Was hat man uns nur erzählt?
Von Dr. Bernd Niquet.
Von Dr. Bernd Niquet.
„Mit überwältigender Mehrheit (84 Prozent) hat sich die deut sche Bevölkerung für weitere Reformen in Staat und Gesellschaft ausgesprochen.“ Das zeige eine repräsentative Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, so heißt es in einer Pressveröffentlichung vom 30.09.05.
Schaut man sich die Umfrage genauer an, so ist die Fragestellung so formuliert, dass eigentlich jeder vernünftige Mensch die „Notwendigkeit weiterer Veränderungen des Staates“ für erforderlich halten muss. Außerdem macht die Studie deutlich, dass die Befragten an völlig andere Reformen denken, als solche, wie sie etwa in der Agenda 2010 vorgesehen sind. Die Überschriften und Schlagzeilen, die wir lesen und hören, suggerieren jedoch, als forderten die Deutschen „weitere“ Reformen im Sinne der neoliberalen Reformkonzepte.
Ein Leser der NachDenkSeiten schreibt sich seinen Ärger über die Lektüre von BILD vom 22.09.05 von der Seele.
Einer unserer Leser kritisiert eine ungenaue Formulierung in meinem Text zu Hengsbach und den Intellektuellen und gibt zusätzlich viele interessante Hinweise. Hier seine Mail:
Von Timm Schützhofer.
Das ist die prognostische Aussage eines Artikels in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Der Beitrag von Eckart Lohse ist in mehrfacher Hinsicht interessant:
Eine Beobachtung von Holger Siepmann.
Würden die Unternehmenssteuern auf 25% abgesenkt, gewönne Deutschland im Schnitt 456 Rangplätze und wäre das attraktivste Ziel für Investoren in Europa, behauptet das Magazin. Ein übler Trick, um den Steuersenkungswahnsinn voran zu treiben.
Das geschah mit Kirchhof. An ihm hängen sich die Wirtschaftsnahen in der die Union an, also Merz, Austermann, Koch. Sie loben Kirchhof und drängen Merkel, den Kompromiss des CDU/CSU-Programms aufzulösen. Ähnlich hat sich Biedenkopf eingeschaltet.
Möglicherweise haben Sie sich über meinen Tagebucheintrag vom 5.8. gewundert. Damals habe ich davor gewarnt, den Umfrageinterpretationen im allgemeinen und der damaligen Meldung von Infratest und ARD im besonderen („Schwarz-Gelb ohne Mehrheit“) einfach so zu glauben. Wie richtig diese Warnung unter Hinweis auf die Fehlertoleranz bei Umfragen war, zeigt die neue Umfrage von ARD und einigen Zeitungen. In der Welt heißt es heute, gerade einmal 14 Tage später: „ARD-Umfrage: Schwarz-Gelb mit 49 Prozent vorn…. Damit wäre das Patt zwischen dem rechten und linken Parteienlager aufgehoben. Das ist das Ergebnis des aktuellen Deutschlandtrends im Auftrag der ARD-“Tagesthemen” und der WELT.“
Wie Sie am Vergleich beider Meldungen – „Schwarz-Gelb ohne Mehrheit“ und „Schwarz-Gelb mit 49% vorn“ – sehen, können Sie die Institute und ihre Interpretationen in der Pfeife rauchen, um es etwas despektierlich zu sagen.
Unter Bezugnahme auf eine empirische Studie von Prof. Michael Haller von der Universität Leipzig berichtet der Verein „Netzwerk Recherche“ über zunehmende Veröffentlichungen von PR-Texten als redaktionelle Beiträge. Neben der direkten Einflussnahme berichtet Haller von einer verstärkten Ausrichtung der Zeitungsberichterstattung auf den „Mainstream politischer Mehrheitsmeinungen im Publikum“. Ausdrücklich erwähnt wird die arbeitgeberfinanzierte„Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, die direkt und indirekt auf das Agenda-Setting der Redaktionen Einfluss nehme.
Unter dieser Überschrift stellt das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in seinem Internetangebot eine Analyse der Bertelsmann-Stiftung „Deutschland kommt wieder“ vor und will daraus Honig für die „Reformpolitik“ von Rot-Grün saugen. Ein Musterbeispiel dafür, wie sich die Bundesregierung die neoliberale Ideologie zu eigen gemacht hat.
„Privaten Hochschulen wird nachgesagt, dass sie besser ausbilden: effektiver, praxisnäher, erfolgreicher für den Arbeitsmarkt.“ Mit dieser manipulativen Behauptung machte das Centrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmann-Stiftung Propaganda für die Privatisierung von Hochschulen (siehe NachDenkSeiten v. 21.6.05). Der Wissenschaftsrat sagt etwas anderes: Er fällte ein vernichtendes Qualitätsurteil über das Medizin-Studium an der Privatuniversität Witten-Herdecke und fordert die Hochschule auf, ab sofort keine Neueinschreibungen mehr vorzunehmen.
Wenn Otto Schily von „Fremdarbeitern“ spricht, dann gilt das als eine Frage der Abwehr von Ein- und Zuwanderung von ausländischen Arbeitnehmern, also als liberal und demokratisch. Wenn Oskar Lafontaine dasselbe Wort im Zusammenhang von Lohndumping durch ausländische Arbeitnehmer benutzt, dann nutzen das viele, um ihn in die rechtsradikale Ecke zu stellen.
„Unser Kurs stimmt“ sagte Wirtschaftsminister Clement bei der Vorstellung der Arbeitsmarktdaten des Monats Juni 2005. Als besonders positiv bewertete er den Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen auf 38,98 Millionen. Bei dieser Zahl werden natürlich alle „Ich-AGs“, Ein-Euro- oder Mini-Jobber mitgezählt. Nun soll aber der Hartz-Kurs die Arbeitslosen ja gerade nicht in prekäre Arbeitsverhältnisse zwingen sondern in den ersten Arbeitsmarkt integrieren und da fragt es sich, ob dieser „Kurs stimmen“ kann: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat gegenüber dem Vorjahr um 330.000 auf 26,15 Millionen abgenommen. Mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Sozialversicherungssysteme.
Grafik von Joachim Jahnke: