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Meinungsmache

Thesen zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung – Wer vom Reichtum nicht reden will, sollte auch von der Armut schweigen

Das Bundeskabinett hat heute – ein Jahr verspätet – den innerhalb der Regierung heftig umstrittenen 4. Armuts- und Reichtumsbericht gebilligt. Die Bundesregierung bewertet dessen Befunde „überwiegend positiv“: der Arbeitsmarkt habe sich gut entwickelt, es gebe eine Trendwende in der Einkommensentwicklung, die Schere zwischen Arm und Reich habe sich nicht weiter geöffnet, das Armutsrisiko sei nicht gestiegen, die Einkommens- und Vermögenssituation Älterer sei überdurchschnittlich gut. Deutschland gehe es so gut wie nie, meint FDP-Chef Philipp Rösler.
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge schaut auf die Wirklichkeit hinter der politischen Schönfärberei durch die Regierung.

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Jetzt erlebt der konservative Demokrat Frank Schirrmacher die Aggressivität gezielter Manipulationen und Kampagnen

Seit Erscheinen seines Buches „Ego. Das Spiel des Lebens“ – hier die Rezension von Jens Berger – attackieren eine Reihe von Autoren und Medien – an vorderer Front Springers „Welt am Sonntag“ und „Die Welt“ – den Autor und seine Werke. Der Konservative Frank Schirrmacher erlebt jetzt, was Politikern und Autoren auf der eher linken Seite des politischen Spektrums tagaus tagein geschieht. – Jetzt hat sich die Kampagne bei Wikipedia niedergeschlagen. Dort wird nur auf negative Kritiken hingewiesen (siehe Anlage), obwohl es auch viele positive gibt. Der Autor muss sich jetzt auch mit einem Vorwurf herumschlagen, dem wir Macher der NachDenkSeiten wie auch ich als Buchautor ständig ausgesetzt sind: Wir seien Verschwörungstheoretiker. Dabei ist die Realität, wie wir täglich beweisen können, viel schlimmer, als sich das der fantasievollste Verschwörungstheoretiker ausdenken könnte. – Was jetzt mit Schirrmacher geschieht, scheint rätselhaft, ist es aber nicht. Albrecht Müller.

Der Kollektive Wahn, Reformstau sei die Ursache der Krisen, lebt unangefochten fort. Eigentlich erscheint die Aufklärungsarbeit erfolg- und sinnlos.

Ein großer Aufklärer ist leider gerade gestorben: Stéphane Hessel. Seinen viel gepriesenen Optimismus kann ich auf dem Hintergrund seiner persönlichen Geschichte gut verstehen. Aber ich teile ihn nicht. Hessels Büchlein „Empört euch!“ wurde von Millionen Menschen gelesen. Hessel rief zum Kampf gegen den Einfluss der neoliberalen Ideologie und für Sozialstaatlichkeit auf. Hatte und hat das Folgen? Wir haben einen neoliberal eingefärbten Beschöniger als Bundespräsidenten; wir haben eine Bundeskanzlerin und mit Wolfgang Schäuble einen Finanzminister, die ausgesprochen populär sind, obwohl sie die bei uns erprobten neoliberalen Reformen und so genannten Sparmaßnahmen anderen Völkern aufdrücken. Unangefochten von Vernunft und Wahlergebnissen wird nach den Wahlen in Italien wieder einmal unisono und mit erhobenem Zeigefinger die Fortsetzung der so genannten Reformen gefordert. Der SPD-Spitzenkandidat Steinbrück würde auch Hessel einen Clown nennen, wenn dieser nicht den Schutz seiner KZ-Vergangenheit und seines Bucherfolgs genösse. Von Albrecht Müller

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Die Lüge von der „Staatschuldenkrise“

Die Kanzlerin, der Finanzminister, die meisten Parteien, die Medien sowieso, reden ständig von der „Staatsschuldenkrise“ und begründen damit den alternativlosen „Sparkurs“.
Zumindest Merkel und Schäuble müssten es besser wissen. Vor allem der Finanzminister müsste doch wissen, was sein eigenes Ministerium offiziell bekannt gibt. Danach liegt der Anstieg der Schulden nicht in der „Haushaltswirtschaft“, sondern in den Effekten der Finanzmarktkrise.
Behauptungen wider besseres Wissen nennt man landläufig Lügen. Von Wolfgang Lieb

Fluchtpunkt „Chancengerechtigkeit“ – Oder: Wie die INSM über die Einkommens- und Verteilungsungerechtigkeit hinwegzutäuschen versucht

Die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) macht sich Sorge, dass sich in der von 70 Prozent der Deutschen empfundenen Gerechtigkeitslücke politischer Sprengstoff ansammeln könnte. Um den wachsenden Unmut über die zunehmende Einkommens- und Verteilungsungerechtigkeit umzulenken, hat die neoliberale Propagandaagentur beim demoskopischen Hoflieferanten der CDU, dem Institut für Demoskopie Allensbach eine Umfrage bestellt, die natürlich vorab in der Bild-Zeitung veröffentlicht wurde. Mit dieser Untersuchung wird die Behauptung begründet, dass die Deutschen gar nicht so sehr die manifeste soziale Ungleichheit bekümmert, sondern dass sie eher auf mehr „Chancengerechtigkeit“ in der Zukunft hoffen.
Diese Behauptung ist eine doppelte Manipulation: einmal durch die Studie selbst, dann aber vor allem durch deren Interpretation durch die INSM. Es ist ein kläglicher, aber leider wohl wirkungsvoller Versuch die politische Debatte im Wahljahr zu beeinflussen. Von Wolfgang Lieb.

Schavan: „Die angesehenste Bildungspolitikerin des Landes“ – Ein Meisterstück politischer Propaganda

Wenn es ums Selbstlob geht, ist Angela Merkel keine Übertreibung zu peinlich. Nachdem sie sich als Kanzlerin der „erfolgreichsten Regierung seit der Wiedervereinigung“ gepriesen hat, hat sie nun mit Annette Schavan rührselig als „die angesehenste Bildungspolitikerin des Landes“ aus dem Kabinett entlassen. Und ohne auch nur eine Sekunde über Schavans Bildungspolitik nachzusinnen, stimmen alle, von Gabriel, über Trittin bis zu Rösler, die CDU-Politiker sowieso in Merkels Lobeshymne ein. Die Medien überschlagen sich mit würdigenden Nachrufen.
Der unvermeidbare Rücktritt der Bildungsministerin wurde als politische Erfolgspropaganda inszeniert. Welche Erfolge hat Schavan der Bildung, der Wissenschaft oder der Forschung tatsächlich hinterlassen?

Hallo, liebe Journalisten-Kolleginnen/en: Was sind denn die Leistungen der „großen“ Bildungspolitikerin Schavan?

Schon vor ihrem Rücktritt wurden wir Zeugen eines aberwitzigen Diskurses: die arme Annette Schavan, die erfolgreiche Bildungs- und Forschungsministerin kommt in Not, weil es – anders als bei Kapitalverbrechen – bei vorsätzlicher Täuschungsabsicht bei der Dissertation keine Verjährungsfrist gibt. Die Arme muss gehen, weil die Universität Düsseldorf bei der Betreuung der jungen Doktorandin versagt hat. Die Uni hat ihr ein viel zu langes Diss-Thema verabreicht. Ach, die Arme. Wo sie doch so erfolgreich war! Ja, wo denn und wie denn? Studiengebühren und G8 in Baden-Württemberg – eine reine Erfolgsgeschichte! Meine Tochter studierte Physik im baden-württembergischen Heidelberg, als Schavan dort gegen alle Vernunft Bachelor und Masters durchsetzte. Haben Sie etwas davon gehört, dass sie Widerstand gegen diesen EU-Irrsinn angemeldet hätte? Und dann im Bund die Exzellenzinitiative – eine reine Erfolgsgeschichte! Von Albrecht Müller

Connection reset by Peer – Steinbrück zieht die Reißleine

Das „Peerblog“ wird wohl als einer der skurrilsten Episoden in die Geschichte der deutschen Kanzlerkandidaturen eingehen. Angefangen mit der verdeckten Finanzierung, über die nur noch als dilettantisch zu beschreibende Machart, gepaart mit einem größtmöglichen Fremdschämpotential, wirkte das Peerblog so, als sei es vielmehr eine besonders perfide Kampagne des politischen Gegners. Damit reiht sich das Peerblog nahtlos in den Katastrophenwahlkampf Steinbrücks ein.

peerblog - das wars

Und dabei kann Steinbrück noch von Glück reden, dass ihm gestern ein vermeintlicher „Hackerangriff“ die Möglichkeit offenbarte, das verunglückte PR-Experiment vom Netz nehmen zu lassen – denn gleichzeitig kündigte die Linkspartei an, die Bundestagsverwaltung wegen eines Verstoßes gegen das Abgeordnetengesetzes gegen Steinbrück und die anonymen Hintermänner des Peerblogs ermitteln zu lassen. Von Jens Berger

Die GroßeMittelKlasse

  1. Was erlaubt sich Buffett? – Eigensinn

    „Wieso denn Klassenkampf? Das ist Betrug!“ rief die ältere Dame vor weithin studentischem Publikum aus. Die Veranstaltung galt der Finanzkrise 2007 bis 2009, ihren Ursachen und Folgen. Die Dame aber sah nur unfähige Politiker, erdrückende Schulden und sich selbst als „Opfer finanzieller Repression durch den Staat“.

    Klassenkampf? Klassenkampf ist out, der Begriff so verpönt wie die Wahrnehmung der Praxis. Sicher, Warren Buffett kritisiert gelegentlich den „Class War“, den seinesgleichen führe und selbstredend gewinne, aber der Mann ist auch 82 und unantastbar reich.

    Gewöhnliche Leute und die Alltagsmedien meiden das Wort, es ist sogar einem kämpferischen Internet-User wie @advance so unangenehm wie „Arschficken mit Hämorriden“, alternativ: eine schmerzhafte sexuelle Aktivität.

    Gekämpft, ja gekämpft wird in dieser Welt um alles, selbst um Parkplätze – aber kämpfende Klassen? Überhaupt: Klassen? Ehrenwert ist doch nur eine, die „Mittelklasse“. Sie hat das Bewusstsein so imponierend ergriffen, dass der User @radura sie ironisch und sprachspielerisch „GroßeMittelKlasse“ nennt.

    Von Karl-Heinz Klär[*].

Anonymes Geld für Steinbrück! – Zur Attacke darauf kann die CDU einfach frühere Anzeigen der SPD umkopieren.

Die Kommunikationsagentur steinkuehler-com hat das neue “PeerBlog” für den SPD-Kanzlerkandidaten an den Start gebracht hat. Seit Sonntag bloggen Agenturinhaber Steinkühler und seine Mitarbeiter „für“ den Kandidaten. Finanziert wird das Projekt von anonymen „Unternehmerpersönlichkeiten“. Diese Nachricht erinnerte mich an meine eigene Wahlkampf-Vergangenheit: Vor gut 40 Jahren war ich verantwortlich für Willy Brandts Wahlkampf und für diese Anzeige:

Sie war Teil einer wichtigen Kampagne der SPD gegen das „Große Geld“ – siehe auch unten – und seinen Einfluss auf die CDU und ihren Kanzlerkandidaten Barzel. Vor allem mit dieser Kampagne haben SPD und Brandt damals 100 tausende von Menschen dazu bewegt, sich im Wahlkampf zu engagieren. „Wahlkampf von unten“ nennt die SPD Führung das heute. Wie will sie das schaffen, wenn sich Steinbrück mit anonymen Geldern finanzieren lässt? Albrecht Müller.

Meinungsmache bestimmt das politische Leben Nr. 4: Die Parteistrategen verkünden offen, wie sie die Wähler/Innen rumkriegen wollen.

Quasi als Nachklapp zu den Wahlen in Niedersachsen kann man in diesen Tagen mit einem Blick in die Medien gebündelt und direkt aus dem Mund von Parteisprechern erfahren, welche Themen und Botschaften die Parteien im weiteren Verlauf des Wahlkampfes ansprechen wollen, wie sie ihr Image und die Wählerpotenzial erweitern wollen, welche Führungspersonen welche Rolle übernehmen sollen usw. Normalerweise würde gelten, dass die Parteistrategen solche Überlegungen anstellen und anwenden. Jetzt wird uns erklärt und öffentlich diskutiert, wie das gehen soll. Die Parteien halten ihre potentiellen WählerInnen offensichtlich für unsensibel, kritiklos und absolut manipulierbar. Am Beispiel eines Mediums, der Süddeutschen Zeitung vom Montag sollen einige konkrete Fälle skizziert werden. Von Albrecht Müller

Sinn kann´s nicht lassen

Von den unseligen Target-Salden will „Deutschlands klügster Professor“ (BILD-Zeitung) offenbar nichts mehr wissen. In seinem jüngsten Gastartikel für die FAZ verabschiedet sich Hans-Werner Sinn ohne große Worte von seinem einstigen Steckenpferd. Auch bei einigen anderen Themen rudert der Boulevard-Ökonom zurück. Getreu dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ erfindet Sinn sich offenbar täglich neu. Das wäre durchaus erfreulich, würde Sinn nicht wieder einmal mit Scheuklappen durch die Welt laufen, die Leser manipulieren und dem Ganzen den typisch „sinnschen“ Weltuntergangspathos verleihen. Von Jens Berger

Achtung Falschmeldung: „Armutsrisikoquote junger Erwachsener liegt unter 10 %“

„Die Armutsrisikoquote junger Erwachsener zwischen 18 und 24 Jahren liegt unter zehn Prozent. Darüber informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/12022) auf eine Kleine Anfrage (17/11639) der Fraktion Die Linke. Insgesamt 9,7 Prozent dieser Altersgruppe waren 2010 vom Armutsrisiko betroffen: 9,3 Prozent der männlichen und 10,2 Prozent der weiblichen jungen Erwachsenen.“ So lautet die Pressemitteilung des Deutschen Bundestags. Diese Meldung ist schlicht falsch. Aus der Antwort der Bundesregierung (S. 3) [PDF – 2 MB] ergibt sich, dass ausschließlich das „Armutsrisiko von Arbeitnehmern im Alter von 18 bis 24 Jahren“ im angegebenen Prozentbereich liegt. Damit wird die Erfolgsmeldung aber zur Misserfolgsmeldung. Heißt das doch, dass selbst unter den jungen Leuten dieser Altersgruppe, die eine Arbeit haben zehn Prozent so wenig Einkommen haben, dass für sie ein Armutsrisiko besteht. Von Wolfgang Lieb

Konjunkturstatistik 2012 – auf die Lesart kommt es an

„Die deutsche Wirtschaft trotzte 2012 der europäischen Wirtschaftskrise“, so ist die Pressemitteilung [PDF – 106 KB] zur Meldung der jüngsten Konjunkturdaten durch das Statistische Bundesamt überschrieben. Richtig ist, dass die deutsche Konjunktur im letzten Jahr im Vergleich zu unseren Nachbarländern auf durchaus stabilem Niveau stagniert. Die inländische Konjunktur befindet sich aber auch in Deutschland in der Rezession, lediglich der immer größer werdende Exportüberschuss hat dazu geführt, dass die deutsche Wirtschaft 2012 überhaupt gewachsen ist. Diese Entwicklung ist jedoch gesamtwirtschaftlich fatal. Anstatt als „Wachstumslokomotive“ die Eurozone mitzuziehen, hat die Exportfixierung der deutschen Wirtschaft dazu geführt, dass die gefährlichen ökonomischen Ungleichgewichte auch im letzten Jahr erneut gestiegen sind. Von Jens Berger.