Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Occupy Frankfurt; Adieu, Kameraden, ich bin Gutmensch; Banken; Boston Consulting Group erwartet generellen Schuldenerlass; Kritik an Ökonomen: Die Mär von der Zauberkugel; DIW-Chef Gert Wagner: “Millionäre könnten 100 Milliarden aufbringen”; Umfrage zum Wohlstand: Armes Amerika, reiches China; MdB Christine Scheel neu im Vorstand der HSE; Konservativer Antikapitalismus; Staatsausgaben trotz Krisenabwehr real kaum gestiegen; Der Traum vom guten Lohn; Lohnnachschlag bleibt wohl aus; Wackelige Lebensversicherer bedrohen private Renten; Steuergelder für den Überwachungsstaat – Projekt „Indect”; Denkfabriken zwischen Unabhängigkeit und Lobbyismus; Lobbyisten an der Uni (KR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Occupy Frankfurt
  2. Adieu, Kameraden, ich bin Gutmensch
  3. Banken
  4. Boston Consulting Group erwartet generellen Schuldenerlass
  5. Kritik an Ökonomen: Die Mär von der Zauberkugel
  6. DIW-Chef Gert Wagner: “Millionäre könnten 100 Milliarden aufbringen”
  7. Umfrage zum Wohlstand: Armes Amerika, reiches China
  8. MdB Christine Scheel neu im Vorstand der HSE
  9. Konservativer Antikapitalismus
  10. Staatsausgaben trotz Krisenabwehr real kaum gestiegen
  11. Der Traum vom guten Lohn
  12. Lohnnachschlag bleibt wohl aus
  13. Wackelige Lebensversicherer bedrohen private Renten
  14. Steuergelder für den Überwachungsstaat – Projekt „Indect”
  15. Denkfabriken zwischen Unabhängigkeit und Lobbyismus
  16. Lobbyisten an der Uni

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Occupy Frankfurt
    1. „Occupy Wall Street“ in Frankfurt – Wir sind jetzt ihre Krise
      Auch in Deutschland verfängt der New Yorker Slogan „Wir sind die 99 Prozent“. Gekommen sind mehr als 5000 Protestierende nach Frankfurt.
      Quelle: FAZ
    2. Zelten gegen die Finanzmächte
      Die Nacht war kalt, doch die Protest-Camper vor der EZB in Frankfurt schreckt das nicht. Sie wollen weiter ausharren, um so gegen die Übermacht der Banken zu kämpfen. […]
      Die Polizei erklärte am Sonntag, es habe keine Zwischenfälle in der Nacht gegeben. Sie sprach von lediglich 150 Campern. Die Stimmung unter den Campern sei gut, sagte Below. “Unterstützer haben uns Kaffee und Brötchen gebracht”, berichtete er. Sogar ein Zelt hätten sie geschenkt bekommen. Die meisten Passanten reagierten positiv auf die Protestaktion vor der EZB.
      Quelle: HR
    3. Anti-Banken-Bewegung – Gauck nennt Proteste “unsäglich albern”
      Verständnis allerorten – die Aktivisten der Anti-Banken-Bewegung ernten fast überall Zustimmung. Nur einer stellt sich quer: der ehemalige Bundespräsidentenkandidat Joachim Gauck. Er spottet über die Debatte und prophezeit dem Protest ein schnelles Ende.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung unseres Lesers A.G.: Gauck kann und/oder will sich schlicht nicht vorstellen, dass es neben dem realen Staatssozialismus des 20. Jahrhunderts noch andere und vor allem immer wieder neue Unterdrückungsszenarien gibt, die bei Menschen emanzipatorische Impulse auslösen. Das Freiheitsideal der Occupy-Bewegung – verstanden als Freiheit vom Diktat höchst irrationaler Finanzmärkte und einer menschenverachtenden neoliberalen Ideologie – schließt er schlicht vom Freiheitsbegriff aus („unsäglich albern“). Wenn er den Traum von einer Welt fernab der derzeitigen (Finanz-) Marktdominanz als eine „romantische Vorstellung“ abstempelt, stellt er implizit analog zum Gegensatzpaar Romantik/Rationalphilosophie „die Märkte“ (einschließlich der Finanzmärkte) als perfekt rational, informationseffizient etc. dar. Etwa Robert Shiller und George Akerlof haben diese Mainstreamauffassung von der Marktrationalität mit ihren “behavorial economics” (poplärwissenschaftlich: “Animal Spirits”, Campus, 2009) beeindruckend und allgemeinverständlich relativiert. Der eigentliche Romantiker ist also Gauck, wenn er blind an eine ungebrochene Marktrationalität glaubt. Bedrückend: Gauck, der offenbar das “Ende der Geschichte” durch den US-amerikanischen Kapitalismustypus der “Reagenomics” verteidigt, wäre fast ins Bundespräsidialamt eingezogen… Scharfer Kontrast: Stéphane Hessel, ebenfalls durch historische Erfahrungen geprägt, aber ungemein universalistisch in seinem Freiheitsverständnis zur Occupy-Bewegung.

      Ergänzende Anmerkung JB: Mir ist es nach wie vor vollkommen unverständlich, wie SPD und Grüne diesen Mann als Präsidentschaftskandidaten aufstellen konnten.

  2. Adieu, Kameraden, ich bin Gutmensch
    Nicht mehr unter Rechten: Der Konservativismus hat sich selbst verraten. Er ist zu einer Ideologie der Großindustrie und der Kriegsverkäufer geworden.
    Ich verstehe nicht, warum der Konservative, zum Beispiel, den menschengemachten Klimawandel für Panikmache von Gutmenschen und die Umweltauflagen gegenüber der Industrie für eine sozialistische Erfindung halten muss. Warum das Bekenntnis zu Atomkraftwerken den rechten Rechten ausmachen soll.
    Ich verstehe auch nicht, was an Barack Obamas Reform der Krankenversicherung so übel sein sollte – wenn man den einen wirklich problematischen Punkt der staatlichen Abtreibungsfinanzierung einmal ausnimmt.
    Vor allem will ich nicht verstehen, dass „Islamkritik“ in allen Spielarten, bis hinunter zur offenen Demagogie, fast das einzige Prunk- und Ehrenzeichen konservativer Politik geworden ist. Natürlich verstehe ich es doch. Denn es scheint die einzige Chance neuer rechter, populistischer Parteien und Bewegungen in Europa zu sein, mit diesem Thema einen Wahlerfolg zu landen…
    Neokonservativ, das ist, diesseits und jenseits des Atlantiks, die eigentliche Kriegspartei. Und es sind die schärfsten Islamkritiker, die meistens auch einer Nebenbeschäftigung als Kriegsverkäufer nachgehen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung WL: Wieder einmal ein bemerkenswerter Artikel in der FAZ.

  3. Banken
    1. Ein einziger Interessenkonflikt
      Banken sind der institutionalisierte Interessenkonflikt. Das gilt vor allem auch für das Investment Banking. Daher erstaunt es, dass derzeit nur aus Gründen der Stabilität eines Finanzhauses über die strikte Trennung von Geschäftsbank und Investmentbank gesprochen wird. Die latenten Interessenkonflikte zwischen diesen Einheiten, aber auch in den Einheiten selbst, werden dagegen kaum thematisiert. Schon die Vielzahl der Interessenkonflikte rechtfertigte aber die Diskussion über eine stärkere Trennung von Unternehmenseinheiten. Der Umgang mit den unterschiedlichen Interessen ist nicht leicht, und Mitarbeiter können nicht dauerhaft genaustens kontrolliert werden. Daher ist es eine berechtigte Frage, ob das Investment Banking und andere Geschäftsfelder unter einem Dach sein sollten. Will man sich wirklich auf den Willen, die Glaubwürdigkeit und die Integrität der Banker verlassen? Oder sollte man eine Trennung von gewissen Bereichen erzwingen und sie – ähnlich wie bei Wirtschaftsprüfern – auf eigene, unabhängigere Beine stellen?
      Quelle: NZZ
    2. Ackermann wehrt sich gegen Zwangskapitalisierung
      Der Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, hat der Forderung der EU-Kommission nach einer höheren Eigenkapitalquote von Banken widersprochen. “Die aktuelle Rekapitalisierungsdebatte ist kontraproduktiv”, sagte Ackermann. Sie signalisiere den Märkten, dass ein Schuldenschnitt in Griechenland wahrscheinlicher werde. Mehr Kapital könnten die Banken derzeit “sicher nicht” von privater Seite bekommen, eine Kapitalaufstockung laufe daher auf weitere Staatshilfen hinaus, was die Schuldensituation verschärfe.
      Quelle: Zeit.de

      Anmerkung WL: Dazu passt eine Äußerung Ackermanns, wonach wieder einmal die Politik bzw. die Staaten Schuld daran schuld sind, dass die Banken mangels Eigenkapital ihre Kunden nicht mehr mit ausreichend Krediten versorgen können. Das Eigenkapital sei nicht das Problem, sondern „dass Staatsanleihen ihren Status als risikofreie Aktiva verloren“ hätten. Das waren herrliche Zeiten für die Banken als sie sich noch auf risikofreie Kreditvergaben verlassen konnten, bei denen sie keine Eigenkapitalvorsorge treffen mussten. „Warum sollte man als Bank…sich auf diese Vorgabe nicht verlassen, die doch das Geldverdienen so lange so einfach machte“, merkt die FTD vom 13.10.2011 ironisch an.

    3. Dazu: Fitch droht Deutscher Bank mit Herabstufung
      Mit voranschreitender Schuldenkrise beurteilt die Ratingagentur die Ausblicke verschiedener großer Geldinstitute schlechter. Sie prüft das Rating der Deutschen Bank wie auch das einiger US-Großbanken.
      Quelle: FTD
  4. Boston Consulting Group erwartet generellen Schuldenerlass
    Die weltweit führende Wirtschaftsberatung Boston Consulting Group (BCG) hat sich Gedanken gemacht, was aus den Schulden Europas und der USA werden könnte, sollten die aktuellen Lösungsversuche ihr absehbares Scheitern erleben. entweder müssten für die westliche Welt nun schnell hohe Inflationsraten erreicht werden oder es würde ein systematischer und umfassender Schuldenschnitt organisiert, wobei sich die Problematik bei weitem nicht nur auf die Staatsschulden beschränke. Die BCG-Experten sorgen sich ebenso um die Schulden von Haushalten und Unternehmen, die allesamt drastisch reduziert werden müssten, damit die westliche Welt wieder auf Wachstumskurs gehen könne. Die Experten erinnern also an die Sitte im antiken Mesopotamien, wo jeder neue Herrscher seine Regierung mit einem allgemeinen Schuldenerlass begann. Auch im alten Testament ist dies alle 50 Jahre vorgeschrieben.
    In ihrer Analyse gehen die BCG-Experten in Anlehnung an BIZ-Analysen davon aus, dass die Schulden der Haushalte, Unternehmen und des Staates jeweils maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen dürften, um nachhaltig zu sein, bzw. insgesamt 180 Prozent des BIP nicht übersteigen sollten (unter den Annahme von nominell drei Prozent BIP-Wachstum und fünf Prozent Marktzinssatz). Daraus errechnet sich für die Eurozone ein Schuldenüberhang von 6,1 Billionen, für Großbritannien von 1,25 Billionen und für die USA von 8,24 Billionen Euro, der auch nicht durch künftig höhere Wachstumsraten abgebaut werden könne, weil die Schulden inzwischen so hoch sind, dass sie die Wachstumsraten reduzieren.
    Quelle: Telepolis
  5. Kritik an Ökonomen: Die Mär von der Zauberkugel
    Blindgänger, Geschichtenerzähler, Schaumschläger: In Zeiten von Wirtschaftskrisen müssen Ökonomen als Sündenböcke herhalten. Volkswirt Hanno Beck erwidert den Kritikern: Der weit verbreitete Glaube an Zaubersprüche und Kristallkugeln zeuge von Naivität.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung des NDS-Lesers J.A.: Dies ist keine Apologetik der Ökonomie (VWL), wie man angesichts des Titels vermuten könnte, sondern eine Apologetik der neoklassischen Variante der Ökonomie (Wirtschaftsreligiosität) mit ihren realitätsfremden Annahmen von “homo oeconomicus”, Nutzenmaximierung und rationalen und effizienten Märkten. Insofern findet nicht nur eine erhebliche Verengung des Themas statt, sondern die Versager der Neoklassik werden exkulpiert bis zum Geht-nicht-mehr.
    Wenn mal ein paar Märkte (u. a. der wichtigste von allen, der weltweite Finanzmarkt) ausnahmsweise (z. B. alle paar Jahre) verrückt spielen und katastrophale Wirtschaftskrisen verursachen, kann doch die dahinterliegende Quatsch-“Theorie” nicht falsch sein Ein kleiner Schelm, unser Professor. Am besten, daß dann noch VWL in einem Atemzug mit der exakten Wissenschaft Physik genannt wird – den Anspruch kann die Ökonomie niemals einlösen. Der gute Professor baut Luftschlösser auf Luftschlössern.

  6. DIW-Chef Gert Wagner: “Millionäre könnten 100 Milliarden aufbringen”
    DIW-Chef Gert Wagner spricht im Interview über Bankenrettung, Bankerboni, Reichensteuern und sinnvolle Staatsverschuldung: „Ich persönlich fände eine höhere Steuerbelastung von Gutverdienenden gerecht und auch machbar. Die Mehrheit der Menschen mit höherem Einkommen hat mit der Steuerbelastung kein Problem. Menschen mit mittlerem Einkommen fühlen sich am ungerechtesten belastet.“
    Quelle: FR
  7. Umfrage zum Wohlstand: Armes Amerika, reiches China
    Der Wohlstand der Amerikaner sinkt dramatisch. Laut einer Gallup-Umfrage haben 19 Prozent kein Geld für ausreichend Nahrung. Brisant ist der Vergleich mit China – hier beklagen dies nur 6 Prozent. Auch andere Armutsindikatoren zeigen: Den US-Bürgern geht es immer schlechter, den Chinesen immer besser.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung des NDS-Lesers J.A.: Wie sagt noch Volker Pispers: “Für 60 % der Amerikaner von heute wäre der Lebensstandard der DDR-Bürger von damals das Paradies auf Erden”.

    Anmerkung KR: Überschrift und Wortwahl des SPIEGEL suggerieren, der Wohlstand wandere von den USA nach China ab. Tatsächlich nimmt der Wohlstand auch in den USA immer weiter zu; er ist nur sehr ungleich verteilt, siehe z.B. „US BIP-Wachstum pro Kopf versus Median-Haushaltseinkommen“.

  8. MdB Christine Scheel neu im Vorstand der HSE
    Aufsichtsrat wählt grüne Bundestagsabgeordnete – “Eine ausgezeichnete Wahl”
    Der 20köpfige Aufsichtsrat der HSE hat am Mittwoch (12.) die 54 Jahre alte Bundestagsabgeordnete der Grünen, Christine Scheel, zum neuen Vorstandsmitglied bestellt… Der entsprechend den Empfehlungen des Corporate Governance Kodex auf drei Jahre angelegte Vertrag von Frau Scheel währt vom 1. Februar 2012 bis zum 31. Januar 2015. Der paritätisch besetzte HSE-Aufsichtsrat setzt sich aus fünf Vertretern der Wissenschaftsstadt Darmstadt, vier von Eon, einem der Region und zehn Arbeitnehmervertretern zusammen.
    Das neu gewählte Vorstandsmitglied wird das in dieser Form neue Ressort Nachhaltigkeit verantworten. Zu ihren Aufgaben gehören das Nachhaltigkeitsmanagement, regenerative Energien, Energieeffizienz, Medienarbeit, Compliance und die Repräsentation des Unternehmens, insbesondere auch gegenüber Verbänden und Organisationen sowie den Stakeholdern.
    Die im Landkreis Aschaffenburg lebende Parlamentarierin gehört dem Deutschen Bundestag seit 1994 an und zählt zu den profiliertesten Abgeordneten der grünen Bundestagsfraktion. Derzeit ist sie deren Mittelstandsbeauftragte, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages und darüber hinaus in verschiedenen Gremien der deutschen Wirtschaft tätig. Von 2007 bis 2009 war sie stellvertretende Fraktionschefin, von 1994 bis 2007 finanzpolitische Sprecherin und von 1998 bis 2005 Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags. Ihr Bundestagsmandat und vielfältige Positionen in der Wirtschaft wird Frau Scheel aufgeben, um sich ausschließlich ihrer neuen Aufgabe widmen zu können…
    Frau Scheel freute sich über die Wahl des Aufsichtsrates: “Die HSE als Modell der Energiewende entspricht voll meiner Philosophie. Der Wechsel von der Politik an die Spitze des Unternehmens ist eine konsequente Fortsetzung meines Engangement für eine nachhaltig-regenerative Energiepolitik mit dem übergreifenden Ziel des Erhalts unserer natürlichen Lebensgrundlagen für die nachfolgenden Generationen. Im Mittelpunkt meines Handelns wird das erfolgreiche Unternehmen mit seinen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen, das sich klar auf das Thema Nachhaltigkeit konzentriert.”
    Quelle: HSE

    Anmerkung WL: Der Wechsel in den Vorstand der Eon-Tochter des Energiekonzerns HSE ist in der der Tat – wie Frau Scheel selbst sagt – „konsequent“. Scheel hatte schon früher etliche Beiratsposten etwa bei der „Barmenia“ oder bei der später durch Sex-Parties in Erscheinung getretenen „Hamburg Mannheier“ oder im Aufsichtsrat der „Nürnberger Versicherung“. Sie hatte die Mandate erst aufgegeben als diese bekannt geworden sind. Ähnliches gilt für ihre Rolle als „Botschafterin“ der Inititative Neue Marktwirtschaft (INSM). Scheel gehörte zum wirtschaftsliberalen Flügel der Grünen und hat sich schon immer der Wirtschaft angeboten.

  9. Konservativer Antikapitalismus
    Staatsfinanzierung und Finanzkapitalismus müssen getrennt werden – nur so verlieren die Banken und Ratingagenturen ihre ungerechtfertigte Macht.
    Ausgerechnet einer der bekanntesten konservativen Denker Deutschlands, der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof, hat jetzt einen solchen Gedanken entwickelt. Er hat die übliche konservative Rhetorik vom Staat, der über seine Verhältnisse gelebt hat, beiseitegelassen und einen entscheidenden Punkt der Schuldenkrise herausgearbeitet: die Abhängigkeit der Staaten vom Finanzmarkt.
    Der Jurist und Steuerexperte will die gegenseitige Abhängigkeit von Finanzwirtschaft und Staat abschaffen und dem Staat damit Freiheit zurückgeben.
    Quelle: FTD
  10. Staatsausgaben trotz Krisenabwehr real kaum gestiegen
    In diesem Jahr 51 Milliarden Euro Mindereinnahmen durch Steuersenkungen
    Seit 1998 sind die Steuern in Deutschland kräftig gesunken. Mindereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe sind die Folge – und ein wesentlicher Grund für das aktuelle Staatsdefizit. Die staatlichen Ausgaben sind hingegen in der vergangenen Dekade real kaum gestiegen. Das zeigen aktuelle Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
    51 Milliarden Euro – so viel würden Bund, Länder und Gemeinden 2011 mehr an Steuern einnehmen, wenn noch die Steuergesetze von 1998 gälten. Das hat der IMK-Steuerexperte Achim Truger ermittelt. “Rein rechnerisch hätte die Bundesrepublik damit aktuell kein Budgetdefizit, sondern einen Überschuss – wenn der Staat nicht in der vergangenen Dekade auf hohe Einnahmen verzichtet hätte”, sagt der Wissenschaftler.
    Vor allem die rot-grüne Einkommensteuerreform mit deutlicher Senkung der Spitzensteuersätze hat durchgeschlagen, zeigen Trugers Daten. So sehr, dass die Steuereinnahmen selbst 2007, nach Anhebung der Mehrwertsteuer, um rund 20 Milliarden Euro unter dem Niveau bei Gültigkeit der Steuergesetze von 1998 blieben. Die für Kapitaleigner günstige Abgeltungsteuer, die Unternehmensteuersenkung und die Entlastungen, welche die große und dann die schwarz-gelbe Koalition in der Krise beschlossen, haben den Abstand noch vergrößert. Zu einem großen Teil kamen die Steuersenkungen wohlhabenderen Haushalten zugute. Das Wachstum konnten sie wegen gleichzeitiger drastischer Ausgabenkürzungen nicht stimulieren. Unter dem Strich blieb daher ein deutliches Minus für den Staat…
    Kaum zu den aktuellen finanziellen Problemen beigetragen hat nach den Berechnungen des Forschers hingegen die Entwicklung der Staatsausgaben: Von 1998 bis 2010 erhöhten sich die gesamtstaatlichen Ausgaben im Jahresdurchschnitt nominal lediglich um 1,8 Prozent. Nach Abzug der Preissteigerung blieb nur ein Mini-Wachstum von durchschnittlich 0,2 Prozent pro Jahr. Dabei sind die niedrigen Werte schon erheblich beeinflusst von den hohen staatlichen Ausgaben zur Abwehr der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2009 und 2010. Zwischen 1998 und dem Beginn der Finanzkrise 2008 erhöhten sich die gesamtstaatlichen Ausgaben im Jahresdurchschnitt nominal lediglich um 1,4 Prozent. Real, nach Abzug der Preissteigerung, schrumpften sie sogar um 0,2 Prozent pro Jahr.
    Quelle: IMK

    In diesem Jahr 51 Milliarden Euro Mindereinnahmen durch Steuersenkungen

  11. Der Traum vom guten Lohn
    Viele Osteuropäer dürfen sich mittlerweile in Deutschland für Jobs bewerben. Anders sieht es für Bulgaren und Rumänen aus.”Die Leute kommen trotzdem. Keiner hat die Dinge zu Ende gedacht”, sagt Wagner. Einer der wenigen legalen Wege hierher führt über den Status als Selbstständiger. Man muss dafür in Deutschland ein Gewerbe anmelden, Steuern an den deutschen Fiskus abführen, eine Haftpflicht- und Krankenversicherung abschließen. So schreiben es die Gesetze vor. Jedoch werde “immer wieder die Unwissenheit der Leute ausgenutzt”, sagt Bettina Wagner vom “Berliner Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte”. Immer wieder werden bulgarische oder rumänische Arbeiter in Deutschland um ihren Lohn geprellt.
    Quelle: taz
  12. Lohnnachschlag bleibt wohl aus
    Führende Institute prognostizieren drastischen Rückgang des Wirtschaftswachstums. Schlechte Aussichten auf Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer.
    Quelle: FR
  13. Wackelige Lebensversicherer bedrohen private Renten
    Millionen Deutsche haben Lebensversicherungen gekauft, um im Alter sorglos den Ruhestand zu genießen. Dieser Traum droht nun zu platzen.
    […]
    Anders als im Umlageverfahren des öffentlichen Rentensystems, in dem die Jungen für die Renten der Alten aufkommen, funktioniert die private Altersvorsorge kapitalgedeckt.
    Quelle: WELT

    Anmerkung des NDS-Lesers J.A.: “Privat geht vor Staat!” Vielleicht kann uns “die Politik” noch mal erklären, warum sie das Umlageverfahren torpediert hat und weiter schädigt. Weil es nicht sicher ist? Am besten ist die Behauptung in dem Artikel, die “kapitalgedeckte” Altersvorsorge funktioniere “[a]nders als im Umlageverfahren”, ohne daß die Jungen für die Renten der Alten aufkämen. Leider kommen diese “Journalisten” immer noch mit lächerlichen Pseudoerklärungen durch (“über die Märkte”).

  14. Steuergelder für den Überwachungsstaat – Projekt „Indect”
    Für Deutschlands Datenschützer ein Alptraum: Flächendeckende Kameraüberwachung, fliegende Aufklärungsdrohnen in den Innenstädten. Wer sich verdächtig macht, wird über Internet und Datenbanken identifiziert und landet im Räderwerk der Strafverfolger. Mit dem EU-Projekt „Indect“ soll dieser Alptraum Wirklichkeit werden. Trotz massiver Kritik fördert die Bundesregierung das Projekt mit Personal und Steuergeldern.
    Quelle: RBB online
  15. Denkfabriken zwischen Unabhängigkeit und Lobbyismus
    Wissenschaft: Thinktanks, sogenannte Denkfabriken, sind zum festen Bestandteil der Forschungslandschaft geworden. Oft ist aber unklar, welche Interessen hinter einem Institut stecken.
    Quelle: VDI-Nachrichten, Aktuelle Berichte aus Technik & Gesellschaft
  16. Lobbyisten an der Uni
    Die Leuphana Universität in Lüneburg hat für ihre Projektwoche Interessenvertreter aus dem Gesundheitswesen eingeladen. Die studentischen Vertreter fürchten um Wissenschaftlichkeit und Neutralität.
    Quelle: TAZ

    Ein NDS-Leser, der verständlicherweise nicht genannt werden möchte, schrieb uns hierzu:

    „Da Sie sich mit Meinungsmache beschäftigen, möchte ich Ihnen folgendes schildern: Wir Studenten hatten die Aufgabe, ein Gesundheitssystem für die Bundesrepublik zu entwerfen.
    Ausgangslage war ein erfundenes Gesetz des EuGH, das mehr Wettbewerb unter den Kassen forderte. Wir wurden in der Veranstaltung durch die Boston Consulting Group betreut, eine Firma für Unternehmensberatung, die vorwiegend im Gesundheitssystem arbeitet. Zusätzlich erhielten wir eine Broschüre dieser Firma, die uns das deutsche Gesundheitssystem näher bringen soll. Desweiteren lieferte Sie alle Powerpointpräsentationen, Aufgaben und Folien.
    Im Laufe der Startwoche wurden wir in Teams eingeteilt, und bekamen die Aufgabe, ein bestimmtes Unternehmen, bzw. eine bestimmte Lobby zu vertreten. Dabei waren in erster Linie der Großhandel, die Pharmalobby, Ärzte, Krankenhäuser und Apothekenverbände.
    Zu keinem Zeitpunkt wurde uns eine neutrale Sicht auf die Dinge gestattet. Stattdessen wurden wir von Lobbyisten der jeweils uns zugeteilten Unternehmen permanent mit Statistiken und Zahlen bombardiert, die uns dienen sollten, beeindruckende Argumentationswege zu finden, um den Profit der jeweiligen Firma zu erhöhen.
    So erzählte der Pharmagroßhandel meiner Gruppe und mir, warum hier und dort Deregulierung nötig sei und unterstrich dies mit Zahlen, zu denen keine Quelle genannt werden konnte.
    Am Schluss mussten wir dann die jeweils anderen Gruppen überzeugen, mit uns zusammenzuarbeiten, um gemeinsam den Profit zu erhöhen. Zwar war uns erlaubt, die Meinung unseres eigenen Unternehmens abzulehnen und eine andere zu vertreten. Das war in der Realität aber nicht möglich, da viele meiner Kommilitonen schon längst auf die Unternehmensmeinung getrimmt waren.
    Ich finde dies erschreckend. Sollte eine Universität nicht eigentlich die Aufgabe haben, uns neutrales, unabhängiges und kritisches Arbeit in der Wissenschaft zu lehren?
    Es zeigt, wie die Studierenden in den Universitäten mittlerweile von Anfang an manipuliert werden. Ich bin sicher, dass ich im Laufe des Studiums, gerade im Studiengang VWL, permanent neoliberaler Logik unterworfen sein werde.“