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Meinungsmache

Lohnnebenkosten – die Wirklichkeit zerstört einen Mythos nach dem anderen

„Anteil der Lohnnebenkosten unter EU-Durchschnitt“ so titelt das Statistische Bundesamt [PDF – 96 KB] seine europäischen Vergleichsdaten. Im Vergleich mit 27 EU-Staaten beim Gesamtanteil der „indirekten“ Arbeitskosten auf Platz 14, bei den per Gesetz vorgeschriebene Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung sogar nur auf Rang 17. Was in der öffentlichen Diskussion um die Lohnnebenkosten auch gerne verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass in anderen Ländern mit niedrigeren gesetzlich abverlangten Lohnnebenkosten, die tarif-vertraglichen bzw. freiwilligen Aufwendungen der Arbeitgeber eine erheblich eine erheblich größere Rolle spielen als bei uns. So machten etwa im weitaus weniger sozialstaatlichen Vereinigten Königreich die nicht gesetzlichen Lohnnebenkosten 14 Euro je 100 Euro Bruttolohn aus, in Deutschland waren es 6 Euro. Wolfgang Lieb.

Allensbach-Umfrage: Die „Sozialschmarotzer“-Kampagne scheint angekommen zu sein

In der Bevölkerung hat sich nach einer Allensbach-Umfrage der Eindruck verfestigt, dass viele Arbeitslose gar nicht arbeiten wollen. 57 Prozent sind nach der Anfang Februar veröffentlichten Erhebung des Instituts dieser Meinung, für 33 Prozent sind dies nur Einzelfälle. Wie heißt es doch so schön, man bekommt bei Umfragen immer das Ergebnis, dass man sich vorher wünscht. Aber erstaunlich wäre es nicht, wenn die erlogene Hartz-IV-Missbrauchsdebatte bei der Bevölkerung angekommen wäre. Wolfgang Lieb.

Nochmals: Sprache im neoliberalen Deutschland

In der letzten Zeit haben wir uns öfters mit der Umdeutung, ja der Korruption unserer Sprache und damit auch des Denkens befasst. Wir haben dabei unter Hinweis auf Victor Klemperers „Lingua Tertii Imperii“, einem Tagebuch über die Sprache des Dritten Reiches, oder unter Bezug auf George Orwells Jahrhundertroman „1984“ auf historische und literarische Parallelen zum heutigen „Neusprech“ verwiesen. Einer unserer Leser, Dieter Staadt, hat uns sein ABC des Neoliberalismus zugeschickt – ein Falschwörterbuch aus Wörtern, die absichtlich zu politischen Zwecken umgedeutet wurden.
„Die Dinge falsch benennen, heißt das Unglück der Welt zu vergrößern“, hat Albert Camus einmal gesagt.

Krake Bertelsmann kümmert sich auch um die Zukunft des Gesundheitswesens

Die „Gesundheitsreform muss Versicherteninteressen berücksichtigen“ unter dieser Überschrift gibt sich die Bertelsmann-Stiftung als Anwalt der Versicherten und stellt mal wieder einen Gesundheitsmonitor vor.
Nach einer Umfrage rechnen 62 Prozent der Befragten damit, dass sich der Umfang der Leistungen, die von den gesetzlichen Kassen bezahlt werden, in den nächsten fünf Jahren verringert. Im gleichen Zeitraum befürchten 71 Prozent eine schlechtere Qualität der medizinischen Leistungen und 89 Prozent erwarten steigende Krankenversicherungsbeiträge. Die meisten Versicherten (60 Prozent) haben darüber hinaus Bedenken, im Alter nicht ausreichend medizinisch versorgt zu sein, und 84 Prozent vermuten, dass Wartezeiten auf bestimmte Therapien oder Operationen zunehmen. Wozu macht Bertelsmann solche Umfragen? Wolfgang Lieb.

Sprache im neoliberalen Deutschland

Am 2. Februar haben wir auf eine Sendung von arte unter dem Titel „Sprache lügt nicht“ hingewiesen, in der über Victor Klemperers “Lingua Tertii Imperii”, ein Tagebuch über die Sprache des Dritten Reiches berichtet wurde. Unseren Leser Roberto J. De Lapuente hat das veranlasst über Parallelen in der Sprache des neoliberalen Deutschlands nachzudenken: Für einen Philologen, der sich an Klemperer orientieren will, böte die heutige Alltagssprache ein unglaubliches Jagdgebiet.

Oft bloß nachgeplappert – Eine Studie über den starken Einfluss politischer Öffentlichkeitsarbeit auf die Medien

Eine Schweizer Studie über die journalistische Verarbeitung von Pressekonferenzen kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass man in gut der Hälfte der Berichte keinerlei inhaltliche Eigenleistung der Medien erkennen konnte. Publiziert wurde die unveränderte oder lediglich gekürzte Fassung der Texte, die von den behördlichen Medienstellen zur Verfügung gestellt wurden. Nur 13 Prozent der Beiträge kamen eigenständig zustande. Nachrecherchen erfolgten selten.

Nachtrag zur „berlinpolis“-Studie „Wie sozial ist Europa“

In unserem gestrigen Beitrag haben wir darauf hingewiesen, dass „berlinpolis“ kein unabhängiges wissenschaftliches Institut sondern eher eine PR-Agentur im neoliberalen Reform-Zirkus ist. Ein Leser, der gleichfalls erstaunt ist, dass die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung (HBS) an ein solches „Institut“ Forschungsaufträge vergibt, hat uns auf weitere Aktivitäten von „berlinpolis“ aufmerksam gemacht. Das sollten Sie wissen, wenn Sie wieder mal etwas von dieser Agentur lesen. Wolfgang Lieb.

Anmerkungen zur Strategie der Meinungsmache: „Die Wirtschaft boomt“ und „Null Bock auf Job“.

Seit längerem fällt schon auf, dass die ein bisschen besser verlaufende Konjunktur zu einem Boom hochstilisiert und in der Regel auch den Reformen zugeschrieben wird. Jetzt bringt der WDR in einer Ankündigung für „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg – der Fernsehtipp auf der WDR-Startseite vom 30.1. – eine Erklärung dafür ins Spiel, dass trotz des angeblichen Booms noch zu viele Menschen arbeitslos sind: „Null Bock“ – also selbst schuld. Beide Behauptungen sind höchst fragwürdig. Sie sind vermutlich Teil der fortwährenden Gehirnwäsche.

„Petra Roth holt 60,5 Prozent“ titelt die SZ – aber nur ein Fünftel der Frankfurter Wahlberechtigten hat die Oberbürgermeisterin gewählt.

Die Frankfurter Rundschau spricht sogar von einem „Triumph für OB Petra Roth“. Roth sagte nach ihrer Wiederwahl, sie sei ,,sehr, sehr zufrieden‘‘. Sie sprach von einer Bestätigung für ihre Person und ihre Politik.
Bei einer Wahlbeteiligung von etwa einem Drittel und einer Zustimmung von gerade mal 20 Prozent der Wahlberechtigten scheint bei Politikern und Medien offenbar nur noch der Erhalt der Macht der Gradmesser des Erfolgs zu sein. Die OB-Wahl in Frankfurt ist ein weiteres Warnsignal für die seit mehreren Jahren nicht nur dramatisch zurückgehende sondern für historisch einmalig niedrige Wahlbeteiligungen. Doch kaum jemand sieht darin ein Alarmzeichen für Politik und Demokratie.

Vogelgrippe, ein Beispiel wie man mit Angstmache viel Geld machen kann. Ein Vergleich zur Demografiehysterie drängt sich auf.

Im Frühjahr des vorigen Jahres überzog eine durch die Berichterstattung der Medien geschürte Welle der Angst vor einer Vogelgrippe-Pandemie unser Land. Die Sorge vor einer möglichen Verknappung von angeblich wirksamen Arzneimitteln führte weltweit zu einer sprunghaft erhöhten Nachfrage durch die verängstigte Bevölkerung bei Ärzten und durch die Gesundheitsbehörden. Die geplanten deutschen Ausgaben für die staatliche Bevorratung in Medikamentendepots sollen dabei bis zu 200 Millionen Euro betragen haben. Allein für „Oseltamivir“, eines angeblich wirksamen Bekämpfungsmittel wird eine Umsatzsteigerung von 110 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf über 700 Millionen Dollar bis Ende 2005 kalkuliert. Nun kommt eine Untersuchung im gewiss gegenüber der Pharmaindustrie nicht gerade als kritisch bekannten Deutschen Ärzteblatt zum Ergebnis: „In allen publizierten Fällen von mit aviären H5N1 infizierten Patienten fehlt ein erfolgreicher Behandlungsnachweis.“
Die Vermutung drängt sich auf, dass ganz ähnlich wie bei der Debatte um die demografische Entwicklung Ängste geschürt wurden, um daraus einen kommerziellen Gewinn zu ziehen. Wolfgang Lieb.

Postbank fordert mehr staatliche Subventionen für die private Altersvorsorge und am besten gleich eine private Pflichtrente – Rendite per Gesetz

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag der Postbank hat fast jeder sechste Deutsche Angst vor Altersarmut. Fast jeder zweite Befragte (46 Prozent) hält sich für nicht ausreichend abgesichert. Knapp 90 Prozent der Befragten bezweifeln, dass die gesetzliche Rente noch sicher ist. Den Banker „schockiert“, dass dennoch weniger Menschen privat in die Altersvorsorge investieren wollen als früher. Die ganze Verunsicherungskampagne hat also wenig genutzt, die Deutschen wollen zu 70 Prozent an der „staatlichen Rente“ festhalten. Um bei den störrischen Deutschen endlich einen Durchbruch für die private Vorsorge zu schaffen, fordert der Privatkundenvorstand der Deutschen Postbank jetzt noch mehr staatliche Subventionen für private Vorsorgemodelle – am besten gleich eine gesetzliche private Pflichtrente.

Konsumschock und der klügste Wirtschafts-Professor: Sinn

Heute melden die Medien mit Berufung auf eine Erhebung des Marktforschungsinstituts Gfk, das „Konsumklima schwächt sich im Januar wegen Mehrwertsteuer-Erhöhung ab“. Erstaunlich ist das nicht. Wenn man die wirtschaftliche Entwicklung einigermaßen nüchtern betrachtet und die massive Mehrwertsteuererhöhung angesichts eines äußerst schwachen Aufschwungs sachlich bewertet, dann kann man zu keiner anderen Vorhersage kommen.
Apart in diesem Zusammenhang: Gestern hat die Bild-Zeitung den Münchner Professor Hans-Werner Sinn mal wieder als den klügsten Wirtschafts-Professor vorgestellt. In seinem Interview hat er zum Sparen geraten. Damit liegt er genauso schief wie in seinem Buch, als er Export und Import verwechselte. Wir dokumentieren zu Ihrer Information einiges zur Inkompetenz von Prof. Sinn und zur konjunkturellen Lage. Albrecht Müller.