Hinweise des Tages

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(WL/KR)

  1. Peter Bofinger: Schweizer Schuldenbremse im Praxistest gescheitert
    In Deutschland wird die Schweizer Finanzregel als Modell gefeiert. Dass ein solcher Bremskurs der falsche Weg gewesen wäre, verdeutlicht die Entwicklung im Jahr 2006. Im November 2005 hatte sich die Koalition dazu durchgerungen, auf Sparmaßnahmen zu verzichten und ein Defizit von rund 3 ¾ % in Kauf zu nehmen, um die Wirtschaft endlich wieder in Schwung zu bringen. Das hat sich ausgezahlt. Die sich darauf einstellende gute Konjunktur spülte so viel Geld in die öffentlichen Kassen, dass die Neuverschuldung am Ende nur noch 1,7 % betrug. Wenn man dann unbedingt eine Bremse will, sollte man über eine Steuersenkungsbremse nachdenken, die Steuerentlastungen so lange verfassungsrechtlich verbietet, bis die Schuldenstandsquote wieder deutlich unter der 60%-Grenze des Vertrags von Maastricht liegt.
    Quelle: FTD
  2. Thomas Fricke: Der Kirmeskrach über sinkende oder nicht sinkende Steuern lässt erahnen, wie erschreckend wenig die Beteiligten aus den Desastern der vergangenen Jahre gelernt haben
    Was den Glos’schen Plan für anno 2009 absurd macht, ist die kaum verborgene Tante-Erna-Grundidee, wonach es am besten ist, Finanzpolitik nach Kassenlage zu machen – als ginge es um die Klingeltüte vom Kaninchenzüchterverein. Und als wäre genau das nicht gerade eindrucksvoll danebengegangen.
    Als die Konjunktur schlecht lief, hat Rot-Grün wie benommen versucht, konjunkturbedingt fehlendes Geld durch heilloses Kürzen wieder einzufahren und so die Finanzlage aufzubessern. Das Ergebnis war, dass das Defizit beim Abgang von Hans Eichel immer noch über drei Prozent der Wirtschaftsleistung lag – weil das ganze Konsolidieren in der Krise die Konjunktur noch mehr schwächte, was wiederum die Staatseinnahmen einbrechen ließ. Kein Zufall: Die Wende, die jetzt zu bestaunen ist, kam erst, als die neue Regierung für 2006 einen Konsolidierungsstopp ankündigte und die Konjunktur dezent anschob. Plötzlich ist das Defizit nur noch halb so hoch. Dank Aufschwung.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Was an diesem Kommentar allerdings stört, ist, dass Fricke so tut, als hätten wir schon einen stabilen Aufschwung.

  3. Werner Vontobel: Wir glauben zu wissen, dass ein steigendes Bruttosozialprodukt allen nützt
    Tatsache ist, dass dies seit geraumer Zeit nicht mehr stimmt. Trotz Wirtschaftswachstum erleben die Bürger vieler Länder einen wirtschaftlichen Abstieg. In Deutschland ist das Einkommen des Durchschnittshaushalts seit 1992 um rund 25 Prozent gesunken.
    Quelle: Blick

    Kommentar AM: Auch beim klugen Vontobel wird zunächst im 2. Abs. der Eindruck erweckt, als sei es zwangsläufig so, dass die Bürger trotz Wachstum wirtschaftlich absteigen. Dann erkennt er im letzten Absatz doch noch, dass diese Entwicklung gemacht ist. Leider fehlt dabei der Hinweis auf die makroökonomische Fehlsteuerung.

  4. US-Investoren stoppen Verteilung von Bonus-Aktien an Beschäftigte
    Mit dem geplanten Programm sollten Ericsson-Beschäftigte unter anderem die Möglichkeit erhalten, bis zu 7,5 Prozent ihres jeweiligen Bruttogehaltes in Aktien anzusparen.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Schlechte Aussichten für einen Investivlohn.

  5. Dierk Hirschel: Rund 4 Prozent mehr Lohn versprechen die Tarifverträge. Tatsächlich dürften nur etwa 2 Prozent herauskommen
    Denn die offiziellen Tarifgehälter kommen heute bei immer weniger Beschäftigten an. In den letzten zehn Jahren stiegen die Tariflöhne doppelt so stark wie die allgemeinen Bruttolöhne und -gehälter (Effektivlöhne). Diese Abweichung der Effektiv- von den Tariflöhnen wird als “negative Lohndrift” bezeichnet und hat mehrere Ursachen: Selbst wenn Unternehmen noch offiziell nach Tarif zahlen, nutzen sie immer häufiger die tariflich vereinbarten Öffnungsklauseln und weichen nach unten ab. Oder aber sie kürzen die übertariflichen Leistungen. Zudem fallen immer weniger Beschäftigte überhaupt unter einen Flächentarifvertrag. Im Westen sind noch zwei von drei Arbeitnehmern tarifgebunden, im Osten ist es nur noch jeder zweite. Darüber hinaus wächst die prekäre Beschäftigung. Nur noch zwei von drei Arbeitnehmern haben einen unbefristeten, sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplatz. Dazu passt, dass im aktuellen Aufschwung jeder zweite neue Job in der Zeitarbeitsbranche entsteht. Mini-, Midijobs, Ich-AGs und Hartz IV drücken ebenfalls auf die Bruttolöhne.
    Quelle: taz
  6. Nur nicht zu wertvoll
    Die Freude über einen reich gedeckten Gabentisch zur Kommunion oder Konfirmation könnte bei Kindern von Hartz-IV-Empfängern von kurzer Dauer sein – zumindest wenn es sich um wertvolle Geschenke handelt.
    Quelle: SZ
  7. “Es ist anmaßend, Leute sterben zu lassen”
    Das heutige Patentrecht setzt die falschen Forschungsanreize. Es lohnt sich finanziell am meisten, für verbreitete Leiden in den Industrieländern Medikamente zu entwickeln. Forschung für Arme lohnt sich nicht, meint Oliver Moldenhauer von der Hilfsorganisation “Ärzte ohne Grenzen”.
    Quelle: TAZ
  8. Hochschulreform-Ruin – Nachruf auf die Universität als unabhängigem Ort
    Wer um das Jahr 2000 herum zu studieren begonnen hat und mit jetzigen Anfängern spricht, fühlt sich, als stehe er mit einem uralten Plan in einer Stadt, die durch ein Flächenbombardement verwüstet wurde.
    Man hat es insgesamt mit einem Prozess zu tun, der auf die Probleme der alten Universität eine falsche Antwort nach der anderen gegeben hat, die dann ihrerseits zu weiteren falschen Antworten führen. Bisheriger Höhepunkt dieser Logik ist nun die endgültige Zurichtung von Bildung zur Ware, einem Hauptargument für die Gebühren.
    Quelle: Freitag
  9. Hörsäle werden zu Werbeflächen
    Im Fußball ist es schon alltäglich, Stadien nach ihren Finanziers zu benennen. An Universitäten bilden solche Namensgebungen noch eher die Ausnahme. Doch die Wirtschaft hat im Sponsoring an Hochschulen ein neues Feld für die Werbung entdeckt.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung: Selbst dem Handelsblatt scheint die Invasion der Wirtschaft in die Unis allmählich nicht mehr ganz geheuer.

  10. Zum Dissens zwischen Friedenbewegung und Grünen
    • Ostern kein Friedensfest für die Grünen
      Die Parteispitze wirft der Friedensbewegung “Schwarz-Weiß-Malerei” vor. Einige Grüne ergreifen daraufhin in einem offenen Brief Partei für die Ostermärschler – und wünschen sich von ihren Führungsgremien “mehr Eindeutigkeit” in der Friedenspolitik.
      Quelle: TAZ
    • Ton, Steine und Scherben
      Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth stellt der Bewegung friedenspolitisch “ein Armutszeugnis” aus.
      Quelle: Freitag
  11. Ende der Kraftmeierei
    Die deutsche Autolobby hat Forderungen nach einem intelligenten System von Tempolimits immer ausbremsen können. Bieten deutsche Autos denn keine Vorzüge außer Tempo? Verarbeitung, Komfort, Service, Haltbarkeit, Sicherheit, technologische Ausgereiftheit haben lange Zeit das gute Produktimage vieler deutscher Autohersteller begründet. Wer diese Trümpfe in der Werbung gegenüber dem Tempo vernachlässigt, gefährdet die eigene Zukunft.
    Quelle: Freitag
  12. Baruchs großer Bluff
    Wie die US-Diplomatie einst das eigene Atomwaffenmonopol anno 1946 verewigen wollte.
    Quelle: Freitag
  13. Die Rebellion der Physiker
    Vor 50 Jahren protestierten in der “Göttinger Erklärung” führende deutsche Atomwissenschaftler gegen den Plan, die Bundeswehr mit Kernwaffen auszustatten.
    Quelle: FR
  14. Wie die israelische Regierung den Sozialstaat demontiert
    Auch in Israel wird die Altersversorgung privatisiert, wie Assaf Adiv, landesweiter Koordinator des Workers Advice Centers (WAC) in Israel berichtet.
    Quelle 1: Neue Rheinische Zeitung

    Über das WAC siehe auch…
    Quelle 2: www.labournet.de

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