der Koalition, die hinter ihnen stehen. Wir Bürgerinnen und Bürger haben keine Sanktionsmöglichkeit mehr. Auch schlimme Fehler mit verheerenden Folgen werden ausgesessen, Kritik prallt ab. Keine schöne Einleitung für einen kleinen Jahresrückblick. Keine guten Aussichten. Albrecht Müller.

Griechische Verhältnisse

In der deutschen Debatte über Griechenland findet man vor allem auch innerhalb der Linken folgende Thesen:

  • Die Regierung von Lukas Papadimos sei den Griechen von außen aufgenötigt worden, um einen „Technokraten“ als Exekutor des von Brüssel vorgegebenen Kurses einzusetzen.
  • Giorgios Papandreou sei wegen seiner demokratischen Idee eines Plebiszits aus dem Amt gejagt worden.
  • Es bestünde die reale Gefahr eines Militärputsches in Griechenland.

Diese drei Thesen will ich einem Realitätstest unterziehen. Niels Kadritzke

Sigmar Gabriels intellektueller Offenbarungseid

Es ist schon ein kleines Kunststück, sich selbst in einem zweiseitigen Aufsatz in gleich mehreren Kernpunkten zu widersprechen. Dieses kleine Kunststück ist dem SPD-Vorsitzenden Gabriel in seinem unsäglichen Debattenbeitrag im FAZ-Feuilleton gelungen, den Albrecht Müller bereits gestern kommentiert hat. Mehr noch – Gabriel widerspricht sich nicht nur selbst, sondern auch dem erst letzte Woche verabschiedeten Positionspapier der rot-grünen Schattenregierung, das er höchstpersönlich mitunterzeichnet hat. All dies wäre eigentlich nur ein weiteres Indiz für den maroden Zustand der SPD, ginge es dabei nicht um so elementare Fragen wie die ökonomische und politische Zukunft Deutschlands und Europas. Wenn man sich die künftigen potentiellen Regierungskoalitionen anschaut, kann einem da nur angst und bange werden. Von Jens Berger

Angela Merkel schwimmt auf einer Welle dumpfer Vorurteile und clever gemachter Propaganda – und viele Opfer schwimmen mit

Für Ökonomen ist schwer auszuhalten, was zur Zeit in Deutschland und Europa abläuft und dessen Triebfeder im wesentlichen Deutsche unter Anleitung der Bundeskanzlerin sind. Immerhin, die geharnischten Klagen einiger Medien über diesen Zustand und die möglichen bösen Folgen sind bemerkenswert, weil in dieser Fülle und Klarheit neu. Ich mache den Versuch, einige der wichtigsten Vorurteile und Denkfehler, Dummheiten und Kampagnen zu beschreiben und einzuordnen. Albrecht Müller.

Die Deutschen ticken dramatisch falsch – darauf macht wieder einmal Heiner Flassbeck aufmerksam

Mit den „Deutschen“ gemeint ist die Bundesregierung und die dogmatisch neoliberal eingefärbte Mehrheit der Meinungsführer in Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Die Dogmatik dieser Kreise kann ausgesprochen gefährlich für uns werden. Das skizziert Heiner Flassbeck im folgenden Beitrag für das Hamburger Abendblatt [PDF – 69.2 KB]. Der Text ist gut nutzbar zur Verbreitung über Ihren persönlichen Email-Verteiler. Es lohnt sich. Heiner Flassbeck sagte mir gerade am Telefon, seine Leser und Zuhörer würden zunehmend aufgeschlossen, er habe letzthin in Frankfurt einen großen Kreis von Bankern nachdenklich gestimmt. Das ist möglich, weil die herrschende Lehre nur noch Dogmen verbreitet. – Ich ergänze seinen Text, weil er meines Erachtens an einem Punkt unnötig defensiv ist. Er bezeichnet die deutsche Seite als „Gewinner“. Das sind wir schon lange nicht mehr. Albrecht Müller.

“Gegen die Diktatur der Finanzmärkte”

Die griechische Publizistin und Ökonomin Nadia Valavani hat im Rahmen einer Protestveranstaltung der Linken anlässlich des “European Finance Congress” am 18. November in Frankfurt eine bemerkenswerte Rede gehalten. Ein Kerngedanke ihrer Rede: „Hier und heute findet in Griechenland ein gigantisches gesellschaftliches Experiment statt. Wir sind zu Versuchstieren gemacht worden, um beispiellose Maßnahmen auszuprobieren und Schlussfolgerungen zu ziehen, bevor die gleichen Maßnahmen den anderen europäischen Ländern auferlegt werden. In nur 18 Monaten ist das 20. Jahrhundert im Bereich der Arbeitsrechte ganz abgeschafft worden.“ Albrecht Müller.

Wie lange machen die Menschen das „Bäumchen, wechsel dich“-Spiel ihrer Regierungen noch mit?

Die Krise in Europa brachte den portugiesischen Sozilisten José Sócrates zu Fall, danach musste der Sozialdemokrat Giorgos Andrea Papandreo gehen und zuletzt wurde die Rechtsregierung Silvio Berlusconis in Italien abgesetzt. Und jetzt erzielte der rechtsbürgerliche Mariano Rajoy, mit seiner bis weit nach rechts und ins reaktionäre, erzkatholische, nationalistische Lager reichenden Partido Popular einen historisch zu nennenden Kantersieg gegen die spanischen Sozialisten des bisherigen Regierungschefs José Luis Rodriguez Zapatero.
Alle neuen Regierungen haben nur die Wahl die von EU-Kommission, der EZB und dem IWF vorgegebene neoliberale Agenda zu exekutieren: Drastisches Sparen, Schuldenbremse, Lohnsenkungen, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Einschnitte ins soziale Netz, Rente mit 67, Privatisierungen – den ganzen Kanon der herrschenden Lehre eben. Auch die neuen Regierungschefs werden geduldig am „Marterpfahl ausharren und erleiden müssen, was ihnen die deutsche Regierungschefin diktiert. Von Wolfgang Lieb

AM’s Wochenrückblick: Merkels Aktien steigen – weil die ihr zu Diensten stehenden Medien ihre Bilanz professionell schönen

Angela Merkel hat den CDU-Parteitag erstaunlich gut absolviert. Ein wichtiger, die Stimmung der CDU-Funktionäre aufhellender Faktor ist die Behauptung, wir seien einzigartig in Europa – mit großem Wachstum und den wenigsten Schulden. Nahezu alle Medien und auch staatliche Einrichtungen wie das Statistische Bundesamt haben bis zum CDU-Parteitag diese Täuschung gestützt. Noch in dieser Woche wurde ein minimales Wachstum zum Boom hochgejubelt. Und Schuldensünder sind die Griechen, die Italiener und die Spanier. Gestern, am 17.11. erschien dann bei SpiegelOnline ein Kommentar mit der Überschrift „Das Märchen vom deutschen Sparweltmeister“. In der Tat ein Märchen. Siehe hier. Albrecht Müller.

Die Krise in der Eurozone

Nach Auffassung des US-Ökonomen James K. Galbraith ist der europäische Kontinent dabei, die Schwachen zum Schutz der Starken zu zerstören. “Der Diskurs wird vor frischen Ideen verschlossen und das politische Überleben hängt davon ab, Problemlösungen nach hinten zu verlagern.“