Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die Rückkehr des R-Worts
    Nach der Serie schlechter Konjunkturdaten in den vergangenen Tagen halten es Experten erstmals seit Jahren wieder für möglich, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abgleitet. Vor allem ein Parameter ist dafür entscheidend. “Es muss nicht mehr viel passieren, dass wir in eine Rezession schlittern“, sagte Andreas Scheuerle, Europa-Chefökonom der Deka-Bank. Diese Einschätzung vertrat auch Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America. Die Wirtschaft sei nicht weit entfernt, die Standarddefinition für eine Rezession zu erfüllen. Darunter verstehen Experten ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung zwei Quartale hintereinander.

    Auf eine drastische Verschlechterung der Konjunktur ließen am Mittwoch Meldungen schließen, wonach die deutschen Exporteure im Mai 3,2 Prozent weniger verkauften als im Vormonat. Dies war der größte Einbruch innerhalb eines Monats seit Februar 2005.
    Quelle: FTD

  2. Noch läuft es rund
    Die deutschen Exporte werden im ersten Halbjahr wohl auf einen Rekordwert klettern. Trotz hoher Ölkosten wächst die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Energiesparen wird zum Verkaufsschlager deutscher Technologie. Roland Bunzenthal liefert Daten zu den Bereichen Chemie, Maschinenbau, Stahl, Autos
    Quelle: FR
  3. Deutsche Wirtschaft wächst nur noch schwach
    Nach dem furiosen Jahresauftakt dürfte die deutsche Wirtschaft nach DIW-Einschätzung deutlich langsamer gewachsen sein. Auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet mit einem Einbruch des deutschen Wirtschaftswachstums im zweiten Quartal, blickt aber zuversichtlich in die Zukunft. Für die Monate April bis Juni sei ein Wachstum von 0,2 Prozent zu erwarten, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung AM: Das wäre eigentlich nicht lesenswert. Aber es ist ein so typisches Belegstück für Meinungsmache und die Kritiklosigkeit unserer Journalisten, dass ein Hinweis doch lohnt. „Furioser“ Jahresauftakt? Wo war der denn? Und dann Kaffeesatzleserei der Offiziellen und der so genannten Experten.

  4. Die Big Three am Abgrund
    Sinkende Verkaufszahlen, schrumpfende Marktanteile, fallende Aktienkurse – GM, Ford und Chrysler stecken in der größten Krise ihrer Geschichte. Selbst das bisher Undenkbare wird nicht mehr ausgeschlossen: eine Pleite.

    Die US-Autoindustrie steckt in der größten Krise seit Gründung der Big Three. Die Absatzzahlen sinken dramatisch, die Marktanteile der Hersteller schrumpfen, die Aktienkurse fallen. Seit Jahren währt die Dauermisere, nun wird sie existenzbedrohend. 300.000 Jobs gingen seit 1999 verloren, ganze Fabriken wurden geschlossen. Die einst übermächtige Position auf dem Weltmarkt scheint für GM, Ford und Chrysler unwiederbringlich verloren. Und die Konkurrenz aus Europa und Asien mit ihren zuverlässigen, sparsamen Autos steht bereit, die Lücke zu füllen. 1980 stammten drei Viertel der in den USA verkauften Autos aus Detroit, im Juni 2008 waren es nur noch 46,4 Prozent.
    Quelle: FTD

  5. Brisanter Bericht der Börsenaufsicht – Analysten verschweigen Risiken
    Analysten und Manager der großen Ratingagenturen Standard & Poors (S&P), Moodys und Fitch haben die Gefahren der Subprime-Krise um US-Ramschhypotheken früh erkannt, ihr Wissen aber für sich behalten.

    Dies hat jetzt die US-Börsenaufsicht SEC aufgedeckt. Sie veröffentlichte einen 37-seitigen Bericht, in dem zum Teil auch anonymisierte interne E-Mails zitiert werden. Darin mokieren sich die Analysten über ihre eigenen Ratings. Man schaffe ein “Monster“, schrieb zum Beispiel ein hochrangiger Analyst an einen Kollegen im eigenen Hause über sogenannte Collateralised Debt Obligations (CDOs). Bei diesen werden oft strukturierte Anleihen nochmals umverpackt. “Hoffentlich sind wir alle reich und in Rente, wenn dieses Kartenhaus zusammenfällt“, schrieb der Analyst.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung AM: Das haben wir schon immer vermutet. Natürlich wussten die Kenner, was gespielt wird. Die Kenner sind reich geworden. Und wir als Steuerzahler zahlen dafür. So will es auch unser Finanzminister und sein famoser neuer Staatssekretär, Jörg Asmussen, ehemals Leiter der Abteilung „Finanzmarktpolitik“.

  6. AKW-Kampagne
    1. So bleiben Sie AKW-Gegner
      Was dabei war, Konsens zu werden, scheint zu kippen. Selbst manche Gegner zweifeln am Nein zur Atomenergie. taz.de entlarvt die häufigsten Pro-Argumente der AKW-Debatte.
      Quelle: TAZ
    2. Wie im Streit um Atomkraft getrickst wird
      Der Betreiber des Atomkraftwerks Biblis will mit Wartungsarbeiten erreichen, dass der Meiler länger als geplant am Netz bleibt – bis eine neue, möglicherweise kernkraft-freundlichere Regierung im Amt ist.

      Der Energiekonzern RWE will dafür sogar sein Atomkraftwerk Biblis A im kommenden Jahr für vier Monate vom Netz nehmen. Bei dieser „Revision“, die offiziell zur Überprüfung des technischen Zustands der Anlage dient, wird kein Strom produziert. Da sich die Laufzeit der AKW an der produzierten Strommenge orientiert, könnte Biblis A durch diese Verzögerung bis 2010 am Netz bleiben. Die nächste Bundestagswahl findet im Herbst 2009 statt. Danach könnte eine potentielle kernernergiefreundliche Mehrheit von Union und FDP den Atomausstieg rückgängig machen.
      Quelle: Die Welt

    3. BILDblog zur Atomkraftkampagne von Bild: Das Santenmännchen ist wieder da
      Was bedeutet es eigentlich, wenn “RWI-Experte Manuel Frondel” in “Bild” sagt:

      Bild Schnipsel

      Bedeutet das wirklich, dass mit einer “Milliarden-Ersparnis für Wirtschaft und Verbraucher” zu rechnen sei, wie “Bild” behauptet (und “Focus Online” weiterverbreitet)?

      Nicht unbedingt. Wie der “Klima-Lügendetektor” berichtet, räume sogar “RWI-Experte” Frondel auf Nachfrage ein, dass “die Erzeugungskosten erstmal nichts mit dem Endpreis des Stroms zu tun” hätten. Die errechnete Ersparnis falle vielmehr bei den Stromkonzernen an und müsse von denen natürlich nicht an die Verbraucher weitergegeben werden – was Frondel “so auch nie gesagt” haben will, offenbar nicht mal zu “Bild”. Der “Klima-Lügendetektor” schließt aber nicht mal aus, dass Frondel in seinem “Bild”-O-Ton mit “uns” ohnehin nicht “Wirtschaft und Verbraucher” (also uns) gemeint hat, sondern bloß seine unsere Energiewirtschaft.
      Quelle: BILDblog

    4. Strahlender Sumpf
      Eine Besuchergruppe um den niedersächsischen Umweltstaatssekretär Stefan Birkner (FDP) steht vor der Abbau-Kammer 12. “Vorsicht Kontamination” warnt ein Blechschild. Dahinter stehen vier Plastikbottiche mit schwarz-gelben Radioaktivitätsaufklebern, ein paar Schläuche führen in eine dunkle Ecke. Dort ist der Sumpf, der plötzlich die Aufmerksamkeit auf die fast schon vergessene Asse richtete. Salzbrühe läuft in den Sumpf, verseucht mit Cäsium 137. Der zulässige Grenzwert wurde zeitweise um das Elffache überschritten.

      Als die verstrahlte Suppe 2005 bei Sicherungsarbeiten in den maroden Salzkammern entdeckt wurde, entschlossen sich die Helmholtz-Leute, die Lauge einfach tiefer auf die 950-Meter-Sohle zu pumpen – ohne Genehmigung, ein Anruf beim Landesbergamt sollte genügen. Das Umweltministerium in Hannover wurde nach eigenen Angaben nicht über die Strahlenbelastung unterrichtet.
      Quelle: FR

    5. Atomunfall in Frankreich : Baden und Fischen verboten
      Quelle: FR
  7. Bahn will keine Volksaktie werden
    Weder Fernsehwerbung noch Rabatte: Die Deutsche Bahn möchte sich bei ihrem Börsengang im Herbst nicht um Kleinanleger bemühen. Und wenn die Profiinvestoren nicht anbeißen? Dann gibt es keinen Ausweichplan. Für den im Herbst geplanten Börsengang würden primär institutionelle Investoren in Europa, dem Nahen Osten und Asien angesprochen, sagte Bahn-Finanzchef Diethelm Sack am Donnerstag in Frankfurt. Privatanleger seien nicht die Zielgruppe und sollen daher auch nicht mit aufwendigen Fernsehwerbung oder Rabatten gelockt werden.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Das ist aus dem Beschluss des Hamburger Parteitags der SPD zur Privatisierung unter der Bedingung „stimmrechtsloser Volksaktien“ geworden. Kein Wort des SPD-Verkehrsministers Tiefensee, kein Protest des Parteivorstandes ist zu hören, kein Bezirk der SPD verlangt die Einberufung eines Parteitags. So lässt sich die SPD an der Nase herumführen und wundert sich, dass sie nicht mehr ernst genommen wird.

  8. EU-Parlament segnet militärische Nutzung von Galileo ab
    Das EU-Parlament hat am heutigen Donnerstag mit großer Mehrheit einer Resolution zur “Bedeutung des Weltraums für die Sicherheit Europas” zugestimmt. Der vom deutschen CDU-Abgeordneten und Vorsitzenden des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europaparlament, Karl von Wogau, eingereichte Resolutionsentwurf enthielt unter anderem die Forderung, dass das künftige europäische Satellitennavigationssystem Galileo für Operationen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) “zur Verfügung stehen” soll. 502 Abgeordnete stimmten für den Resolutionsentwurf, 83 dagegen. Änderungsanträge der europäischen Grünen, Galileo ausschließlich für zivile Zwecke zu nutzen, wurden abgelehnt.

    Angetreten waren die Protagonisten eines eigenen europäischen Satellitennavigationssystems einst mit der Aussage, dass bei Galileo nur zivile Nutzungszwecke vorgesehen seien. Doch spätestens mit der Dienste-Festlegung Ende 2004 war mit der naiven Annahme, das Militär könne bei Galileo außen vor gelassen werden, Schluss.
    Quelle: Heise newsticker

  9. Ministerin legt sich mit Hundt an
    Die Regierung habe “ihre Zusage eingehalten und die paritätisch zu finanzierenden Lohnnebenkosten unter 40 Prozent gesenkt“; aktuell liege dieser Wert “bei exakt 39,16“. Besonders sauer ist Schmidt über die Kalkulationsmethode Hundts: “Immer wieder” rechne der Arbeitgeberlobbyist den “Sonderbeitrag” von 0,9 Prozent, den seit dem Jahr 2005 “ausschließlich” die Arbeitnehmer aufbringen müssten, in die Lohnnebenkosten mit ein. “Dies bestärkt mich in der Vermutung“, so die Ministerin, dass dieser seinerzeit “zur Entlastung” der Unternehmen erfolgte Schritt “in der Wahrnehmung der Arbeitgeber bislang immer noch nicht angekommen ist“.

    Nach Darstellung Schmidts verschafft die Verschiebung der Beitragsparität zulasten der Versicherten den Arbeitgebern ein jährliches Extra von 4,5 Milliarden Euro. “Ich bin gern bereit, eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung für diesen Bereich vorzuschlagen, damit Ihre Angaben künftig zutreffen”, lautet ihre ironische Offerte. Sie sei “sicher, dass ich dafür schnell die Zustimmung der Versicherten erhielte”.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Ach, liebe Ministerin Schmidt, selbst wenn Sie die Beitragsparität voll aufgeben würden, glauben Sie wirklich daran Herr Hundt damit zufrieden wäre. Haben Sie immer noch nicht verstanden, dass die Senkung der „Lohnnebenkosten“ kein objektiver Sachzwang, sondern schlicht ein Interessenkonflikt bzw. eine Umverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist.

  10. Spitzel-Affäre der Telekom: Aufsichtsräte zeigen eigenes Unternehmen an
    Im Rahmen der Spitzel-Affäre haben die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom Strafanzeige gegen das Bonner Unternehmen erstattet. Das teilte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Lothar Schröder mit. Die Arbeitnehmervertreter sehen nach Informationen des “Handelsblatts” unter anderem das Fernmeldegeheimnis und den Datenschutz verletzt.
    Quelle: Rheinische Post Online
  11. Geteiltes Neukölln
    Neukölln steht vor der sozialen Spaltung: Forscher der Humboldt-Universität sehen im Norden eine dramatische Verschlechterung der sozialen Lage. Nur der Süden bleibt verschont. Bezirksbürgermeister Buschkowsky hält die Ergebnisse der Studie für bedenklich – und hat Ideen aus Rotterdam mitgebracht.
    Insgesamt leben in Neukölln 302 000 Menschen. Im Norden mit 160 000 Personen bezog 2006 jeder zweite Sozialleistungen, 60 Prozent der unter 25-Jährigen lebten von Hartz IV. An den Hauptschulen fehlten bis zu 27 Prozent der Schüler mehr als drei Wochen. „Erschreckend“ sei auch die Zunahme der Kinderarmut, die von 19 Prozent 2001 auf 54,5 Prozent 2006 gestiegen ist und in einigen Vierteln bis zu 73,5 Prozent erreicht. Außerdem machen 162 jugendliche Intensivtäter Neukölln unsicher, die Zahl hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdreifacht.
    Quelle: Tagesspiegel
  12. Christoph Butterwegge: Marktradikalismus und Rechtsextremismus
    Erstmals werden die verschiedenen Ansätze der Neoliberalismusforschung im deutschsprachigen Raum unter verschiedenen Perspektiven gebündelt dargestellt. Bemerkenswert erscheint dabei der Zusammenhang zwischen dem neoliberalen Projekt und dem wachsenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus.
    Quelle Teil 1: Neue Rheinische Zeitung
    Quelle Teil 2: Neue Rheinische Zeitung
    Quelle Teil 3: Neue Rheinische Zeitung
    Quelle Teil 4: Neue Rheinische Zeitung
  13. Staat müsste vier Billionen Euro zurücklegen
    Jeder vernünftige Kaufmann legt für schlechte Zeiten Geld zurück. Nur nicht der deutsche Staat. Für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung künftiger Generationen wurde einer Studie zufolge viel zu wenig angespart. Es geht um mehrere Billionen Euro. Der Staat sorgt einer Studie zufolge entschieden zu wenig für künftige Generationen vor. Die angehäufte Hypothek zulasten nachfolgender Generationen liege bei knapp vier Billionen Euro, sagte das Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft, Bernd Raffelhüschen, am Donnerstag in Berlin.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Das ist die übliche Manipulation mit den sog. impliziten Schulden. Diese Irreführung betreibt Professor Raffelhüschen, der nicht nur Vorstandsmitglied der wirtschaftsliberalen Stiftung Marktwirtschaft sondern als Wissenschaftler auftretender Lobbyist für die Privatversicherer ist, regelmäßig.

    Dazu schrieb Albrecht Müller schon 2004:

    Stimmungsmache mit sogenannten impliziten Schulden
    Das Thema Schulden ist angstbesetzt. Um so schlimmer, dass diese Ängste auch mit sehr unlauteren Behauptungen geschürt werden. So rechnen der frühere haushaltspolitische Sprecher der Grünen Oswald Metzger und andere inzwischen auch die Leistungsversprechen der Sozialversicherungen zu den Schulden. Sie nennen dieses Leistungsversprechen »die implizite Verschuldung«. Mit den 1,3 Billionen Euro »explizite Schulden« kommen sie dann auf die gigantische Zahl von 5,7 Billionen Euro.

    Diese Addition klingt einleuchtend, ist es aber nicht. Die erworbenen Leistungsversprechen sind keine Schulden. Es handelt sich in einem einigermaßen intakten System von Sozialversicherungen und privaten Versicherungen um Ansprüche, die die späteren Leistungsempfänger durch Prämien- beziehungsweise Beitragszahlungen erworben haben. Ihre Beiträge werden im Umlageverfahren für Leistungen an die Älteren beziehungsweise – im Falle von Krankenversicherungen – an die jeweils gerade Kranken ausgezahlt. Jene, die später dann mit der Rente oder im Krankheits- und Pflegefall eine Leistung in Anspruch nehmen, haben ihren Beitrag zum System früher geleistet. Und jene, die schon früher Leistungsempfänger waren, haben wieder eine Generation früher ihre Beiträge geleistet. Dieses System kann gestört werden, wenn nicht für eine ausreichende Auslastung der Volkswirtschaft gesorgt wird und so zu wenig Beiträge eingezahlt werden oder wenn sogenannte versicherungsfremde Leistungen auf den Beitragszahlern abgeladen werden, wie dies im Zuge der deutschen Vereinigung geschehen ist. Aber dieser Mangel der vergangenen Jahre rechtfertigt weder die fundamentale Kritik am System selbst noch die übertreibende Addition zu den Schulden. Das ist reine Demagogie.
    Quelle: Elf Mythen, den Komplex Schulden, Staatsquote und Sozialstaat betreffend

    Dass der Spiegel – offenbar übernommen von der Nachrichtenagentur Reuters – diese Demagogie einer marktliberalen Propagandaorganisation wie der Stiftung Marktwirtschaft, vorgestellt von einem einschlägig bekannten Propagandisten für die Privatversicherung wie Professor Raffelhüschen kommentarlos abdruckt, zeigt entweder, dass den Journalisten im Spiegel jede journalistische Kompetenz fehlt oder dass sie Mittäter sind.

  14. Deutschland droht Abiturienten-Loch
    Die Zahl der 20- bis 24-Jährigen Deutschen mit Abitur oder gleichwertigem Abschluss sinkt: Nur 72,5 Prozent wiesen diesen 2007 auf – 2,2 Punkte weniger als 2000. Zu wenig, meint die EU. Sie gibt 85 Prozent als Zielmarke vor.

    Deutschland wird das EU-Ziel zur Steigerung der Abiturienten-Zahlen bis zum Jahr 2010 verfehlen. Der Anteil junger Bundesbürger mit Abitur sinkt nach neuesten Zahlen der EU-Kommission statt wie geplant zu steigen. Unter den 20- bis 24-Jährigen des Jahres 2007 hatten nach Angaben der Brüsseler Behörde bloß 72,5 Prozent die Schule mit dem Abitur oder einem gleichwertigen Abschluss verlassen – ein Minus von 2,2 Punkten verglichen mit dem Jahr 2000. EU-Ziel ist hingegen eine Steigerung auf 85 Prozent.
    Lichtblick: Lese-Fähigkeit verbessert

    EU-weit sei der Anteil der Abiturienten in dieser Altersgruppe von 76,6 Prozent im Jahr 2000 auf zuletzt 78,1 Prozent gestiegen, teilte die Kommission mit. Von insgesamt fünf Bildungszielen werden die 27 EU-Staaten zusammengenommen nur die angestrebte Steigerung der Studienabschlüsse in mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichen Fächern erreichen. Insgesamt verschlechtert hat sich hingegen die Lesefähigkeit der 15-Jährigen. Auf diesem Gebiet ist Deutschland einer der wenigen Mitgliedstaaten, in dem sich die Lage bessert.
    Quelle: Kölnische Rundschau

  15. Studenten klagen wieder – Verfassungsgericht greift Staatsgerichtshof an
    Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg für neue Klagen gegen die hessischen Studiengebühren frei gemacht. In einer Verfügung an den Frankfurter Rechtsanwalt Adam Rosenberg stellt das höchste deutsche Gericht klar: Die Entscheidung des hessischen Staatsgerichtshofs für Gebühren von 500 Euro pro Semester ist “weder rechtskräftig noch bindend”. “Das ist eine historische Entscheidung”, sagte Rosenberg zur FR. Die Karlsruher Einschätzung sei eine “Blamage für den Staatsgerichtshof“.

    Die Wiesbadener Behörde hatte Mitte Juni mit nur sechs zu fünf Stimmen das Gebührengesetz der CDU für legal erklärt. Sozial Schwächere könnten durch Darlehen ihre akademische Ausbildung bestreiten, hieß es in der Urteilsbegründung. Ungeachtet dieses Votums beschloss die Landtagsmehrheit aus SPD, Grünen und Linken die Abschaffung der Hochschulgebühr von 500 Euro pro Semester.
    Mit der Karlsruher Verfügung können nun alle Studierenden bis jetzt gezahlte Gebühren versuchen einzuklagen.
    Quelle: FR

    Siehe zu diesem Urteil:
    Studiengebührenurteil des Hessischen Staatsgerichtshofs: Chancengleichheit durch Verschuldung

    Dazu:

    Studenten reichen in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde ein
    Politische Urteile gehören auf den Prüfstand.” Mit diesen Worten haben heute zwei Vertrauensleute der hessischen Verfassungsklage gegen Studiengebühren eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen die Mehrheitsentscheidung des hessischen Staatsgerichtshofes erhoben.
    Quelle: Linkszeitung

  16. “Deine Rechte in der Ausbildung” – Tipps für Berufsstart und Ausbildung neu erschienen
    Am 1. September startet das neue Ausbildungsjahr. Die Gewerkschaften bieten den künftigen Azubis deshalb auch dieses Jahr wieder aktuelle Informationen für die Zeit nach der Schulbank. Kompakt und übersichtlich hat die DGB-Jugend in der Broschüre “Deine Rechte in der Ausbildung” Tipps für den Berufsstart zusammengestellt. Auszubildende und SchülerInnen finden auf den 86 Seiten die wichtigsten Infos über ihre Rechte, ihre Pflichten und den Service der Gewerkschaften.
    Bestellen unter: dgb.de
  17. Hyperaktive Kinder und technokratische Medizin – Diagnosenexpansion
    Die Verschreibung von Ritalin an Jungen, bei denen das Syndrom der “Allgemeinen Aufmerksamkeitsstörung” und der Hyperaktivität ermittelt wurde, hat dramatisch zugenommen. Waren es 1993 in der Bundesrepublik noch insgesamt 34 Kilogramm, die man verabreichte, so stieg die Zahl im Jahr 2006 auf 1221 Kilogramm (Rolf Haubl und Katharina Liebsch: “Mit Ritalin leben. Zu Bedeutung der ADHS-Medikation für die betroffenen Kinder”, in: Psyche Heft 7, Jg. 62, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2008).

    Laut FAZ nennen die Autoren nennen Haubl und Katharina Liebsch ein von Ärzten wie von Patienten und Angehörigen geteiltes “objektivistisches Vorurteil” als Gründe für den Anstieg. Verdrängt werde die Frage nach Nebenwirkungen, wie sie etwa in Studien zur Häufung von Chromosomenschäden nach Ritalin-Einnahme aufgeworfen werde – ein Befund, dem andere Studien allerdings inzwischen widersprochen haben.
    Quelle: FAZ (leider nur gegen Gebühr)

    Anmerkung Georg Lind: Es ist erschreckend, wie einseitig das Problem der so genannten Aufmerksamkeitsstörung bei Kindern behandelt wird:

    • Ursache und Störquelle ist IMMER nur das Kind; Schule, Lehrer, Mitschüler, Eltern kommen nie in Verdacht, etwas damit zu tun zu haben
    • Im Kind sind es IMMER genetische Ursachen; Umwelteinflüsse, Entwicklungsprobleme (Myelinisierung, Lernprobleme, individuelle Interessen und Lebensentwürfe etc.) kommen nie in Verdacht
    • Eine Behandlung ist IMMER nur durch alleinigen oder kombinierte Einsatz von Medikamenten (bekanntestes: Ritalin) möglich, obwohl die Begründung “genetisch bedingt, also Medikament” keiner Überprüfung standhält.

    Was mich immer wieder wundert: Bei meinen häufigen, jahrelangen Beobachtungen von Schülern in gut gemachtem Unterricht habe ich noch nie auch nur Anzeichnen von Aufmerksamkeitsstörung entdecken können. Auch in meinen Seminaren kommt das so gut wie nie vor (in meinen Vorlesungen schon eher). Klar: Schüler und Studenten hängen auch mal ihren eigenen Gedanken nach, wenn etwas für sie Wichtiges anliegt. Auch kommt es in gutem Unterricht vor, dass Kinder angestrengt über das nachdenken, was sie in der Schule gerade erlebt oder gelernt haben, und alles andere um sich herum vergessen und nicht mehr ansprechbar sind.

    Ist es das, was manchen Lehrer stört, das DENKEN? Wollen diese Lehrer immer nur, dass die Kinder zuhörer, aber nie, dass sie das Gehörte auch verarbeiten, also verstehen und anwenden lernen? Geht man also mit Ritalin letzen Endes gegen das Denken vor? Ich will nicht ausschließen, dass Umweltgifte und Lebenshetze der Modernen in Kindern Störungen verursacht, die in meiner Erfahrungswelt (noch) nicht so häufig vorkommen, dass ich sie bemerken konnte. Aber ich bestehe darauf, dass das Problem “Aufmerksamkeitsstörungen” ohne Scheuklappen und Tunnelblick angegangen wird. Es wird dann vermutlich erkennbar, dass wir an der Verbesserung des Unterrichts und indirekt an der Verbesserung der Lehrerbildung ansetzen müssen. Wenn Lehrer wüssten, wie Lernen wirklich funktioniert, würde, so meine Überzeugung, bald kein Geld mehr mit Ritalin zu verdienen sein.

  18. Tageszeitungen verlieren weiterhin Reichweite – “Forcierte Abkehr” der Jüngeren
    Die regionalen Abonnementszeitungen verloren (nach der Studie “Markt- und Werbeträgeranalyse 2008” (AWA) des Allensbacher Instituts für Demoskopie) 3,6 Prozent ihrer Gesamtleserschaft. Mehr als doppelt so groß ist der Verlust bei den Jüngeren: Bei den unter 30-Jährigen nahm die Reichweite sogar um 7,7 Prozent ab. Bei den überregionalen Tageszeitungen verloren FAZ und Bild. Interessanterweise haben dagegen Handelsblatt und Financial Times Deutschland, zwei stark wirtschaftlich orientierte Tageszeitungen, etwas zugelegt. Die Tagespresse erreiche nur mehr 58,6 Prozent der 14- bis 64-Jährigen.
    Quelle: FR

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