Nachtrag zu „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, …“ mit einem ergänzenden Interview mit Chris Hedges über den Mythos der freien Presse

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Am 13. August hatte ich über die eingeschränkte Pressefreiheit und den desolaten Zustand der Medien weltweit geschrieben. Von einer Leserin bin ich darauf hin auf ein interessantes Interview mit Chris Hedges aufmerksam gemacht worden: „Mythos der freien Presse“ [deutsche Untertitel]. Dieses 10 Minuten dauernde Interview hat es in sich. – zum gleichen Thema schrieb dann auch noch ein Leser der NachDenkSeiten. Siehe B. Albrecht Müller.

  1. Zu Chris Hedges

    Er war 15 Jahre bei der New York Times, und bei vielen anderen US-amerikanischen Medien tätig. Hier der Wikipedia-Artikel zu Chris Hedges..

    Was er berichtet, gründet auf seiner eigenen Erfahrung. Er hat erlebt, dass der eigenen Karriere schadet, wer die Pressefreiheit allzu ernst nimmt.

    Chris Hedges weist darauf hin, wie wechselhaft die Stimmung und die Meinung bei US-amerikanischen Medien ist und wie sehr sie sich dem Wunsch der Regierung unterordnen. Die USA sind hier keine Ausnahme. Der Mitarbeiter eines großen deutschen Magazins berichtete mir gerade von den Schwierigkeiten, kritische Beiträge und kritische Interviews unterzubringen. Das Gängelband ist überall zu spüren.

    Chris Hedges sagt auch Interessantes zum Arbeitsmarkt für Journalisten und zu ihren Einkommen. Sehr viele Journalistinnen und Journalisten gehören nach seinen Erfahrungen heute zu den working poor und sind schon deshalb gezwungen, sich anzupassen.

    Für die Zukunft sieht Chris Hedges schwarz. Er fürchtet, dass wir in einer Art Totalitarismus abgleiten.

    Zu weiteren Texten von ihm:

    Im Oktober letzten Jahres erschien ein Artikel zum gleichen Thema: The Myth of the Free Press.

    Weitere Artikel siehe hier.

    Zum Beispiel:
    We are all Greeks now
    What is happening in Greece in the name of austerity has already happened to the poor and the working class in the United States. If the global financial elites continue in power, the misery of the Greeks will become our own….

  2. Einschlägige Hinweise eines NachDenkSeiten-Lesers
    Ich gebe die beiden folgenden Mails direkt wieder, auch wenn die Ansichten da und dort etwas radikal und manchem Leser vielleicht nicht differenziert genug sind. Im Kern sind sie richtig:

    1. Hallo Herr Müller,

      RT wird von Russland bezahlt, das ist kein Geheimnis. Die westlichen Medien werden von ABC bezahlt, was nicht offen vermittelt wird (ABC = Allianz BMW Coca Cola). Medien sind grundsätzlich abhängig, insofern kann es gar keine freie Presse (freien Medien) geben. Noch unfreier wird sie, wenn sie Meldungen von den (geheimdienst-verseuchten) Nachrichtenagenturen übernimmt. Irgendwo las ich, dass eine Zeitung durchschnittlich aus 60% Nachrichtenagenturmeldungen besteht. Und die bildgebenden Medien sind ebenfalls auf Bilder dieser Nachrichtenagenturen angewiesen.

      Genauso wichtig ist aber auch die Tatsache, dass im Laufe der letzten Jahrzehnte die Taktik der herrschenden Klasse rückblickend sichtbar wurde. Zunächst hat man linksgerichtete Medien zwar gewähren lassen, aber versucht, diese mit ‘eigenen Leuten’ zu unterwandern (Spitze dieser Entwicklung ist Der Spiegel). Seitdem die Gewerkschaften als Sponsoren ausfielen, wurde die Taktik verändert. Die Medien (z.B. Die Woche) ließ man austrocknen und die, die gerade so noch überleben konnten, übernahm man rotzfrech. Rotzfrech deshalb, weil einige wenige linksgerichtete Journalisten ins Schaufenster gestellt werden, die außer ein paar netten Worte an ihre Klientel zu sagen oder zu schreiben, nichts ausrichten können. So lässt man die Leser in der Meinung, dass sich diese Blätter von anderen unterscheiden. …
      Nachbemerkung A.M.: Schade, dass unser Leser keine Medien und die dazugehörigen Namen nennt

    2. Hallo Herr Müller,
      Apropos NYT – oder das uralte Märchen von der Pressefreiheit
      Schon 1880 erwiderte auf einem Bankett der Zeitungszunft der erste Editorial-Schreiber der NYT, John Swinton*,  einem Vortragenden, der zuvor die freie Presse pries, folgendes:
      „So etwas gibt es bis zum heutigen Tage nicht in der Weltgeschichte, auch nicht in Amerika: eine unabhängige Presse. Sie wissen das, und ich weiß das. Es gibt hier nicht einen unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben. Und wenn er es täte, wüsste er vorher bereits, dass sie niemals im Druck erschiene. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, dass ich meine ehrliche Meinung aus dem Blatt, mit dem ich verbunden bin, heraushalte. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Bezahlung für ähnliche Dinge, und wenn Sie so verrückt wären, Ihre ehrliche Meinung zu schreiben, würden Sie umgehend auf der Straße landen, um sich einen neuen Job zu suchen. Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren. Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu legen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.“
      (*In anderen Veröffentlichungen ist John Swinton ehemaliger Chefredakteur der NYT, sei’s drum, bei der NYT war er jedenfalls)

      P.S.: Wie immer gilt auch hier, dass ich andere aus der Redaktion nicht für meine Analysen und Ansichten in Anspruch nehmen will.

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!