Die INSM legt mal wieder einen „Bildungsmonitor“ vor: Diesmal wird Sachsen auf Platz 1 gesetzt. Der Osten Deutschlands bildet für den Westen aus.

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Einmal mehr wird über den von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) veröffentlichten „Bildungsmonitor 2006“ in der Presse (bis auf „Die Zeit“) meist kritiklos berichtet. Viele Medien verschweigen, wer hinter dieser „Studie“ steht, sie nehmen deren Bewertungen einfach als „bare Münze“. Dass es bei diesen „Messungen“ nicht um die Qualität von Bildung geht, sondern darum, inwiefern das Bildungssystem „zu einer Steigerung von Standortqualität, Wachstum und Beschäftigung“ im Sinne der Vorstellungen der neoliberalen PR-Agentur INSM beitragen kann, wird tunlichst verschwiegen.

Sinn und die Ziele der vom arbeitgebernahen „Institut der deutschen Wirtschaft“ (IW) erstellten und von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ propagierten „Bildungsmonitore“ haben wir schon 2004 analysiert. Unserer damaligen Kritik brauchen wir nicht viel hinzuzufügen.

Interessant am diesjährigen Bildungsmonitor ist immerhin die Beobachtung, dass innerhalb Deutschlands ein massiver Braindrain von Jungakademikern mit naturwissenschaftlich-technischer Ausbildung aus ostdeutschen Ländern nach Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen stattfindet.
Bei der so genannten „Forscherersatzquote“ (- das ist die Zahl der Absolventen eines Landes in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik je 100 im Land beschäftigter Forscher und Entwickler -) weise Bayern mit 7,8 eine weit unterdurchschnittliche Quote auf, Mecklenburg-Vorpommern mit 22,2 eine weit überdurchschnittliche (Durchschnitt liegt bei 12,3).
Bayern habe sich „auf die Ost-West-Hochschülerwanderung offensichtlich strategisch eingerichtet: Es verknappe die Studienplätze und investiere mehr in die Forschung als in die Lehre.“
Wie meinte doch Ministerpräsident Stoiber im Bundestagswahlkampf: Die Bayern sind eben klüger als die Ostdeutschen. München investiert in Forschung und verbessert damit seine Innovationsfähigkeit und die Ostdeutschen dürfen das Geld für die Ausbildung der Ingenieure aufbringen, die dann nach Bayern auswandern und den Bedarf der dortigen Wirtschaft abdecken.
Das sei ein „umgekehrter Soli“, meint der Geschäftsführer der INSM Max A. Höfer.

Höfer warnt weiter: “Es darf nicht so weit kommen, dass Sachsen aus dem Braindrain die Konsequenz zieht und Ingenieurstudienplätze abbaut.” „Diese Gefahr wird durch die Föderalismusreform ab 2007 erhöht“, mahnt die INSM in ihrer Presseverlautbarung. Aha, jetzt fängt es allmählich zu dämmern an, jetzt werden also plötzlich Krokodilstränen über die Gefahren der Föderalismusreform geweint. Vielleicht erinnern Sie sich noch an das Bild, als anlässlich der Spitzenrunde von Union und SPD im Februar 2006 Mitarbeiter der INSM medienwirksam einen riesigen gordischen Knoten vor den Reichstag schleppten, um so für „eine Stärkung des Wettbewerbsföderalismus“ zu werben.

Als Grund, warum sich diesmal das Bildungssystem Sachsens an die Spitze gesetzt habe, wird genannt: „Sachsen hat trotz eines demographiebedingten Rückgangs der Schülerzahlen seine Bildungsausgaben auf nahezu gleichem Niveau gehalten und damit in die Betreuungsqualität investiert.“
Ja, wer hätte das wohl gedacht, dass sich durch eine Verbesserung der Betreuungsqualität und damit mehr Bildungsausgaben pro Schüler die Ausbildungsqualität erhöht? Das ist ja eine völlig neue Erkenntnis!

Im Bildungsmonitor 2006 wird noch vor einer anderen Entwicklung gewarnt: „Dem Land der Ideen gehen die Ideengeber aus.“
Wörtlich heißt es:“Alarmierend allerdings ist der Rückgang der Zahl der Hochschulabsolventen in Ingenieurwissenschaften. Seit Ende der 90´erJahre ist die Anzahl der frischgebackenen Diplomingenieure um 14,6 Prozent zurückgegangen, in Hessen sogar um 25 Prozent. Dies ist ein Warnsignal für den Innovationsstandort Deutschland. Wenn der indisch-amerikanische Außenhandelsökonom Jagdish Bhagwati davon spricht, dass Deutschland ein Globalisierungsgewinner sein werde, dann hat er Deutschland als Land mit bestens ausgebildeten Arbeitnehmern im Kopf. Damit dies so bleibt, müssen die deutschen Hochschulen schnellstens für Nachwuchs sorgen.“

Die Hochschulen müssen also schnellsten für Nachwuchs sorgen! Und gleichzeitig werden durch die Einführung von Studiengebühren neue Bildungsbarrieren errichtet. Wie soll das zusammenpassen? War nicht gerade die INSM seit ihrer Gründung einer der wichtigsten Propagandisten für Studiengebühren?
Hat nicht das Deutsche Studentenwerk durch Umfragen festgestellt, dass schon die Debatte um die Studiengebühren viele Studierwillige davon abhält sich für ein Studium zu entscheiden?

Zuerst massiv für den Wettbewerbsföderalismus trommeln und jetzt vor seinen Konsequenzen warnen, in geradezu aggressiver Weise Propaganda für die Studiengebühren betreiben und jetzt Alarm schlagen, wenn die Zahl der Absolventen zurückgeht, das sind nur einige Beispiele für die Widersprüchlichkeit der Art von „Reformen“, die das INSM einfordert und die belegen welche Gefahren damit entstehen bzw. welcher Schaden damit angerichtet wird.

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