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Meinungsmache

6,5 Millionen fehlende Fachkräfte? Wie eine zweifelhafte Zahl das Licht der Welt erblickte

Unter dieser Überschrift verschickte der Mathematiker und Statistiker Gerd Bosbach das interessante Ergebnis seiner und seines Kollegen Korff Recherchen zu einer im Mai publizierten Warnung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, im Jahre 2025 würden 6-7 Millionen Fachkräfte in Deutschland fehlen. Wir weisen auf den Artikel von Bosbach/Korff hin, weil er in vieler Hinsicht interessant ist. In den deutschen Medien wurde Bosbachs Bericht nahezu nicht wahrgenommen. Er wundert sich darüber, ich nicht. Denn so ist die Medienlage. Was nicht in die Linie des üblichen Kampagnenjournalismus passt, wird einfach ignoriert. Was passt, wird vielfältig und in Variationen publiziert und propagiert. Albrecht Müller.

Hurra, wir sparen uns kaputt

Wie überall in Europa und den westlichen Industriestaaten bricht das Wachstum auch in Deutschland ein. Nur noch um 0,1 Prozentpunkte ist das BIP im Sommer gegenüber dem ersten Quartal 2011 gestiegen. Von wegen „Aufschwung XL“. Da in ganz Europa und in den westlichen Industrienationen nur noch massiv gespart wird, bricht nahezu überall das Wachstum ein. Das bringt logischerweise den deutschen Wachstumsmotor „Export“ ins Stottern. Trotz eines angeblich „robusten Arbeitsmarktes“ bremst eine schwache Binnennachfrage den „Aufschwung“. Da es in einer Art von Gehirnwäsche gelungen ist, die Banken- und Finanzkrise in eine „Staatsschuldenkrise“ umzudeuten, ist in den Regierungen eine Spar-Pandemie ausgebrochen. Während der letzte Wirtschaftseinbruch im Gefolge der Finanzkrise noch mit staatlichen Konjunkturprogrammen abgemildert werden konnte, werden jetzt, wo angeblich alles der „Staatsverschuldung“ geschuldet ist, mit einer knallharten Austeritätspolitik die Fehler der ersten Weltwirtschaftskrise wiederholt. Wenn kein Umdenken erfolgt, landen wir erneut in einer europa- oder gar weltweiten wirtschaftlichen Depression – mit kaum vorhersehbaren schlimmen Folgen. Wolfgang Lieb

Wer das Volk finanziell bluten lässt, wird es auch real bluten lassen

Die Erkenntnis, dass die Politik in den Fängen der Finanzwirtschaft ist, verbreitet sich. Ich verweise auf den Aufsehen erregenden Beitrag von Frank Schirrmacher in der Frankfurter Allgemeinen und das dortige Forum, auf den Basisartikel des konservativen Publizisten Moore im britischen Telegraf und auf einen Kommentar von Michael Spreng, früher einmal Berater von Stoiber. Offenbar setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Finanzwirtschaft die Politik bestimmt und auf diese Weise weltweit uns Steuerzahler für ihre Abenteuer bezahlen lässt. In den NachDenkSeiten konnten Sie das, wie Frank Schirrmacher freundlicherweise vermerkt, schon lange lesen. Siehe unsere Rubrik Finanzkrise und viele andere Beiträge. Albrecht Müller.

„Die Märkte“, „Die Märkte“, „Die Märkte“ – der Blick in die deutschen Medien bringt nur noch Verwirrung

Gestern Abend war der „Mediengenuss“ einmal wieder besonders bedrückend. Erst Spiegel online mit „Euro-Retter riskieren Inflation“, dann das Heute Journal und die Tagesthemen. Nahezu durchgehend Nachplappern von Klischees, ohne jeden aufklärenden Effekt und nahezu ohne kritischen Verstand. ARD und ZDF brachten es sogar fertig, den gleichen Anlageexperten einer ziemlich unbekannten Bank zu präsentieren. Immer wieder der Verweis auf die „Märkte“, auf die „Anleger“, auf die „Händler“. Die Börsen- und Wirtschaftsjournalisten tun so, als hätte es nicht mit der Finanzkrise die Offenbarung eines gigantischen Spielcasinos gegeben. Albrecht Müller.

Es lebe die Anonymität im Netz!

Zwei Wochen nach den schrecklichen Anschlägen in Norwegen wagt sich Innenminister Hans-Peter Friedrich aus der Deckung und versucht in einem Interview mit dem SPIEGEL Kapital aus dem Fall Breivik zu schlagen. Nicht die rechtspopulistische Hetze als solche, sondern das Internet trage die Verantwortung für die „Radikalisierung des Einzeltäters“, so die Quintessenz des Interviews. Nicht Aufklärung und die politische Auseinandersetzung, sondern die Aufhebung der Anonymität im Netz sei ein probates Mittel, um die Radikalisierung zu verhindern. Dabei geht es jedoch weniger um Klarnamen und Anonymität, als vielmehr um die Verlagerung der Diskussion um Rechtspopulismus auf ein „Netzthema“. Von Jens Berger

Ein wichtiger Text für Ihr Gespräch mit „guten alten Konservativen“

Unterstellt, das gibt es noch in Ihrem Umfeld: die von konservativen Wertvorstellungen geprägten Menschen, dann sollten Sie eine im Schweizer Tagesanzeiger erschienene Analyse mit dem Titel „Der rechte Abschied von der Politik“ ausdrucken, weitergeben und weiter mailen. Dieser Text müsste zumindest nachdenklich stimmen. Er ist zugleich nützlich für Bündnisüberlegungen und für die Strategie des Umgangs mit der neuen Rechten. Albrecht Müller.

Das Elend des Wirtschaftsjournalismus findet in der Börsenberichterstattung seine Vollendung

In diesen Tagen gehen die Aktienkurse zurück. Unsere Medien sind voll von Meldungen und Kommentaren. Die Börsenberichterstatter tun so, als handele es sich um einen volkswirtschaftlich wichtigen Vorgang. Sie wissen auch genau, worauf diese Änderung an den Aktienbörsen zurückzuführen ist. Von der entscheidenden Ursache der Kursschwankungen, von der allgegenwärtigen Spekulation, ist nicht die Rede. Im Anhang finden Sie die Links zu einer kleinen Auswahl von Berichten und Kommentaren der letzten Stunden. Daran kann man zeigen, wie desolat diese Berichterstattung ist. Dieser Beitrag soll helfen, auf diesen Mist nicht mehr zu achten. Albrecht Müller.

S 21: Die „Spitzen“ der Kommunalen Spitzenverbände urteilen verantwortungslos voreilig

Sie bleiben ihrer Linie treu: Verantwortungslos voreilig haben sich erneut die drei Kommunalen Spitzenverbände für den Bau von Stuttgart 21 ausgesprochen. „Stuttgart 21 muss jetzt kommen!“ haben sie in einer Pressemitteilung wissen lassen. Und eine Volksabstimmung ist natürlich auch nicht gewünscht: „Die Kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg sind sich einig – Landkreistag, Städtetag und Gemeindetag lehnen den vergangene Woche von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf für ein ‚Stuttgart 21-Ausstiegsgesetz’ als inhaltlich falsch, wirtschaftlich untragbar und verfassungsrechtlich äußerst fragwürdig ab.“ Von Hermann Zoller

Goldfinger – die Spekulation mit der Angst

Der Goldpreis erklimmt mit jedem Handelstag ein neues Rekordniveau. Wie bei einem Herdentrieb lassen sich immer mehr eingeschüchterte Bürger in Goldinvestments treiben. Gold ist jedoch keinesfalls der sichere Hafen, wie er oft scheint oder vorgegaukelt wird. Der Markt für physisches Gold ist gefährlich klein, die Spekulation hat jedoch in den letzten Jahren ein gigantisches Volumen erreicht. Es scheint fast so, als haben einige große Spieler es darauf abgesehen, mit der Goldblase das ganz große Geschäft zu machen. Anstatt zu warnen, heizen Medien und viele sogenannte „Experten“ die Spekulation zusätzlich an. Von Jens Berger

Steuersenkung: Eine Ideologie aus Halbwahrheiten und Lügen

Da hat mal ein Hinterbänkler der CDU, Norbert Barthle, einen Vorschlag gemacht die Steuerbelastung der höchsten Einkommen zwischen 100.000 und 250.000 Euro (als Lediger) ein klein wenig von 42 auf 45 Prozent zu erhöhen, um Steuerentlastungen für kleine und mittlere Einkommen zu finanzieren, und schon blasen die Steuersenkungsfanatiker zum Gegenangriff. CSU-Chef Horst Seehofer sagte dem Spiegel: “Hände weg von der Diskussion über eine Gegenfinanzierung für Steuererleichterungen.” Schäuble äußert Unverständnis, FDP-Chef Rösler warnt: “Steuererhöhungen sind mit uns nicht zu machen.“. Am ausführlichsten schimpfte der FDP-Finanzpolitiker Hermann Otto Solms in einem Interview im Deutschlandfunk. Solms lief natürlich nahezu das gesamte Wochenende über sämtliche Nachrichtensender. Die Argumentation von Solms ist ein Musterbeispiel, wie hierzulande mit Halbwahrheiten und glatten Lügen die Leute für dumm verkauft werden sollen. Wolfgang Lieb

Die Verschiebung der Achse nach Rechts ist das Ergebnis eines Zusammenspiels von solchen, die sich Demokraten nennen, mit der Rechten – verbunden über „kommunizierende Röhren.“

Mit bisher drei Beiträgen sind wir bei der Analyse der Gewalttat in Norwegen auf die Rolle der „Brandstifter“ eingegangen – hier, hier und hier. Ich verstehe, dass sich die möglichen Brandstifter gegen diesen Vorwurf wehren. Aber sie täten besser daran, darüber nachzudenken, wie eng ihr Denken und Handeln mit dem Gewalttäter von Norwegen verbunden ist und wie weit dies zurückreicht. Politik, Wissenschaft und Publizistik sind in vielfältiger Weise und seit langem mit der gewaltbereiten Rechten verbunden – viele sicher ohne es zu wollen, aber das macht im Ergebnis keinen Unterschied. Ich bin einigen Belegen für diese Beobachtung nachgegangen und skizziere sie im Folgenden. Das sind Denkanstöße für eine Einordnung des Geschehens und der weiteren Entwicklung. Albrecht Müller.

Die Brandstifter wehren sich – die Springer-Zeitungen blasen zum Gegenangriff

Ein bisschen scheinen die Zeitungen des Axel Springer Verlags doch vom schlechten Gewissen geplagt zu sein, wenn sich sowohl die „bürgerlichere“ „Welt“ als auch das Boulevardblatt „Bild“ zu massiver Selbstverteidigung wegen der in manchen Medien zu findenden Kritik an ihrem Starjournalisten Henryk M. Broder oder an ihrer „Bauchredner-Puppe“ Thilo Sarrazin veranlasst sehen.
Von Wolfgang Lieb.

ARD-Presseclub: Das Eingeständnis von „Kampagnenjournalismus“

Unter der Überschrift „Das Unbehagen an der politisch-medialen Klasse“ schrieb unlängst Jürgen Habermas: „Die munteren Moderator(inn)en der zahlreichen Talkshows richten mit ihrem immer gleichen Personal einen Meinungsbrei an, der dem letzten Zuschauer die Hoffnung nimmt, es könne bei politischen Themen noch Gründe geben, die zählen. Manchmal zeigt der ARD-Presseclub, dass es auch anders geht.“.
Manchmal und leider eher dann, wenn sich diese Journalisten-Runde verplappert, möchte man nach der gestrigen Sendung hinzufügen. Was ansonsten von Journalisten mit Empörung zurück gewiesen wird, bestätigten der Bild-Kolumnist Hugo Müller-Vogg und das Mitglied der Chefredaktion des Stern, Hans-Ulrich Jörges eher nebenbei, nämlich dass es in Deutschland „Kampagnenjournalismus“ gibt. Von Wolfgang Lieb